BFH Urteil v. - XI R 31/10

Tauschähnlicher Umsatz zwischen dem Auftraggeber/Herausgeber einer Schriftenreihe und dem mit der Herstellung beauftragten Verlag

Leitsatz

1. Zum tauschähnlichen Umsatz zwischen dem Herausgeber einer Schriftenreihe und dem mit der Herstellung und dem Vertrieb der Schriftenreihe beauftragten Verlag hinsichtlich einer Berechtigung des Verlags, auf eigenen Namen und auf eigene Rechnung Anzeigen für die Schriftenreihe werben zu dürfen, wenn der Verlag den redaktionellen Teil, der ihm das Platzieren von Anzeigen erst ermöglichte, entgeltlich unmittelbar von einem Dritten bezogen hat.
2. Der den Tausch bzw. den tauschähnlichen Umsatz begründende unmittelbare Zusammenhang kann sich sowohl aus einer schuldrechtlichen Vereinbarung als auch auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage ergeben.
3. § 328 BGB ist auf dingliche Rechte weder unmittelbar noch analog anwendbar.

Gesetze: UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, UStG § 3 Abs. 12, RL 77/388/EWG Art. 5 Abs. 1, RL 77/388/EWG Art.6 Abs. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, in der Zeit vom 1. Januar bis (Streitzeitraum) mit der Herstellung und dem Vertrieb einer Schriftenreihe tauschähnliche Umsätze gegenüber ihrer Alleingesellschafterin ausgeführt hat.

2 Die Klägerin ist eine Verlagsgesellschaft mbH. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Betrieb einer Verlagsgesellschaft, der Vertrieb von Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen, die Werbung und der Vertrieb von anderen Medienträgern sowie die Vermittlung von Werbung jeglicher Art.

3 Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war im Streitzeitraum die S-GmbH (S). Deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer war K. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin war im Streitzeitraum zunächst H, danach A, der im Juni 2004 die Anteile der S an der Klägerin übernahm und seitdem deren Alleingesellschafter war.

4 Die Klägerin hat im Streitzeitraum im Zusammenwirken mit der B e.V. (e.V.) die Schriftenreihe „.” hergestellt und vertrieben.

5 Grundlage dafür war nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ein schriftlicher Vertrag vom der Klägerin mit dem e.V. Danach stellte der e.V. der Klägerin fachliche Beratung und Unterstützung bei allen von der Klägerin im Auftrag der S als Herausgeberin verlegten Publikationen und Druckerzeugnissen gegen Entgelt zur Verfügung. Die Klägerin war berechtigt, bei der Werbung von Anzeigenkunden, auf den Anzeigenauftragsformularen sowie den Publikationen und Druckerzeugnissen den Namen und das Logo des e.V. mit dem Hinweis „in Zusammenarbeit mit ...” zu benutzen. Der e.V. war ferner verpflichtet, den redaktionellen Teil einschließlich aller Text- und Bildbeiträge für alle von der Klägerin im Auftrag der S verlegten Publikationen und Druckerzeugnisse mit Ausnahme des Layouts und der sonstigen drucktechnischen Herstellung zu liefern. Zudem war der e.V. für die Text- und Bildbeiträge im Sinne des Presserechts verantwortlich (§ 2 des Vertrags). Für die fachliche Beratung und Unterstützung, für die Zurverfügungstellung des Namens und des Logos sowie für die Lieferung des redaktionellen Teils der Schriftenreihe „.” war die Zahlung von pauschalen Aufwandsentschädigungen der Klägerin an den e.V. vorgesehen (§ 3 des Vertrags). Die Klägerin und der e.V. waren sich ferner einig, dass alle Rechte an Artikeln, Text- oder Bildbeiträgen, die im Rahmen des Vertrags geschaffen oder erstellt werden, allein der S zustehen. Insoweit handele es sich um „einen Vertrag zugunsten Dritter” (§ 4 des Vertrags).

6 Mit Schreiben vom nahm Rechtsanwalt M im Auftrag der S gegenüber dem Gesellschafter der Klägerin, Herrn A, zu dem Vertrag vom Stellung. Er teilte im Wesentlichen mit, dass die Publikationen auf Wunsch der S von der Klägerin hergestellt, von der Klägerin mit akquirierten Anzeigen versehen und mit dem Hinweis auf die S als Herausgeber verteilt worden seien. Die Klägerin habe für ihre Tätigkeit von der S kein Entgelt erhalten. Die Klägerin habe sich aus den akquirierten Werbeanzeigen finanziert. Soweit hieraus ein Gewinn bei ihr entstanden sei, sei er an die S als Muttergesellschaft auszukehren gewesen. Das beschriebene Prozedere sei beendet worden, als die S die Anteile an der Klägerin im Juni 2004 verkauft habe.

7 Nach der Feststellung des FG wurden der Druckauftrag für die Schriftenreihe sowie die Werbung der Anzeigenkunden von der Klägerin an andere Unternehmen vergeben. Die Verträge über die Anzeigenaufträge schloss sie selbst ab. Nach ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen umfasste die Schriftenreihe „.” 18 Einzelausgaben und erschien in maximal 50 verschiedenen Regionalgebieten monatlich mit einem neuen Thema. Je Regionalgebiet und Einzelausgabe erhielt jeder Inserent 20 persönliche Exemplare mit seiner Anzeige auf der Titelseite.

8 Die Klägerin stellte in dem Streitzeitraum nur die Schriftenreihe „.” her.In den Heften wird auf der vorletzten Seite unter „Impressum” als Herausgeber die S genannt, als Verlag und verantwortlich für den Anzeigenteil wird die Klägerin aufgeführt, des Weiteren wird auf die Unterstützung des e.V. und dessen Verantwortlichkeit für den redaktionellen Teil hingewiesen.

9 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gelangte nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin zu der Auffassung, die Klägerin sei von der S mit der Herstellung und dem Vertrieb sowie der Anzeigenwerbung für die Schriftenreihe beauftragt worden. Sie erhalte für ihre Tätigkeit von der S zwar keine Zahlungen; diese dulde aber, dass die Klägerin die Broschüren für eigene Rechnung mit Werbung von Anzeigenkunden versehe. Die Herstellung und der Vertrieb der Schriftenreihe stelle einen tauschähnlichen Umsatz zwischen der Klägerin und der S dar, bei dem der Herstellung und dem Vertrieb die Einräumung der Möglichkeit, Werbekunden zu akquirieren und die Druckerzeugnisse mit der Fremdwerbung zu versehen, als Gegenleistung gegenüberstehe. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang ausgeführten Leistungen bestünden in Lieferungen der Druckerzeugnisse sowie in Vertriebsleistungen (sonstige Leistung). Insoweit seien die Besteuerungsgrundlagen unter Berücksichtigung von § 10 Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu schätzen.

10 Dementsprechend setzte das FA für den Zeitraum Januar bis Mai 2004 hinsichtlich Vertriebsleistungen der Klägerin Umsätze zu 16 % in Höhe von . € sowie hinsichtlich Lieferungen der Zeitschriften Umsätze zu 7 % in Höhe von . € an. Daraus ergab sich eine Erhöhung der Umsatzsteuer um . € auf . €, die das FA (zuletzt) mit Umsatzsteuerbescheid für 2004 vom festsetzte.

11 Der Einspruch und die Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus, das FA habe die Herstellung und den Vertrieb der Schriftenreihe zutreffend als einen tauschähnlichen Umsatz gegenüber der S beurteilt.

12 Die Herstellung und der Vertrieb der Schriftenreihe durch die —in die „Muttergesellschaft” (S) nicht organisatorisch eingegliederte und deshalb umsatzsteuerrechtlich selbständige— Klägerin beruhten auf einem zwischen dieser und der S bestehenden Rechtsverhältnis. Die Klägerin sei ausdrücklich „beauftragt” gewesen, als Verlag für die S als Herausgeberin die Herstellung und den Vertrieb der Schriftenreihe durchzuführen.Dieser Leistung stehe „in der Berechtigung der Klägerin, auf eigenen Namen und auf eigene Rechnung Anzeigen für die Schriftenreihe werben zu dürfen, eine Gegenleistung gegenüber”.

13 Das FA habe die Höhe des Entgelts gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG zutreffend ermittelt. Da die Klägerin in dem streitigen Zeitraum ausschließlich die Schriftenreihe hergestellt und vertrieben habe, könnten die der Klägerin entstandenen Aufwendungen zugrunde gelegt werden.

14 Das FA habe auch zutreffend das Entgelt für den Vertrieb der Zeitschriften nicht dem ermäßigten Steuersatz unterworfen, weil dieser nicht als Nebenleistung für die dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Lieferung von Druckerzeugnissen anzusehen sei.

15 Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 576 veröffentlicht.

16 Die Klägerin stützt ihre Revision auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie rügt eine ungenügende Sachaufklärung (§ 76 der FinanzgerichtsordnungFGO—), weil das FG nicht geklärt habe, ob ein übertragbares Recht, Inserenten für zu vertreibende Druckstücke akquirieren zu dürfen, überhaupt bestehe, und, wenn es bestehen sollte, ob ihr, der Klägerin, dieses Recht von einem Inhaber übertragen worden sei. Entgegen der Auffassung des FG habe die S als Herausgeberin der Schriftenreihe ihr, der Klägerin, als Verlag nicht das Recht übertragen, Werbung zu betreiben.

17 Verfahrensfehlerhaft sei auch, dass das FG einerseits die Herstellung und den Vertrieb der Schriftenreihe als einheitliche Leistung ansehe, andererseits aber hinsichtlich des anzuwendenden Steuersatzes von zwei unterschiedlichen Leistungen ausgehe.

18 Außerdem würden § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und § 3 Abs. 12 UStG durch die Vorentscheidung verletzt. Die Rechtsverletzung ergebe sich daraus, dass das FG § 3 Abs. 12 UStG als konstitutiv ansehe und umsatzsteuerbare Leistungen kreiere, die nicht gegeben seien.

19 Aus der Ansicht des FG, dass sie, die Klägerin, die Druckstücke ohne die Berechtigung, Werbung zu betreiben, nicht hätte herstellen können, folge ferner, dass diese Werbeberechtigung ein der Herstellung und dem Vertrieb immanenter Umsatzteil sei. Daher habe die S diese Rechte ihr, der Klägerin, beigestellt, aber nicht als Entgelt überlassen.

20 Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 2004 vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf . € herabgesetzt wird,

hilfsweise die streitigen Leistungen einheitlich mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern.

21 Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

22 Es trägt vor, ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht liege nicht vor. Die Feststellungen des FG beruhten auf einer Auslegung der verfügbaren Beweismittel. Im Rahmen seiner Beweiswürdigung sei das FG zu der Überzeugung gelangt, dass die Beteiligten im Rahmen eines Rechtsverhältnisses umsatzsteuerpflichtige Leistungen ausgetauscht hätten. Das FG sei zutreffend davon ausgegangen, dass die hergestellten Druckerzeugnisse „von der Eigentümerstellung her” der S zuzurechnen gewesen seien.

23 Die Vertragsauslegung obliege dem FG als Tatsacheninstanz und sei frei von Verfahrensfehlern. Das FG sei im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu Recht davon ausgegangen, dass die S aus ihrer Rechtsposition als Eigentümerin der Druckerzeugnisse und des damit verbundenen alleinigen Verwertungsrechts heraus es geduldet habe, dass die Klägerin das Anzeigengeschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betrieben habe (Duldungsleistung i.S. des § 3 Abs. 9 UStG).

24 Entgegen der Auffassung der Klägerin sei das FG-Urteil nicht widersprüchlich. Das FG gehe ausweislich der Entscheidungsgründe davon aus, dass die Klägerin zwei Leistungen in Gestalt tauschähnlicher Umsätze ausgeführt habe. Der Umstand, dass in den Entscheidungsgründen gelegentlich von nur einer Leistung der Klägerin gesprochen werde, begründe keinen Verfahrensfehler.

25 Ein Verstoß gegen materielles Steuerrecht liege ebenfalls nicht vor. Das FG habe § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG und § 3 Abs. 12 UStG zutreffend angewandt; auch die Voraussetzungen für eine nichtsteuerbare Leistungsbeistellung seien nicht erfüllt.

26 Der Hilfsantrag der Klägerin sei ebenfalls zurückzuweisen. Die Lieferung der Druckerzeugnisse und der Vertrieb derselben als sonstige Leistung stellten keine einheitliche Leistung dar, sondern zwei selbständige Leistungen, die getrennt zu beurteilen seien.

27 II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

28 Die getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen nicht die rechtliche Beurteilung der Vorinstanz, die Leistungen der Klägerin gegenüber der S in Gestalt der Herstellung und Versendung der Schriftenreihe seien i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG „gegen Entgelt” erbracht worden.

29 1. Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798; vom V R 31/04, BFHE 211, 551, BStBl II 2007, 183; vom V R 36/03, BFH/NV 2006, 1525; vom V R 42/06, BFHE 221, 74, BStBl II 2009, 493, unter II.1., m.w.N.).

30 a) Der Gegenwert kann bei Tausch und tauschähnlichen Umsätzen i.S. von § 3 Abs. 12 UStG durch eine tatsächlich erhaltene Gegenleistung erbracht werden, die nicht in Geld bestehen, aber in Geld ausdrückbar sein muss (vgl. , BFHE 200, 101, BStBl II 2003, 438; in BFH/NV 2006, 1525; in BFHE 221, 74, BStBl II 2009, 493; Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom C-33/93 —Empire Stores Ltd.—, Slg. 1994, I-2329, Rz 12, 16 und 17; vom C-380/99 —Bertelsmann AG—, BFH/NV Beilage 2001, 192, Rz 17).

31 Voraussetzung für die Annahme einer tauschähnlichen Leistung ist, dass sich zwei entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegenüberstehen, die durch die Modalität der Entgeltvereinbarung (Tausch) miteinander verknüpft sind (BFH-Urteile in BFHE 221, 74, BStBl II 2009, 493, unter II.1.a; vom XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909; vom XI R 17/08, BFHE 230, 466, BFH/NV 2010, 2359).

32 b) § 3 Abs. 12 UStG steht im Einklang mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (vgl. z.B. Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 741; Nieskens in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 4081, m.w.N.).

33 2. Das FG ist zutreffend in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass zwischen der Klägerin und der S keine Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit kein nicht steuerbarer Innenumsatz vorliegt.

34 Die Klägerin und die S hatten unterschiedliche Geschäftsführer; es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine organisatorische Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG (vgl. dazu , BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2.; vom V R 53/10, BFHE 234, 548, BFH/NV 2011, 2195) vor.

35 3. Die Vorentscheidung hält der Revision auch insoweit stand, als das FG angenommen hat, entsprechend den zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geltenden Grundsätzen könne sich der den Tausch bzw. den tauschähnlichen Umsatz begründende unmittelbare Zusammenhang sowohl aus einer schuldrechtlichen Vereinbarung als auch auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage ergeben (vgl. z.B. , BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.b, zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG; vom V R 10/08, BFHE 229, 406, BStBl II 2010, 879).

36 4. Allerdings sind die Ausführungen des FG, der Leistung der Klägerin stehe „in der Berechtigung, auf eigenen Namen und auf eigene Rechnung Anzeigen für die Schriftenreihe werben zu dürfen, eine Gegenleistung gegenüber”, unzureichend.

37 a) Für die vom FG getroffene Annahme eines tauschähnlichen Umsatzes fehlen Feststellungen, ob der Klägerin von der S ein Recht, Anzeigenkunden für die Schriftenreihe akquirieren zu dürfen, überlassen worden ist.

38 aa) Im Streitfall lieferte nach § 2 des Vertrags vom der e.V. und nicht die S der Klägerin den redaktionellen Teil einschließlich aller Text- und Bildbeiträge für alle von der Klägerin im Auftrag der S verlegten Publikationen und Druckerzeugnisse mit Ausnahme des Layouts und der drucktechnischen Herstellung. Er stellte ferner die fachliche Beratung und Unterstützung zur Verfügung und ermächtigte die Klägerin, den Namen und das Logo des e.V. zu benutzen. Dies spricht dafür, dass die Rechte an den erstellten Artikeln, Text- oder Bildbeiträgen zunächst dem e.V. zustanden und die Verwertungsrechte von dem e.V. auf die Klägerin übergingen, für die sie nach § 3 des Vertrags ein Entgelt gegenüber dem e.V. entrichtete.

39 bb) Keine abweichende rechtliche Beurteilung ergibt sich aus § 4 des Vertrags, wonach die Rechte an Artikeln, Text- oder Bildbeiträgen auf Grund eines „Vertrags zugunsten Dritter” unmittelbar der S zustehen sollen.

40 Nach § 328 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kann zwar durch Vertrag eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirkt, die Leistung zu fordern. Die Vorschrift ist aber auf dingliche Rechte weder unmittelbar noch analog anwendbar (vgl. z.B. , BGHZ 41, 95, 96; vom V ZR 264/62, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht —WM— 1965, 464; vom IX ZR 54/85, WM 1986, 749, 750; , BGHR BGB § 328 Abs. 1; , BGHZ 123, 178, unter II.1.a; Palandt/ Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl., Einführung vor § 328 Rz 9; Erman/Westermann, BGB, 13. Aufl., § 328 Rz 2).

41 Die (ausdrückliche oder konkludente) Überlassung eines urheberrechtlichen (einfachen oder ausschließlichen) Nutzungsrechts hat dinglichen Charakter (vgl. , BGHZ 185, 291, Neue Juristische Wochenschrift 2010, 2731, unter II.3.c aa).

42 b) Soweit das FA vorträgt, das FG sei zu Recht davon ausgegangen, dass die S Eigentümerin der Druckerzeugnisse geworden sei und aus dieser Rechtsposition heraus in Ausübung des mit der Eigentümerstellung einhergehenden alleinigen Verwertungsrechts geduldet habe, dass die Klägerin das Anzeigengeschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betrieben habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

43 Denn dafür findet sich im vorinstanzlichen Urteil keine (ausreichende) Grundlage. In seiner rechtlichen Würdigung geht das FG weder auf die Eigentümerstellung an den Schriften noch auf ein „Dulden von Anzeigen” ein. Das FG führt lediglich aus, der klägerischen Leistung stehe „in der Berechtigung der Klägerin, auf eigenen Namen und auf eigene Rechnung Anzeigen für die Schriftenreihe werben zu dürfen, eine Gegenleistung gegenüber”. Zudem fehlen tatsächliche Feststellungen über einen Eigentumserwerb der S nach §§ 929 ff. BGB an den Schriften.

44 Darüber hinaus würde die Annahme einer Gegenleistung der S in Form der Duldung, dass die Klägerin das Anzeigengeschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreiben dürfe, den vom FG getroffenen Feststellungen widersprechen. Denn die Klägerin selbst hat den redaktionellen Teil, der ihr das Platzieren von Anzeigen erst ermöglichte, nach § 2 und § 3 des Vertrags vom einschließlich aller Text- und Bildbeiträge entgeltlich unmittelbar von dem e.V. bezogen.

45 5. Das Urteil des FG war danach aufzuheben.

46 Ob die Entscheidungsgründe des vorinstanzlichen Urteils darüber hinaus —wie die Klägerin ferner vorbringt— widersprüchlich sind, weil das FG hinsichtlich der Herstellung und dem Vertrieb der Schriftenreihe von „einem” tauschähnlichen Umsatz gegenüber der S ausgehe, während es später ausführe, das Verhalten der Klägerin gegenüber der S bestehe nicht aus einem Umsatz, sondern aus zwei Umsätzen in Form von Herstellung und Vertrieb, bedarf im vorliegenden Revisionsverfahren keiner Entscheidung mehr.

47 Ebenso erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Rügen der Klägerin.

48 6. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang (konkrete) Feststellungen dazu treffen müssen, ob die S gegenüber der Klägerin eine Leistung —und ggf. welche— erbracht hat. Dabei kommt —soweit entsprechend dem Vortrag des FG hierzu weitere schriftliche Unterlagen nicht vorhanden sind— auch die Vernehmung der Geschäftsführer der Klägerin und der S in Betracht. Es wird auch zu berücksichtigen sein, dass das FA die Feststellungslast für das Vorliegen einer Leistung der S trägt.

49 7. Für den Fall, dass das FG im zweiten Rechtsgang einen entgeltlichen Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und der S bejaht, wird es seine Auffassung überprüfen müssen, dass die Herstellung und der Versand der Schriftenreihe umsatzsteuerrechtlich als zwei selbständige Leistungen (vgl. dazu z.B. , BFHE 227, 231, BStBl II 2010, 869, unter II.2.a) zu beurteilen seien, von denen nur die Herstellung (Lieferung) dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der Anlage 2 zum UStG unterliege (a.A. , EFG 2012, 1096).

50 8. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 121 Satz 1, § 90 Abs. 2 FGO).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 95 Nr. 1
HFR 2013 S. 60 Nr. 1
StBW 2012 S. 1061 Nr. 23
UR 2013 S. 52 Nr. 2
UStB 2012 S. 342 Nr. 12
RAAAE-21139