BGH Urteil v. - II ZR 301/09

Beginn der Verjährung: Zurechnung der Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände des Geschäftsführers und Schuldners an die Gesellschaft

Leitsatz

Die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände kann der Gesellschaft nicht durch ihren Geschäftsführer vermittelt werden, wenn dieser selbst Schuldner ist .

Gesetze: § 199 Abs 1 Nr 2 BGB

Instanzenzug: Az: 8 U 40/06 Urteilvorgehend Az: 12 O 232/05

Tatbestand

1Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der H. mbH (im Folgenden H.), die später in B. GmbH umfirmierte. In deren Bilanz zum sind Ansprüche gegen den Beklagten aus allgemeinem Verrechnungsverkehr in Höhe von 55,66 Mio. DM ausgewiesen. Mit Wirkung zum legte der Beklagte die Geschäftsführung nieder und veräußerte seinen Geschäftsanteil. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B. B. GmbH wurde mangels Masse abgewiesen.

2Die Klägerin führte in den Jahren 1994 und 1995 Bauleistungen im Auftrag der H. an einem Hotel-Neubau in D. aus. Wegen einer Restwerklohnforderung und eines Anspruchs auf Rückzahlung einer ausgekehrten Vertragserfüllungsbürgschaft erwirkte sie gegen die B. B. GmbH am ein Urteil des Landgerichts D. über insgesamt 343.077,39 € nebst Zinsen. Aufgrund dieses Titels pfändete sie mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom Ansprüche der B. GmbH gegen den Beklagten.

3Mit der Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten Zahlung von 332.110,17 € und 16.619,55 € aus gepfändetem und zur Einziehung überwiesenen Recht der B. GmbH, hilfsweise aus einem Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 des Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen den Beklagten aufgrund des Hilfsantrags zur Zahlung von 110.428,39 € nebst Zinsen und Kosten verurteilt. Gegen die Abweisung des Hauptantrags richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin. Der Beklagte hat seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgenommen.

Gründe

4Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung aus gepfändetem und zur Einziehung überwiesenen Recht der B. GmbH. In der Bilanzfeststellung liege zwar ein konstitutives Schuldanerkenntnis hinsichtlich des darin ausgewiesenen Anspruchs gegen den Beklagten, der auch vom Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfasst werde. Der Anspruch sei aber mit Ablauf des und damit vor Erhebung der am eingereichten Klage verjährt. Die Kenntnis der Gesellschaft von den Anspruchsvoraussetzungen habe bereits am , vermittelt durch den Beklagten als Geschäftsführer, vorgelegen.

6II. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

71. Rechtsfehlerfrei und von den Parteien nicht angegriffen hat das Berufungsgericht allerdings in der Feststellung der Bilanz für das Jahr 2000, die eine Forderung gegen den Beklagten ausweist, ein konstitutives Schuldanerkenntnis gesehen. Der Feststellung einer Bilanz, die diese jedenfalls im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter für verbindlich erklärt, kann für darin ausgewiesene Forderungen gegen den Gesellschafter die Wirkung eines zivilrechtlich verbindlichen Schuldanerkenntnisses zukommen (, BGHZ 179, 344 Rn. 50 - Sanitary; Urteil vom - II ZR 264/07, ZIP 2009, 1111 Rn. 15). Ob es sich um ein konstitutives oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis handelt, beurteilt sich nach den Umständen im Einzelfall (, ZIP 2009, 1111 Rn. 15).

82. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber Verjährung des Anspruchs mit dem angenommen. Der B. GmbH war die Kenntnis des Beklagten von dem Schuldversprechen nicht zuzurechnen.

9a) Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB i.d.F. des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ist vom an zu berechnen, wenn der Anspruch zu diesem Zeitpunkt entstanden war (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB - Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der Anspruchsvoraussetzungen - vorlagen (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB; vgl. , BGHZ 171, 1 Rn. 21, 23; Urteil vom - II ZR 57/09, ZIP 2010, 1637 Rn. 7 m.w.N.). Der Anspruch aus dem Schuldversprechen war - wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat - spätestens mit der Feststellung der Bilanz im September 2001 fällig.

10b) Die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände kann der Gesellschaft nicht durch ihren Geschäftsführer vermittelt werden, wenn dieser selbst Schuldner ist. Zwar kommt es bei juristischen Personen des Privatrechts grundsätzlich auf die Kenntnis ihrer vertretungsberechtigten Organe von den Anspruchsvoraussetzungen an. Ist das Organ einer Gesellschaft selbst der Schuldner, kann es der Gesellschaft aber die erforderliche Kenntnis nicht verschaffen (vgl. zu § 852 BGB aF , BGHZ 179, 344 Rn. 34 - Sanitary m.w.N.; Urteil vom - II ZR 334/87, ZIP 1989, 1390, 1397; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2009, § 199 Rn. 61; MünchKommBGB/Grothe 5. Aufl. § 199 Rn. 32; BeckOK BGB/Henrich/Spindler, Stand , § 199 Rn. 38). Das gilt nicht nur bei unerlaubten Handlungen, wie sie den bisherigen Entscheidungen des Senats zu § 852 BGB aF zugrunde lagen. Vielmehr kann allgemein nicht erwartet werden, dass der Schuldner dafür sorgt, dass die Ansprüche gegen ihn selbst geltend gemacht werden und er etwa einen Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG herbeiführt. Beim einzigen Geschäftsführer einer GmbH kommt hinzu, dass er als Vertreter der Gesellschaft gegen sich selbst zur Hemmung der Verjährung keine Maßnahmen der Rechtsverfolgung ergreifen kann (§ 204 Abs. 1 BGB). Soweit es wegen des Fehlens eines weiteren Geschäftsführers auf die Kenntnis der zur Anspruchsverfolgung berufenen Gesellschafter ankommt, scheidet eine Zurechnung der Kenntnis des einzigen Gesellschafters aus den gleichen Gründen aus, wenn er zugleich Schuldner des Anspruchs ist.

11III. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

121. Das Berufungsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, dass der Beklagte "alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer" der H. gewesen sei. Das lässt offen, ob er nicht nur einziger Gesellschafter, sondern auch einziger Geschäftsführer war. Da dieser Gesichtspunkt im Berufungsverfahren keine Bedeutung erlangt hat, weil das Berufungsgericht die Forderung bereits aufgrund der Zurechnung der Kenntnis des Beklagten für verjährt gehalten hat, ist dem Beklagten Gelegenheit zu geben, hierzu, gegebenenfalls auch zu einer Kenntnis eines weiteren Geschäftsführers von dem Anspruch, ergänzend vorzutragen.

132. Für das weitere Verfahren weist der Senat außerdem darauf hin, dass das Erlöschen der Forderung entgegen der Auffassung des darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht schon durch das Fehlen von Forderungen gegen den Gesellschafter in der folgenden Bilanz zum belegt wird. Die Ausbuchung kann auch auf anderen Gründen als dem Erlöschen der Forderung beruhen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BB 2011 S. 1090 Nr. 18
DB 2011 S. 8 Nr. 16
DStR 2011 S. 930 Nr. 19
GmbH-StB 2011 S. 171 Nr. 6
GmbHR 2011 S. 534 Nr. 10
NJW 2011 S. 8 Nr. 22
NJW-RR 2011 S. 832 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 19/2011 S. 1600
StBW 2011 S. 473 Nr. 10
StuB-Bilanzreport Nr. 13/2011 S. 519
WM 2011 S. 794 Nr. 17
ZIP 2011 S. 858 Nr. 18
SAAAD-80938