Haftung des Bauträgers: Gehörsverletzung im Schadensersatzprozess wegen Baumängeln; Verjährungshemmung durch Verhandlungen; endgültige Verweigerung der Mängelbeseitigung
Gesetze: § 203 BGB, § 242 BGB, § 639 Abs 2 BGB, Art 103 Abs 1 GG
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 10 U 264/07 Urteilvorgehend LG Frankfurt Az: 2-01 O 194/04nachgehend OLG Frankfurt Az: 10 U 264/07 Urteil
Gründe
I.
1Der Kläger ist der Geschäftsführer der Dr. B. I. GmbH (in Zukunft: I. GmbH). Er nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht der I. GmbH wegen mangelhafter Bauleistungen auf Schadensersatz in Höhe der Kosten der Mängelbeseitigung und hilfsweise auf Kostenvorschuss in gleicher Höhe in Anspruch. Die I. GmbH schloss mit der Beklagten 1996 einen Vertrag über Rohbauarbeiten am Neubau eines Doppelhauses in F. Nach Abnahme der Werkleistung der Beklagten im Juni 1996 veräußerte die I. GmbH eine der beiden Doppelhaushälften an die Eheleute G.
2Die Erwerber der anderen Haushälfte rügten 1998 Feuchtigkeitserscheinungen im Kellergeschoss. In dem vom Kläger gegen die Beklagte deswegen eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren stellte der Sachverständige das Vorliegen von Mängeln an der Bauwerksabdichtung im Keller und der Drainage fest.
3Da beide Doppelhaushälften baugleich waren, forderte der Kläger die Beklagte nach Abtretung der Gewährleistungsansprüche an ihn unter Fristsetzung erfolglos auf, Arbeiten zur Beseitigung der Mängel an der Bauwerksabdichtung und der Drainage vorzunehmen. Mit Antrag vom beantragte der Kläger die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens wegen der Mängel an der Bauwerksabdichtung und der Drainage der Doppelhaushälfte der Eheleute G. Auch in diesem Verfahren kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, die Kellerwände seien mangelhaft abgedichtet und die Drainage nicht fachgerecht eingebracht worden.
4Der Kläger vereinbarte mit den Eheleuten G. am , dass er auf die Einrede der Verjährung ihrer Gewährleistungsansprüche gegen ihn bis zum verzichte, vorausgesetzt, die Verjährung sei bis zum noch nicht eingetreten. Zudem übergab er zur Sicherheit eine von der Beklagten gestellte Bankbürgschaft. Im Gegenzug erklärte sich das Ehepaar G. bereit, seine Mängelbeseitigungsansprüche zunächst nicht klageweise geltend zu machen.
5Das Landgericht hat der am erhobenen Zahlungsklage auf den Hilfsantrag zur Zahlung von Kostenvorschuss in Höhe von 34.634,79 € stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 893,90 € verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen und die weitergehenden Rechtsmittel zurückgewiesen. Der Kläger will mit der Revision, deren Zulassung er begehrt, seinen Klageantrag weiterverfolgen.
II.
6Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Rechts des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
71. Das Berufungsgericht bejaht die geltend gemachten Mängel der Werkleistung, meint jedoch, über den zugesprochenen Betrag von 893,90 € hinaus stünde dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zu. Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung nach § 242 BGB sei zu berücksichtigen, dass die Eheleute G. bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts keine Mängelbeseitigungsansprüche gegen den Kläger geltend gemacht hätten und solche auch zwischenzeitlich verjährt seien (Bezugnahme auf , BGHZ 173, 83). Der Kläger habe nur bis zum auf die Verjährungseinrede verzichtet. Aus der nachfolgenden Korrespondenz sei lediglich ersichtlich, dass die Mängel im Kellergeschoss thematisiert worden seien, alle möglichen Ansprüche der Käufer wegen dieser Mängel seien jedoch mangels Geltendmachung endgültig verjährt. Unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB sei der Kläger auch gehalten, die Einrede der Verjährung gegenüber möglichen Ansprüchen der Käufer zu erheben.
82. Das Berufungsgericht hat gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, verstoßen. Es hat entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers zur Hemmung der Verjährung übergangen.
9a) Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liegt bei einem Umstand vor, aus dem sich klar ergibt, dass das Gericht nicht seiner Pflicht nachgekommen ist, entscheidungserhebliche Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine rechtlichen Erwägungen einzubeziehen. Ein solcher Umstand ist gegeben, wenn das Gericht zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, trotz entsprechenden Parteivortrages in den Entscheidungsgründen nicht Stellung nimmt (vgl. BVerfG, NJW-RR 1995, 1033).
10b) So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht hat die Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Doppelhauserwerber G. bejaht, ohne zu dem umfangreichen Vortrag des Klägers Stellung zu nehmen, der die Hemmung der Verjährung der Ansprüche der Eheleute G. gegen den Kläger begründen kann. Der Kläger hat insbesondere vorgebracht, dass er das im August 2000 eingeleitete selbständige Beweisverfahren wegen der Baumängel an der Doppelhaushälfte der Erwerber G. in ausdrücklicher Absprache mit diesen durchgeführt habe. In der Folgezeit hätten zwischen dem Kläger und den Eheleuten G. stets Verhandlungen geschwebt, die einerseits die Eheleute G. von der Erhebung einer kostenträchtigen Klage abhalten und andererseits die Gewährleistungsverpflichtung des Klägers beinhalten sollten. So hätten die Eheleute G. mehrfach beim Kläger nachgefragt, wann mit der Beseitigung der Mängel an der Kellerisolierung und der Drainage zu rechnen sei. Der Kläger habe den Eheleuten G. die Bankbürgschaft der Beklagten zur Sicherheit übergeben und sie mehrfach über den Stand des Rechtsstreits mit der Beklagten unterrichtet. Des weiteren hat der Kläger vorgetragen, dass zwischen 1999 und 2009 verschiedene Telefonate und persönliche Gespräche jeweils mit dem Ziel geführt worden seien, die Eheleute G. von der Erhebung einer weiteren Klage abzuhalten, um keine unnötigen Kosten entstehen zu lassen, wobei bei all diesen Gesprächen klar gewesen sei, dass am Ende des vorliegenden Verfahrens sich der Kläger mit den Eheleuten G. über die vorhandenen Mängel auseinandersetzen müsse. Diesen Sachvortrag hat der Kläger teilweise durch Vorlage von Schriftverkehr belegt und darüber hinaus Beweis durch Einvernahme des Zeugen G. angeboten.
11Das Berufungsgericht hat sich lediglich mit den Schreiben vom und befasst und den übrigen Vortrag nicht gewürdigt. Dieser Vortrag war von zentraler Bedeutung für das Verfahren, denn er sollte die Hemmung der Verjährung der Ansprüche der Eheleute G. gegen die I. GmbH belegen. Unter diesem Gesichtspunkt hat der Kläger die vorgenannten Einzelheiten vorgetragen, wobei keine Rolle spielt, dass er die Hemmung der Verjährung aus § 202 BGB a.F. herleiten wollte. Das Berufungsgericht war gehalten, den Vortrag auch unter dem sich aufdrängenden Gesichtspunkt der Hemmung der Verjährung nach § 639 Abs. 2 BGB a.F. und § 203 BGB n.F. zu würdigen.
12c) Der Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ist entscheidungserheblich. Auf der Grundlage des Vortrags des Klägers kommt eine Hemmung der Verjährung nach § 639 Abs. 2 BGB a.F. und § 203 BGB n.F. wegen zwischen dem Kläger und dem Ehepaar G. schwebender Verhandlungen über deren Gewährleistungsansprüche in Betracht. Der Begriff der Verhandlung ist weit auszulegen (, BauR 2007, 380, 381 = NZBau 2007, 184 = ZfBR 2007, 142, 143). Danach genügt für ein Verhandeln jeder Meinungsaustausch, der zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten über den Schadensfall stattfindet, sofern der Schuldner nicht von vornherein jeden Ersatz sofort und eindeutig ablehnt. Anders als die Beschwerdeerwiderung meint, beschränkt sich der Vortrag des Klägers nicht auf Verhandlungen bis zum Ende des Beweisverfahrens oder bis zum . Aus dem entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung ausreichend substantiierten Vortrag des Klägers ergibt sich vielmehr, dass er den Eheleuten G. fortwährend bis zum Jahr 2009 ("während all dieser Jahre“) zu erkennen gegeben hat, dass er die Verhandlungen über seine von ihm nicht in Abrede gestellte Pflicht zur Mängelbeseitigung jedenfalls bis zum Abschluss des Verfahrens mit der Beklagten fortführen wollte. Diese waren damit einverstanden. Damit lagen während des gesamten Zeitraums bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB vor. Denn es reicht aus, dass der Kläger und die Eheleute G. in fortlaufendem Meinungsaustausch über die Mängelbeseitigungspflicht des Klägers waren. Dass es zwischenzeitlich längere Zeiträume gegeben hat, in denen der Kläger und die Eheleute G. keinen Kontakt hatten, ist möglicherweise auf den Umstand zurückzuführen, dass der Prozess gegen die Beklagte noch fortdauerte und hindert nicht die Annahme, dass die Verhandlungen auch während dieser Zeit weder eingeschlafen noch gescheitert waren.
13Der Beschwerdeerwiderung kann auch nicht darin gefolgt werden, dass es auf die Frage der Verjährung schon deshalb nicht ankomme, weil der Kläger der Beklagten zwischenzeitlich im Jahre 2001 ein Nachbesserungsrecht eingeräumt habe und diese bereit sei, die Nachbesserung vorzunehmen. Das Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte mit ihrem Nachbesserungsrecht ausgeschlossen ist. Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 634 Abs. 1 BGB a.F. ist entbehrlich. Dass die Beklagte nicht ernsthaft bereit ist, die Mängel zu beseitigen, ergibt sich schon daraus, dass sie diese in den vergangenen neun Jahren nicht vorgenommen hat. Dass der Kläger die Mängelbeseitigung nicht zugelassen hätte, hat die Beschwerdeerwiderung in ihrer Gegenrüge nicht ausgeführt. Zudem hat die Beklagte die Einrede der Verjährung der gegen sie gerichteten Ansprüche erhoben, womit sie ebenfalls deutlich gemacht hat, dass sie zu einer Gewährleistung nicht mehr bereit ist (vgl. , BauR 2003, 386 = NZBau 2003, 149 = ZfBR 2003, 253).
14Es kann danach nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Parteivortrags des Klägers unter dem Gesichtspunkt der Hemmung der Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Eheleute G. zu einer anderen Beurteilung der Vorteilsausgleichung gekommen wäre. Das Berufungsurteil war daher gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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Eick Halfmeier
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
NJW-RR 2011 S. 98 Nr. 2
DAAAD-56724