Zu § 180 Gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen:
1. Die gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO umfasst in erster Linie die von den Feststellungsbeteiligten gemeinschaftlich erzielten Einkünfte. Sie umfasst auch die bei Ermittlung dieser Einkünfte zu berücksichtigenden Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben oder Sonderwerbungskosten eines oder mehrerer Feststellungsbeteiligten.
Darüber hinaus sind solche Besteuerungsgrundlagen gesondert festzustellen, die in einem rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit den gemeinschaftlich erzielten Einkünften stehen, aber bei Ermittlung der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte nicht zu berücksichtigen sind. Hiernach sind z. B. solche Aufwendungen gesondert festzustellen, die aus Mitteln der Gesellschaft oder Gemeinschaft geleistet werden und für die Besteuerung der Feststellungsbeteiligten, z. B. als Sonderausgaben, von Bedeutung sind. Soweit derartige Besteuerungsgrundlagen bei Erlass des Feststellungsbescheids nicht berücksichtigt worden sind, ist ihre gesonderte Feststellung durch Ergänzungsbescheid (§ 179 Abs. 3 AO) nachzuholen.
Zum Verfahren bei der Geltendmachung von negativen Einkünften aus der Beteiligung an Verlustzuweisungsgesellschaften und vergleichbaren Modellen vgl. , BStBl I S. 404, und vom 28.6.1994, BStBl I S. 420.
2. Fallen der Wohnort und der Betriebs- bzw. Tätigkeitsort auseinander und liegen diese Orte im Bereich verschiedener Finanzämter, sind die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder freiberuflicher Tätigkeit gesondert festzustellen (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b AO).
2.1 Für die Entscheidung, ob eine gesonderte Feststellung durchzuführen ist, sind die Verhältnisse zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums maßgebend. Bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr oder einem Rumpfwirtschaftsjahr sind die Verhältnisse zum Schluss dieses Zeitraums maßgebend.
Spätere Änderungen dieser Verhältnisse sind insoweit unbeachtlich. Eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b AO ist daher auch dann durchzuführen, wenn nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums der Betrieb in den Bezirk des Wohnsitzfinanzamts oder der Wohnsitz in den Bezirk des Betriebsfinanzamts verlegt wird.
Die Frage, welches Finanzamt in derartigen Fällen für die gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b AO und damit zusammenhängende Maßnahmen (Außenprüfung, Änderung usw.) zuständig ist, bestimmt sich für Feststellungszeiträume, die nach dem 31.12.2014 beginnen (Art. 97 § 10b Satz 2 EGAO), jeweils nach den aktuellen Verhältnissen (§ 180 Abs. 1 Satz 2 AO). Für frühere Feststellungszeiträume bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach den Verhältnissen zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums; § 27 AO bleibt unberührt.
2.2 Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. d. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b AO sind nur die Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nicht die übrigen Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
2.3 Übt ein Steuerpflichtiger seine freiberufliche Tätigkeit in mehreren Gemeinden aus, so ist für die dadurch erzielten Einkünfte nur eine gesonderte Feststellung durchzuführen (, BStBl II S. 691). Bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb gilt dies für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder den Gewerbebetrieb entsprechend.
2.4 Die örtliche Zuständigkeit für gesonderte Feststellungen i. S. d. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b AO richtet sich nach § 18 AO. Zur Zuständigkeit, wenn Wohnung und Betrieb in einer Gemeinde (Großstadt) mit mehreren Finanzämtern liegen, vgl. AEAO zu § 19, Nrn. 2 und 3.
3. Wegen der in § 180 Abs. 2 AO vorgesehenen Feststellungen wird auf die V zu § 180 Abs. 2 AO verwiesen. Auf Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 AO findet die V zu § 180 Abs. 2 AO keine Anwendung. Zur gesonderten Feststellung bei gleichen Sachverhalten nach der V zu § 180 Abs. 2 AO vgl. , BStBl I S. 256. Zum Verfahren bei der Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen aus der Beteiligung an Gesamtobjekten vgl. , BStBl I S. 291. Zur gesonderten Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung nach § 9 der V zu § 180 Abs. 2 AO vgl. , BStBl I S. 686.
4. Fälle von geringer Bedeutung, in denen eine gesonderte Feststellung entfällt (§ 180 Abs. 3 Nr. 2 AO), sind beispielsweise bei Mieteinkünften von zusammenveranlagten Eheleuten/Lebenspartnern (BFH-Urteil vom 20.1.1976, VIII R 253/71, BStBl II S. 305) und bei dem gemeinschaftlich erzielten Gewinn von Landwirts-Eheleuten/-Lebenspartnern (BFH-Urteil vom 4.7.1985, IV R 136/83, BStBl II S. 576) gegeben, wenn die Einkünfte verhältnismäßig einfach zu ermitteln sind und die Aufteilung feststeht.
Auch bei gesonderten Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b und Nr. 3 AO kann in Fällen von geringer Bedeutung auf die Durchführung eines gesonderten Gewinnfeststellungsverfahrens verzichtet werden (§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO). Ein Fall von geringer Bedeutung kann z. B. vorliegen, wenn dasselbe Finanzamt auch für die Einkommensteuer-Veranlagung zuständig ist (bei Verlegung des Betriebs in den Bezirk des Wohnsitzfinanzamts oder des Wohnsitzes in den Bezirk des Betriebsfinanzamts).
5. Eine Feststellung ist auch zum Zweck der Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes im Falle eines bei der Steuerfestsetzung zu beachtenden Progressionsvorbehaltes und in den Fällen des § 2a EStG vorzunehmen (§ 180 Abs. 5 Nr. 1 AO).
6. Soweit Einkünfte oder andere Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO oder nach der V zu § 180 Abs. 2 AO festzustellen sind, sind auch damit in Zusammenhang stehende Steuerabzugsbeträge und Körperschaftsteuer, die auf die Steuer der Feststellungsbeteiligten anzurechnen sind, gesondert festzustellen (§ 180 Abs. 5 Nr. 2 AO). Steuerbescheinigungen sind deshalb nur dem für die gesonderte Feststellung zuständigen Finanzamt vorzulegen.
7. Gesonderte Feststellung durch Teilabschlussbescheid
7.1 Bei in sich abgeschlossenen und abschließend geprüften Sachverhalten können abgrenzbare Besteuerungsgrundlagen bereits vor Abschluss der Außenprüfung durch einen Teilabschlussbescheid gesondert festgestellt werden. Vor Erlass eines Teilabschlussbescheids muss nach § 202 Abs. 3 AO ein schriftlicher oder elektronischer Teilprüfungsbericht ergangen sein.
Die im Teilabschlussbescheid gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen haben für den Steuer- oder Feststellungsbescheid als Folgebescheid unmittelbare Bindungswirkung, in dem sie ohne Erlass des Teilabschlussbescheids von der zuständigen Finanzbehörde zu ermitteln und steuerlich verbindlich zu bewerten gewesen wären.
Die in einem Teilabschlussbescheid getroffenen Feststellungen können nach § 351 Abs. 2 AO nur durch Anfechtung des Teilabschlussbescheids, nicht durch Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden.
7.2 Teilabschlussbescheide dürfen nicht mehr erlassen werden, sobald der Prüfungsbericht nach § 202 Abs. 1 AO ergangen ist. Maßgebend ist hierbei der Zeitpunkt, in dem der Prüfungsbericht den Machtbereich der Finanzbehörde verlassen hat.
7.3 Die Entscheidung über den Erlass eines Teilabschlussbescheids steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde.
Beantragt der Steuerpflichtige den Erlass eines Teilabschlussbescheids, soll ein Teilabschlussbescheid ergehen, wenn der Steuerpflichtige daran ein erhebliches Interesse hat und er dies glaubhaft macht.
Eine Tatsache ist nach allgemeiner Auffassung glaubhaft gemacht, wenn ein nicht nur geringes Maß an Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Tatsachenbehauptung besteht; an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 10.7.1974, I R 223/70, BStBl II S. 736).
Ein erhebliches Interesse am Erlass eines Teilabschlussbescheids kann insbesondere angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige eine nicht unwesentliche Umstrukturierung plant, für die er zeitnah Rechtssicherheit erlangen will.
Bei der Ermessensentscheidung ist allerdings auch zu prüfen, ob der Erlass eines Teilabschlussbescheids den Abschluss der Außenprüfung unangemessen verzögern oder die Verwirklichung zu erwartender Steuernachforderungen gefährden könnte.
7.4 Zum Erlass einer verbindlichen Zusage nach Erlass eines Teilabschlussbescheids siehe § 204 Abs. 2 AO.
7.5 Zur erstmaligen Anwendung von § 180 Abs. 1a AO in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2022, BGBl I S. 2730, gilt nach Art. 97 § 37 Abs. 2 und 3 EGAO Folgendes:
§ 180 Abs. 1a AO ist grundsätzlich erstmals auf Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2024 entstehen.
Auf Steuern und Steuervergütungen, die vor dem 1.1.2025 entstehen, ist § 180 Abs. 1a AO ebenfalls anzuwenden, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde.
8. Zur Bindungswirkung der Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 2 AO und zur Korrektur der Folgebescheide vgl. § 182 Abs. 1 Satz 2 AO.
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zur Änderungsdokumentation
RAAAE-63814