BAG Beschluss v. - 7 ABR 136/09

Mitbestimmung des Betriebsrats bei Umgruppierungen - Änderung der Einstufung der Arbeitnehmer innerhalb einer Entgeltgruppe

Leitsatz

Die der Mitbeurteilung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterfallende Rechtsanwendung des Arbeitgebers wird durch einen diesem von den Urhebern der kollektiven Vergütungsordnung eingeräumten Beurteilungsspielraum nicht ausgeschlossen.

Gesetze: § 99 Abs 1 S 1 BetrVG, § 15 Abs 1 TVöD

Instanzenzug: Az: 33 BV 16874/08 Beschlussvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 12 TaBV 845/09 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat bei vergütungsrelevanten Umstufungen von Arbeitnehmern innerhalb derselben Entgeltgruppe entsprechend dem bei der Arbeitgeberin geltenden Haustarifvertrag nach § 99 BetrVG mitzubestimmen hat.

2Die Arbeitgeberin ist eine von der Bundesrepublik Deutschland gegründete Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Berlin. Sie beschäftigt ca. 250 Mitarbeiter. Antragsteller ist der bei ihr errichtete Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin wendet auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer unabhängig von deren Tarifgebundenheit einen mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossenen Haustarifvertrag an. Dieser am in Kraft getretene Tarifvertrag für die Arbeitnehmer der Stiftung Warentest (TV-SW) bestimmt ua.:

Die Regelungen des TVöD vom (in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 6 vom ) lauten auszugsweise:

5Anlässlich der - vom Betriebsrat angeregten - Höherstufungen von zwei Mitarbeiterinnen nach deren einjähriger Beschäftigung kam es zwischen den Betriebsparteien zu Meinungsverschiedenheiten insbesondere über das Verständnis von § 6 Abs. 1 Satz 5 TV-SW.

6Der Betriebsrat hat in dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren die Auffassung vertreten, sein Beteiligungsrecht nach § 99 BetrVG erstrecke sich auf jede Veränderung der Einstufung innerhalb einer Entgeltgruppe. Auch die Zuordnung zu einer bestimmten Entgeltstufe einer Entgeltgruppe sei eine mitbestimmungspflichtige Ein- oder Umgruppierung.

Der Betriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - zuletzt beantragt

8Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, nur bei der erstmaligen Einstufung der Arbeitnehmer innerhalb einer Entgeltgruppe bestehe ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Allenfalls hierbei treffe der Arbeitgeber eine der Mitbeurteilung unterliegende Eingruppierungsentscheidung; spätere Höherstufungen innerhalb der Entgeltgruppe erfolgten automatisch. Wortlaut sowie Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen sprächen dafür, dass Höherstufungen keine der Mitbestimmung unterliegenden Umgruppierungen darstellten. Der Tarifvertrag eröffne insoweit keinen Rechtsanwendungsspielraum. Daher sei insbesondere das Aufsteigen in die nächste Entgeltstufe nach Ablauf der regulären Stufenlaufzeit entsprechend § 6 Abs. 1 Satz 1 TV-SW iVm. § 16 Abs. 4 Satz 1 (Bund) TVöD nicht mitbestimmungspflichtig. Bei der Bewertung der erbrachten Leistungen des Arbeitnehmers zur Verkürzung oder Verlängerung der Stufenlaufzeit iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 TV-SW iVm. § 17 Abs. 2 TVöD fehle es darüber hinaus an einem für das Mitbestimmungsrecht notwendigen kollektiven Bezug.

9Das Arbeitsgericht hat den - erstinstanzlich allein anhängigen - Hauptantrag abgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht diesem Antrag entsprochen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Abweisung der Hilfsanträge. Der Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

10B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag zu Recht entsprochen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG beschränkt sich nicht auf die erstmalige Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten Entgeltgruppe nebst Entgeltstufe nach §§ 5 und 6 TV-SW, sondern besteht auch bei einem Wechsel der Stufe innerhalb derselben Entgeltgruppe. Die Verfahrensrüge der Arbeitgeberin bleibt ohne Erfolg.

11I. Der zulässige Hauptantrag des Betriebsrats ist begründet.

121. Der Antrag ist zulässig.

13a) Wie die gebotene Auslegung ergibt, umfasst der Antrag nur die Feststellung eines Beteiligungsrechts des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei der ohne eine Änderung der Arbeitsaufgaben erfolgenden Modifikation der Einstufung eines Arbeitnehmers, der bereits einer Entgeltgruppe und einer Stufe nach §§ 5 und 6 TV-SW zugeordnet ist. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Umgruppierungen von Arbeitnehmern aufgrund einer Änderung ihrer Arbeitsaufgaben oder bei ihrer mit einer Änderung der Entgeltgruppe des TV-SW verbundenen (neuen) Zuordnung zu einer Entgeltstufe. Es geht dem Betriebsrat auch nicht um sein Mitbestimmungsrecht bei der erstmaligen Zuordnung der Mitarbeiter zum Vergütungssystem des TV-SW. Bei dieser stellt die Arbeitgeberin ein auf die Entgeltgruppe und die Entgeltstufe bezogenes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht in Abrede. Sie meint lediglich, es fehle an einer mitbestimmungspflichtigen Umgruppierung, wenn sich die Stufe innerhalb der Entgeltgruppe ändert. Nur für diese Konstellationen reklamiert der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Allerdings bezieht sich der Hauptantrag auf alle tariflichen, eine Änderung der Einstufung regelnden Stufenzuordnungstatbestände.

14b) Mit diesem Verständnis ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Anträge, mit denen ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats festgestellt werden soll, müssen diejenige Maßnahme des Arbeitgebers, für die das Beteiligungsrecht in Anspruch genommen wird, so genau bezeichnen, dass mit der Entscheidung des Gerichts feststeht, für welche Maßnahme ein Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint wird (vgl. zur Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei Maßnahmen des Arbeitgebers oder betrieblichen Vorgängen  - zu B II 1 der Gründe mwN, BAGE 101, 277). Dies ist vorliegend der Fall. Es ist hinreichend erkennbar, auf welche Vorgänge sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Falle einer stattgebenden Entscheidung bezieht. Dem Bestimmtheitserfordernis nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO steht ferner nicht entgegen, dass sich der Antrag im Sinne eines Globalantrags auf verschiedene Fallgestaltungen der Änderung der Stufenzuordnung bezieht. Er erfasst alle denkbaren Konstellationen und lässt deshalb nichts unbestimmt. Die Frage, ob das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht in allen vom Antrag erfassten Fallgestaltungen besteht, stellt sich erst bei der Prüfung, ob der Antrag begründet ist (vgl.  - zu B I 2 der Gründe, BAGE 110, 146).

15c) Der Betriebsrat hat ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, § 256 Abs. 1 ZPO. Die Arbeitgeberin stellt das Mitbestimmungsrecht, dessen sich der Betriebsrat berühmt, in Abrede. Das Bestehen, der Inhalt oder der Umfang eines Mitbestimmungsrechts können im Beschlussverfahren losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall geklärt werden, wenn die Maßnahme, für die ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen wird, häufiger im Betrieb auftritt und sich auch künftig jederzeit wiederholen kann (vgl.  - zu B II 1 der Gründe mwN, BAGE 101, 232). Hiervon kann im vorliegenden Verfahren ausgegangen werden.

162. Der Antrag ist begründet. Der Betriebsrat ist bei einer geänderten Einstufung der Arbeitnehmer innerhalb derselben Entgeltgruppe zu beteiligen. Es handelt sich in jedem denkbaren Fall um eine Umgruppierung, bei der der Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen hat.

17a) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Ein- oder Umgruppierung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen. Eingruppierung ist die - erstmalige oder erneute - Einreihung eines Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Umgruppierung ist jede Änderung dieser Einreihung ( - Rn. 23).

18aa) Eine Vergütungsordnung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG ist ein kollektives und - jedenfalls bei Geltung nur eines betrieblichen Vergütungssystems - mindestens zwei Vergütungsgruppen enthaltendes Entgeltschema, das eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu einer der Vergütungsgruppen nach bestimmten generell beschriebenen Merkmalen vorsieht. Woraus sich die Geltung der Vergütungsordnung ergibt, ist unerheblich. Sie kann in einem für den Arbeitgeber geltenden oder auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Anwendung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen sein (vgl.  - Rn. 16 mwN, EBE/BAG 2011, 84). Für eine Vergütungsordnung ist regelmäßig charakteristisch, dass sie die einzelnen, von den Arbeitnehmern geschuldeten Tätigkeiten in verschiedene Kategorien einteilt und dabei eine Bewertung vornimmt, die sich in der Höhe des Arbeitsentgelts äußert. Nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts kann es für die Frage, ob eine mitbestimmungspflichtige Ein- oder Umgruppierung vorliegt, nicht darauf ankommen, wie die einzelnen Stufen oder Kategorien des Vergütungsschemas bezeichnet sind. Nicht nur die Zuordnung zu ausdrücklich so bezeichneten Entgelt-, Vergütungs-, Lohn- oder Gehalts„gruppen“ kann eine Ein- oder Umgruppierung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG darstellen, sondern auch etwa die Feststellung, dass ein Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine bestimmte Leistung erfüllt, die nach dem Entgeltschema zu einer höheren Einreihung führt oder wegen der höheren Bewertung seiner Tätigkeit zu zahlen ist (vgl.  - zu B II 1 a der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 137).

19bb) Eine Eingruppierung iSd. § 99 Abs 1 BetrVG besteht in der - erstmaligen oder erneuten - Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten Gruppe der Vergütungsordnung nach Maßgabe der dafür gültigen Kriterien. Sie ist keine ins Ermessen des Arbeitgebers gestellte, rechtsgestaltende Maßnahme, sondern Rechtsanwendung ( - Rn. 23, BAGE 128, 265). Die der Mitbeurteilung des Betriebsrats unterfallende Rechtsanwendung des Arbeitgebers setzt keinen Gestaltungs- oder Ermessensspielraum voraus. Sie wird andererseits aber durch einen dem Arbeitgeber von den Urhebern der Vergütungsordnung eingeräumten Beurteilungsspielraum auch nicht ausgeschlossen.

20cc) Umgruppierung ist jede Änderung der Einreihung in eine Vergütungsordnung. Sie kann auf der Feststellung beruhen, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr den Merkmalen der Vergütungsgruppe entspricht, nach der er bisher eingruppiert ist, sondern denen einer anderen ( - zu B III 3 b cc (1) der Gründe mwN, BAGE 104, 187). Sie hat zB zu erfolgen, wenn dem Arbeitnehmer eine neue Tätigkeit zugewiesen wird, die den Merkmalen einer anderen Vergütungsgruppe unterfällt, oder wenn sich bei gleich bleibender Tätigkeit des Arbeitnehmers die Vergütungsordnung ändert (zu Letzterem:  - Rn. 21 mwN, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). Gleiches gilt, wenn sich zwar nicht die für die Einreihung des Arbeitnehmers maßgeblichen abstrakten Kriterien ändern, wohl aber die ihrer Beurteilung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände. Knüpfen etwa die Vorgaben einer Vergütungsordnung - auch - an persönliche Qualifikationsmerkmale des Arbeitnehmers an, liegt eine Umgruppierung vor, wenn der Arbeitnehmer bei gleich bleibender Tätigkeit erst mit Erfüllung der persönlichen Qualifikationsmerkmale der entsprechenden Gruppe in der Vergütungsordnung zugeordnet ist.

21dd) Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen reicht nicht weiter als die Notwendigkeit zur Rechtsanwendung durch den Arbeitgeber. Soweit die Urheber der Vergütungsordnung selbst die betreffende Stelle, den Arbeitsplatz oder die Tätigkeit mit bindender Wirkung in ihr abstraktes Vergütungsschema eingereiht, also bewertet, haben, ist kein Raum für eine - erneute - Beurteilung des Arbeitsplatzes und eine damit korrespondierende Mitbeurteilung des Betriebsrats ( - Rn. 24 mwN). Dass sich die Beurteilung des Arbeitgebers und demzufolge die Mitbeurteilung des Betriebsrats wegen konkretisierter Vorgaben in der Vergütungsordnung reduziert, bedeutet aber nicht, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG gänzlich entfällt. Eine Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist stets Normenvollzug. Dieser erübrigt sich nicht deshalb, weil die Norm mitbestimmungsfreie konkrete Vorgaben enthält. Eine vom Arbeitgeber vorzunehmende und vom Betriebsrat mitzubeurteilende Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG entfiele allenfalls dann, wenn die Normgeber selbst - die Zulässigkeit einer solchen Regelung unterstellt - die Zuordnung konkreter Arbeitnehmer zu einer bestimmten Vergütungs- oder Entgeltgruppe vornähmen ( - Rn. 18 mwN, EBE/BAG 2011, 84).

22b) Nach diesen Grundsätzen ist die Arbeitgeberin verpflichtet, den Betriebsrat bei der Änderung der Stufenzuordnungen innerhalb einer Entgeltgruppe nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen.

23aa) Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Unternehmen in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Sie ist nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden und wendet den TV-SW in ihrem Betrieb als kollektive Vergütungsordnung an. Die Eingruppierungs- und Einstufungsregelungen nach §§ 5 und 6 TV-SW verweisen überwiegend auf die entsprechenden Bestimmungen nach dem TVöD (Bund) und dem TVÜ-Bund. Eine solche Bezugnahme in einem Tarifvertrag auf ein anderes Tarifwerk ist grundsätzlich zulässig. Die den Tarifvertragsparteien durch Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumte Rechtsetzungsbefugnis umfasst die Möglichkeit, auf jeweils geltende andere tarifliche Vorschriften zu verweisen, sofern - wie im vorliegenden Fall - deren Geltungsbereich mit dem Geltungsbereich der verweisenden Tarifnorm in einem engen sachlichen Zusammenhang steht und die Verweisung hinreichend bestimmt ist (vgl.  - zu II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Verweisungstarifvertrag Nr. 5 = EzA TVG § 1 Nr. 40; - 4 AZR 564/78 - BAGE 34, 42).

24bb) Die Änderung der Einstufung der Arbeitnehmer innerhalb einer Entgeltgruppe ist eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

25(1) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Stufenzuordnung des Arbeitnehmers dessen Stellung im betrieblichen Entgeltgefüge maßgeblich beeinflusst. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 TV-SW iVm. § 15 Abs. 1 TVöD bestimmt sich die Höhe des dem Beschäftigten zustehenden Tabellenentgelts nach seiner Entgeltgruppe und der für ihn geltenden Stufe. Beide Faktoren sind für die Einreihung des Arbeitnehmers in die Vergütungsordnung relevant und damit Bestandteile der einheitlichen Ein- oder Umgruppierung (vgl. [zur Stufenzuordnung als Schritt der Rechtsanwendung bei der Überleitung der Beschäftigten nach §§ 6 und 7 TVÜ-VKA in die Entgelttabelle des TVöD]  - Rn. 56, BAGE 130, 286). Zwar unterscheiden die Begriffe im Haustarifvertrag zwischen entgeltgruppenbezogener Eingruppierung (§ 5 TV-SW) und stufenbezogener Einstufung (§ 6 TV-SW). Der tarifrechtliche und der mitbestimmungsrechtliche Ein- und Umgruppierungsbegriff sind aber nicht zwingend deckungsgleich (vgl. [zur Mitbestimmung des Personalrats bei Eingruppierungen nach § 16 Abs. 2 TV-L entsprechend der personalvertretungsrechtlichen Regelungen in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz]  6 P 11.07 und 6 P 3.08 - jeweils Rn. 20, BVerwGE 131, 383 und EzTöD 200 TV-L § 16 Stufenzuordnung Nr. 4). Entscheidend ist vielmehr, dass die Stellung des Beschäftigten im Entgeltschema durch seine Zuordnung einerseits zu einer Entgeltgruppe und andererseits zu einer Stufe definiert ist. Es macht für die nach § 99 Abs. 1 BetrVG vorzunehmende Zuordnung keinen Unterschied, ob die Tarifvertragsparteien zehn Entgeltgruppen oder eine Entgeltgruppe mit zehn Untergruppen festlegen, die jeweils Auswirkungen auf die Vergütungshöhe haben. Genauso wie die Stufenzuordnung des Arbeitnehmers bei seiner erstmaligen Einreihung in das Entgeltschema eine der Mitbeurteilung des Betriebsrats unterliegende, normenvollziehende Eingruppierung ist, ist die Änderung der Einstufung eine rechtsanwendende Änderung seiner Einreihung in die Vergütungsordnung und damit eine Umgruppierung.

26(2) Das Landesarbeitsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass das Mitbestimmungsrecht bei jeder Änderung der Stufenzuordnung innerhalb der Entgeltgruppe besteht.

(a) Nach § 2 Abs. 1, § 6 TV-SW iVm. §§ 16 (Bund), 17 TVöD kommen als Fallgestaltungen für eine Änderung der Stufenzuordnungen in der Entgeltgruppe in Betracht:

28(b) Das Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG greift bei sämtlichen Fallgestaltungen.

29(aa) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin hat der Betriebsrat bei der „automatischen“ Höherstufung kraft Ablaufs der regulären Stufenlaufzeit (§ 6 TV-SW iVm. § 16 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 3 Halbs. 1 (Bund), § 17 Abs. 3 TVöD) nach § 99 Abs. 1 BetrVG ein Recht zur Mitbeurteilung der Rechtslage. Mit ihrem Argument, ein Einreihungs„vorgang“ finde nicht statt, weil sich die Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer anderen Stufe in der Entgeltgruppe nicht durch einen „Akt“, sondern unmittelbar nach Zeitablauf aus dem Tarifvertrag ergebe, verkennt die Arbeitgeberin, dass die ein- oder umgruppierungsrelevante Einreihung immer nur strikte Rechtsanwendung ist. Der Arbeitnehmer „ist“ einer Stufe zugeordnet und in diesem Sinne eingereiht; er „wird“ es nicht. Die Arbeitgeberin äußert auch bei einer Höherstufung innerhalb der Entgeltgruppe ihre Ansicht der „richtigen“ Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer - nunmehr anderen - Stufe. Fehleinschätzungen werden hier selten sein. Ebenso selten wird daher eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats in Betracht kommen. Gleichwohl bedarf die Beurteilung, ob Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe zurückgelegt sind, einer gedanklichen Subsumtion im Sinne eines Lebenssachverhalts unter eine abstrakte Norm. Darin liegt die der Mitbeurteilung des Betriebsrats unterliegende Rechtsanwendung des Arbeitgebers.

30(bb) Auch bei einer Höherstufung aufgrund der Stufenlaufzeitverkürzung wegen besonderer Berufserfahrung iSv. § 6 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 TV-SW hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Anders als die Arbeitgeberin meint, kommt es weder auf das Bestehen eines Beurteilungs- oder Wertungsspielraums noch auf das inhaltlich zutreffende Verständnis der Tarifbestimmungen an. Die Arbeitgeberin wendet Recht an, indem sie beurteilt, ob der Arbeitnehmer - sei es nach § 6 Abs. 1 Satz 4 TV-SW, sei es nach § 6 Abs. 1 Satz 5 TV-SW - ab in einem bestimmten Zeitpunkt einer höheren Stufe in der Entgeltgruppe zugeordnet ist. Diese Rechtsanwendung als Subsumtion eines bestimmten Sachverhalts unter die Einstufungsvorschriften des § 6 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 TV-SW hat der Betriebsrat iSe. Richtigkeitskontrolle mitzubeurteilen.

31(cc) Schließlich unterliegt auch die Stufenänderung aufgrund der Verkürzung oder Verlängerung der Stufenlaufzeiten nach § 2 Abs. 1 Satz 1, § 6 TV-SW iVm. § 17 Abs. 2 TVöD der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG.

32(aaa) Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin sprechen die Regelungen über die paritätisch besetzte betriebliche Kommission nach § 17 Abs. 2 Satz 4 bis Satz 6 TVöD nicht von vornherein gegen die Annahme des Mitbestimmungstatbestands. Das Betriebsverfassungsgesetz enthält Mindestbestimmungen über die Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Die Tarifvertragsparteien können diese nicht wirksam ausschließen, sofern nicht das Betriebsverfassungsgesetz selbst eine solche Möglichkeit - etwa nach Maßgabe des § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG - vorsieht. Eine tarifliche Regelung, welche die Mitbestimmung des Betriebsrats ausschlösse, wäre daher - jedenfalls dann, wenn die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag die Einreihung der einzelnen Arbeitnehmer nicht selbst konkret vornähmen - unwirksam ( - Rn. 28 mwN, EBE/BAG 2011, 84). Im Sinne einer geltungserhaltenden Interpretation sind die Bestimmungen des § 17 Abs. 2 Satz 4 bis Satz 6 TVöD deshalb ausschließlich dahingehend zu verstehen, dass sie ein neben der gesetzlichen Mitbestimmung bestehendes Beschwerdeverfahren bei einer Verlängerung der Stufenlaufzeit regeln.

33(bbb) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 bis Satz 3 TVöD kann der öffentliche Arbeitgeber bei erheblich überdurchschnittlicher Leistung des Beschäftigten die erforderliche Zeit für das Erreichen bestimmter Stufen verkürzen und bei erheblich unterdurchschnittlicher Leistung verlängern. Der Arbeitgeber trifft insoweit eine gestaltende Ermessensentscheidung. Soweit er sein Ermessen ausübt, indem er die Zeit für das Erreichen bestimmter Stufen verkürzt oder verlängert, unterliegt seine Entscheidung nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Eine mitzubeurteilende Rechtsanwendung findet jedoch zum einen insoweit statt, als der Arbeitgeber bei § 2 Abs. 1 Satz 1 TV-SW iVm. § 17 Abs. 2 Satz 1 bis Satz 3 TVöD zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für seine gestaltende Befugnis überhaupt vorliegen. Zum anderen ist auch die aufgrund der Laufzeitverlängerung oder -verkürzung vorgenommene Stufenzuordnung Rechtsanwendung. Die Tarifvertragsparteien des TVöD, auf den der TV-SW verweist, haben den ausfüllungsbedürftigen Gestaltungsspielraum davon abhängig gemacht, dass der Beschäftigte erheblich über oder unter dem Durchschnitt liegende Leistungen aufweist, und andererseits auf das Erreichen der Stufen 4 bis 6 beschränkt. Bei beiden Tatbestandsmerkmalen wertet die Arbeitgeberin iSe. Rechtsanwendung, bevor sie ggf. die auf die Verkürzung oder Verlängerung der Stufenlaufzeit gerichtete gestaltende Entscheidung trifft. Der Mitbeurteilung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterfällt danach die Beurteilung des Arbeitgebers, ob der Arbeitnehmer erheblich über- oder unterdurchschnittliche Leistungen iSv. § 17 Abs. 2 Satz 1 bis Satz 3 TVöD erbracht hat. Die Entscheidung des Arbeitgebers, ob er eine über- oder unterdurchschnittliche Leistung des Arbeitnehmers zum Anlass einer Verkürzung oder Verlängerung der Stufenlaufzeit nimmt, ist dagegen nicht mitbestimmungspflichtig nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Insoweit handelt es sich nicht um Rechtsanwendung, sondern um Rechtsgestaltung. Für die Mitbeurteilung der über- oder unterdurchschnittlichen Leistung des Arbeitnehmers fehlt es entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht an einem kollektiven Bezug. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen betrifft stets einzelne Arbeitnehmer (vgl.  - Rn. 30, NZA 2011, 531). Der kollektive Bezug liegt bei diesem Mitbestimmungsrecht in der Subsumtion der konkreten Umstände unter die generellen Merkmale einer Vergütungsordnung. Er entfällt daher nicht, wenn maßgebliches Eingruppierungskriterium die individuelle Leistung ist.

34(c) Die Annahme eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG - auch - bei dem Erreichen der nächsten Stufe nach Ende der regulären Stufenlaufzeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 6 TV-SW iVm. § 16 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 3 Halbs. 1 (Bund), § 17 Abs. 3 TVöD) sowie bei der Verkürzung oder Verlängerung der Stufenlaufzeiten (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 6 TV-SW iVm. § 17 Abs. 2 Satz 1 bis Satz 3 TVöD) kollidiert nicht mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das bei den vergleichbaren Stufenzuordnungsregelungen nach dem TV-L eine Mitbestimmung des Personalrats bei Ein-, Rück- und Höhergruppierungen nach dem Personalvertretungsgesetz für das Land Baden-Württemberg - PersVG BW - verneint hat ( 6 P 15.08 - Rn. 37 und 40 bis 44, EzTöD 200 TV-L § 16 Stufenzuordnung Nr. 5 [vgl. aber auch  6 P 11.07 - Rn. 32 aE und 33, BVerwGE 131, 383]). Die im Streitfall zu entscheidende Rechtsfrage betrifft das Verständnis von § 99 BetrVG. Das Bundesverwaltungsgericht hat dagegen Rechtsfragen zur Mitbestimmung des Personalrats bei Ein-, Höher- und Umgruppierungen nach dem PersVG BW beantwortet. Die personalvertretungsrechtliche und die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung sind nicht gleichzusetzen (vgl. ausf.  - zu B IV der Gründe, BAGE 74, 10). Das ergibt sich bereits aus dem unterschiedlichen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des § 99 BetrVG und der § 76 Abs. 1 Nr. 1, § 79 Abs. 3 Nr. 15 Buchst. c iVm. § 69 Abs. 1 PersVG BW aF. Eine Divergenz, die die Anrufung des Gemeinsamen Senats nach §§ 2, 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RsprEinhG) erforderlich machte, liegt nicht vor.

II. Die von der Arbeitgeberin erhobene Rüge einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nicht begründet. Die Arbeitgeberin verkennt den Bedeutungsgehalt der Feststellungen in der angegriffenen Entscheidung unter II.B.2.1.1. der Gründe, indem sie annimmt, das Landesarbeitsgericht sei allein wegen der - nicht in das Verfahren eingeführten - Tatsache der Finanzierung der Stiftung Warentest und deren Prüfung durch die Stifterin und den Bundesrechnungshof zur Annahme des Mitbestimmungsrechts im tenorierten Umfang gekommen. Die entsprechenden Ausführungen des Beschwerdegerichts zielen auf die Rechtsetzungsbefugnis der (Haus-)Tarifvertragsparteien und damit auf die rechtliche Beurteilung, ob der im Betrieb der Arbeitgeberin angewandte - auf den TVöD (Bund) verweisendende - TV-SW überhaupt eine wirksame Vergütungsordnung darstellt. Hierzu hat die Arbeitgeberin zu keinem Zeitpunkt eine gegenteilige Rechtsauffassung vertreten.

Fundstelle(n):
DB 2011 S. 2207 Nr. 39
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