Oberfinanzdirektion Münster - akt. Kurzinfo KSt 2/2011

Verfassungswidrigkeit der Umgliederungsvorschriften des § 36 Abs. 3 und 4 KStG i. d. F. des StSenkG vom

Hier: Anträge auf Änderung der Bescheide über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens, Anträge auf erstmalige gesonderte Feststellung des Endbestandes des EK 45 gem. § 36 Abs. 7 KStG und Einsprüche gegen die geänderten Bescheide über die gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG

Bezug:

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Mit hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Übergangsregelungen vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren des § 36 Abs. 3 und 4 KStG i. d. F. des StSenkG vom ( BGBl 2000 I S. 1433) nicht mit Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar sind, soweit sie zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führen.

Das Bundesverfassungsgericht hat beanstandet, dass die Umgliederung des zum Zeitpunkt des Systemwechsels (i. d. R. ) mit 45 % belasteten Eigenkapitals (EK 45) in mit 40 % belastetes Eigenkapital (EK 40) und unbelastetes Eigenkapital (EK 02) für diejenigen Unternehmen zu einem Wegfall von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führen kann, die nur über einen geringen oder keinen Bestand an EK 02 verfügen.

Der Gesetzgeber hat mit dem Jahresssteuergesetz 2010 vom ( BGBl 2010 I S. 1768) die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, bis zum für alle noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren eine Neuregelung zu treffen, umgesetzt.

Gem. § 34 Abs. 13f KStG ist § 36 KStG in allen Fällen, in denen die Endbestände im Sinne des § 36 Abs. 7 KStG noch nicht bestandskräftig festgestellt sind, in einer geänderten Fassung anzuwenden. In dieser geänderten Fassung wird durch die Streichung des § 36 Abs. 3 KStG auf die vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Umgliederung verzichtet. Der neue § 36 Abs. 6a KStG begrenzt die Minderung des EK 02 i. H. v. 5/22 des EK 45 nunmehr auf den positiven Bestand des EK 02 nach Anwendung des § 36 Abs. 1 bis 6 KStG, so dass infolge der Umgliederung des EK 45 kein körperschaftsteuerminderungspotenzial mehr vernichtet werden kann.

Das nach der Umgliederung ggf. aufgrund der vorgenannten Begrenzung noch verbleibende EK 45 wird gem. § 34 Abs. 13g KStG – wie auch der Endbestand des EK 40 – in das Körperschaftsteuerguthaben umgerechnet (geänderte Fassung des § 37 Abs. 1 KStG).

Die maschinelle Umsetzung des Verfahrens ist bereits erfolgt.

Anträge auf Änderung der Bescheide über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens

Derzeit gehen vermehrt, insbesondere von Volksbanken, Anträge auf Änderung der Bescheide über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ein. Obwohl die Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG in den betroffenen Steuerfällen bereits bestandskräftig ist, beantragen die Steuerpflichtigen eine Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens unmittelbar aus den vorhandenen Teilbeträgen des belasteten Eigenkapitals, dem EK 45 und dem EK 40. Da der Bescheid über die Feststellung des Körperschaftsteuerguthabens keinen Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens darstelle, sei der Bescheid über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens ohne Bindungswirkung anderer Bescheide änderbar und an die verfassungsrechtlich gebotene Rechtslage anzupassen.

Diese Anträge auf Änderung sind abzulehnen. Die Anwendung des § 36 KStG in der durch das JStG 2010 geänderten Fassung ist gem. § 34 Abs. 13f KStG auf die Fälle begrenzt, in denen die Endbestände im Sinne des § 36 Abs. 7 KStG noch nicht bestandskräftig festgestellt sind. Da die Feststellung der Endbestände bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr zum , bei vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr auf den Schluss des letzten vor dem endenden Wirtschaftsjahres erfolgte, dürfte die Bestandskraft unter Berücksichtigung der normalen Feststellungsfrist gem. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO regelmäßig spätestens zum bzw. – bei abweichendem Wirtschaftsjahr – zum eingetreten sein. Sofern gegen die Feststellung der Endbestände kein Einspruch eingelegt wurde, ist die durch das JStG 2010 geänderte Fassung des § 36 KStG somit in der Regel nicht anwendbar.

Mit Urteil vom hat das FG Münster die Verwaltungsmeinung bestätigt und die Änderung eines Bescheids über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 5 KStG bei Bestandskraft der Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG abgelehnt. Die Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG sowie die nachfolgenden Feststellung des Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG auf den seien für die Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens auf den und für die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 5 KStG bindend.

Gegen das Urteil des FG Münster wurde Revision eingelegt (Az. I R 84/12). Gleichgelagerte Einsprüche ruhen gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

Anträg auf erstmalige gesonderte Feststellung des Endbestandes des EK 45 bzw. Ergänzungsfeststellung des EK 45

Mehrere Steuerpflichtige beantragen, im Rahmen der nach § 36 Abs. 7 KStG vorzunehmenden gesonderten Feststellung der Endbestände durch einen eigenständigen Feststellungsbescheid oder einen Ergänzungsbescheid nunmehr auch einen Endbestand an EK 45 festzustellen. Mit diesen Anträgen wird das Ziel verfolgt, durch eine nachträgliche Feststellung des EK 45 (ggf. mit 0 DM/€) auch in den Fällen den Einstieg in die Neuregelungen nach § 34 Abs. 13f und 13g KStG zu erreichen, in denen die Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG seinerzeit nicht angefochten wurde (vgl. dazu auch Kasperczyk und Hübner in DStR 2011, 1446 ff.).

Diese Anträge sind abzulehnen.

Nach § 179 Abs. 3 AO ist, soweit in einem Feststellungsbescheid eine notwendige Feststellung unterblieben ist, diese Feststellung in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen. Zwar kann ein solcher Bescheid jede Feststellung i. S. der §§ 179, 180 AO betreffen. Er darf jedoch nicht die Bestandskraft eines ergangenen Feststellungsbescheids durchbrechen, sondern nur einen lückenhaften Feststellungsbescheid vervollständigen. Nachholbar sind nur solche Feststellungen, die in den vorausgegangenen Feststellungsbescheiden „unterblieben” sind (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z. B. Urteile in BFH/NV 1989, 281, m.w.N.; vom , BFH/NV 1990, 750; vom , BFH/NV 1999, 1446; vom , BStBl 2003 II 112).

Die ursprünglichen Feststellungsbescheide auf den mögen aus heutiger Sicht materiell unrichtig gewesen sein, sie waren aber nicht unvollständig oder lückenhaft.

Da das alte EK 45 nämlich vor der Feststellung nach § 36 Abs. 7 KStG auf den in EK 40 und EK 02 umgerechnet wurde, konnte und durfte es mangels Fortbestehens nicht mehr gesondert festgestellt werden. Die Nachholung einer EK 45-Feststellung über § 179 Abs. 3 AO scheidet daher aus; damit würden die bestandskräftigen „vollständigen” Feststellungen unzulässigerweise korrigiert.

Da § 179 Abs. 3 AO nicht einschlägig ist, kann auch § 181 Abs. 5 AO keine Anwendung finden, denn § 181 Abs. 5 AO bestimmt lediglich, dass eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der Feststellungsfrist erlassen bzw. korrigiert werden kann. § 181 Abs 5 AO gestattet für sich allein aber keine Durchbrechung der Bestandskraft.

Zur Ablehnung der Anträge steht in der Anlage ein bundeseinheitlich abgestimmter Textvorschlag zur Verfügung.

Vor dem FG Niedersachsen ist inzwischen ein Klageverfahren zu der Problematik anhängig (Az. 6 K 126/12). Es bestehen keine Bedenken, die Einsprüche gegen die Ablehnung der erstmaligen Feststellung des EK 45 mit Verweis auf dieses Klageverfahren mit Zustimmung der Einspruchsführer gem. § 363 Abs. 2 Satz 1 AO ruhen zu lassen.

Einsprüche gegen die geänderten Bescheide über die gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG

Vermehrt sind auch Einsprüche gegen die aufgrund der Gesetzesänderung durch das Jahresssteuergesetz 2010 vom ( BGBl 2010 I S. 1768) geänderten Bescheide über die gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG eingegangen.

Zur Begründung wird vorgetragen, der Gesetzgeber habe die Forderung des Bundes-verfassungsgerichts nur unzureichend umgesetzt. § 36 KStG i. d. F. des JStG 2010 sei weiterhin verfassungswidrig.

Die Einsprüche betreffen zum einen Fallgestaltungen, in denen bereits vor der Umgliederung „originäres” – also nicht durch eine Umgliederung gem. § 36 Abs. 3 KStG a. F. entstandenes – negatives unbelastetes Eigenkapital (Summe EK 01 bis EK 03) vorlag.

Soweit das negative unbelastete Eigenkapital auf frühere Umgliederungen [1] zurückzuführen ist und gem. § 36 Abs. 4 KStG weiterhin die belasteten Teilbeträge (EK 45 und EK 40) mindert, wird zur Begründung vorgetragen, die Minderung der positiven Bestände des belasteten Eigenkapitals führe weiterhin zu einer umgliederungsbedingten, verfassungswidrigen Vernichtung von Körperschaftsteuerminderungspotenzial. Nach Auffassung der Einspruchsführer soll die Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens unmittelbar aus dem EK 45 und EK 40 (15/55 des EK 45 und 10/60 des EK 40) erfolgen, ohne zuvor die Verrechnung des negativen unbelasteten Eigenkapitals gem. § 36 Abs. 4 KStG vorzunehmen.

War neben negativem unbelastetem Eigenkapital zum Zeitpunkt der Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG noch ein positiver Bestand des EK 04 vorhanden, begehren die Einspruchsführer die gesetzlich nicht vorgesehene vorrangige Verrechnung des negativen unbelasteten Eigenkapitals (Summe EK 01 bis EK 03) mit dem EK 04.

Zu diesen Rechtsfragen sind inzwischen Klageverfahren vor dem FG Münster (Az. 10 K 1237/12 F) und dem FG München (Az. 6 K 676/12) anhängig.

Der BFH hat zwar mit Urteil vom ( BStBl 2011 II, 983) die Verfassungsmäßigkeit des § 36 KStG i. d. F. des JStG 2010 ausdrücklich bestätigt. Da in dem Urteilssachverhalt neben negativem unbelastetem Eigenkapital kein EK 04 vorhanden war und auch die Entstehung des negativen EK 02 vom BFH nicht näher untersucht wurde, bestehen keine Bedenken, die Einsprüche mit Verweis auf die vor den FG anhängigen Verfahren mit Zustimmung der Einspruchsführer gem. § 363 Abs. 2 Satz 1 AO ruhen zu lassen.

Zum anderen wird die Verfassungsmäßigkeit des § 36 KStG i. d. F. des JStG 2010 auch in Fallgestaltungen in Frage gestellt, in denen die gesetzliche Neuregelung zwar kein negatives EK 02 mehr entstehen lässt, die Umgliederung des EK 45 gem. § 36 Abs. 6a KStG aber weiterhin die Verminderung eines positiven EK 02 zur Folge hat. Auch in diesen Fällen begehren die Einspruchsführer eine Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens unmittelbar aus dem EK 45 und EK 40.

Zu dieser Rechtsfrage ist ebenfalls ein Klageverfahren vor dem FG Münster anhängig (Az. 9 K 1600/12). Vergleichbare Einsprüche können mit Zustimmung der Einspruchsführer gem. § 363 Abs. 2 Satz 1 AO ruhen.

Hinweis:

Die Kurzinformation KSt Nr. 005/2007 vom , zuletzt aktualisiert am , wurde gelöscht.

Oberfinanzdirektion Münster v. - akt. Kurzinfo KSt 2/2011

Fundstelle(n):
DAAAE-27632

1Umgliederung des EK 56 in EK 50 und negatives EK 02 zum gem. § 54 Abs. 8 i. d. F. des Steuerreformgesetzes vom ( BGBl I S. 1093) und Umgliederung des EK 50 in EK 45 und negatives EK 02 zum gem. § 54 Abs. 11a KStG i. d. F. des Standortsicherungsgesetzes vom ( BGBl I S. 1569)