BAG Urteil v. - 3 AZR 795/09

Betriebliche Altersversorgung - Auslegung einer Versorgungsordnung - Invaliditätsrente - Reichweite der Rechtskraft

Gesetze: § 2 Abs 1 BetrAVG, § 305c Abs 2 BGB, § 306 Abs 1 BGB, § 306 Abs 2 BGB, § 322 Abs 1 ZPO

Instanzenzug: ArbG Würzburg Az: 9 Ca 1736/07 S Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 7 Sa 868/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Höhe der betrieblichen Invalidenrente des Klägers.

2Der im Juni 1947 geborene Kläger war vom bis zum bei der Beklagten beschäftigt.

Die Beklagte erließ am eine als Versorgungszusage überschriebene Versorgungsordnung (im Folgenden: VO 1980), die unter anderem folgende Regelungen enthält:

Der Kläger schied aufgrund krankheitsbedingter Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des aus dem Unternehmen der Beklagten aus. Im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schlossen die Parteien eine Abwicklungsvereinbarung vom 5./, die unter anderem bestimmt:

5Am stellte der Kläger bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) einen Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Bescheid der BfA vom wurde diesem Antrag stattgegeben und dem Kläger für die Zeit ab dem eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Die Anspruchsvoraussetzungen sind nach diesem Rentenbescheid seit dem erfüllt.

6Die Beklagte zahlt seit dem an den Kläger eine Invalidenrente. Nach der Berechnung der Beklagten beläuft sich diese auf 718,83 Euro brutto monatlich. Hierbei legte die Beklagte als maximal erreichbare Voll-Leistung nach der VO 1980 einen Betrag in Höhe von 927,50 Euro brutto zugrunde. Diesen Betrag kürzte die Beklagte im Verhältnis der vom Kläger tatsächlich abgeleisteten Beschäftigungszeit von 33 Jahren und sechs Monaten zur möglichen Beschäftigungszeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres von 43 Jahren, zwei Monaten und 20 Tagen.

7Da der Kläger der Auffassung war, dass ihm nach § 5 Abs. 5 iVm. § 4 Abs. 6 VO 1980 der ungekürzte Rentenbetrag in Höhe von 927,50 Euro brutto zustehe und eine Kürzung wegen seiner mehr als 30-jährigen Dienstzeit nicht in Betracht komme, erhob er vor dem Arbeitsgericht eine Zahlungsklage über einen monatlichen Differenzbetrag von 208,67 Euro für die Monate Oktober 2003 bis einschließlich Juli 2006. Das Arbeitsgericht gab dieser Klage in Höhe eines monatlichen Betrages von 34,95 Euro statt. Im Übrigen wies es die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein und erweiterte die Klage um jeweils 208,67 Euro monatlich für die Monate August 2006 bis einschließlich Dezember 2006 sowie um jeweils 220,65 Euro monatlich für die Monate Januar 2007 bis einschließlich August 2007. Im Rahmen des Berufungsverfahrens machte der Kläger erstmals geltend, die Erwerbsminderung habe bereits im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vorgelegen. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung des Klägers zurück und wies die Klage auf die Anschlussberufung der Beklagten insgesamt ab. Ausweislich Ziff. 3 des Urteilstenors wurde die Klage als unzulässig abgewiesen, „soweit der Kläger in der Berufungsinstanz die Klage auf neue Tatsachen gestützt hat“. In den Entscheidungsgründen führte das Landesarbeitsgericht aus, der Kläger habe mit dem Vortrag in der Berufungsinstanz, die Erwerbsminderung sei bereits vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten eingetreten, die Klage um einen eigenständigen neuen Streitgegenstand erweitert. Dies sei in der Berufung unzulässig. Die gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen.

8Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger seine Ansprüche auf die ungekürzte Invalidenrente für die Zeit von Januar 2004 bis August 2007 erneut geltend gemacht. In der Berufungsinstanz hat er die Klage um Ansprüche für die Monate September 2007 bis September 2009 in Höhe von jeweils 220,68 Euro erweitert.

9Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Rechtskraft der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in dem Vorprozess stehe der erneuten gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche nicht entgegen. Die Beklagte sei nicht berechtigt, seine Invalidenrente wegen seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis zum zu kürzen. Dies folge aus § 4 Abs. 6 iVm. § 5 Abs. 5 VO 1980, wonach nach einer 30-jährigen Dienstzeit keine Kürzung der Rente mehr erfolge. Zudem habe die Erwerbsminderung bereits vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden. Unabhängig davon begründe auch das krankheitsbedingte Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf Invalidenrente, da die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar in die nachfolgende Erwerbsminderung eingemündet sei und die Arbeitsunfähigkeit und die Erwerbsminderung auf ein- und derselben Erkrankung beruhten.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

11Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

13Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings ist die Klage entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts insgesamt zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht keine höhere als die von der Beklagten gezahlte Invalidenrente für die Zeit von Januar 2004 bis September 2009 zu.

14I. Die Klage ist insgesamt zulässig. Einer Sachentscheidung über die Ansprüche auf Invalidenrente für die Monate Januar 2004 bis August 2007 steht die Rechtskraft des Urteils in dem Vorprozess nicht entgegen. Das Landesarbeitsgericht hat in jenem Verfahren zwar entschieden, dass dem Kläger für die Monate Januar 2004 bis August 2007 aus der VO 1980 kein weitergehender Anspruch auf Zahlung einer Invalidenrente zusteht. Es hat aber angenommen, durch das neue Vorbringen des Klägers im damaligen Berufungsverfahren habe er die Klage um einen neuen, zweiten Streitgegenstand erweitert, was unzulässig sei. Das Landesarbeitsgericht hat damit diesen Gesichtspunkt aus seiner rechtlichen Würdigung ausdrücklich ausgenommen und damit über den dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt nicht abschließend entschieden. Die Rechtskraft des in dem Vorprozess ergangenen Urteils ist daher insoweit eingeschränkt.

151. Die materielle Rechtskraft eines Urteils (§ 322 Abs. 1 ZPO) führt zur Unzulässigkeit einer weiteren Klage mit demselben Streitgegenstand.

16Bei der Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft eines die Leistungsklage abweisenden Urteils sind Tatbestand und Entscheidungsgründe einschließlich des Parteivorbringens heranzuziehen, da sich allein aus der Urteilsformel der Streitgegenstand und damit Inhalt und Umfang der getroffenen Entscheidung nicht notwendig erkennen lassen ( - zu I 2 der Gründe, DB 2002, 2376; - IVb ZR 19/89 - NJW 1990, 1795).

17Streitgegenstand ist der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung verstandene, eigenständige prozessuale Anspruch, der durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt wird ( - Rn. 22, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13; - 7 AZR 416/05 - Rn. 15;  - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 117, 1). Zum Streitgegenstand zählen dabei alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens unterbreitet hat ( - Rn. 22, aaO; - 3 AZR 172/07 - Rn. 22, AP ZPO § 253 Nr. 48). Eine materiell rechtskräftige Entscheidung steht einer erneuten gerichtlichen Geltendmachung grundsätzlich auch dann entgegen, wenn das Gericht über den ihm unterbreiteten Sachverhalt nicht unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte entschieden hat ( IVb ZR 19/89 - zu I 1 der Gründe, NJW 1990, 1795).

18Die Rechtskraft eines die Leistungsklage abweisenden Urteils ist jedoch eingeschränkt, wenn dem Urteil zu entnehmen ist, dass das Gericht einen rechtlichen Gesichtspunkt bewusst ausgespart hat. Eine Einschränkung der Rechtskraft eines die Leistungsklage abweisenden Urteils ist danach dann geboten, wenn in der Entscheidung unmissverständlich der Wille des Prozessgerichts zum Ausdruck kommt, über den zugrunde liegenden Sachverhalt nicht abschließend zu erkennen und dem Kläger so eine Klage zu diesem Anspruch auf der gleichen tatsächlichen Grundlage und aufgrund von bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Umständen vorzubehalten ( - zu I 2 der Gründe, DB 2002, 2376).

192. Danach steht die rechtskräftige Klageabweisung durch das Urteil in dem Vorprozess dem vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit verfolgten Klagebegehren auf Zahlung einer ungekürzten Invalidenrente für die Zeit von Januar 2004 bis August 2007 nicht entgegen.

20Das Landesarbeitsgericht hat zwar in dem Vorprozess über den Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, soweit die Ansprüche auf Invalidenrente für die Zeit von Januar 2004 bis August 2007 betroffen sind, bereits rechtskräftig entschieden. Der Kläger verfolgt im vorliegenden Rechtsstreit ebenso wie in dem vorausgegangenen Verfahren Ansprüche auf Zahlung einer ungekürzten Invalidenrente aus der VO 1980. Der zugrunde liegende Lebenssachverhalt ist in beiden Prozessen die Invalidität des Klägers iSd. VO 1980, aus der er die in beiden Verfahren identische Rechtsfolge herleitet. Die Fragen, ob ein Anspruch auf ungekürzte Invalidenrente nach der VO 1980 die durch den Rentenversicherungsträger auf einen Zeitpunkt vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses festgestellte Erwerbsminderung voraussetzt oder ob es genügt, dass die Erwerbsminderung objektiv bereits vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vorlag, und ob nach einer mindestens 30-jährigen Betriebszugehörigkeit eine Kürzung der Rente auch dann unterbleibt, wenn der Arbeitnehmer bereits vor der Feststellung der Erwerbsminderung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, betreffen die Auslegung der Vorschriften der VO 1980. Entgegen der vom Landesarbeitsgericht in dem Vorprozess vertretenen Auffassung hat der Kläger daher durch sein neues Vorbringen in der Berufung die Klage nicht um einen weiteren Streitgegenstand erweitert.

21Das Landesarbeitsgericht hat aber in dem im Vorprozess ergangenen Urteil durch die teilweise Abweisung der Klage als unzulässig unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass von der Klageabweisung in der Sache nicht der Vortrag des Klägers erfasst sein soll, dass er bereits bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit Ablauf des erwerbsgemindert gewesen sei. Die Geltendmachung der ungekürzten Invalidenrente mit dieser Begründung wollte das Landesarbeitsgericht dem Kläger daher unzweifelhaft in einem weiteren Rechtsstreit ermöglichen.

22II. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat die Invalidenrente des Klägers zu Recht wegen seines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis nach § 3 Abs. 2 VO 1980, § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitratierlich gekürzt. Der Versorgungsfall der Invalidität ist nach dem Rentenbescheid der BfA am und damit erst elf Monate nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis mit Ablauf des eingetreten. Der Kürzung steht weder § 4 Abs. 6 VO 1980 noch die im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossene Abwicklungsvereinbarung vom 5./ entgegen.

231. Nach § 5 Abs. 5 VO 1980 bestimmt sich die Höhe der Invalidenrente nach der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erreichten Anwartschaft auf Altersruhegeld. Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Eintritt des Versorgungsfalls regelt § 3 Abs. 2 VO 1980, dass sich die Höhe der Anwartschaft ausschließlich nach den gesetzlichen Vorschriften des Betriebsrentengesetzes richtet. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG hat ein vor Eintritt des Versorgungsfalls wegen Invalidität ausgeschiedener Arbeitnehmer einen Anspruch mindestens in der Höhe des Teils der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. An die Stelle des Erreichens der Regelaltersgrenze tritt ein früherer Zeitpunkt, wenn dieser in der Versorgungsordnung als feste Altersgrenze vorgesehen ist. Danach hat die Beklagte die dem Kläger zustehende Invalidenrente zutreffend berechnet. Der Kläger ist vor dem Eintritt des Versorgungsfalls der Invalidität aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Die Beklagte ist bei der Berechnung der Rente zu Recht von einer möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur festen Altersgrenze von 65 Jahren ausgegangen. Die VO 1980 sieht keine frühere feste Regelaltersgrenze vor. Die zeitratierliche Kürzung hat nicht nach § 4 Abs. 6 VO 1980 zu unterbleiben. Diese Bestimmung betrifft ausschließlich die Kürzung der Altersrente wegen deren vorgezogenen Inanspruchnahme, nicht jedoch die zeitratierliche Kürzung der Rente wegen des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis.

24a) Die Beklagte war berechtigt, die Invalidenrente des Klägers nach § 3 Abs. 2 VO 1980, § 2 Abs. 1 BetrAVG zu kürzen. Der Versorgungsfall „Invalidität“ des Klägers nach § 5 VO 1980 ist am und damit nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten zum eingetreten. Die Auslegung der VO 1980 ergibt, dass mit dem Versorgungsfall Invalidität die vom Rentenversicherungsträger festgestellte Erwerbsminderung gemeint ist. Es kommt daher nicht darauf an, ob bereits zu einem früheren Zeitpunkt objektiv eine Erwerbsminderung vorlag.

25aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei der Auslegung der Begriffe der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit in Versorgungsbestimmungen regelmäßig von einer Kopplung an das Sozialversicherungsrecht auszugehen ( - 3 AZR 21/00 - EzA BetrAVG § 1 Wartezeit Nr. 2; - 3 AZR 742/98 - AP BetrAVG § 1 Invaliditätsrente Nr. 12 = EzA BetrAVG § 1 Invalidität Nr. 2; - 3 AZR 288/97 - BAGE 89, 180; - 3 AZR 4/81 - AP BetrAVG § 6 Nr. 6 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 6). Der Arbeitgeber ist zwar nicht verpflichtet, sich am gesetzlichen Rentenversicherungsrecht zu orientieren (vgl.  - AP BetrAVG § 1 Invaliditätsrente Nr. 7 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 50). Der Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls muss auch nicht zwingend mit dem Zeitpunkt übereinstimmen, der im Bescheid des Sozialversicherungsträgers angegeben ist, sondern kann im Wege der Vertragsfreiheit auch anderweitig festgelegt werden (vgl. etwa  - zu II 1 b der Gründe, AP BetrAVG § 1 Invaliditätsrente Nr. 6 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 36: Versorgungsfall erst mit Zahlungsbeginn der gesetzlichen Rente). Sieht der Arbeitgeber aber davon ab, die Begriffe der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit selbst zu definieren und den Eintritt des Versorgungsfalls eigenständig festzulegen, will er damit in der Regel die sozialversicherungsrechtlichen Gegebenheiten übernehmen.

26bb) § 5 Abs. 1 VO 1980 sieht die Zahlung einer Invalidenrente vor, wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass er berufs- oder erwerbsunfähig ist. Nach § 5 Abs. 3 VO 1980 ist die Invalidenrente unter Beifügung des Rentenbescheids des Rentenversicherungsträgers zu beantragen. Die Versorgungsordnung knüpft damit ausdrücklich an die sozialversicherungsrechtlichen Begriffe der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit an. Dies lässt sich auch aus § 12 Abs. 1 VO 1980 entnehmen. Danach darf die Gesamtversorgung aus der Sozialversicherungsrente und der betrieblichen Rente 70 vH des im Durchschnitt der letzten zwölf Monate vor Eintritt des Ruhegeldfalls brutto bezogenen ruhegeldfähigen Einkommens nicht übersteigen. Die Betriebsrente wird demnach als Zuschuss zur gesetzlichen Alters- oder Invalidenrente gezahlt. Dieser Ergänzungsfunktion der Betriebsrente entspricht es, dass die Anspruchsvoraussetzungen der betrieblichen Invalidenrente und der Sozialversicherungsrente möglichst weitgehend übereinstimmen (vgl.  - zu I 1 b der Gründe, AP BetrAVG § 1 Invaliditätsrente Nr. 12 = EzA BetrAVG § 1 Invalidität Nr. 2; - 3 AZR 83/09 - Rn. 23, EzA BetrAVG § 1 Invalidität Nr. 4).

27cc) Zwar kann durch einen Rentenbescheid keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit mehr nachgewiesen werden, da das frühere Recht der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom (BGBl. I S. 1827) mit Wirkung zum vollständig reformiert wurde. Das Gesetz unterscheidet nunmehr in § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI zwischen vollständiger und teilweiser Erwerbsminderung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht jedoch die Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Voraussetzungen und Inhalt der bisherigen Erwerbsunfähigkeitsrente (vgl. ausführlich - 3 AZR 83/09 - Rn. 27 ff., EzA BetrAVG § 1 Invalidität Nr. 4), so dass zumindest bei Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung auch die Voraussetzungen der Invalidität iSd. § 2 Buchst. b VO 1980 erfüllt sind.

28dd) Nach dem Rentenbescheid der BfA vom sind die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente wegen voller Erwerbsminderung beim Kläger seit dem erfüllt, so dass mangels abweichender Regelungen in der VO 1980 der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten ist. Es kommt somit nicht darauf an, ob die Erwerbsminderung bereits zu einem früheren als von dem Rentenversicherungsträger festgestellten Zeitpunkt vorlag. Das Landesarbeitsgericht hat daher insoweit zu Recht eine Beweisaufnahme unterlassen.

29b) Die Beklagte ist bei der Berechnung der Invalidenrente nach § 3 Abs. 2 VO 1980, § 2 Abs. 1 BetrAVG zu Recht von einer möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum 65. Lebensjahr ausgegangen. Die VO 1980 sieht keine davon abweichende feste Altersgrenze vor. Aus § 4 Abs. 5 VO 1980 ergibt sich keine Festlegung der Regelaltersgrenze auf die Vollendung des 63. Lebensjahres. Derartiges lässt sich der Bestimmung nicht entnehmen. Sie regelt nur, dass Abschläge wegen der Inanspruchnahme der Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur für maximal 24 Monate vorgenommen werden. Damit wird jedoch nicht die feste Altersgrenze auf die Vollendung des 63. Lebensjahres festgesetzt, sondern lediglich die Kürzungsmöglichkeit für die vorgezogene Inanspruchnahme der Altersrente vor der festen Altersgrenze von 65 Jahren begrenzt.

30c) Der zeitratierlichen Kürzung nach § 3 Abs. 2 VO 1980, § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG steht § 4 Abs. 6 VO 1980 nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung unterbleibt eine Kürzung der vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommenen Altersrente nach einer 30-jährigen Dienstzeit. Die Bestimmung betrifft nicht die Kürzung der Rente wegen vorzeitigen Ausscheidens, sondern die Kürzung wegen der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente. Hierum geht es im Streitfall jedoch nicht. Der Kläger beansprucht keine Altersrente, sondern eine Invalidenrente, die naturgemäß nicht vorgezogen in Anspruch genommen werden kann.

31Die Kürzung einer Betriebsrente kann unter zwei Gesichtspunkten in Betracht kommen. Zunächst kann in das Gegenseitigkeitsverhältnis, das der Berechnung der Vollrente zugrunde liegt, dadurch eingegriffen werden, dass der Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und deshalb die Betriebstreue bis zur festen Altersgrenze nicht erbracht hat. Diese Störung des Gegenseitigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung wird durch eine zeitanteilige Kürzung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG im Verhältnis der tatsächlichen zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur festen Altersgrenze ausgeglichen.

32Außerdem kann eine Verschiebung des in der Versorgungsordnung festgelegten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung dadurch eintreten, dass der Arbeitnehmer aufgrund der flexiblen Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung die gesetzliche Altersrente bereits vor Erreichen der festen Altersgrenze von 65 Jahren in Anspruch nimmt. § 6 Satz 1 BetrAVG sieht für diesen Fall vor, dass der Betriebsrentner dann auch die Betriebsrente vorgezogen in Anspruch nehmen kann, ohne jedoch deren Höhe selbst zu bestimmen. Durch den früheren Rentenbezugsbeginn und den damit längeren Bezug der Betriebsrente wird in das Äquivalenzverhältnis eingegriffen. Deshalb ist bei der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente eine Kürzung zulässig. Der Kürzungsfaktor richtet sich nach der jeweiligen Versorgungsordnung.

33Die Kürzung wegen der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente, die § 4 Abs. 6 VO 1980 regelt, hat daher mit der Kürzung der Rente wegen des vorzeitigen Ausscheidens, die die Beklagte nach § 3 Abs. 2 VO 1980, § 2 Abs. 1 BetrAVG vorgenommen hat, nichts zu tun.

342. Die Abwicklungsvereinbarung vom 5./ enthält keinen Verzicht der Beklagten auf die Kürzung nach § 3 Abs. 2 VO 1980, § 2 Abs. 1 BetrAVG. Sie ist auch nicht intransparent oder unklar.

35a) Die Abwicklungsvereinbarung bestätigt dem Kläger einen Anspruch auf die unverfallbaren Pensionsansprüche gemäß der bestehenden Ruhegeldordnung. Die Ansprüche werden daher lediglich im Rahmen der bestehenden Regelungen garantiert. Eine weitergehende rechtsgeschäftliche Verpflichtung ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen.

36b) Die Abwicklungsvereinbarung verstößt entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Formulierung ist klar und verständlich. Sie enthält keine eigenständige Regelung über die Höhe der dem Kläger zustehenden unverfallbaren Anwartschaften. Vielmehr wird auf die bei der Beklagten geltende Ruhegeldordnung verwiesen. Selbst wenn die Abwicklungsvereinbarung insoweit intransparent und deshalb unwirksam wäre, würde dies zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen. An die Stelle der unwirksamen Regelung würde gem. § 306 Abs. 1 iVm. Abs. 2 BGB die gesetzliche Vorschrift und damit § 2 Abs. 1 BetrAVG treten. Diese Bestimmung sieht aber gerade eine zeitratierliche Kürzung bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor.

37c) Die Abwicklungsvereinbarung ist auch nicht unklar iSv. § 305c Abs. 2 BGB. Der Abwicklungsvereinbarung ist unmissverständlich zu entnehmen, dass die Versorgungsansprüche des Klägers nur im Rahmen der gesetzlichen Unverfallbarkeitsregelung und der gültigen Versorgungsordnung garantiert werden.

III. Der Kläger hat die Kosten der Revision gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Fundstelle(n):
DB 2012 S. 1820 Nr. 32
BAAAE-05757