BGH Beschluss v. - 3 StR 439/12

Jugendstrafverfahren: Begründungserfordernis bei Verhängung der gleichen Jugendstrafe nach Zurückverweisung

Gesetze: § 17 Abs 2 JGG, § 18 Abs 2 JGG, § 354 Abs 2 StPO

Instanzenzug: LG Wuppertal Az: 24 KLs 18/12

Gründe

1Das Landgericht hatte den Angeklagten am wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge zu der Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit Beschluss vom (3 StR 364/11) hatte der Senat diese Verurteilung aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten der Beihilfe zur gefährlichen Köperverletzung schuldig gesprochen und erneut eine Jugendstrafe von einem Jahr ausgesprochen sowie deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2Der Ausspruch über die Jugendstrafe hat keinen Bestand.

31. Nach den verbleibenden Feststellungen unterstützte der Angeklagte die früheren Mitangeklagten K.    und T.   bei ihrem mit einem geschlossenen Klappmesser und mit Holzknüppeln ausgeführten körperlichen Angriff auf das Tatopfer S.   , indem er durch seine Anwesenheit den Eindruck der Übermacht verstärkte und bereit war, im Bedarfsfalle unterstützend einzugreifen. Die einen tödlichen Geschehensablauf in Gang setzenden Messerstiche des früheren Mitangeklagten T.   gegen die Beine S.    hat das Landgericht dem Angeklagten - anders als im Urteil vom - nicht mehr zugerechnet. Weiter hat das Landgericht im Hinblick auf die persönliche Entwicklung des Angeklagten ergänzend zum vorgenannten Urteil festgestellt, der Angeklagte habe in der Adaptionsphase nach der stationären Drogenentwöhnung in München Praktika absolviert und sich dort eine Mietwohnung gesucht. Seit September 2011 werde er in einer freien Werkstatt in München zum Kfz-Mechatroniker ausgebildet und verdiene ca. 500 € monatlich.

4Gleichwohl hat das Landgericht sowohl wegen der Schwere der Schuld als auch wegen fortbestehender schädlicher Neigungen (§ 17 Abs. 2 JGG) wiederum die Verhängung von Jugendstrafe für erforderlich gehalten. Die Tat, zu welcher der Angeklagte Hilfe geleistet habe, steche durch "ganz erhebliche Brutalität" hervor; sein alleiniges Motiv, es könne für ihn dabei Cannabis abfallen, sei "verwerflich" gewesen. Obwohl der Angeklagte nun eine "positivere" Entwicklung genommen habe, sei er nach mehreren Jahren des Drogenkonsums und des "Abhängens" noch nicht hinreichend gefestigt, um annehmen zu können, er habe die "langjährig gepflegten" schädlichen Neigungen bereits abschließend überwunden. Bei der Bemessung der danach für erforderlich gehaltenen Jugendstrafe hat das Landgericht ausgeführt, der Angeklagte müsse, um ihm das Tatunrecht zu verdeutlichen und ihn zu künftigem normtreuen Verhalten zu motivieren, einer "erheblichen Strafandrohung" ausgesetzt werden. Danach sei eine Jugendstrafe von einem Jahr sowohl tat- und schuldangemessen als auch erzieherisch erforderlich.

52. Wird ein Urteil auf ein Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten aufgehoben und trifft der neue Tatrichter Feststellungen, welche die Tat in einem wesentlich milderen Licht erscheinen lassen, hält er aber dennoch eine gleich hohe Strafe für erforderlich, so hat er nach ständiger Rechtsprechung seine Entscheidung eingehend zu begründen; denn die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der aufgehobenen Entscheidung sind zwar kein Maßstab für die neue Strafzumessung, jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum er für ein wesentlich geringeres Vergehen nun gleich hoch bestraft wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 556/08, StraFo 2009, 118; vom - 5 StR 194/08, wistra 2008, 386, 387; vom - 2 StR 446/90, StV 1991, 19; vom - 4 StR 149/89, StV 1989, 341; vom - 2 StR 296/82, NStZ 1982, 507; OLG Bamberg, Beschluss vom - 3 Ss 104/11, NStZ-RR 2012, 138, 139; , NStZ-RR 2001, 16).

6Im Jugendstrafrecht kann nichts anderes gelten. Unmittelbar einleuchtend ist dies dann, wenn der neue Tatrichter Umstände in der persönlichen Entwicklung des Angeklagten feststellt, welche das notwendige Maß der erzieherischen Einwirkung als gegenüber dem Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Entscheidung nicht unerheblich geringer erscheinen lassen. Eine nachvollziehbare Begründung, weshalb es bei einer Jugendstrafe in der zuvor ausgesprochenen Höhe zu verbleiben hat, ist vom neuen Tatrichter aber auch dann zu fordern, wenn das dem Angeklagten zur Last fallende Tatgeschehen nunmehr in einem deutlich milderen Licht erscheint. Zwar bemisst sich die Höhe der Jugendstrafe nach § 18 Abs. 2 JGG auch dann vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten, wenn deren Verhängung vollständig oder teilweise auf die Schwere der Schuld gestützt wird (). Indes wird sich das Maß der erforderlichen erzieherischen Einwirkung regelmäßig nicht ohne Betrachtung des Umfangs des dem Angeklagten zuzurechnenden Tatunrechts ermitteln lassen (vgl. , NStZ-RR 2009, 337).

7Nach diesen Maßstäben begegnen die Erwägungen des Landgerichts zur Bemessung der Jugendstrafe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Weshalb trotz der festgestellten Fortschritte in der persönlichen Entwicklung des Angeklagten und trotz des Umstands, dass ihm anstelle einer Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge lediglich Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zur Last fällt, nach wie vor eine Jugendstrafe von einem Jahr zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten erforderlich ist, hat das Landgericht nicht deutlich gemacht.

8Im Übrigen lässt das angegriffene Urteil schon nicht erkennen, ob sich das Landgericht, wie nach § 18 Abs. 2 JGG erforderlich, bei der Bemessung der Jugendstrafe vorrangig am Erziehungszweck orientiert hat. Eine - wie hier - eher formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht im Allgemeinen nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 219/12; vom - 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281).

93. Die zugehörigen Feststellungen werden von den Wertungsfehlern nicht berührt und können aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter kann hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch treten.

Becker                        Pfister                          Schäfer

                Mayer                        Spaniol

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Fundstelle(n):
OAAAE-27021