Keine "eigenhändige" Unterschrift für ordnungsgemäßen Vergütungsantrag
Leitsatz
Der Antrag eines im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers auf Vergütung von Vorsteuern muss - entgegen § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG 1999 - nicht zwingend vom Unternehmer selbst unterschrieben werden. Es genügt insoweit die Unterschrift eines Bevollmächtigten. Dies folgt aus der Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs "Unterschrift" in der Richtlinie 79/1072/EWG.
Der Steuerpflichtige kann bei von ihm nicht zu vertretendem Abhandenkommen einer Originalrechnung den Nachweis seines Vorsteuer-Vergütungsanspruchs durch Vorlage einer Zweitschrift oder Ablichtung der Rechnung führen, wenn der dem Vergütungsanspruch zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere Vergütungsanträge gestellt werden.
Gesetze: UStG § 18 Abs. 9, Richtlinie 79/1072 EWG
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Vorsteuern (Januar bis Dezember 2000) für eine im Gemeinschaftsgebiet (Belgien) ansässige Unternehmerin.
2 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der X N.V., eine im Streitjahr in Z/Belgien ansässige Kapitalgesellschaft. Diese stellte am beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundesamt für Finanzen —BfF—, seit : Bundeszentralamt für Steuern —BZSt—) einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern für an sie erbrachte Messeleistungen. Mit Bescheid vom lehnte das BfF die Vergütung der Vorsteuern ab, weil eine gültige Unternehmerbescheinigung fehle und streiterhebliche Fragen nicht beantwortet worden seien. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde am als unbegründet zurückgewiesen.
3 Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1161 veröffentlichten Urteil vom als unbegründet ab. Zur Begründung führte das FG aus, die Klägerin habe keinen ordnungsgemäßen Vergütungsantrag gestellt. Der Antrag weise lediglich die Unterschrift eines Bevollmächtigten auf, sei also —entgegen § 18 Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung— nicht von einem gesetzlichen Vertreter der Klägerin eigenhändig unterschrieben worden. Das nationale Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift des Unternehmers stehe im Einklang mit den Vorgaben der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 79/1072/EWG) und verstoße nicht gegen die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts.
4 Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe § 18 Abs. 9 UStG im Hinblick auf die Richtlinie 79/1072/EWG unzutreffend ausgelegt. Das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift stehe nicht im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie 79/1072/EWG.
5 Der Senat ordnete durch Beschluss vom das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über die Vorlage des XI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Rechtssache vom C-433/08, Yaesu Europe BV (Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2010, 146) an. Mit Urteil vom (BFH/NV 2010, 380) beantwortete der EuGH die Vorlagefragen wie folgt:
6 „Der Begriff 'Unterschrift' in dem in Anhang A der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige enthaltenen Muster für den Antrag auf Vergütung der Umsatzsteuer ist ein gemeinschaftsrechtlicher Begriff, der einheitlich dahin auszulegen ist, dass ein solcher Vergütungsantrag nicht zwingend von dem Steuerpflichtigen selbst unterschrieben werden muss, sondern dass insoweit die Unterschrift eines Bevollmächtigten genügt.”
7 Hierauf hat das BZSt vorgetragen, an einer ordnungsgemäßen Antragstellung bestünden keine Zweifel mehr, nach einer nunmehr vorgenommenen Belegprüfung ergebe sich jedoch, dass die eingereichten Rechnungen zum Teil keinen Anspruch auf Vorsteuern begründen könnten.
8 Die Klägerin hält die Sache mangels Feststellungen des FG zum Umfang des Vorsteuerabzugs aus den Positionen 2, 4, 7, 15 und 19 für nicht spruchreif und beantragt,
das angefochtene aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG Köln zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
9 Das BZSt beantragt,
die Revision insoweit zurückzuweisen, als die Rechnungen nicht vergütungsfähig sind,
hilfsweise,
das angefochtene aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG Köln zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
10 II. Das Verfahren wird fortgeführt, nachdem der Rechtsgrund für die im Beschluss vom angeordnete Verfahrensruhe mit der Entscheidung des EuGH Yaesu in UR 2010, 146 weggefallen ist.
11 Die Revision der Klägerin ist begründet.
12 Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Entscheidung darüber, in welcher Höhe der Antrag der Klägerin auf Vergütung von Vorsteuern begründet ist.
13 Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG kann zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 und von den Absätzen 1 bis 4, in einem besonderen Verfahren regeln. Der Vergütungsantrag ist gemäß § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Der Vergütungsantrag ist vom Unternehmer eigenhändig zu unterschreiben (§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG).
14 1. Die Klägerin hat den streitgegenständlichen Vergütungsantrag zwar nicht entsprechend der nationalen Regelung in § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG eigenhändig unterschrieben. Dies steht ihrem Anspruch auf Vorsteuervergütung jedoch nicht entgegen.
15 a) Nach dem EuGH-Urteil Yaesu in UR 2010, 146 erfordert der Begriff „Unterschrift” eine in der gesamten Europäischen Gemeinschaft autonome und einheitliche Auslegung, die unter Berücksichtigung des Kontextes der Vorschrift und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden müsse. Hieraus ergebe sich, dass für einen Vergütungsantrag auch die Unterschrift eines Bevollmächtigten genüge. Denn im Gegensatz zu anderen Angaben im Anhang A der Richtlinie 79/1072/EWG —wie Name und Art der Tätigkeit oder Gewerbezweig— werde nicht die Unterschrift des „Antragstellers” verlangt.
16 b) Im vorliegenden Fall trägt der Vergütungsantrag die Unterschrift des B. Ausweislich der im Rahmen des Klageverfahrens eingereichten Vollmacht vom war dieser zur Vornahme aller Umsatzsteuer-Formalitäten (Unterschrift zur Mehrwertsteuererstattung) berechtigt. Da diese Vollmacht von einem der gesetzlichen Vertreter der Rechtsvorgängerin der Klägerin (Vorstandsmitglied A) ausgestellt wurde und der Antrag auf Vorsteuervergütung am beim BfF einging, beruht der Antrag auf einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung des B.
17 2. Im Streitfall ist die Vorinstanz von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Das Urteil des FG war daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
18 Die Sache ist nicht spruchreif. Denn das FG hat —von seinem Standpunkt aus zu Recht— keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe der Antrag auf Vorsteuervergütung im Hinblick auf die Rechnungen aus einzelnen Positionen begründet ist. Hierzu sind weitere Feststellungen zu treffen.
19 Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass sich das Erfordernis einer Vorlage von Originalrechnungen zwar nach der Rechtsprechung des Senats aus § 18 Abs. 9 Sätze 3 bis 5 UStG ergibt und im Hinblick auf Art. 3 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 79/1072/EWG auch gemeinschaftsrechtlich geboten ist (, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430, unter II.2. und 3.). Hierzu hat der EuGH jedoch entschieden, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, die Möglichkeit vorzusehen, dass der Steuerpflichtige bei von ihm nicht zu vertretendem Abhandenkommen einer Rechnung oder eines Einfuhrdokuments den Nachweis seines Erstattungsanspruchs durch Vorlage einer Zweitschrift der Rechnung oder des fraglichen Einfuhrdokuments führt, wenn der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere Erstattungsanträge gestellt werden. Wenn ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Steuerpflichtiger in der gleichen Situation die Möglichkeit hat, den Nachweis durch Vorlage einer Zweitschrift oder einer Ablichtung der Rechnung zu führen, so folgt aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 6 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), umnummeriert in Art. 12 durch den Vertrag von Amsterdam zur Änderung der Vertrages über die Europäische Union (EUVtr Amst, BGBl II 1998, 387), dass diese Möglichkeit auch einem nicht in diesem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen einzuräumen ist (vgl. , Société générale des grandes sources d'eaux minérales françaises, Slg. 1998, I-3495, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1998, 699, UR 1998, 309).
20 Da der Steuerpflichtige im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§§ 16 bis 18 UStG) den Nachweis des Besitzes einer Originalrechnung nicht nur durch Vorlage derselben, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln führen kann, muss dies unter den vom EuGH genannten Voraussetzungen auch im Vergütungsverfahren gelten (vgl. , BFHE 186, 460, BStBl II 1999, 324, unter II.1.c). Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang hinsichtlich der zu einer Position vorgelegten Zweitschrift zu prüfen haben, ob der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere Erstattungsanträge gestellt werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 658 Nr. 4
HFR 2011 S. 575 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 10/2011 S. 772
GAAAD-61748