OFD Frankfurt/M. - S 3801 A - 9 - St 119

Erbschaft-/Schenkungsteuer; Anwendung des § 2 Absatz 3 ErbStG

Bezug:

Die gleich lautenden Erlasse der zur Anwendung des § 2 Abs. 3 ErbStG übersende ich mit der Bitte um Kenntnisnahme und Beachtung.

Die Erlasse werden im Bundessteuerblatt I veröffentlicht.

Anlage:

Anwendung des § 2 Abs. 3 ErbStG

1. § 2 Absatz 3 ErbStG räumt dem Erwerber eines an sich nur beschränkt steuerpflichtigen Vermögensanfalls (§ 2 Absatz 1 Nummer 3 ErbStG) ein Antragsrecht ein. Das Antragsrecht gilt auch in den Fällen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht nach § 4 AStG. Voraussetzung ist, dass der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) seinen Wohnsitz (§ 8 AO) in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat hat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist. Den Antrag kann auch im Fall der Steuerübernahme durch den Schenker (§ 10 Absatz 2 ErbStG) nur der Erwerber stellen. Entsprechendes gilt, wenn der Schenker als Steuerschuldner (§ 20 Absatz 1 ErbStG) in Anspruch genommen wird. Mit dem zulässigen Antrag wird der Erwerb den Regelungen der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen. Der Antrag kann bis zur materiell-rechtlichen Bestandskraft der Steuerfestsetzung widerrufen werden.

2. Als Folge des gestellten Antrags umfasst die unbeschränkte Steuerpflicht den gesamten Vermögensanfall, und zwar unabhängig davon, worin das Vermögen besteht und ob es in Deutschland oder einem anderen Staat belegen ist (§ 2 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG).

3. Die Wirkung des Antrags erstreckt sich darüber hinaus auf alle Erwerbe, für die die Steuer nach § 9 ErbStG innerhalb von zehn Jahren vor und innerhalb von zehn Jahren nach dem gegenwärtigen Vermögensanfall entstanden ist. Damit wird sichergestellt, dass die für unbeschränkt steuerpflichtige Erwerbe geltenden Steuervorschriften nicht durch in mehrere Teile aufgespaltete Schenkungen zwischen denselben Personen umgangen werden können. Auch bei diesen vorangegangenen oder nachfolgenden Erwerben richtet sich der Umfang des Vermögensanfalls, unabhängig davon, worin das Vermögen besteht und ob es in Deutschland oder einem anderen Staat belegen ist, nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG. Für diese Erwerbe ist es unerheblich, wo der Erblasser oder Schenker oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ihren Wohnsitz hatten oder haben werden. Für die Besteuerung dieser vorangegangenen oder nachfolgenden Erwerbe gilt das Folgende:

  1. Frühere Erwerbe innerhalb des Zehnjahreszeitraums sind als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Wurde eine Steuer aufgrund beschränkter Steuerpflicht festgesetzt, ist die Festsetzung zu ändern (§ 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO).

    Beispiel 1:

    Ein Erwerber mit Wohnsitz in einem ausländischen Mitgliedstaat der EU hat im Jahr 2012 von einem Schenker mit Wohnsitz in einem Drittstaat ein Grundstück und ein Wertpapierdepot in Deutschland erhalten und für den Erwerb einen Antrag nach § 2 Absatz 3 ErbStG gestellt. Im Jahr 2005 hat er von demselben Schenker ein Grundstück und ein Wertpapierdepot in Deutschland geschenkt erhalten. Beide Beteiligte hatten dieselben Wohnsitze wie im Jahr 2012.

    Für die Schenkung im Jahr 2012 besteht unbeschränkte Steuerpflicht. Für die Schenkung im Jahr 2005 bestand zunächst lediglich beschränkte Steuerpflicht, die nur das Grundstück in Deutschland erfasste (Inlandsvermögen i. S. d. § 121 Nummer 2 BewG). Aufgrund des Antrags bei der Zuwendung 2012 ist der Erwerb 2005 als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Der Vermögensanfall umfasst daher neben dem Grundstück auch das Wertpapierdepot. Die bisherige Steuerfestsetzung ist entsprechend zu ändern.

    Beispiel 2:

    Ein Erwerber mit Wohnsitz in einem ausländischen Mitgliedstaat der EU hat im Jahr 2012 von einem Schenker mit Wohnsitz in einem Drittstaat ein Grundstück und ein Wertpapierdepot in Deutschland erhalten und für den Erwerb einen Antrag nach § 2 Absatz 3 ErbStG gestellt. Im Jahr 2005 hat er von demselben Schenker ein Grundstück im Ausland geschenkt erhalten. Beide Beteiligte hatten dieselben Wohnsitze wie im Jahr 2012.

    Für die Schenkung im Jahr 2012 besteht unbeschränkte Steuerpflicht. Für die Schenkung im Jahr 2005 bestand zunächst keine Steuerpflicht (kein Inlandsvermögen i. S. d. § 121 Nummer 2 BewG). Aufgrund des Antrags bei der Zuwendung 2012 ist der Erwerb 2005 als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Der Vermögensanfall umfasst das Grundstück im Ausland. Die Steuer für den Erwerb 2005 ist erstmals festzusetzen.

  2. Künftige Erwerbe innerhalb des Zehnjahreszeitraums sind als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln, unabhängig davon, worin das Vermögen besteht und ob es in Deutschland oder einem anderen Staat belegen ist.

4. Für die Zusammenrechnung solcher Erwerbe nach § 14 ErbStG gilt das Folgende:

  1. Frühere Erwerbe innerhalb des Zehnjahreszeitraums sind mit dem gegenwärtigen Erwerb nach Maßgabe des § 14 ErbStG zusammenzurechnen.

    Beispiel:

    Ein Erwerber hat für einen Erwerb im Jahr 2012 einen Antrag nach § 2 Absatz 3 ErbStG gestellt. Im Jahr 2005 hat er bereits von demselben Schenker eine Schenkung erhalten.

    Die beiden Erwerbe sind als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln und bei der Besteuerung des Erwerbs 2012 nach § 14 ErbStG zusammenzurechnen.

  2. Zukünftige Erwerbe innerhalb der Zehnjahresfrist nach dem gegenwärtigen Erwerb unterliegen ebenfalls der unbeschränkten Steuerpflicht. Diese sind mit dem gegenwärtigen und früheren Erwerben nach Maßgabe des § 14 ErbStG zusammenzurechnen, sofern sie innerhalb der Frist von zehn Jahren angefallen sind.

    Beispiel:

    Ein Erwerber hat für einen Erwerb im Jahr 2012 einen Antrag nach § 2 Absatz 3 ErbStG gestellt. In den Jahren 2003 und 2005 hat er bereits von demselben Schenker eine Schenkung erhalten. Im Jahr 2014 erhält er von demselben Schenker eine weitere Schenkung, zu der auch Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG gehört.

    Bei der Besteuerung des Erwerbs im Jahr 2012 sind die Erwerbe der Jahre 2003, 2005 und 2012 als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln und nach § 14 ErbStG zusammenzurechnen. Auch der Erwerb im Jahr 2014 ist als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Er ist mit den Erwerben 2005 und 2012 zusammenzurechnen. Bezogen auf den Erwerb 2014 liegt der Erwerb 2003 außerhalb des Zehnjahreszeitraums nach § 14 ErbStG.

5. Der Erwerber erhält auf Grund des Antrags nach § 2 Absatz 3 ErbStG den höheren Freibetrag nach § 16 Absatz 1 ErbStG, der sich nach seinem persönlichen Verhältnis (Steuerklasse) zum Erblasser oder Schenker ergibt, und bei einem Erwerb von Todes wegen unter den weiteren Voraussetzungen des § 17 ErbStG auch den besonderen Versorgungsfreibetrag.

6. Im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht auf Grund eines Antrags des Erwerbers nach § 2 Absatz 3 ErbStG ist eine Anrechnung ausländischer Erbschaft- oder Schenkungsteuer nach Maßgabe des § 21 ErbStG möglich. Auf den Teil der deutschen Steuer, der auf Auslandsvermögen entfällt, ist die in einem ausländischen Staat auf dieses Auslandsvermögen gezahlte ausländische Steuer bis zu einem Höchstbetrag anzurechnen (§ 21 Absatz 1 Satz 2 und 3 ErbStG). Da der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung kein Inländer ist, zählen zum Auslandsvermögens alle erworbenen Vermögensgegenstände mit Ausnahme der nach § 121 BewG zum Inlandsvermögen gehörenden Vermögensgegenstände (§ 21 Absatz 2 Nummer 2 ErbStG).

Beispiel:

Ein Erwerber mit Wohnsitz in einem ausländischen Mitgliedstaat der EU hat von einem Schenker mit Wohnsitz in einem Drittstaat für den Erwerb eines Grundstücks und eines Wertpapierdepots in Deutschland im Jahr 2012 einen Antrag nach § 2 Absatz 3 ErbStG gestellt.

Für die Schenkung im Jahr 2012 besteht unbeschränkte Steuerpflicht. Der Vermögensanfall umfasst daher neben dem Grundstück auch das Wertpapierdepot. Da der Schenker kein Inländer ist, zählt das Wertpapierdepot in Deutschland zum Auslandsvermögen i. S. d. § 21 Absatz 2 Nummer 2 ErbStG. Die darauf entfallende ausländische Schenkungsteuer ist bis zum Höchstbetrag auf die deutsche Steuer anzurechnen. Die auf das zum Inlandsvermögen gehörende Grundstück (§ 121 Nummer 2 BewG) entfallende ausländische Steuer ist von einer Anrechnung ausgeschlossen.

7. Die örtliche Zuständigkeit bei unbeschränkter Steuerpflicht auf Grund eines Antrags nach § 2 Absatz 3 ErbStG richtet sich nach § 35 Absatz 4 ErbStG. Örtlich zuständig ist nach sinngemäßer Anwendung des § 19 Absatz 2 AO das Finanzamt, in dessen Bezirk sich das erworbene inländische Vermögen und, wenn dies für mehrere Finanzämter zutrifft, in dessen Bezirk sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet. Hinsichtlich der Zuständigkeit für vorangegangene oder nachfolgende Erwerbe, die auf Grund des Antrags ebenfalls als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln sind, gilt das Folgende:

  1. Gehört zu dem Erwerb kein Inlandsvermögen, ist für die Besteuerung das Finanzamt zuständig, das für die Besteuerung des Erwerbs, für den der Antrag gestellt wurde, zuständig ist.

  2. Gehört zu dem Erwerb Inlandsvermögen, ist für die Besteuerung das Finanzamt zuständig, das für die Besteuerung des beschränkt steuerpflichtigen Erwerbs zuständig ist oder sein würde. Das für den gegenwärtigen Erwerb zuständige Finanzamt hat das für einen früheren Erwerb zuständige Finanzamt darüber zu unterrichten, dass auf Grund des Antrags eine Änderung der Steuerpflicht eingetreten ist.

8. Der Antragsteller ist aufzufordern, dem Finanzamt folgende Angaben zu machen:

  • Zeitpunkt von früheren Zuwendungen von derselben Person,

  • Zusammensetzung und Wert dieser Erwerbe,

  • ggf. das zuständige deutsche Finanzamt, bei dem diese Erwerbe besteuert wurden, mit Angabe der Steuernummer.

In dem Steuerbescheid ist darauf hinzuweisen, dass

  • innerhalb von zehn Jahren nach dem gegenwärtigen Vermögensanfall von derselben Person anfallende Erwerbe auf Grund des Antrags nach § 2 Absatz 3 ErbStG ebenfalls der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen,

  • diese Erwerbe innerhalb einer Frist von drei Monaten dem Finanzamt, das den Steuerbescheid erlassen hat, anzuzeigen sind unter Angabe des Zeitpunkts des Erwerbs, dessen Zusammensetzung und dessen Werts.

Den Erwerber trifft wegen des Bezugs auf Vorgänge mit Auslandssachverhalten eine erhöhte Mitwirkungspflicht (§ 90 Absatz 2 AO).

Erkennt das Finanzamt, dass für einen nachfolgenden Erwerb ein anderes Finanzamt zuständig ist (vgl. Tz. 7), hat es die Anzeige dorthin weiterzuleiten und das Finanzamt darüber zu unterrichten, dass für einen früheren Erwerb ein Antrag nach § 2 Absatz 3 ErbStG gestellt worden ist.

9. Ein Antrag nach § 2 Absatz 3 ErbStG kann für Erwerbe gestellt werden, für die die Steuer nach dem entsteht (§ 37 Absatz 7 Satz 1 ErbStG). Für Erwerbe, für die die Steuer vor dem entstanden ist, ist ein Antrag nur zulässig, soweit der Steuerbescheid materiell-rechtlich noch nicht bestandskräftig ist (§ 37 Absatz 7 Satz 2 ErbStG). Ein Einspruch, der Erwerbe betrifft, für die die Steuer vor dem entstanden ist, kann nicht als Antrag nach § 2 Absatz 3 ErbStG gewertet werden. Der Erwerber ist darauf hinzuweisen, dass er einen entsprechenden Antrag stellen kann.

10. Stellt der Erwerber keinen Antrag gemäß § 2 Absatz 3 ErbStG, unterliegt der Vermögensanfall der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1 Nummer 3 ErbStG). Der Erwerber kann in diesem Fall nur den persönlichen Freibetrag nach § 16 Absatz 2 ErbStG in Anspruch nehmen.

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Fundstelle(n):
ErbSt-Kartei HE § 2 ErbStG Karte 4
AAAAE-08170