Instanzenzug: Az: 10 Ca 1999/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 4 Sa 2243/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
2Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie. Der im November 1968 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem bei ihr als gewerblicher Arbeitnehmer/Kranfahrer tätig. Sein durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 3.000,00 Euro. Mit Bescheid vom wurde bei ihm ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt. Seinen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft verfolgte er in einem sozialgerichtlichen Verfahren weiter.
3Im April 2010 beschäftigte die Beklagte rund 700 Arbeitnehmer. Bereits im Jahr 2009 war sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, in deren Folge Kurzarbeit eingeführt wurde. Beginnend ab August 2009 nahmen 39 ihrer Arbeitnehmer an einer Umschulungsmaßnahme im Rahmen des von der Bundesagentur für Arbeit aufgelegten Förderprogramms „WeGebAU“ (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) teil. Der Kläger zählte nicht zu diesen Mitarbeitern.
Wegen ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten beschloss die Beklagte, Personal abzubauen. Unter dem Datum des vereinbarte sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste. Auf der Liste stehen in alphabetischer Reihenfolge die Namen von 196 Arbeitnehmern, darunter der Name des Klägers. In der Präambel des Interessenausgleichs wird auf das (negative) operative Ergebnis in 2009 mit einem Minus von 21,6 Millionen Euro infolge erheblicher Auftragsrückgänge verwiesen. In Abstimmung mit einer Unternehmensberatung sei ein Strukturkonzept entwickelt worden, über das die Mitarbeiter anlässlich einer Belegschaftsversammlung vom unterrichtet worden seien. Zur Umsetzung des Strukturkonzepts vereinbarten die Betriebsparteien unter Nr. 2.1, 3.0 und 3.1 des Interessenausgleichs Folgendes:
5Hinsichtlich der Sozialauswahl verständigten sich die Betriebsparteien unter Nr. 3.2 des Interessenausgleichs darauf, eine Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern nur bei einer Anlernzeit von bis zu zwölf Wochen anzunehmen. Innerhalb der zu bildenden Vergleichsgruppen sollte die Sozialauswahl nach einem Punkteschema erfolgen. Dabei sollte das Lebensalter mit einer Punktzahl von 0,5 „pro angefangenem Jahr“, die Betriebszugehörigkeit mit 2 Punkten „pro beendetem Jahr“, die Unterhaltspflichten mit 5 Punkten „pro Ehegatten/eingetragene Lebenspartnerschaft“ sowie 5 Punkten „pro Kind gem. Steuerklassenmerkmal“ und die Schwerbehinderung mit 10 Punkten „bei Schwerbehinderung bei einem Grad der Behinderung von 50 oder mehr oder bei erfolgter Gleichstellung“ Berücksichtigung finden. Danach wurde der Kläger mit 82 Punkten der „Vergleichsgruppe 1“ zugeordnet. Sofern bis Neueinstellungen bei der Beklagten erfolgten, sollten gemäß Nr. 4 des Interessenausgleichs von diesem „betroffene“ Mitarbeiter bei entsprechender Bewerbung „bevorzugt berücksichtigt werden“.
Daneben vereinbarten die Betriebsparteien einen Sozialplan. Dieser enthält Abfindungsregelungen und - insoweit unter Ausschluss der Mitarbeiter im „WeGebAU“-Programm - Regelungen zu einem Wechsel von Arbeitnehmern in eine Transfer- oder Qualifizierungsgesellschaft (TQG). Darüber hinaus verständigten sich die Betriebsparteien auf ein zum geltendes „Soll-Organigramm“, das ua. die künftige Personalstärke einzelner Abteilungen/Werke ausweist. In einer auf den datierten Protokollnotiz heißt es außerdem:
7Mit Schreiben vom , das dem Kläger am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - nach Anhörung des Betriebsrats und Erstattung einer Massenentlassungsanzeige - ordentlich zum . Bei Zugang der Kündigung war der Kläger gegenüber vier Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Kurz darauf wurde er Vater eines weiteren Kindes.
8Der Kläger hat mit seiner fristgerecht erhobenen Kündigungsschutzklage geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG lägen nicht vor. Die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs sei durch die Protokollnotiz widerlegt. Hiernach seien die Betriebsparteien - entgegen den Verlautbarungen im Interessenausgleich - nicht von einem vollständigen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs der in einer „WeGebAU“-Maßnahme befindlichen Mitarbeiter ausgegangen. Zwischenzeitlich arbeiteten noch eine Reihe anderer Arbeitnehmer, deren Name auf der Liste des Interessenausgleichs stehe, wieder bei der Beklagten. Beschäftigungsmöglichkeiten seien demnach weiterhin vorhanden; die Namensliste sei wertlos. Der Arbeitsanfall bei der Beklagten lasse es im Übrigen nicht zu, Kräne nur „nebenbei“ zu bedienen. Bis Januar 2010 habe er den Kran im Presswerk bedient. Dort werde jetzt ein von der Beklagten aus dem Vorruhestand „reaktivierter“ Arbeitnehmer beschäftigt, dessen Name ihm unbekannt sei. Die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft. Die Vergabe von „Alterspunkten“ sei unionsrechtswidrig. Ein mit ihm vergleichbarer, namentlich benannter Kranfahrer habe nur mit Blick auf sein Alter eine höhere Punktzahl erzielt. Er - der Kläger - sei ohne Weiteres in der Lage, andere Tätigkeiten zu verrichten, die eine Einarbeitungszeit von bis zu 12 Wochenstunden erforderten. Ein näherer Vortrag hierzu sei ihm ohne Auskunft der Beklagten nicht möglich. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.
Der Kläger hat beantragt
10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, gemäß dem Interessenausgleich sei zu vermuten, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei. Weitergehender Ausführungen ihrerseits zum Inhalt des der Betriebsänderung zugrunde liegenden Konzepts und deren Auswirkungen im Arbeitsbereich des Klägers habe es nicht bedurft. Die in der Protokollnotiz getroffenen Regelungen seien nicht geeignet, die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs zu widerlegen. Die Namen der dort bezeichneten Arbeitnehmer stünden - unstreitig - auf der Namensliste des Interessenausgleichs. Allerdings habe der Betriebsrat schon während der laufenden Verhandlungen Bedenken gegen deren Sozialauswahl angemeldet. Nach Ausspruch der Kündigungen habe er den Wunsch geäußert, für die vier Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Dem sei sie mit der am erfolgten Unterzeichnung der - rückdatierten - Protokollnotiz nachgekommen. Die Durchführbarkeit der im Interessenausgleich beschlossenen Maßnahmen gehe aus dem „Soll-Organigramm“ hervor. Der Arbeitsplatz des Klägers sei in seiner bisherigen Form nicht mehr existent. Die Kranbedienung werde inzwischen von Arbeitnehmern miterledigt, die noch andere Aufgaben zu verrichten hätten, für die dem Kläger die erforderliche Qualifikation fehle. Diese Entscheidung, die den Vereinbarungen im Interessenausgleich immanent sei, liege auch der Sozialauswahl zugrunde, die weder hinsichtlich des Verfahrens noch des Ergebnisses grob fehlerhaft sei. In der Vergleichsgruppe des Klägers seien alle Arbeitnehmer mit einer Punktzahl von weniger als 110 gekündigt worden. Die einzige Ausnahme bilde der Arbeitnehmer V. Dieser übe die Funktion eines stellvertretenden Vorarbeiters aus und sei im Gegensatz zum Kläger in der Lage, alle Maschinen seines Arbeitsbereichs zu bedienen. Die mit Anhörungsbogen vom nebst Anlage erfolgte Betriebsratsanhörung sei nicht zu beanstanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit dieser begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
12Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Kündigungsschutzklage nicht stattgegeben werden. Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom aufgelöst worden ist, steht noch nicht fest.
13I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei trotz der sich aus dem Interessenausgleich vom ergebenden Vermutung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, verletzt § 1 Abs. 5 KSchG sowie § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat die Anforderungen an eine der Beklagten im Rahmen von § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG obliegende - sekundäre - Darlegungslast überspannt und ist zu dem unzutreffenden Ergebnis gelangt, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte es versäumt habe, auf das einfache Bestreiten der Gegenseite das der Kündigung zugrunde liegende Konzept und dessen Auswirkungen auf die Beschäftigungsmöglichkeiten im Arbeitsbereich des Klägers umfassend zu erläutern. Auch seine weitere Begründung, die zu vermutende Betriebsbedingtheit der Kündigung sei jedenfalls durch die Protokollnotiz „vom “ widerlegt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
141. Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist, wenn die Arbeitnehmer, denen aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. Dies gilt nicht, soweit sich die Sachlage nach dem Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat (§ 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG).
152. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, für die der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast trägt ( - Rn. 17 mwN, BAGE 130, 182; - 2 AZR 111/02 - zu C II der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11), sind im Streitfall erfüllt. Davon geht das Landesarbeitsgericht zutreffend aus.
16a) Die Kündigung vom wurde aufgrund einer Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG ausgesprochen.
17aa) Besteht die Betriebsänderung in einem bloßen Personalabbau, kommt es für die Frage, ob eine „Einschränkung des Betriebs“ iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG vorliegt, auf die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG an ( - Rn. 14, NZA 2012, 992; - 2 AZR 254/06 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12). Der Grenzwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG ist erreicht. Der Interessenausgleich vom sieht den Abbau von bis zu 240 Arbeitsplätzen vor. Aus seinen Regelungen zu Nr. 3.0 und 3.1 geht hervor, dass die betroffenen Arbeitnehmer, soweit der Personalabbau durch Kündigung - ggf. bei Ablehnung eines Angebots zum Wechsel in die TQG - vollzogen werden sollte, allesamt in der ihm beigefügten Namensliste aufgeführt wurden. Allein mit den dort bezeichneten 196 Arbeitnehmern ist bei einer Gesamtzahl von rund 700 Beschäftigten der Schwellenwert „mindestens 30 Arbeitnehmer“ bei Weitem überschritten.
18bb) Die Art des Auflösungstatbestands ist für die Qualifizierung eines Personalabbaus als Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 1 BetrVG ohne Bedeutung. Maßgebend ist allein, dass das Ausscheiden vom Arbeitgeber veranlasst ist ( - AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 32 = EzA BetrVG 1972 § 111 Nr. 34). Das trifft auf die in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmer zu.
19cc) Der beschlossene Personalabbau erfüllt damit schon für sich genommen die Voraussetzungen einer Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 1 BetrVG iVm. § 17 Abs. 1 KSchG, ohne dass es noch auf die beschlossenen Einzelmaßnahmen ankäme (vgl. - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; - 2 AZR 254/06 - Rn. 16 mwN, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12).
20b) Der Kläger ist in der dem Interessenausgleich beigefügten Liste namentlich genannt. Den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zufolge ist die Namensliste Bestandteil des Interessenausgleichs. Dem liegt das unstreitige Vorbringen der Beklagten zugrunde, die - ihrerseits von den Betriebsparteien eigenhändig unterzeichnete - Namensliste sei fest mit dem schriftlichen Interessenausgleich verbunden gewesen. Die Einhaltung der Schriftform des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG iVm. §§ 125, 126 BGB (dazu - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21) wird von der Revision auch nicht infrage gestellt.
213. Die sich daraus ergebende Vermutung, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, hat der Kläger - ausgehend von den Feststellungen im Berufungsurteil - nicht widerlegt.
22a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte habe schon keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, die es erforderlich gemacht hätten, die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu widerlegen. Auch im Rahmen dieser Vorschrift sei der Arbeitgeber gehalten, auf einfaches Bestreiten des Arbeitnehmers hin die Tatsachen, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses führen sollen, wahrheitsgemäß vorzutragen. Bestehe die Betriebsänderung in einem Personalabbau, müsse der Arbeitgeber - sofern der Interessenausgleich keine entsprechenden Angaben enthalte - das zugrunde liegende unternehmerische Konzept und dessen Umsetzung einschließlich der sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf die konkreten Einsatzmöglichkeiten des Arbeitnehmers in den erforderlichen Einzelheiten darlegen. Komme der Arbeitgeber seiner dahingehenden Verpflichtung nicht nach, obwohl der Arbeitnehmer keine eigene Kenntnis von den zur Kündigung führenden Umständen habe, sei die Kündigung ohne Weiteres als sozial ungerechtfertigt anzusehen.
23b) Das überzeugt nicht. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts wird der Vermutungswirkung des Interessenausgleichs und der sich daraus ergebenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht gerecht.
24aa) Liegen - wie im Streitfall - die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vor, wird gemäß § 292 ZPO die rechtliche Folge - das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG - ohne weiteren Vortrag des Arbeitgebers gesetzlich vermutet. Diese Vermutung bezieht sich sowohl auf den Wegfall der bisherigen Beschäftigung als auch auf das Fehlen anderer Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb (vgl. - Rn. 24 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84).
25bb) Nach § 292 ZPO ist (nur) der Beweis des Gegenteils zulässig. Es ist deshalb Sache des Arbeitnehmers darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass in Wirklichkeit eine Beschäftigungsmöglichkeit für ihn weiterhin besteht. Eine bloße Erschütterung der Vermutung reicht nicht aus. Es ist vielmehr ein substantiierter Tatsachenvortrag erforderlich, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt ( - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; - 2 AZR 163/07 - Rn. 37, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Der Arbeitnehmer muss darlegen, weshalb der Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung noch vorhanden ist oder wo sonst im Betrieb oder Unternehmen er weiterbeschäftigt werden kann (vgl. - Rn. 24 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17).
26cc) Die von der Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG abweichende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast trägt dem gesetzgeberischen Anliegen Rechnung, betriebsbedingte Kündigungen in Fällen, in denen eine größere Anzahl von Arbeitnehmern betroffen ist, rechtssicherer zu gestalten (vgl. ErfK/Oetker 13. Aufl. § 1 KSchG Rn. 365; HaKo/Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 685; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 703l ff.; mit gewissen Einschränkungen auch APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 810). Dies stellt keinen unzulässigen Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen des Arbeitnehmers dar ( - Rn. 20, 37, BAGE 124, 48; - 2 AZR 571/01 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 104, 131). Die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung knüpft an Regelungen an, die der Mitwirkung des Betriebsrats bedürfen und die nicht durch eine Einigungsstelle erzwungen werden können. Der Gesetzgeber durfte bei dieser Sachlage davon ausgehen, dass eine hohe Richtigkeitsgewähr für die betriebsbedingte Notwendigkeit der Kündigungen besteht und die Interessen der Belegschaft typischerweise angemessen durch die Beteiligung des Betriebsrats gewahrt sind (vgl. - zu B II 2 der Gründe, LAGE KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 52).
27dd) Dem Arbeitnehmer können bei der Führung des Gegenbeweises gewisse Erleichterungen nach den Regeln der abgestuften Darlegungs- und Beweislast zugutekommen ( - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; - 2 AZR 418/07 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17). Es entspricht allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen, dass die Gegenseite eine - sekundäre - Behauptungslast trifft, wenn die primär darlegungs- und beweisbelastete Partei außerhalb eines für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, während die Gegenseite alle erforderlichen Tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. - Rn. 28 mwN, BAGE 127, 102; - zu II 2 der Gründe, NJW 1999, 714). Im Rahmen von § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ist zudem zu berücksichtigen, dass es um Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs. 1 GG) geht. Diesem Schutz ist nicht nur in materiell-rechtlicher Hinsicht, sondern auch bei der Ausgestaltung des Verfahrens angemessen Rechnung zu tragen (vgl. - zu IV 3 a der Gründe, AP GG Art. 12 Nr. 112).
28ee) Welche Anforderungen an ein erstes, die sekundäre Behauptungslast des Arbeitgebers auslösendes Vorbringen des Arbeitnehmers zu stellen sind, lässt sich nicht für alle Fälle im Voraus abstrakt festlegen. Sie richten sich vielmehr nach der konkreten Kenntnis und Kenntnismöglichkeit des Arbeitnehmers.
29(1) Grundsätzlich kann von diesem verlangt werden, (zumindest) greifbare Anhaltspunkte zu benennen, aus denen sich die Unrichtigkeit der nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vermuteten Tatsache ergeben soll (vgl. Bram in Bader/ Bram Stand Dezember 2012 § 1 KSchG Rn. 340b). Im Regelfall wird schon der Vortrag des Arbeitgebers zum Vorliegen einer Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG dem Arbeitnehmer gewisse Aufklärung darüber geben, aus welchen Gründen der Beschäftigungsbedarf entfallen sein soll. Daran kann dieser ansetzen und ggf. eigene Nachforschungen anstellen (vgl. ErfK/Oetker 13. Aufl. § 1 KSchG Rn. 365; HaKo/Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 685; Eylert in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 1 Rn. 540). Hat eine Partei keinen Einblick in die Geschehensabläufe und ist ihr deshalb die Beweisführung erschwert, kann sie auch solche Umstände unter Beweis stellen, die sie aufgrund greifbarer Anhaltspunkte nur vermuten kann. Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird ihr Beweisantrag unter solchen Umständen erst dann, wenn sie, ohne wenigstens greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts aufzuzeigen, Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt (vgl. - Rn. 33, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 13; - zu II 2 a der Gründe, BGHReport 2003, 891). Der zur Führung des Gegenbeweises verpflichtete Arbeitnehmer muss deshalb die ihm zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten, zu denen eine Nachfrage beim Betriebsrat gehören kann (vgl. Eylert/Schinz AE 2004, 219, 227), tatsächlich ausschöpfen und sich auf dieser Grundlage zu der vermuteten Betriebsbedingtheit der Kündigung erklären.
30(2) Allerdings ist nicht auszuschließen, dass weder aus dem Interessenausgleich Gründe für den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit hervorgehen noch der Arbeitnehmer in der Lage war, sich aus sonstigen Quellen über diese Gründe zu informieren. Er ist dann schwerlich in der Lage, auch nur Anhaltspunkte dafür vorzutragen, dass die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG objektiv unrichtig ist. Ob und durch welches Vorbringen des Arbeitnehmers unter diesen Umständen eine sekundäre Behauptungslast des Arbeitgebers ausgelöst werden kann, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Diese greift stets nur insoweit ein, wie dem Arbeitnehmer die erforderliche Kenntnismöglichkeit fehlt (vgl. - Rn. 38, BAGE 124, 48). Auch ergibt sich aus ihr keine umfassende Verpflichtung des Arbeitgebers, die Betriebsbedingtheit der Kündigung - wie bei Geltung von § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG - substantiiert zu begründen. Es geht lediglich darum, die dem Interessenausgleich zugrunde liegende Betriebsänderung so weit zu verdeutlichen, dass der Arbeitnehmer in die Lage versetzt wird, seiner primären Darlegungs- und Beweislast nachzukommen, mag dies auch weitere Recherchen seinerseits erfordern.
31ff) Danach war die Beklagte nicht verpflichtet, den vom Landesarbeitsgericht vermissten Vortrag zu einem der Kündigung zugrunde liegenden Konzept zu halten.
32(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, schon auf die - umstrittene - Behauptung des Klägers, sein Arbeitsplatz sei weiterhin vorhanden und wegen der Arbeitsmenge sei es gar nicht möglich, die Tätigkeit des Kranfahrens neben anderen Aufgaben zu erledigen, habe die Beklagte im Einzelnen ausführen müssen, weshalb der Arbeitsplatz dauerhaft entfallen sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich - wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgeht - im Wesentlichen in einem einfachen Bestreiten des gesetzlich vermuteten Kündigungsgrunds. Er hat nicht verdeutlicht, wie sich seine Tätigkeit - auch mit Blick auf die zu bewältigende Arbeitsmenge - in der Vergangenheit gestaltete. Ebenso wenig hat er sich zur bisherigen Auslastung der Kranfahrer insgesamt oder anderer Beschäftigter in seinem Arbeitsbereich eingelassen. Da der Interessenausgleich auf eine bereits eingetretene, „massiv“ negative Geschäftsentwicklung und ein Strukturkonzept abstellt, das der Belegschaft auf einer Versammlung vom Januar 2010 vorgestellt worden sein soll, kann auch nicht davon ausgegangen werden, vergangenheitsbezogene Ausführungen seien, was die angestrebte Leistungsverdichtung anbelangt, ohne jede Relevanz. Soweit der Kläger beanstandet, die Beklagte habe nicht dargetan, welche zusätzlichen Arbeiten ein mit der Kranbedienung betrauter, anderer Arbeitnehmer verrichte und geltend macht, er habe deshalb nicht beurteilen können, ob er selbst den fraglichen Arbeitsplatz habe ausfüllen können, betrifft seine Rüge der Sache nach die Sozialauswahl und nicht die Vermutung eines insgesamt verringerten Beschäftigungsbedarfs.
33(2) Es war auch nicht deshalb vorrangig Aufgabe der Beklagten, die Betriebsbedingtheit der Kündigung näher zu begründen, weil der Kläger schon während der Kündigungsfrist nicht mehr im Betrieb tätig war. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer sei „naturgemäß“ nicht in der Lage, die Betriebsbedingtheit der Kündigung zu widerlegen, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Ein Beschäftigter kann sich in einem solchen Fall zumindest zur Beschäftigungslage bis zu seinem Ausscheiden äußern. Überdies zeigt die - bestrittene - Behauptung des Klägers, die Beklagte habe den Kranführerarbeitsplatz im Presswerk während seiner Erkrankung mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt, den sie aus dem Vorruhestand „zurückgeholt“ habe, dass er trotz seiner Abwesenheit einen gewissen - wenn auch möglicherweise durch Dritte vermittelten - Einblick in die betrieblichen Abläufe hatte. Dementsprechend konnte er auch vortragen, die Beklagte habe nach der Kündigung mehrere Arbeitnehmer, darunter auch Kranfahrer, wieder eingestellt. Dem Interessenausgleich zufolge hat überdies am eine Betriebsversammlung stattgefunden, anlässlich derer eine „Unterrichtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, auch hinsichtlich des dem Personalabbau zugrunde liegenden Strukturkonzepts, erfolgte. Wenn das Landesarbeitsgericht meint, im vorliegenden Rechtsstreit sei „unklar“ geblieben, was Gegenstand der Unterrichtung gewesen sei, kann daraus jedenfalls nicht der Schluss gezogen werden, die Mitarbeiter der Beklagten hätten anlässlich der Versammlung keine zusätzlichen Informationen über die geplante Betriebsänderung erhalten. Selbst wenn der Kläger an der Versammlung nicht teilgenommen haben sollte, war es ihm in Anbetracht seiner primären Darlegungslast durchaus zumutbar, bei Kollegen oder ggf. dem Betriebsrat Informationen einzuholen.
34(3) Darauf, ob das mit dem Betriebsrat abgestimmte und auf den bezogene „Soll-Organigramm“ mit seinen Angaben zur künftigen Personalstärke im Walzwerk (193 Arbeitnehmer) und im Ziehwerk (128 Arbeitnehmer) geeignet war, die Auswirkungen des Personalabbaus auf den Arbeitsplatz des Klägers zu verdeutlichen, kommt es nicht an. Es war primär Sache des Klägers aufzuzeigen, wo Beschäftigungsmöglichkeiten für ihn weiterhin vorhanden sein sollen. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob das Organigramm - einen anderen Stellenplan gab es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht - bereits bei Abschluss des Interessenausgleichs vorlag oder von den Betriebsparteien nachträglich erstellt wurde.
35c) Die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht durch die auf den datierte Protokollnotiz widerlegt.
36aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Protokollnotiz und der Interessenausgleich enthielten, was die Beschäftigungsmöglichkeiten der an einer „WeGebAU“-Maßnahme teilnehmenden Arbeitnehmer anbelange, widersprüchliche Aussagen. Da die Betriebsparteien in der Protokollnotiz eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit der dort bezeichneten Arbeitnehmer als wahrscheinlich dargestellt hätten, hätten sie deutlich zu erkennen gegeben, dass die im Interessenausgleich getroffene Aussage zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aller im „WeGebAU“-Programm befindlichen Mitarbeiter nicht mit ihrer tatsächlichen Einschätzung übereinstimme. Stehe aber fest, dass zumindest für vier der in das Programm aufgenommenen Mitarbeiter eine Weiterbeschäftigung zum wahrscheinlich möglich sein werde, könne nicht mehr nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vermutet werden, dass für alle (anderen) an der Qualifizierungsmaßnahme teilnehmenden Mitarbeiter eine Beschäftigung nach Abschluss der Qualifizierungsmaßnahme nicht mehr möglich gewesen sei. Das gelte jedenfalls so lange, wie die Beklagte diesen Widerspruch nicht aufgeklärt habe.
37bb) Diese Wertung kann, soweit sie Gegenstand tatrichterlicher Überzeugungsbildung ist, revisionsrechtlich zwar nur daraufhin überprüft werden, ob die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO beachtet sind (zu den Einzelheiten vgl. - Rn. 22, NZA 2012, 1025; - 2 AZR 537/06 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20). Selbst dieser eingeschränkten Überprüfung hält sie aber nicht stand. Das gilt unabhängig davon, ob die der Würdigung zugrunde liegende Auslegung der Protokollnotiz ihrerseits einer uneingeschränkten Überprüfung unterliegt oder ob - was zugunsten des Klägers unterstellt werden kann - auch diesbezüglich ein beschränkter Maßstab gilt (vgl. dazu - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2). Es kann deshalb offenbleiben, wie die betreffenden Regelungen rechtlich zu qualifizieren sind.
38(1) Mit der Protokollnotiz haben die Betriebsparteien bezogen auf einen klar begrenzten Personenkreis ihre Einschätzung dokumentiert, „jedenfalls“ eine Weiterbeschäftigung dieser (vier) Mitarbeiter erscheine möglich. Die Regelungen zum Verbleib der Arbeitnehmer im Unternehmen knüpfen erkennbar an Nr. 4 des Interessenausgleichs an.
39(2) Soweit diese Erklärungen überhaupt in Widerspruch zu Aussagen im Interessenausgleich stehen, betrifft dies lediglich die Beschäftigungsmöglichkeiten der vier in der Protokollnotiz genannten Personen. Die Beschäftigungslage der übrigen am „WeGebAU“-Programm teilnehmenden Mitarbeiter war objektiv nicht Gegenstand der zusätzlichen Vereinbarungen und sollte dies nach dem erkennbaren Willen der Betriebsparteien auch nicht sein. Die gleichwohl vom Landesarbeitsgericht gezogene Schlussfolgerung, die Protokollnotiz stelle die im Interessenausgleich dokumentierten Erwägungen zu Einsatzmöglichkeiten der an den fraglichen Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmenden Arbeitnehmer generell infrage, entbehrt nicht nur einer tatsächlichen Grundlage. Sie berücksichtigt nicht, dass die in Rede stehende Fehleinschätzung der Betriebsparteien auch rechtlich nichts damit zu tun hat, ob für andere vergleichbare Arbeitnehmer Beschäftigungsmöglichkeiten dauerhaft entfallen sind oder nicht. Allenfalls drängte sich die Frage nach der Sozialauswahl auf. Die Beklagte musste deshalb das dem Personalabbau zugrunde liegende Konzept auch mit Bezug auf die Protokollnotiz nicht umfassend erläutern, zumal sie die aus ihrer Sicht für die Absprache maßgebenden Erwägungen der Betriebsparteien durchaus vorgetragen hat.
40(3) Die betreffenden Vereinbarungen führen nicht dazu, dass die dem Interessenausgleich beigefügte Namensliste als sog. „Teil-Namensliste“ anzusehen wäre. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte beabsichtigte, statt der in der Protokollnotiz aufgeführten Arbeitnehmer andere Mitarbeiter zu entlassen. Darauf, ob eine „Teil-Namensliste“ eine ausreichende Basis für das Eingreifen der Vermutungswirkung sein kann (zur Problematik - Rn. 33, 34, BAGE 130, 182), kommt es daher nicht an. Ebenso wenig besteht Anlass zu der Annahme, die Betriebsparteien hätten die fraglichen vier Mitarbeiter bewusst nur zum Schein auf die Namensliste des Interessenausgleichs gesetzt.
41II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Es liegt mangels Entscheidungsreife auch kein Fall von § 563 Abs. 3 ZPO vor. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
421. Das Landesarbeitsgericht hat sich - von seinem Standpunkt ausgehend konsequent - nicht mit dem streitigen Vorbringen des Klägers zum Einsatz eines vermeintlich aus dem Vorruhestand „zurückgeholten“, im Presswerk als Kranfahrer eingesetzten Arbeitnehmers befasst. Dies wird ggf. nachzuholen sein. Ob die Behauptungen - sollten sie sich bestätigen - den Schluss zulassen, Beschäftigungsbedarf für den Kläger sei weiterhin vorhanden, bleibt der tatrichterlichen, alle Umstände des Falls einbeziehenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts überlassen.
432. Der Senat vermag nicht abschließend zu beurteilen, ob sich aus dem Vorbringen des Klägers zu erfolgten Wiedereinstellungen ein greifbarer Anhaltspunkt für eine wesentliche Änderung der Sachlage iSd. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG ergibt. Dem Vorbringen fehlt derzeit die erforderliche Substanz. Es ist nicht erkennbar, ob sich der Kläger darauf berufen will, die fraglichen Einstellungen seien bereits im Zeitpunkt seiner Kündigung erfolgt oder doch endgültig beschlossen worden (dazu - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; - 2 AZR 163/07 - Rn. 49, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger sein Vorbringen nur deshalb nicht vertieft hat, weil er aufgrund entsprechender Hinweise des Landesarbeitsgerichts der Auffassung sein konnte, dieses gehe davon aus, die Beklagte habe schon keinen ausreichenden Vortrag zum Wegfall seines Arbeitsplatzes geleistet.
443. Je nach Sachlage wird der Frage nachzugehen sein, ob die Kündigung wegen grob fehlerhafter sozialer Auswahl iSd. § 1 Abs. 3, Abs. 5 Satz 2 KSchG sozial ungerechtfertigt ist und/oder ob ein Unwirksamkeitsgrund iSd. § 102 Abs. 1 BetrVG vorliegt. Im Zusammenhang mit der Sozialauswahl wird das Landesarbeitsgericht insbesondere festzustellen und zu bewerten haben, ob die Beklagte ihre Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG erfüllt hat. Diese besteht uneingeschränkt auch in den Fällen des § 1 Abs. 5 KSchG (vgl. - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; - 2 AZR 581/00 - zu B I 5 b der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10). Da das Vorbringen der Parteien zur Sozialauswahl weitgehend streitig ist, wird für die weitere Sachbehandlung lediglich auf Folgendes hingewiesen:
45a) Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn eine evidente, ins Auge springende erhebliche Abweichung von den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt ( - Rn. 34, NZA 2013, 86; - 2 AZR 42/10 - Rn. 39, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84). Eine grob fehlerhafte Sozialauswahl kann sich auch daraus ergeben, dass der auswahlrelevante Personenkreis evident verkannt wurde (st. Rspr. vgl. - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15; - 2 AZR 284/06 - Rn. 22 mwN). Dabei muss sich die getroffene Auswahl gerade mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer als grob fehlerhaft erweisen ( - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22). Nicht entscheidend ist, ob das gewählte Auswahlverfahren als solches zu Beanstandungen Anlass gibt ( - aaO; - 2 AZR 420/09 - aaO). Dem entspricht es, dass der Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage, jedenfalls wenn er ausreichend unterrichtet worden ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG), die soziale Auswahl konkret rügen, dh. geltend machen muss, ein bestimmter, mit ihm vergleichbarer Arbeitnehmer sei weniger sozial schutzwürdig, so dass diesem habe gekündigt werden müssen.
46b) Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl ergibt, liegt grundsätzlich beim Arbeitnehmer. Auch sie ist abgestuft. Der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit ändert daran nichts ( - Rn. 29, BAGE 116, 213; - 2 AZR 581/00 - zu B I 5 b der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10, zu § 1 Abs. 5 KSchG aF). Es ist zunächst Sache des Arbeitnehmers, die grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen, sofern er über die erforderlichen Informationen verfügt. Soweit er hierzu nicht in der Lage ist und deswegen den Arbeitgeber zur Mitteilung der Gründe auffordert, die ihn zu der Auswahl veranlasst haben, hat dieser als Folge seiner materiellen Auskunftspflicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG auch im Prozess substantiiert vorzutragen. Seine sich aus der Mitteilungspflicht ergebende Vortragslast ist grundsätzlich auf die subjektiven, von ihm tatsächlich angestellten Auswahlüberlegungen beschränkt. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf die vollständige Auflistung der Sozialdaten aller objektiv vergleichbaren Arbeitnehmer ( - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 89 = EzA KSchG § 2 Nr. 64).
47c) Gibt der Arbeitgeber keine oder keine vollständige Auskunft, so kann der Arbeitnehmer beim Fehlen eigener Kenntnis seiner aus § 1 Abs. 3 KSchG iVm. § 138 Abs. 1 ZPO herzuleitenden Substantiierungspflicht, die Namen sozial stärkerer Arbeitnehmer zu nennen, nicht genügen. In diesen Fällen ist sein Vortrag, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er vorhanden, schlüssig und ausreichend ( - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 89 = EzA KSchG § 2 Nr. 64; - 2 AZR 75/88 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 26).
48d) Entsprechende Erwägungen gelten, wenn der Vortrag des Arbeitgebers Anhaltspunkte dafür bietet, er habe die Sozialauswahl - bei Berücksichtigung des Vortrags des Arbeitnehmers - grob fehlerhaft nicht auf vergleichbare Arbeitnehmer erstreckt, und der Arbeitgeber es unterlässt, sein Vorbringen zu vervollständigen. Die aus § 1 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbs. KSchG folgende subjektiv determinierte materielle Mitteilungspflicht des Arbeitgebers wird in dieser Konstellation ergänzt durch die prozessuale Erklärungspflicht nach § 138 ZPO. Ergibt sich aus der Mitteilung des Arbeitgebers, dass er Tatsachen, die gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2, Abs. 3 KSchG objektiv erheblich sein können, in seine subjektiven Erwägungen nicht einbezogen hat, und trägt der gekündigte Arbeitnehmer nachvollziehbar vor, gerade aus diesen Tatsachen ergebe sich die grobe Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl, so ist es eine Obliegenheit des Arbeitgebers, seinen Vortrag weiter zu substantiieren. Anderenfalls ist der dem Kenntnisstand des Arbeitnehmers entsprechende und ihm konkreter nicht mögliche Vortrag, soziale Gesichtspunkte seien in grob fehlerhafter Weise unberücksichtigt geblieben, als unstreitig anzusehen (vgl. - Rn. 39, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 89 = EzA KSchG § 2 Nr. 64).
49e) Der Kläger hat ua. geltend gemacht, es sei ihm nicht möglich, nähere Angaben zur Person und Tätigkeit desjenigen Arbeitnehmers zu machen, der vermeintlich die Bedienung des Krans im Presswerk miterledige. Es sei ihm deshalb nicht möglich, Genaueres dazu vorzutragen, ob die Beklagte ihm - dem Kläger - die fraglichen Tätigkeiten hätte zuweisen können und müssen. Darin liegt die konkludente Behauptung, die Beklagte habe eine Sozialauswahl gänzlich unterlassen, zumindest den auswahlrelevanten Personenkreis verkannt. Zugleich werden weitere Auskünfte reklamiert. Die Beklagte hätte hierauf zumindest, um dem Kläger weitergehenden Vortrag zur Auswahlentscheidung zu ermöglichen, aufzeigen müssen, welche anderen Tätigkeiten der Arbeitnehmer, der die Kranbedienung zwischenzeitlich übernommen haben soll, außerdem erledigt und weshalb der Kläger nicht seinerseits in der Lage sein soll, diese anderen Aufgaben zu erledigen. Da die Beklagte die Reichweite ihrer dahingehenden Auskunftspflicht offensichtlich verkannt hat, ist ihr Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu diesem - speziellen - Punkt zu ergänzen.
50f) Soweit es noch entscheidungserheblich darauf ankommt, wird das Landesarbeitsgericht davon ausgehen können, dass die Sozialauswahl nicht deshalb grob fehlerhaft ist, weil gemäß der im Interessenausgleich vereinbarten Auswahlrichtlinie das Lebensalter mit 0,5 Punkten „pro vollendetem Jahr“ Berücksichtigung fand.
51aa) Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ohne die Berücksichtigung des Alters sei vor ihm Herr W zu kündigen gewesen. Dieser Arbeitnehmer ist - gemäß der Auswahlliste „Vergleichsgruppe 1“ - am geboren, seit Dezember 1989 im Betrieb der Beklagten beschäftigt und mit einem GdB von 50 schwerbehindert. Er hat unter Anwendung des Punkteschemas 83 Punkte auf sich vereinigt, der Kläger 82 Punkte. Bliebe das Alter gänzlich außer Betracht, dürfte - unter Berücksichtigung der Stichtagsregelung im Interessenausgleich - der Abstand zugunsten des Klägers wohl bei knapp sechs Punkten liegen. Angesichts der zwei Jahre längeren Betriebszugehörigkeit und der im Kündigungszeitpunkt nachgewiesenen Schwerbehinderung des Arbeitnehmers W dürfte - trotz der erheblichen Unterhaltspflichten des Klägers - wenig für einen evidenten Auswahlfehler sprechen. Eine Schwerbehinderung war beim Kläger jedenfalls im Kündigungszeitpunkt nicht festgestellt. Andere vergleichbare Arbeitnehmer, die ihm im Hinblick auf das Alter zu Unrecht vorgezogen worden sein sollen, hat der Kläger nicht benannt.
52bb) Abgesehen davon ist nicht erkennbar, dass die Berücksichtigung des Lebensalters wie in der Auswahlrichtlinie vorgesehen gegen Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstieße. Die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG verfolgt das Ziel, ältere Arbeitnehmer, die typischerweise schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, besser zu schützen. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist unionsrechtskonform ( - Rn. 25 mwN, NZA 2013, 86; - 6 AZR 682/10 - Rn. 24 ff. mwN, NZA 2012, 1090; - 2 AZR 42/10 - Rn. 48 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; mwN). Die Auswahlrichtlinie ist auch in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht zu beanstanden. Die Betriebsparteien haben dem Lebensalter kein unangemessen hohes Gewicht beigemessen. Dass sie die Betriebszugehörigkeit im Verhältnis zum Alter deutlich stärker gewichtet haben, ist mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar und wird vom Kläger auch nicht beanstandet.
534. Dem Vorbringen der Beklagten zur ordnungsgemäßen Erstattung der Massenentlassungsanzeige ist der Kläger nicht weiter entgegengetreten. Einen konkreten Fehler im Verfahren, aus dem sich die Unwirksamkeit der Anzeige ergeben könnte, zeigt er nicht auf. Das kann dafür sprechen, dass er seine Rüge nicht aufrechterhalten will.
III. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegt auch der im Berufungsurteil enthaltene Ausspruch zur Weiterbeschäftigung.
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Fundstelle(n):
ZAAAE-33597