FG Berlin-Brandenburg Urteil v. - 9 K 1968/05 EFG 2011 S. 855 Nr. 10
Gesetze: AO § 38, AO § 218 Abs. 2, AO § 226 Abs. 1, AO § 226 Abs. 4, InsO § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, InsO § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, InsO § 95 Abs. 1 S. 3, InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1, InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3, UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1a, UStG § 17 Abs. 1 S. 2, UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1, BGB § 387
Zulässige Aufrechnung mit Vorsteuerüberschüssen aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Berichtigung des
Vorsteuerabzugs durch das Finanzamt im Voranmeldungszeitraum des Insolvenzantrags wegen der durch die Stellung des Insolvenzantrags
eingetretenen Uneinbringlichkeit von Forderungen gegen den Insolvenzschuldner
Leitsatz
1. Hat das Finanzamt nach der Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aber vor der tatsächlichen Eröffnung
des Insolvenzverfahrens den Vorsteuerabzug des jetzigen Gemeinschuldners für die vorangegangenen Voranmeldungszeiträume seit
Beginn des Kalenderjahres im Schätzwege im Rahmen einer bestandskräftig gewordenen Steuerfestsetzung für den Voranmeldungszeitraum,
in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist, wegen der durch die Stellung des Insolvenzantrags eingetretenen
mutmaßlichen Zahlungsunfähigkeit des jetzigen Gemeinschuldners nach § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 UStG berichtigt, so darf
es zulässigerweise die hierbei errechnete Steuernachforderung gegen die Vorsteuerüberschüsse aufrechnen, die sich aus den
anschließend abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die zwischen der Beantragung und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
liegenden Voranmeldungszeiträume ergeben.
2. Diese Aufrechnung wird nicht durch § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 InsO ausgeschlossen, da die
Uneinbringlichkeit der gegen den Gemeinschuldner gerichteten Forderungen und die darauf zurückzuführende Korrektur des Vorsteuerabzugs
des nunmehrigen Gemeinschuldners nach § 17 UStG nicht auf bewussten Willensbetätigungen des Gemeinschuldners, des Insolvenzverwalters
oder eines Insolvenzgläubigers beruhen und das Finanzamt die Möglichkeit der Aufrechnung daher nicht durch eine „anfechtbare
Rechtshandlung” im insolvenzrechtliche Sinne erlangt hat.
Fundstelle(n): DStR 2011 S. 12 Nr. 23 DStRE 2011 S. 971 Nr. 15 EFG 2011 S. 855 Nr. 10 EAAAD-59346
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