BFH Urteil v. - II R 45/12 BStBl 2014 II S. 806

Steuerbefreiung für letztwillige Zuwendung eines Wohnungsrechts an Familienwohnung an längerlebenden Ehegatten

Leitsatz

Ein steuerbegünstigter Erwerb eines Familienheims i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG liegt nur vor, wenn der längerlebende Ehegatte von Todes wegen endgültig zivilrechtlich Eigentum oder Miteigentum an einer als Familienheim begünstigten Immobilie des vorverstorbenen Ehegatten erwirbt und diese zu eigenen Wohnzwecken selbst nutzt. Die von Todes wegen erfolgende Zuwendung eines dinglichen Wohnungsrechts an dem Familienheim erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung.

Gesetze: ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4b, GG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 6 Abs. 1

Instanzenzug: (EFG 2012, 2220) (Verfahrensverlauf), ,

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Gründe

I.

1 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist zu 1/3 Miterbin ihres im August 2009 verstorbenen Ehemanns (E). Weitere Miterben sind die beiden Kinder des E.

2 Zum Nachlass gehörte u.a. ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück. Entsprechend den testamentarischen Verfügungen des E wurde das Eigentum an diesem Grundstück jeweils zur Hälfte an die beiden Kinder übertragen und der Klägerin unentgeltlich ein lebenslanges, dinglich gesichertes Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an der in dem Haus befindlichen Wohnung eingeräumt, die die Klägerin und E bis zu dessen Tod gemeinsam bewohnt hatten.

3 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) vertrat die Auffassung, die Steuerbefreiung für Familienheime gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) sei auf den Erwerb von bloßen Wohnungsrechten nicht anwendbar, und bezog daher den Kapitalwert des der Klägerin eingeräumten Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts in die Ermittlung von deren steuerpflichtigem Erwerb ein. Der Einspruch blieb erfolglos.

4 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG sei auf den Erwerb eines bloßen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts weder dem Wortlaut nach noch entsprechend anwendbar. Die Beschränkung der Steuerbefreiung auf den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim sei verfassungsgemäß. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2220 veröffentlicht.

5 Mit der Revision wendet sich die Klägerin gegen diese Auffassung. In verfahrensrechtlicher Hinsicht regt sie an, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über den (BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899) gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.

6 Durch den während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom erklärte das FA die Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) für vorläufig hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG.

7 Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom dahingehend zu ändern, dass der steuerpflichtige Erwerb ohne Berücksichtigung des Kapitalwerts des ihr eingeräumten Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an der Familienwohnung ermittelt und die Erbschaftsteuer entsprechend herabgesetzt wird.

8 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

9 Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 FGO). An die Stelle des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids vom , über den das FG entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Bescheid vom getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden. Diese Vorschriften gelten auch, wenn ein angefochtener Bescheid lediglich um einen Vorläufigkeitsvermerk ergänzt wird (, BFHE 240, 404, BStBl II 2013, 633). Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (, BFH/NV 2011, 1147, und vom II R 12/11, BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740, jeweils m.w.N.).

10 Einer Zurückverweisung der Sache an das FG nach § 127 FGO bedarf es jedoch nicht, da sich aufgrund des Änderungsbescheids an den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten nichts geändert hat (, BFHE 232, 218, BStBl II 2012, 292, und vom II R 30/09, BFH/NV 2011, 755). Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des BFH; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet (BFH-Urteile in BFHE 240, 404, BStBl II 2013, 633, und in BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740).

III.

11 Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Zuwendung des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an die Klägerin unterliegt als Erwerb von Todes wegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG steht der Klägerin nicht zu.

12 1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG bleibt u.a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch den überlebenden Ehegatten steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Der Erwerber kann die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2 ErbStG jedoch nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Dritter in diesem Sinn kann auch ein Miterbe sein (a.A. für die vorliegende Fallgestaltung Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13 Rz 68). Erfüllt der Dritte die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, steht ihm die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift zu.

13 2. Die von Todes wegen erfolgte Zuwendung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an einer vom Erblasser bis zum Eintritt des Erbfalls zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung an den überlebenden Ehegatten erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG.

14 a) Nach ihrem Wortlaut setzt die Vorschrift ausdrücklich den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten voraus. Die Begriffe „Eigentum” und „Miteigentum” sind dabei im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen. Wie sich auch aus dem systematischen Zusammenhang zu den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift ergibt, liegt ein Erwerb i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG nur vor, wenn der Erblasser zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer (§ 1008 des Bürgerlichen GesetzbuchsBGB—) des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt (Geck in Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG Rz 39.7; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz 35; Kobor in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl., § 13 Rz 36; Jochum in Wilms/Jochum, ErbStG, § 13 Rz 84; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 13 Rz 68). Die Einräumung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts gewährt dem Rechtsinhaber demgegenüber nur ein Nutzungsrecht (§ 1093 BGB), lässt aber die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse unberührt und genügt daher nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG (Reimann, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2010, 174, 178). Davon abgesehen begründet ein solches Recht entgegen der Ansicht der Klägerin auch kein wirtschaftliches Eigentum des Berechtigten i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO (, BFH/NV 2007, 1471, m.w.N.).

15 b) Der Zweck des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG rechtfertigt ebenfalls nicht die Anwendung der Vorschrift auf den Erwerb eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts durch den überlebenden Ehegatten.

16 Eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut eines Gesetzes kommt nur in Betracht, wenn die wortgetreue Gesetzesanwendung offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers widerspricht und zu einem offenbar sinnwidrigen Ergebnis führt, das durch die beabsichtigte Auslegung vermieden oder jedenfalls entscheidend gemindert würde, ohne andere Wertungswidersprüche hervorzurufen (vgl. , BFHE 113, 357, BStBl II 1975, 12; vom III R 129/79, BFHE 139, 416, BStBl II 1984, 91, und vom II R 4/12, BFHE 241, 392, BStBl II 2013, 742).

17 Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Zusammenhang nicht erfüllt. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG auf den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem Familienheim ist nicht sinnwidrig. Sie entspricht vielmehr der Absicht des Gesetzgebers, die Gewährung einer Steuerbefreiung auf den Erwerb von Wohneigentum durch den überlebenden Ehegatten zu begrenzen. Ausweislich der Gesetzesbegründung (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 16/11107, S. 8) dient die Regelung über die Steuerfreistellung von Wohneigentum für Ehegatten und Lebenspartner „neben dem Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums dem Ziel der Lenkung in Grundvermögen schon zu Lebzeiten des Erblassers” und der krisenfesten Erhaltung des besonders geschützten Familiengebrauchsvermögens in Gestalt des Familienheims von Ehegatten und Lebenspartnern. Das mit der Vorschrift verfolgte Ziel, die Substanz des begünstigten Immobilienvermögens innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft zu erhalten, kommt auch in den Regelungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Sätze 2 und 3 ErbStG zum Ausdruck. Durch den darin normierten Wegfall der Steuerbefreiung für den Fall, dass der überlebende Ehegatte das Familienheim aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten überträgt oder im Rahmen der Nachlassteilung auf einen Miterben überträgt, soll sichergestellt werden, dass nur demjenigen eine Steuerbefreiung gewährt wird, der endgültig das Eigentum an dem Familienheim erhält (Jochum in Wilms/Jochum, a.a.O., § 13 Rz 84) und dieses selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzt.

18 c) Aus diesen Gründen scheidet auch eine analoge Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG aus. Eine für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke liegt nur vor, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten Teleologie, unvollständig und somit ergänzungsbedürftig ist und seine Ergänzung nicht einer gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (, BFHE 236, 137, BStBl II 2012, 678, und vom II R 49/11, BFHE 238, 499, BStBl II 2013, 104, jeweils m.w.N.).

19 An einer solchen planwidrigen Gesetzeslücke fehlt es vorliegend. Angesichts der mit der Steuerfreistellung verfolgten Ziele und der in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Sätze 2 und 3 ErbStG getroffenen Regelungen zum Wegfall der Steuerbefreiung bei Weitergabe des Wohneigentums ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden hat, nur die Übertragung des Wohneigentums auf den überlebenden Ehegatten und nicht auch die Einräumung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts am Familienheim zu begünstigen. An diese gesetzgeberische Entscheidung sind die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) gebunden.

20 d) Ob eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG zu gewähren wäre, wenn der überlebende Ehegatte das ihm letztwillig zugewendete Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts auf einen Dritten überträgt, ohne hierzu verpflichtet zu sein, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn der Ehegatte hätte in einem solchen Fall —anders als in der Streitsache— jedenfalls unbeschränktes Eigentum erworben, über das er frei verfügen könnte.

21 3. Es ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Besteuerung vereinbar, dass die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG nur eingreift, wenn der überlebende Ehegatte das Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim erwirbt, ohne es aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen zu müssen, nicht aber, wenn ihm lediglich ein dingliches Wohnungsrecht an der Familienwohnung zugewendet wird.

22 a) Weder der durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotene Schutz der Ehe noch die Gewährleistung des Erbrechts durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fordern die in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG vorgesehene Steuerbefreiung oder deren Ausdehnung auf weitere Fallgruppen.

23 Der Gesetzgeber hat nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschlüsse vom 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671; vom 1 BvR 1644/94, BVerfGE 97, 1, und vom 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400) aufgrund dieser grundrechtlichen Bindungen die familiäre Verbundenheit der nächsten Angehörigen zum Erblasser auch erbschaftsteuerrechtlich zu berücksichtigen. Das im Verfassungsrecht verankerte Familienprinzip gibt dem Erbschaftsteuerrecht Maß und Richtung (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 400, unter B.I.3.a cc). Der steuerliche Zugriff ist danach bei nahen Familienangehörigen, also insbesondere Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern und Kindern, derart zu mäßigen, dass diesen der jeweils überkommene Nachlass zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugute kommt (Beschlüsse in BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C.I.2.b aa, und in BVerfGE 126, 400, unter B.I.3.a cc (1)). Eine vollständige Steuerbefreiung des von Todes wegen erfolgenden Erwerbs vom verstorbenen Ehegatten ist hingegen verfassungsrechtlich nicht geboten (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 97, 1, unter B.I.2.a).

24 Die verfassungsrechtlich gebotene Berücksichtigung des Familienprinzips geschieht regelmäßig durch die Gewährung der Freibeträge nach § 16 Abs. 1 ErbStG und die Abstufung des Steuertarifs nach dem Grad der verwandtschaftlichen Beziehungen gemäß §§ 15, 19 ErbStG (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 400, unter B.I.3.a cc (1); , BFHE 242, 153, BStBl II 2013, 1051, Rz 11, 20). Der dem überlebenden Ehegatten gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zustehende Freibetrag von 500.000 € ermöglicht ihm, ein durchschnittliches Einfamilienhaus vom Erblasser von Todes wegen steuerfrei zu erwerben, und genügt somit den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C.I.2.b aa i.V.m. , BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655, unter C.II.5.a; , BFH/NV 2005, 210). Eine zusätzliche Steuerbefreiung des Erwerbs eines Familienheims oder eines Wohnungsrechts daran durch den überlebenden Ehegatten ist verfassungsrechtlich nicht geboten.

25 b) Die Einführung der in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG vorgesehenen Steuerbefreiung verpflichtet den Gesetzgeber auch nicht unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) dazu, die Steuerbefreiung auf den Erwerb eines dinglichen Wohnungsrechts an der Ehewohnung durch den überlebenden Ehegatten zu erstrecken. Der Gesetzgeber durfte vielmehr die in der Steuerbefreiung liegende Ausnahme von der Besteuerung des gesamten Erwerbs aus den oben unter III.2. genannten Gründen auf den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem Familienheim beschränken, ohne den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum zu überschreiten. Es handelt sich dabei um sachlich einleuchtende Gründe für die gesetzliche Differenzierung.

26 Zudem ist zu berücksichtigen, dass die in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG vorgesehene Steuerbefreiung ihrerseits erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Die vom Senat im Urteil in BFHE 242, 153, BStBl II 2013, 1051, Rz 11, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG a.F. erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen im vorliegenden Zusammenhang gleichermaßen (vgl. H.-U. Viskorf in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 13 ErbStG Rz 49; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, a.a.O., § 13 ErbStG Rz 35; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl., Rz 1601). Wie das BVerfG im Beschluss in BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655, unter C.II.5.a ausgeführt hat, muss der Gesetzgeber bei der Steuerfreistellung des zur individuellen Lebensgestaltung bestimmten Vermögens Grundeigentümer und Inhaber anderer Vermögenswerte in einem gleichen Individualbedarf steuerlich gleichbehandeln. Es erscheint zweifelhaft, ob § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG mit diesem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist. Eine Anwendung dieser Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus wäre jedenfalls verfassungsrechtlich noch bedenklicher und ist somit ausgeschlossen.

27 4. Da die Steuerfestsetzung durch den Änderungsbescheid vom hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG für vorläufig erklärt wurde, braucht das Verfahren nicht bis zur Entscheidung des BVerfG über den Vorlagebeschluss des BFH in BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899 ausgesetzt zu werden. Aufgrund der Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung droht der Klägerin kein Rechtsverlust (vgl. , BFHE 219, 81, BStBl II 2008, 26, und vom III R 39/08, BFHE 231, 7, BStBl II 2011, 11, Rz 51, jeweils m.w.N.). Sollte aufgrund einer Entscheidung des BVerfG die Steuerfestsetzung wegen Verfassungswidrigkeit des ErbStG aufzuheben sein, ist diese Aufhebung aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks von Amts wegen vorzunehmen.

Fundstelle(n):
BStBl 2014 II Seite 806
BB 2014 S. 2006 Nr. 34
BFH/NV 2014 S. 1662 Nr. 10
BFH/PR 2014 S. 403 Nr. 11
BStBl II 2014 S. 806 Nr. 16
DB 2014 S. 12 Nr. 33
DB 2014 S. 2148 Nr. 38
DB 2014 S. 6 Nr. 33
DNotZ 2014 S. 691 Nr. 9
DStR 2014 S. 1670 Nr. 33
DStRE 2014 S. 1151 Nr. 18
DStZ 2014 S. 633 Nr. 18
EStB 2014 S. 335 Nr. 9
ErbBstg 2014 S. 221 Nr. 9
ErbStB 2014 S. 241 Nr. 9
FR 2015 S. 51 Nr. 1
GStB 2014 S. 337 Nr. 10
GStB 2014 S. 47 Nr. 12
HFR 2014 S. 914 Nr. 10
KSR direkt 2014 S. 8 Nr. 9
KÖSDI 2014 S. 18999 Nr. 9
NWB-EV 2014 S. 294 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2014 S. 2606
StB 2014 S. 298 Nr. 9
StBW 2014 S. 647 Nr. 17
StBW 2014 S. 660 Nr. 17
StuB-Bilanzreport Nr. 19/2014 S. 744
UVR 2014 S. 301 Nr. 10
wistra 2014 S. 4 Nr. 10
HAAAE-71093