Markenbeschwerdeverfahren: Hinweispflicht und Verletzung des rechtlichen Gehörs
Gesetze: § 73 Abs 1 MarkenG, § 82 Abs 1 S 1 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 3 MarkenG, § 139 Abs 1 S 2 ZPO, Art 103 Abs 1 GG
Instanzenzug: Az: 30 W (pat) 96/09
Gründe
1I. Für die Markeninhaberin ist seit dem die Bildmarke (farbig: hellgrün, dunkelgrün, braun, schwarz) Nr. 306 28 042 (S 29/08 Lö)
für "Dienstleistungen eines Zahnarztes" eingetragen.
2Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marke beantragt.
3Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom die Löschung der Marke angeordnet.
4Auf die Beschwerde der Markeninhaberin hat das Bundespatentgericht den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben und den Löschungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen ( 30 W (pat) 96/09, juris).
5Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt.
6II. Das Bundespatentgericht hat die Auffassung vertreten, der Eintragung der Marke stünden hinsichtlich der gelöschten Dienstleistungen nicht die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen, da die Bildmarke hinreichend unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig sei.
7III. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
81. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs und hat dies im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die erhobenen Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2010, 1034 Rn. 9 = WRP 2010, 1034 - LIMES LOGISTIK).
92. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin rügt ohne Erfolg die Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG, Art. 103 Abs. 1 GG) durch Verletzung der Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 82 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 MarkenG.
10a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (, NJW 2009, 1584 mwN). Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren ferner, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Dazu gehört auch, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich zwar keine Verpflichtung des Gerichts, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen oder allgemein von seinem Frage- und Aufklärungsrecht Gebrauch zu machen. Es stellt jedoch eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht zu rechnen brauchte, weil dies im Ergebnis der Verhinderung des Vortrags eines Verfahrensbeteiligten gleichkommt (vgl. BVerfGE 84, 188, 190; BVerfG, NJW 1994, 1274; BGH, GRUR 2010, 1034 Rn. 11 - LIMES LOGISTIK). Allerdings muss ein Verfahrensbeteiligter schon von sich aus vertretbare rechtliche Gesichtspunkte in Betracht ziehen. Das Bundespatentgericht brauchte zur Wahrung des rechtlichen Gehörs auch nicht vorab darauf hinzuweisen, dass es den Streitfall anders beurteilt als das Deutsche Patent- und Markenamt (, GRUR 2006, 152, 153 = WRP 2006, 102 - GALLUP; BGH, GRUR 2008, 1027 Rn. 20 - Cigarettenpackung, jeweils mwN).
11b) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe den Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es die Antragstellerin weder in der mündlichen Verhandlung noch ansonsten darauf hingewiesen habe, dass es den zuvor ergangenen Löschungsbeschluss der Markenabteilung für nicht haltbar erachte, weil Nachweise für das von der Antragstellerin geltend gemachte allgemein symbolhafte Verkehrsverständnis, von dem die Markenabteilung noch ausgegangen sei, fehlten.
12aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob das Bundespatentgericht nach den Umständen des vorliegenden Verfahrens gehalten war, den von der Rechtsbeschwerde als geboten erachteten Hinweis zu geben. Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass der 30. Marken-Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts in identischer Besetzung am selben Tag ein Parallelverfahren verhandelt hat, in dem es zwischen denselben Verfahrensbeteiligten um den Bestand einer zeichenidentischen Bildmarke ging, die für eine Reihe von Waren und Dienstleistungen unter anderem aus dem Bereich der Zahnmedizin und der Gesundheitspflege eingetragen und die ebenfalls mit einem Löschungsantrag der Antragstellerin angegriffen worden war. Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes hatte in beiden Parallelverfahren eine (Teil-)Löschung der Bildmarken beschlossen.Im dortigen Parallelverfahren (Bundespatentgericht 30 W (pat) 106/09), welches dem Senat durch eine ebenfalls von der Antragstellerin eingelegte Rechtsbeschwerde bekannt ist (vgl. dazu ) und auf das im vorliegenden Verfahren beide Beteiligte Bezug genommen haben, hatte die Antragstellerin eine Reihe von Unterlagen eingereicht, um ihren Sach- und Rechtsstandpunkt zu belegen. Auf eben jene Unterlagen nimmt die Rechtsbeschwerde auch im vorliegenden Verfahren Bezug und macht geltend, diese Unterlagen hätte sie eingereicht, wenn das Bundespatentgericht den von der Rechtsbeschwerde als geboten angesehenen Hinweis erteilt hätte. Angesichts dieser Umstände war mithin sowohl dem Bundespatentgericht als auch den Verfahrensbeteiligten und ihren Verfahrensbevollmächtigten klar, dass die hier in beiden Verfahren gleichermaßen erheblichen Unterlagen ohnehin zur Kenntnis der über beide Parallelverfahren zu erkennenden Richter gelangt waren.
13bb) Letztlich kann aber offenbleiben, ob das Bundespatentgericht auch in dieser besonderen Verfahrenssituation gehalten war, einen förmlichen Hinweis dahingehend zu erteilen, dass es an Nachweisen für das von der Antragstellerin geltend gemachte Verkehrsverständnis fehle und deshalb die in dem Parallelverfahren eingereichten Unterlagen auch im vorliegenden Verfahren einzureichen seien. Jedenfalls beruht der angegriffene Beschluss nicht auf einer eventuellen Verletzung der Hinweispflicht.
14(1) Nicht jede Verletzung des rechtlichen Gehörs führt zur Begründetheit der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG. Vielmehr ist Voraussetzung, dass der angefochtene Beschluss auf dem Verstoß beruht oder beruhen kann (, GRUR 1997, 637, 638 f. = WRP 1997, 762 - Top Selection; Beschluss vom - I ZB 72/07, GRUR 2008, 1126 Rn. 12 = WRP 2008, 1550 - Weisse Flotte; BGH, GRUR 2010, 1034 Rn. 17 - LIMES LOGISTIK). Daran fehlt es im Streitfall.
15(2) Das Bundespatentgericht hat - wie im Parallelverfahren - angenommen, der Durchschnittsverbraucher werde aus dem Umstand, dass die Darstellung eines grünen Apfels im Zusammenhang mit der Werbung für zahnärztliche Leistungen - auch markenmäßig - Verwendung finde, nicht darauf schließen, dass der grüne Apfel an sich ein Symbol für gesunde Zähne und ein Sachhinweis im Zusammenhang mit Parodontosebehandlungen sei. Das Bundespatentgericht hat weiter angenommen, dass sich keine Anhaltspunkte für die Feststellung ergäben, dass der Verkehr mit der Bildmarke einen unmittelbaren und konkreten Sachbezug zu den beanspruchten Dienstleistungen herstelle. Die Abbildung eines grünen Apfels sei keine geläufige Sachangabe, ein (allgemein) beschreibender oder sachbezogener Begriffsinhalt lasse sich ihr nicht ohne weiteres und ohne Unklarheiten entnehmen.
16Daraus ergibt sich, dass das Bundespatentgericht sich ausdrücklich mit der Darstellung des Apfels in der Werbung für zahnärztliche Leistungen befasst und damit hinreichend deutlich gemacht hat, dass es die von der Antragstellerin im Parallelverfahren eingereichten Unterlagen auch im vorliegenden Verfahren in seine tatrichterliche Bewertung einbezogen hat.
17Dass das Bundespatentgericht insoweit zu einer anderen Bewertung des Aussagegehalts der Unterlagen gekommen ist als die Antragstellerin, ist für die Frage der Begründetheit der Rechtsbeschwerde unerheblich. Darauf, ob das Bundespatentgericht das Vorliegen eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zu Recht bejaht hat, kommt es nicht an. Der absolute Rechtsbeschwerdegrund des § 83 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG soll allein die Einhaltung des Verfassungsgrundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs sichern und dient nicht der Überprüfung der Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung (vgl. , GRUR 2000, 894, 895 = WRP 2000, 1166 - Micro-PUR; Beschluss vom - I ZB 121/05, juris Rn. 12; BGH, GRUR 2008, 1027 Rn. 22 - Cigarettenpackung; , juris Rn. 10; , MarkenR 2011, 267 Rn. 13) und damit auch nicht der Überprüfung der tatrichterlichen Würdigung des zur Kenntnis genommenen Streitstoffs durch das Bundespatentgericht (vgl. , MarkenR 2008, 176 Rn. 12).
18IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Löffler
Fundstelle(n):
BAAAE-05770