Kernbrennstoffsteuer, Verfahrensrecht:
Aufhebung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
und Unionsrechtmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes
Leitsatz
1. Der 4. Senat des Finanzgerichts
Hamburg hält das Kernbrennstoffsteuergesetz für verfassungswidrig.
Die Kernbrennstoffsteuer besteuere nicht den Verbrauch von Kernbrennstoffen
oder elektrischen Strom, sondern sei eine Steuer zur Abschöpfung
der Gewinne der Kraftwerkbetreiber. Deshalb habe sich der Bund zu
Unrecht auf seine Gesetzgebungskompetenz für Verbrauchsteuern berufen
(im Anschluss an den Vorlagebeschluss des FG Hamburg an das ).
2. Die Unionsrechtmäßigkeit
des Kernbrennstoffsteuergesetzes ist ernsthaft zweifelhaft. Das
in der europäischen Energiesteuerrichtlinie verankerte Prinzip der
"Output-Besteuerung" verbietet es, neben dem elektrischen Strom
selbst auch noch die Energieerzeugnisse zu besteuern, die zu seiner
Produktion eingesetzt werden. Es ist durchaus möglich, dass dieses
Verbot auch die in der Richtlinie nicht ausdrücklich genannten Kernbrennstoffe
erfasst (im Anschluss an das Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg
an den ).
3. Um das Bestehen begründeter
Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheids zu begründen, ist
der Hinweis auf ein anhängiges Vorabentscheidungsersuchen zu den
maßgeblichen Fragen an den EuGH hinreichend, dessen Ausgang nicht
vorhersehbar ist.
4. Veränderte Umstände, die
die Zulässigkeit eines Änderungsantrags nach § 69 Abs. 6, Satz 2
FGO begründen, liegen vor, wenn zu den entscheidungserheblichen Fragen
zwischenzeitlich ein konkreter Normenkontrollantrag an das BVerfG
oder ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet worden
ist.
5. Für die Gewährung von einstweiligem
Rechtsschutz wegen ernstlicher Zweifel, ob das dem angefochtenen
Bescheid zugrunde liegende Gesetz unionsrechtmäßig ist, bedarf es
über die in § 69 FGO ausdrücklich benannten Voraussetzungen hinaus keines
besonderen Interesses des Antragstellers an der Gewährung von Aussetzung
bzw. Aufhebung der Vollziehung.
6. Das für die Gewährung von
einstweiligen Rechtsschutzes wegen ernstlicher Zweifel, ob das dem
angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Gesetz verfassungsmäßig
ist, von Teilen der Rechtsprechung verlangte besondere Aussetzungs-
oder Aufhebungsinteresse ist dann gegeben, wenn das Gesetz dem BVerfG
im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens zur Prüfung vorgelegt
worden ist. Dies gilt auch für Vorlagebeschlüsse eines Finanzgerichts.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): DStRE 2014 S. 1333 Nr. 21 EFG 2014 S. 1172 Nr. 14 Ubg 2014 S. 734 Nr. 11 GAAAE-64577
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