BAG Beschluss v. - 7 ABR 118/09

NV Bühne - Mitbestimmung bei Eingruppierung - Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit

Gesetze: § 99 Abs 1 S 1 BetrVG, § 99 Abs 1 S 2 BetrVG

Instanzenzug: ArbG Chemnitz Az: 11 BV 6/08 Beschlussvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 6 TaBV 28/08 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat bei der Zuordnung zum Normalvertrag Bühne (NV Bühne) ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn die Arbeitgeberin mit einem Arbeitnehmer der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen vereinbart, dass er überwiegend künstlerisch tätig ist.

2Die Arbeitgeberin betreibt in F eine Mehrspartenbühne mit regelmäßig mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern. Sie ist Mitglied im Deutschen Bühnenverein, Bundesverband der Theater und Orchester. Auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer wandte sie in der Vergangenheit den BAT-O, den diesen ablösenden TVöD, den BMT-G-O, den Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) und den Normalvertrag Bühne vom (NV Bühne) an. Ein zwischen ihr und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) geschlossener Haus-tarifvertrag vom sieht die Anwendung des BAT-O/BMT-G-O einschließlich der sie ergänzenden, ändernden oder an ihre Stelle tretenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung vor. Dieser Tarifvertrag wurde von der Arbeitgeberin ordentlich zum gekündigt.

§ 1 Abs. 1 und Abs. 3 NV Bühne bestimmen Folgendes:

4Für diesen Personenkreis sieht § 67 Abs. 1 Unterabs. 1 NV Bühne vor, dass im Arbeitsvertrag eine Gage zu vereinbaren ist, die seit dem mindestens 1.600,00 Euro monatlich beträgt. Gestufte Vergütungsordnungen sieht der NV Bühne nur für die Bereiche Chor und Tanz vor.

5Mit einem Schreiben ohne Datum teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige, Herrn U S ab nach NV Bühne einzustellen, und bat um Kenntnisnahme. Mit Schreiben vom informierte sie den Betriebsrat, sie beabsichtige, ab dem die Herren S M und T P als Bühnentechniker-Mitarbeiter Tontechnik nach NV Bühne-BT mit einer Arbeitszeit von je 50 vH zu engagieren, und bat um Kenntnisnahme. Mit Schreiben vom teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, er habe - „obwohl nicht beteiligt“ - den Beschluss gefasst, ua. den Einstellungen der Herren U S, S M und T P zuzustimmen, der Eingruppierung in den NV Bühne-BT jedoch nicht zuzustimmen; diese Eingruppierung sei falsch. Mit Schreiben vom teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige ab dem personelle Umsetzungen; ua. solle die - freiwerdende - Stelle des Herrn Z mit Herrn C C als Oberinspektor/Bühnenobermeister nach NV Bühne-BT vorgenommen werden; sie bitte um Kenntnisnahme. Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin mit Schreiben vom mit, er habe die personellen Umsetzungen zur Kenntnis genommen; der Eingruppierung des Herrn C C in den NV Bühne-BT verweigere er die Zustimmung, da der Mitarbeiter in den TVöD „gehöre“. Die Arbeitgeberin führte die Maßnahmen ohne weitere Beteiligung des Betriebsrats wie vorgesehen durch. In den vertraglichen Abreden mit den Arbeitnehmern wurde der NV Bühne in Bezug genommen und eine individuelle Monatsgage vereinbart.

6In dem von ihm am eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat das Ziel verfolgt, der Arbeitgeberin aufzugeben, ihn bei der Eingruppierung der vier betroffenen Arbeitnehmer zu beteiligen. Bei der Beurteilung, ob anstelle des TVöD der NV Bühne zur Anwendung komme, handele es sich um eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

Der Betriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - beantragt,

8Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag des Betriebsrats abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die einzelvertragliche Vereinbarung der Anwendung des NV Bühne mit überwiegend künstlerisch tätigen Bühnentechnikern sei keine der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegende Eingruppierung. Eine Eingruppierung setze ein aus mindestens zwei Vergütungsgruppen bestehendes Entgeltschema voraus. Der NV Bühne enthalte für überwiegend künstlerisch tätiges Personal keine Vergütungsordnung. Soweit sie den NV Bühne arbeitsvertraglich in Bezug nehme, achte sie darauf, dass die Tätigkeit des jeweiligen Mitarbeiters dies zulasse. Hierbei handele es sich jedoch nicht um eine Zuordnung zu einer Vergütungsgruppe, sondern wie bei der Gagenhöhe um eine freie Vereinbarung.

9Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der vom  - zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

10B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Antrag des Betriebsrats zu Recht entsprochen. Der Betriebsrat hat in entsprechender Anwendung des § 101 BetrVG einen Anspruch darauf, dass die Arbeitgeberin seine Zustimmung zur Eingruppierung der vier betroffenen Arbeitnehmer in den NV Bühne einholt und im Falle der Verweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchführt. Die Entscheidung der Arbeitgeberin, die vier Arbeitnehmer dem NV Bühne zuzuordnen, ist eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

11I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig. Er ist insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein ihm entsprechender Tenor ist erforderlichenfalls nach § 85 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 ArbGG iVm. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO vollstreckbar (vgl.  - Rn. 13 mwN, BAGE 130, 286). Der Antrag entspricht der Formulierung, die das Bundesarbeitsgericht in gleich gelagerten Fällen für sachdienlich erachtet hat (vgl. etwa  - aaO; - 1 ABR 37/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 238). Wird dem Antrag entsprochen, hat die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats zu der von ihr - weiterhin für richtig erachteten - Zuordnung der namentlich bezeichneten Arbeitnehmer zum NV Bühne einzuholen und nach fristgerechter, beachtlicher Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten. Dabei berühmt sich der Betriebsrat, wie die Auslegung seines Antrags ergibt, keines Mitbestimmungsrechts bei der einzelvertraglichen Vereinbarung. Es geht ihm auch nicht darum, eine bestimmte andere Eingruppierungsentscheidung der Arbeitgeberin herbeizuführen. Vielmehr will er lediglich an der von der Arbeitgeberin vorgenommenen Zuordnung der Arbeitnehmer zum NV Bühne nach § 99 BetrVG im Wege einer Mitbeurteilung beteiligt werden. Daher sind sowohl das Zustimmungsverfahren als auch das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren ergebnisoffen. Erst in diesem Verfahren wird geprüft, ob die von der Arbeitgeberin für richtig erachtete Eingruppierung zutreffend ist (vgl. etwa  - Rn. 10 mwN, BAGE 120, 303).

12II. Der Antrag ist begründet. Er folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 101 BetrVG. Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin die Beteiligung an der Zuordnung der vier betroffenen Arbeitnehmer zum NV Bühne verlangen. Es handelt sich dabei um eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Eingruppierung. Die einzelvertragliche Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit mit einem Angehörigen der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen selbst ist allerdings mitbestimmungsfrei. Der Betriebsrat hat jedoch mitzubeurteilen, ob der betreffende Arbeitnehmer einer der Berufsgruppen des § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne angehört und damit die Vergütungsordnung des NV Bühne anzuwenden ist. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG steht dem Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats nicht entgegen. Dessen Zustimmung zur Eingruppierung der vier betroffenen Arbeitnehmer gilt auch nicht etwa nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als bereits erteilt.

131. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Betriebsrat in Fällen, in denen der Arbeitgeber eine Ein- oder Umgruppierung vorgenommen hat, ohne zuvor versucht zu haben, die nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, nach § 101 BetrVG zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts die nachträgliche Einholung seiner Zustimmung sowie bei deren Verweigerung die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verlangen ( - zu B II 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 238). Das setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Maßnahme vorgenommen hat, die eine Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG darstellt ( - aaO).

14a) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat ua. vor jeder Eingruppierung zu unterrichten und seine Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einzuholen.

15aa) Das „Mitbestimmungsrecht“ besteht in den Fällen der Ein- und Umgruppierung nicht in einem Mitgestaltungs-, sondern in einem Mitbeurteilungsrecht. Es setzt voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vornehmen will. Eine Ein- oder Umgruppierung in diesem Sinn besteht in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe oder jedenfalls einer Vergütungsordnung zuzuordnen ist. Diese Beurteilung hat der Arbeitgeber bei jeder Einstellung und Versetzung vorzunehmen. Das folgt bereits aus § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, der für diese Fälle die Unterrichtung des Betriebsrats über die vorgesehene Eingruppierung ausdrücklich vorschreibt (vgl. für die st. Rspr.  - Rn. 14, BAGE 120, 303; - 7 ABR 96/09 - Rn. 19).

16bb) Gibt es im Betrieb mehrere in Betracht kommende Vergütungsordnungen, hat der Betriebsrat nicht nur ein Mitbeurteilungsrecht bei der Einordnung eines Arbeitnehmers innerhalb einer der Vergütungsordnungen, sondern auch bei der Frage, ob der Arbeitnehmer in die zutreffende Vergütungsordnung eingruppiert wird. Er kann die Zustimmung zu einer beabsichtigten Eingruppierung mit der Begründung verweigern, die Vergütungsordnung, in die der Arbeitgeber den Arbeitnehmer eingruppieren wolle, sei nicht die richtige. Daher hat der Betriebsrat beispielsweise mitzubeurteilen, ob ein Arbeitnehmer aufgrund einer Vertragsänderung nicht mehr der bisherigen Vergütungsordnung unterfällt, sondern einem außertariflichen - nicht weiter gestuften - Bereich zuzuordnen ist. Diese Beurteilung ist nicht identisch mit dem nicht mitbestimmten Abschluss des Änderungsvertrags. Sie ist erst dessen Folge. Sie der Mitbeurteilung des Betriebsrats zu unterziehen, entspricht Sinn und Zweck der Mitwirkung nach § 99 BetrVG bei einer Umgruppierung. Das Mitbeurteilungsrecht dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung(en) in gleichen oder vergleichbaren Fällen. Es soll innerbetriebliche Lohngerechtigkeit und Transparenz der im Betrieb vorgenommenen Eingruppierungen gewährleisten ( - 7 ABR 96/09 - Rn. 24 mwN).

17cc) Für das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats ist unerheblich, woraus sich die Geltung der Vergütungsordnung ergibt. Sie kann in einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Anwendung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen sein ( - zu B I der Gründe, EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20).

18b) Hiernach ist zwar die nach § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne getroffene arbeitsvertragliche Vereinbarung mit einem Arbeitnehmer, dass er überwiegend künstlerisch tätig werde, keine Eingruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Dies gilt aber nicht für die vom Arbeitgeber vorgenommene Zuordnung des Arbeitnehmers zum NV Bühne. An dieser ist der Betriebsrat zu beteiligen.

19aa) Die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit ist keine Eingruppierung. Der Geltungsbereich des NV Bühne wird im Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal nach § 1 Abs. 1, Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne konstitutiv durch die vertragliche Übereinkunft eröffnet. Das Kriterium für den maßgebenden Vertragsinhalt ist die vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit, die durch die individualvertragliche Vereinbarung definiert wird. Diese Vereinbarung bestimmt den Inhalt der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit. Machen die Arbeitsvertragsparteien von dieser Möglichkeit einer vertraglichen Eingrenzung Gebrauch, ist der maßgebende Tätigkeitsbereich schon aufgrund der Willensübereinkunft als überwiegend künstlerisch anzusehen. Die vereinbarte Tätigkeit ist sachlich geeignet, den besonderen Regelungen des speziell für den künstlerischen Bereich geschaffenen Tarifvertrags NV Bühne zu unterfallen. Der Inhalt eines solchen Arbeitsverhältnisses ist durch die Vereinbarung festgelegt, ohne dass dem Betriebsrat dabei ein Mitbeurteilungsrecht zukommt. § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne will damit auch auf die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Rücksicht nehmen ( - Rn. 21 mwN ua. auf  6 P 4.97 - zu II 3 b der Gründe, NZA-RR 1999, 274 zu § 3 NV Solo). Ein möglicher Widerspruch zwischen dem, was ein Angehöriger der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen tatsächlich an Arbeitsleistung erbringt, und der Charakterisierung dieser Tätigkeit als überwiegend künstlerisch ist keine Frage des personellen Anwendungsbereichs des NV Bühne, sondern ein Problem der vertragsgemäßen Beschäftigung ( - Rn. 22 mwN).

20bb) Dagegen stellt die Zuordnung des einzelnen Arbeitnehmers zum NV Bühne eine Eingruppierung dar. Die Arbeitgeberin muss beurteilen, ob der betroffene Arbeitnehmer dem Anwendungsbereich des NV Bühne oder demjenigen einer anderen Vergütungsordnung unterfällt. Hierbei ist der Betriebsrat zu beteiligen.

21(1) Im Betrieb der Arbeitgeberin kamen in der Vergangenheit mit dem BAT-O, dem diesen ablösenden TVöD, dem BMT-G-O, dem TVK und dem NV Bühne mehrere Vergütungsordnungen nebeneinander zur Anwendung. Die Kündigung des Haustarifvertrags durch die Arbeitgeberin führte nicht zum Wegfall der betrieblichen Geltung dieser Vergütungssysteme. Sie hatte lediglich zur Folge, dass die Vergütungsschemata und die in ihnen zum Ausdruck kommenden Vergütungsgrundsätze nicht mehr zwingend gelten. Das ändert jedoch nichts daran, dass diese Grundsätze bislang im Betrieb angewendet wurden und deshalb die dort geltenden Entlohnungsgrundsätze sind. Bis zu einem wirksamen Änderungsakt sind sie betriebsverfassungsrechtlich weiter gültig (vgl.  - Rn. 28 mwN, BAGE 126, 237; - 7 ABR 91/08 - Rn. 14, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 44 = EzA BetrVG 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 5).

22(2) Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats entfällt nicht etwa deshalb insgesamt, weil für seine rechtliche Prüfung und damit für eine mögliche Zustimmungsverweigerung nur noch wenige Umstände in Betracht kommen. Allerdings ist die von der Arbeitgeberin mit einem der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne aufgeführten Arbeitnehmer getroffene arbeitsvertragliche Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit für die Beurteilung der Zuordnung zum NV Bühne verbindlich. Durch sie wird der Inhalt des Arbeitsverhältnisses auch in tarifrechtlich zulässiger Weise festgelegt. Der Betriebsrat kann aber bei der von der Arbeitgeberin beabsichtigten Zuordnung zum NV Bühne noch selbständig und unabhängig von der arbeitsvertraglichen Vereinbarung der überwiegend künstlerischen Tätigkeit prüfen, ob der Arbeitnehmer zu den in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen der sog. nachgeordneten Bühnentechniker gehört ( - Rn. 25). Ebenso ist Teil der rechtlichen Mitbeurteilung, ob ein zu den Berufsgruppen des § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne gehörender Arbeitnehmer, den der Arbeitgeber dem NV Bühne zuordnen will, mit dem Arbeitgeber tatsächlich eine Vereinbarung getroffen hat, überwiegend künstlerisch tätig zu sein. Der Umstand, dass sich die Zuordnung zum NV Bühne als - weitgehend einfacher - Normenvollzug darstellt, führt nicht dazu, dass es sich um keine Eingruppierung handelte. Bei tariflichen Vergütungsordnungen ist Eingruppierung vielmehr regelmäßig vom Betriebsrat mitzubeurteilender Normenvollzug des Arbeitgebers ( - Rn. 25 mwN). Auf die damit verbundenen Schwierigkeiten kommt es nicht an.

232. Dem Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats steht die Tendenzeigenschaft der Arbeitgeberin nicht entgegen.

24a) Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG finden die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend künstlerischen Bestimmungen dienen, keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs entgegensteht. Eine Einschränkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats kommt dabei nur in Betracht, wenn die Maßnahmen Tendenzträger betreffen. Ein Arbeitnehmer gilt als Tendenzträger, wenn die Bestimmungen und Zwecke des betreffenden Unternehmens oder Betriebs seine Tätigkeit prägen ( - Rn. 23 mwN, BAGE 118, 205; - 1 ABR 14/06 - Rn. 16 mwN, BAGE 121, 139). Auch bei Tendenzträgern werden die Mitbestimmungsrechte nur ausgeschlossen, soweit sie von einer tendenzbezogenen Maßnahme betroffen sind, bei der die Ausübung des Beteiligungsrechts des Betriebsrats die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung ernstlich beeinträchtigen würde. Die Beteiligung des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen steht der Eigenart eines Tendenzunternehmens nicht entgegen. Bei diesen personellen Maßnahmen hat der Arbeitgeber keinen Gestaltungsspielraum. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer in die zutreffende Gruppe der in seinem Betrieb geltenden Vergütungsordnung einzureihen. Da es sich hierbei um einen Akt der Rechtsanwendung handelt und dem Betriebsrat vom Gesetz nur ein Mitbeurteilungsrecht eingeräumt worden ist, wird die tendenzbezogene Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers durch das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht beeinträchtigt ( - zu B I 3 der Gründe mwN; - 8 ABR 14/02 - zu B II 3 a der Gründe, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 10).

25b) Bei der Arbeitgeberin, die ein Theater betreibt, handelt es sich um ein Tendenzunternehmen (vgl.  - Rn. 15, BAGE 121, 139). Gleichwohl kommt es für den vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die vier betroffenen Arbeitnehmer Tendenzträger sind. Selbst wenn hiervon auszugehen wäre, stünde das dem Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei ihrer Eingruppierung nicht entgegen.

263. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der vier betroffenen Arbeitnehmer gilt nicht etwa nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als bereits erteilt. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat bislang noch nicht um die Zustimmung zur Zuordnung dieser Arbeitnehmer zum NV Bühne ersucht.

27a) Für den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zu einer der in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bezeichneten personellen Einzelmaßnahme sieht das Gesetz keine besondere Form vor. Fehlt es an einem ausdrücklichen Zustimmungsersuchen, ist es ausreichend, wenn der Betriebsrat der Mitteilung des Arbeitgebers entnehmen kann, dass er um die Zustimmung zu einer personellen Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG angegangen wird. Maßgeblich sind insoweit die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB). Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zu mehreren personellen Maßnahmen einholen will ( - Rn. 17, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 43 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 2).

b) Hier hat die Arbeitgeberin das Zustimmungsverfahren für die Eingruppierung der vier betroffenen Arbeitnehmer nicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eingeleitet. Weder aus dem den Arbeitnehmer U S betreffenden undatierten Unterrichtungsschreiben noch aus dem die Arbeitnehmer S M und T P betreffenden Schreiben vom noch aus dem den Mitarbeiter C C betreffenden Schreiben vom war für den Betriebsrat erkennbar, dass die Arbeitgeberin seine Zustimmung zur Eingruppierung einholen wollte. Ein solches Verständnis ergab sich nicht etwa aus dem Hinweis, die Einstellung bzw. das Engagement erfolge nach NV Bühne. Die Arbeitgeberin bat den Betriebsrat nicht um eine Zustimmung zur Eingruppierung, sondern setzte ihn lediglich in Kenntnis von der Einstellung bzw. Umsetzung. Dies war aus ihrer Sicht auch konsequent, war sie doch der Auffassung, dass eine Ein- oder Umgruppierung nicht vorliege. Auch aus den Widerspruchsschreiben des Betriebsrats vom und vom ergibt sich nicht, dass dieser die Schreiben der Arbeitgeberin abweichend von deren objektivem Erklärungswert als Zustimmungsersuchen zur Ein- oder Umgruppierung verstanden hat.

Fundstelle(n):
NJW 2012 S. 799 Nr. 11
WAAAD-85944