Einwendungen gegen die Höhe von Einnahmen aus Kapitalvermögen sind Gegenstand des Rechtsstreits um die Höhe der Einkommensteuerfestsetzung
Leitsatz
1. Im Rahmen der Anfechtung der Kirchensteuerfestsetzung gemäß § 51a EStG sind Einwendungen gegen die Höhe von Einkünften aus Kapitalvermögen auch dann ausgeschlossen, wenn eine Einkommensteuer wegen der Berücksichtigung von Verlustvorträgen nicht festgesetzt worden ist. Verlustvorträge gemäß § 10d EStG verringern die Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuern nur insoweit, als sie mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte verrechnet werden und damit das nach § 2 Abs. 5 EStG zu versteuernde Einkommen als Ausgangsgröße der Berechung der Zuschlagsteuern gemäß § 51a Abs. 2 EStG mindern.
2. Die Hinzurechnung der steuerfreien Halbeinkünfte nach § 4 Abs. 2 Satz 1 KiStG NW i.V.m. § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Gesetze: EStG § 3 Nr. 40 Buchstabe d, EStG § 51a Abs. 2, EStG § 51a Abs. 5, AO § 351 Abs. 2, FGO § 40 Abs. 2, FGO § 90a Abs. 2, KiStG NW § 4, KiStG NW § 14 Abs. 6
Instanzenzug: Ki (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Kirchensteuerfestsetzung im Hinblick auf die nach § 4 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom —KiStG NW— (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen —GVBl NW— 1975, 438), geändert durch Gesetz vom (GVBl NW 2001, 103), i.V.m. § 51a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes 1997 i.d.F. des Gesetzes zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom (BGBl I 2000, 1978, BStBl I 2001, 38) —EStG 1997— angeordnete Hinzurechnung von einkommensteuerlich freigestellten Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG 1997 zur Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer.
2 Der in Nordrhein-Westfalen wohnende Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Mitglied der römisch-katholischen Kirche. Er war im Streitjahr (2001) an der A-GmbH beteiligt.
3 Nach den Feststellungen einer bei der A-GmbH durchgeführten Außenprüfung sollen dem Kläger im Streitjahr aufgrund eines Forderungsverzichts der GmbH verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) in Höhe von insgesamt ca. . DM zuzurechnen sein; dies ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach streitig. Das Wohnsitzfinanzamt (FA) berücksichtigte in den geänderten Einkommensteuerbescheiden vom 13. Juli und die vGA als Einkünfte aus Kapitalvermögen, stellte sie aber für Zwecke der Einkommensteuerfestsetzung aufgrund des seit 2001 geltenden sog. Halbeinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG 1997 zur Hälfte steuerfrei. Der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug . DM. Nach Berücksichtigung eines Verlustabzugs (Verlustvortrags aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen) errechnete das FA ein zu versteuerndes Einkommen von 0 DM und setzte die Einkommensteuer auf 0 DM fest. Zugleich setzte das FA unter Hinweis auf § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 Kirchensteuer in Höhe von . DM (. €) fest.
4 Der Kläger erhob sowohl gegen die Einkommensteuerfestsetzung —beim FA— als auch gegen die Kirchensteuerfestsetzung —beim Erzbistum . (Beklagter und Revisionsbeklagter —Beklagter—) als der gemäß § 14 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KiStG NW in Verbindung mit der einschlägigen Kirchensteuerordnung der Erzdiözese . zuständigen Stelle— Einspruch. Die Kirchensteuerfestsetzung sei zum einen deshalb rechtswidrig, weil die Hinzurechnung der steuerfrei belassenen Kapitaleinkünfte nach § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 aufgrund hoher Verlustvorträge mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht in Einklang stehe. Zum anderen sei die Annahme von vGA dem Grunde und der Höhe nach unzutreffend. Der Einspruch blieb mit Ausnahme einer sog. Kappung der Kirchensteuer auf nunmehr . € erfolglos. In der Einspruchsentscheidung führte der Beklagte u.a. an, ihm sei die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids im Hinblick auf die vGA verwehrt; diese sei nach § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG NW dem FA vorbehalten. Den Einspruch gegen die Einkommensteuerfestsetzung verwarf das FA mangels Beschwer („Null-Festsetzung”) als unzulässig. Die hiergegen erhobene Klage wird beim Finanzgericht (FG) Münster unter dem Aktenzeichen 12 K 3141/09 E geführt. Die Klage gegen die Kirchensteuerfestsetzung blieb erfolglos ( Ki, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2010, 1479).
5 Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt, das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
6 Nach dem Ergehen eines Gerichtsbescheids, durch den die Revision zurückgewiesen wurde, hat der Kläger rechtzeitig einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, inzwischen jedoch erklärt, diesen Antrag zurückzunehmen, soweit sich aus dem Gerichtsbescheid ergebe, dass er Rechtsschutz gegen die Höhe der vGA im Rechtsstreit über die Einkommensteuer-Festsetzung erlangen kann. Im Übrigen beantragte er nunmehr, das Verfahren auszusetzen, bis in jenem Rechtsstreit zur Einkommensteuer über die Höhe der vGA entschieden ist.
7 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
8 II. 1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
9 2. Dass der Kläger seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach Ergehen des Gerichtsbescheids teilweise zurückgenommen hat, steht dem nicht entgegen. Diese Teilrücknahme ist nicht wirksam. Es ist zwar anerkannt, dass ein Antrag auf mündliche Verhandlung auch teilweise zurückgenommen werden kann (, BFHE 128, 173, BStBl II 1979, 652). Es muss sich insoweit aber um einen abtrennbaren Streitpunkt handeln, der auch selbständig zum Gegenstand einer gerichtlichen Verhandlung gemacht werden könnte. Daran fehlt es hier; es bleibt die gesamte Kirchensteuerfestsetzung streitig, auch wenn es aus der Sicht des Klägers auf die verfahrensrechtliche Frage (Rechtsschutzverfahren für seine Einwendungen gegen die Höhe der vGA) nicht mehr ankommen sollte. Die Rechtswirkungen des § 90a Abs. 3 Halbsatz 2 FGO sind daher vollen Umfangs —und nicht durch spätere Teilrücknahme nur eingeschränkt— eingetreten.
10 3. Der Senat sieht davon ab, den Rechtsstreit unter Hinweis auf den zur Einkommensteuerfestsetzung als Grundlagenbescheid (s.a. § 51a Abs. 5 EStG 1997) anhängigen Rechtsstreit gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO auszusetzen. Denn es kommt im hier anhängigen Verfahren nicht ausschließlich auf die vorgreifliche Frage der Höhe der Einkünfte aus Kapitalvermögen an (s. insoweit Senatsbeschluss vom I R 41/99, BFHE 194, 317, BStBl II 2001, 416). Der Kläger macht unabhängig von der konkreten Höhe der Einkünfte aus Kapitalvermögen geltend, die Berechnung der Kirchensteuer bei noch nicht vollständig ausgenutztem einkommensteuerrechtlichen Verlustvortrag sei nicht verfassungskonform.
III.
11 Die Revision ist zulässig. Die landesrechtlichen Bestimmungen des Kirchensteuergesetzes sind, was unter den Beteiligten nicht im Streit ist, gemäß § 118 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO revisibles Landesrecht, weil § 14 Abs. 4 Satz 1 KiStG NW den Finanzrechtsweg eröffnet und § 14 Abs. 4 Satz 2 KiStG NW die Vorschriften der Finanzgerichtsordnung insgesamt für anwendbar erklärt (vgl. auch Senatsbeschluss vom I R 99/06, BFHE 221, 288, BStBl II 2011, 40, m.w.N.).
IV.
12 In der Sache ist die Revision unbegründet. Das FG hat die materiell-rechtlichen Einwendungen des Klägers zu Grund und Höhe der vGA —und damit der Kapitaleinkünfte i.S. des § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG 1997—, die im Streitfall die alleinige Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer bilden, ohne Rechtsverstoß ungeprüft gelassen, weil sie Gegenstand des Klageverfahrens zur Festsetzung der Einkommensteuer sind. Die Festsetzung der Kirchensteuer ist im Streitfall auch nicht verfassungswidrig.
13 1. Dass die angefochtene Festsetzung —ungeachtet der weiteren Einwendungen des Klägers— dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 1 KiStG NW i.V.m. § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 entspricht, ist zwischen den Beteiligten nicht in Streit. Nach § 51a Abs. 2 Satz 1 EStG 1997 ist Bemessungsgrundlage für die Zuschlagsteuern die Einkommensteuer unter Berücksichtigung bestimmter, im Streitfall nicht relevanter Freibeträge. Gemäß Satz 2 der Vorschrift ist für Zwecke der Ermittlung der Einkommensteuer im Sinne des Satzes 1 das zu versteuernde Einkommen um die nach § 3 Nr. 40 EStG 1997 steuerfreien Beträge (z.B. die streitgegenständlichen Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG 1997) zu erhöhen und um die nach § 3c Abs. 2 EStG 1997 nicht abziehbaren Beträge zu mindern. Dazu ist für Einzelheiten zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Senatsurteil vom I R 76/08 (BFHE 225, 566, BStBl II 2010, 1061) zu verweisen.
14 Der Umstand, dass dem Kläger für das Streitjahr noch nicht durch Verrechnung verbrauchte Verlustvorträge zur Verfügung gestanden haben, führt danach nicht zu einer Reduzierung der Kirchensteuer. Verlustvorträge gemäß § 10d EStG 1997 verringern die Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuern nur insoweit, als sie mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte verrechnet werden und damit das nach § 2 Abs. 5 EStG 1997 zu versteuernde Einkommen als Ausgangsgröße der Berechnung der Zuschlagsteuern gemäß § 51a Abs. 2 EStG 1997 mindern. Eine weiter gehende Verwendung von Verlustvorträgen für Zwecke der Zuschlagsteuern sieht das Gesetz nicht vor. Eine planwidrige gesetzliche Regelungslücke, die —z.B. im Wege einer Analogie zu § 10d EStG 1997— eine Berücksichtigung der für die Zwecke der Einkommensteuer nicht „verbrauchten” Verlustvorträge im Rahmen der Bemessung der Kirchensteuer ermöglichen würde, besteht nicht.
15 2. Das FG hat sich zu Recht aus verfahrensrechtlichen Gründen gehindert gesehen, darüber zu entscheiden, ob die im Einkommensteuerbescheid angesetzten —und in der hier streitigen Festsetzung eine Steuer auslösenden— vGA dem Grund und/oder der Höhe nach zutreffend ermittelt worden sind. Denn eine entsprechende Ermittlung und Feststellung ist dem Einkommensteuerfestsetzungsverfahren vorbehalten.
16 a) Nach § 51a Abs. 5 Satz 1 EStG 1997 kann mit einem Rechtsbehelf gegen die Zuschlagsteuer (Kirchensteuer) weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Vergleichbar hierzu besagt § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG NW, dass im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Kirchensteuerfestsetzung Einwendungen gegen die zugrunde liegende Maßstabsteuer unzulässig sind. Dies entspricht dem grundsätzlichen Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid, wonach Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung jenes Bescheids und nicht durch Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden können (§ 351 Abs. 2 der Abgabenordnung —AO—). Auch die Kirchensteuer ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 Satz 1 KiStG NW i.V.m. § 51a EStG 1997 Folgesteuer zu der als Maßstabsteuer dienenden Einkommensteuer. Einkommensteuerbescheid und Kirchensteuerbescheid stehen insoweit im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid zueinander (z.B. Senatsbeschluss in BFHE 221, 288, BStBl II 2011, 40, m.w.N.).
17 Allerdings besteht nach der Senatsrechtsprechung das Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid in den Fällen des § 51a EStG 1997 nur hinsichtlich solcher Besteuerungsgrundlagen, die für die Festsetzung der Einkommensteuer als Maßstabsteuer relevant sind und sich infolgedessen auf die Einkommensteuerfestsetzung auswirken können. Hingegen kann der Einkommensteuerbescheid nicht als Grundlagenbescheid für die in § 51a Abs. 2 EStG 1997 geregelten Modifikationen der Maßstabsteuer angesehen werden, die ausschließlich der Bemessung der Kirchensteuer als Zuschlagsteuer dienen, die aber für die Festsetzung der Einkommensteuer keinerlei Bedeutung haben. Diese sind nicht Bestandteil der Festsetzung der Einkommensteuer, sondern kommen unabhängig von dieser originär und ausschließlich im Verfahren über die Festsetzung der Kirchensteuer zur Anwendung; dagegen erhobene Einwendungen sind folglich nur im Rahmen dieses Verfahrens geltend zu machen (Senatsbeschluss in BFHE 221, 288, BStBl II 2011, 40, m.w.N.; s.a. Senatsbeschlüsse vom I R 7/07, BFH/NV 2008, 986, und I R 2, 3/07, juris [die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, s. , nicht veröffentlicht]; zustimmend z.B. Kirchhof in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 51a Rz 10; Treiber in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 51a EStG Rz 112; Petersen in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 51a Rz F 2, 4; ders., Kirchensteuer kompakt, 2010, Kap. 10 Rz 27; Gosch, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung —BFH/PR— 2008, 260; Homburg, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2009, 2179, 2180 f.; Kühnen, EFG 2008, 1910 f.; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 351 AO Rz 48). Daran ist festzuhalten.
18 b) Nach dieser Maßgabe ist zwar ein Rechtsstreit um die in § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 angeordnete Modifikation bei der Ermittlung der Einkommensteuer —im Streitfall die Hinzurechnung der nach § 3 Nr. 40 EStG 1997 steuerfreien Beträge bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens— dem Verfahren zur Kirchensteuerfestsetzung zuzuweisen (so die Situation im Senatsbeschluss in BFHE 221, 288, BStBl II 2011, 40). Die Grundlage der Hinzurechnung ist jedoch Besteuerungsgrundlage i.S. des § 157 Abs. 2 AO im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer. Die sachliche Steuerbefreiung des § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG 1997 setzt dem Grunde nach das Erzielen von steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen voraus: „Steuerfrei sind ... die Hälfte der Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 ...” Damit ist die Höhe der erzielten Einnahmen als sachnotwendige Grundlage der Hinzurechnung gerade nicht originärer und ausschließlicher Bestandteil der Kirchensteuerfestsetzung. Vielmehr wird entsprechend dem erklärten Gesetzeszweck, die Folgen des Halbeinkünfteverfahrens zu neutralisieren (s. Senatsurteil in BFHE 225, 566, BStBl II 2010, 1061, m.w.N.), „nur” dasjenige korrigiert, was zuvor als Folge der Steuerfreistellung aus der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 2 Abs. 5 Satz 1 EStG 1997) ausgeschieden wurde. Der Regelung des § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 fehlt sonach insoweit die „kirchensteuerrechtliche Selbständigkeit”, als sie an die Höhe der tatsächlich erfolgten Steuerfreistellung bei der Einkommensteuerfestsetzung anschließt. Daher ist die Gesamthöhe der erzielten Einnahmen aus Kapitalvermögen kein möglicher Anfechtungsgegenstand bei der Kirchensteuerfestsetzung. Für dieses Ergebnis spricht auch die zutreffende Erwägung des FG, dass anderenfalls bei einem Streit über die Gesamthöhe der Einnahmen aufgrund unterschiedlicher Behördenzuständigkeiten im Einkommen- und Kirchensteuerfestsetzungsverfahren divergierende Besteuerungsergebnisse jedenfalls nicht ausgeschlossen werden können; das aber widerspräche dem Regelungszweck.
19 c) Das FG hat ebenfalls ohne Rechtsfehler entschieden, dass der Kläger mit seinen materiell-rechtlichen Einwendungen gegen Grund und Höhe der festgestellten vGA im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren (bzw. den entsprechenden Rechtsbehelfs-/Klageverfahren) rechtliches Gehör finden kann. Dem steht die Einkommensteuerfestsetzung für 2001 in Höhe von 0 DM nicht entgegen. Auch wenn eine Null-Festsetzung den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht belastet, so dass es grundsätzlich an einer nach § 40 Abs. 2 FGO erforderlichen Beschwer durch diese Festsetzung fehlt (s. allgemein , BFH/NV 2001, 1125; Senatsurteil vom I R 24/05, BFH/NV 2007, 63; , BFH/NV 2007, 699; , BFHE 226, 53, BStBl II 2010, 72), so löst doch im Streitfall ein Streit über die Höhe der erzielten Gesamteinnahmen aus Kapitalvermögen gerade wegen der Folgewirkungen auf die Höhe der Kirchensteuer (Tatbestandswirkung für die Höhe der Steuerfreistellung) eine Beschwer aus (s. allgemein von Groll in Gräber, FGO, 7. Aufl., § 40 Rz 88; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 40 FGO Rz 58 f.; von Beckerath in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 40 FGO Rz 197). Damit wird dem erörterten Zweck des § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 —auch unter Berücksichtigung der verwaltungsökonomischen Gesichtspunkte, in die größere fachliche Kompetenz und Sachnähe der Finanzbehörde in Einkommensteuerfragen— im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Verwaltungszuständigkeiten in geeigneter Weise Rechnung getragen.
20 Aus dem Senatsurteil in BFH/NV 2007, 63 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Auch wenn danach der Ansatz steuerpflichtiger Einnahmen auf die Höhe des (zu verbrauchenden) Verlustvortrags keine Beschwer bei einer Null-Festsetzung im Steuerbescheid auslöst, kann der Kläger im Streitfall nicht auf das Verfahren zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs verwiesen werden. Denn ihm wäre mit dem Ausweis eines höheren Verlusts in einem geänderten Feststellungsbescheid gemäß § 10d EStG 1997 nicht geholfen, weil dieser Bescheid keine Bindungswirkung für die Kirchensteuerfestsetzung entfaltet.
21 3. Der erkennende Senat hat die Rechtsfrage, ob die Hinzurechnung der steuerfreien Halbeinkünfte nach § 4 Abs. 2 Satz 1 KiStG NW i.V.m. § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt, bereits ablehnend beantwortet. Daran ist festzuhalten.
22 a) Durch sein Urteil in BFHE 225, 566, BStBl II 2010, 1061 hat der Senat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2009, 193) zur vergleichbaren Regelungslage nach § 5 Abs. 2 KiStG Baden-Württemberg entschieden, dass die Steuerpflichtigen mit Einkünften, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, durch die Hinzurechnung der nach § 3 Nr. 40 EStG 1997 steuerbefreiten Halbeinkünfte zur Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer nicht unangemessen benachteiligt werden. Die Hinzurechnung ist als folgerichtige Reaktion auf die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens anzusehen. Da die empfangenen Dividenden auf der Ebene der ausschüttenden Kapitalgesellschaften nicht mit Kirchensteuern „vorbelastet” sind, besteht kein sachlicher Grund dafür, diese Einkünfte auf der Ebene des Empfängers zur Hälfte von der Kirchensteuer freizustellen. Auch wenn der Ausschluss einer Verlustverrechnung im Hinblick auf die hinzuzurechnenden Halbeinkünfte dazu führt, dass Einkünfte i.S. von § 3 Nr. 40 EStG 1997 unabhängig von der Höhe eines zur Verfügung stehenden Verlustvortrags nach § 10d EStG 1997 in jedem Fall zur Hälfte der Kirchensteuer zu unterwerfen sind, wohingegen ein Steuerpflichtiger, der gleich hohe Einkünfte erzielt hat, zu denen aber nicht solche i.S. des § 3 Nr. 40 EStG 1997 gehören, und die gemäß § 10d EStG 1997 vollständig mit Verlustabzügen verrechnet werden können, im gleichen Veranlagungszeitraum keine Kirchensteuern entrichten muss, verstößt diese Ungleichbehandlung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dem ist die Literatur weitaus überwiegend gefolgt (Gosch, BFH/PR 2009, 414; Homburg, DStR 2009, 2179, 2181; Petersen in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 51a Rz C 22, 24; Drenseck in Schmidt, EStG, 30. Aufl., § 51a Rz 1; Kirchhof in Kirchhof, a.a.O., § 51a Rz 6; Treiber in Blümich, a.a.O., § 51a EStG Rz 56; K. Wagner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 51a EStG Rz 24; s. auch Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 51a Rz 62, 101, 105; Homburg, Finanz-Rundschau 2008, 153, 157; ablehnend aber Oltmanns, Betriebs-Berater 2009, 2014, 2015 f.; wohl auch Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 10 Rz 14 mit Fn. 15).
23 b) Der Senat hält an dieser Rechtsauffassung, die auch von der Vorinstanz geteilt wurde, fest. Die Einwendungen des Klägers, die auf eine verfassungskonforme Auslegung zu seinen Gunsten aus Gründen der Billigkeit bzw. Einzelfallgerechtigkeit gerichtet sind, sind ihrem Inhalt nach im Wesentlichen schon im Senatsurteil in BFHE 225, 566, BStBl II 2010, 1061 abgehandelt worden. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann daher für Einzelheiten der Begründung auf dieses Urteil verwiesen werden.
24 Allerdings hat der Kläger vorgetragen, dass abweichend von jener Entscheidung der Streitfall im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen „eklatant gravierender” sei. Eine Überbesteuerung sei geradezu greifbar und könne sich —vor dem Hintergrund einer fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aufgrund der Verlustvorträge— gegebenenfalls existenzbedrohend auswirken. Der Umfang der steuerlichen Auswirkung im Einzelfall ist allein aber kein hinreichender Sachgrund, dem Gesetzgeber die Berechtigung abzusprechen, bei entsprechendem Regelungsbedürfnis typisierende und pauschalierende Regelungen zu erlassen (s. auch die im Senatsurteil in BFHE 225, 566, BStBl II 2010, 1061 nachgewiesene Rechtsprechung des BVerfG; ferner , DStR 2010, 2393). Auf diese Weise wird vom Kläger allenfalls dargelegt, dass der konkrete Fall Anlass für eine Billigkeitsmaßnahme zu seinen Gunsten sein könne (s. allgemein in diesem Sinne auch Treiber in Blümich, a.a.O., § 51a EStG Rz 55; K. Wagner in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 51a EStG Rz 24). Eine solche Maßnahme ist aber nicht Gegenstand des hier anhängigen Rechtsstreits über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 23 Nr. 1
EStB 2011 S. 438 Nr. 12
HFR 2012 S. 71 Nr. 1
HAAAD-95575