BGH Beschluss v. - II ZR 142/09

Rechtliches Gehör: Übergehen eines entscheidungserheblichen Parteivortrags durch das Berufungsgericht

Leitsatz

Geht das Berufungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung auf einen Vortrag einer Partei nicht ein, der für die Beurteilung einer nach seiner eigenen Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Frage von zentraler Bedeutung ist, rechtfertigt dies den Schluss, dass es den Vortrag nicht zur Kenntnis genommen hat .

Gesetze: Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: 18 U 80/08 Urteilvorgehend LG Aachen Az: 1 O 419/07

Gründe

1Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat mit der Abweisung des - in der Berufungsinstanz noch - auf Zahlung der Ausschüttungen aus der übernommenen Garantie gerichteten Klageantrags den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

21. Das Berufungsgericht hat eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Vorzugsausschüttungen verneint, weil sie einen selbständigen Garantievertrag voraussetze, den Prospektangaben jedoch nicht entnommen werden könne, dass die Beklagte zusätzlich zu der übernommenen Platzierungsgarantie gegenüber den an der Kapitalerhöhung beteiligten Anlegern eine weitere Garantie für die Mindestvorzugsausschüttungen habe übernehmen wollen. Mit seiner Annahme, die Beklagte habe nicht für die Zahlung der versprochenen Ausschüttungen einstehen wollen, hat es unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zentralen Vortrag des Klägers übergangen.

3a) Der Kläger hat sich für seine Behauptung, die Beklagte habe gegenüber den Anlegern für die Vorzugsausschüttungen eine Garantie übernommen, nicht nur auf die - vom Berufungsgericht isoliert gewürdigten - Prospektangaben bezogen. Er hat außerdem vorgetragen, dass die Beklagte in dem mit der F.-Baubetreuung Immobilien-Anlagen Nr. 27 KG (künftig: KG) vereinbarten "Nachtrag zu Vertriebsauftrag und Platzierungsverpflichtung zur Kapitalerhöhung" vom (Anlage K 8) die bevorrechtigten Ausschüttungen der Teilnehmer an der Kapitalerhöhung garantiert habe, indem sie sich verpflichtet habe, die (Differenz-)Beträge auf erstes Anfordern zu zahlen, wenn die Liquidität der KG zum Fälligkeitszeitpunkt eine Auszahlung nicht gestattete. Dies legt jedenfalls nahe, dass die Beklagte - anders als das Berufungsgericht den Prospekt verstanden hat - außer der Platzierung auch die Ausschüttungen garantieren wollte, da es andernfalls der Nachtragsvereinbarung nicht bedurft hätte.

4b) Zur Begründung seines Anspruchs auf Zahlung der garantierten Ausschüttungen hat der Kläger ferner vorgebracht, die Beklagte habe in einem Schreiben vom (Anlage K 4), in dem sie für die Beteiligung an der Kapitalerhöhung geworben habe, erklärt, dass die Vorzugsausschüttung von 6 % p.a. im Rahmen der von ihr übernommenen Platzierungsgarantie sichergestellt sei; auch in dem auf Seite 2 dieses Schreibens dargestellten Rechenbeispiel werde von einer "garantierten Ausschüttung über 10 Jahre" ausgegangen. Desgleichen habe die Beklagte in einem weiteren Schreiben vom Juli 1999 (Anlage K 7) eine "garantierte Ausschüttung von 6 % p.a. bis 2007" bestätigt.

5c) Mit diesem - von der Nichtzulassungsbeschwerde als übergangen gerügten - Vortrag des Klägers und den hierzu vorgelegten Urkunden hat sich das Berufungsgericht bei der Prüfung der Frage, ob die Beklagte außer der Platzierungsgarantie auch eine Garantie für die Vorzugsausschüttungen übernommen hat, in keiner Weise auseinandergesetzt und ihn nicht in seine Würdigung einbezogen, obwohl sich dies angesichts seiner zentralen Bedeutung für das Verfahren aufdrängen musste. Darin zeigt sich, dass es diesen Vortrag des Klägers unter Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht zur Kenntnis genommen haben kann.

6d) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht, hätte es den übergangenen Vortrag berücksichtigt, zu der Erkenntnis gelangt wäre, dass die Beklagte eine Garantie für die Vorzugsausschüttungen übernommen hat.

7Abgesehen von dem vom Berufungsgericht - unter Außerachtlassung entscheidungserblichen Vortrags des Klägers - gewürdigten Prospekt kann sich ein eigener Anspruch des Klägers im Übrigen auch aus dem - als Anlage K 8 vorgelegten - "Nachtrag zu Vertriebsauftrag und Platzierungsverpflichtung zur Kapitalerhöhung" zwischen der KG und der Beklagten ergeben, wenn es sich hierbei - was durch Auslegung der konkreten Vereinbarung festzustellen sein wird - um einen Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB) handelt.

82. Für das wieder eröffnete Berufungsverfahren, in dem das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen zu treffen und gegebenenfalls auch den weiteren Einwendungen der Beklagten gegen den geltend gemachten Anspruch nachzugehen haben wird, weist der Senat auf Folgendes hin:

9Die Erwägung des Berufungsgerichts, bei unvoreingenommener Lektüre des Prospektes sei klar gewesen, dass die Beklagte nicht zusätzlich zu der Platzierungsgarantie von 30 Millionen DM auch noch eine Garantie für die Vorzugsausschüttungen mit einem (weiteren) Risiko von 18 Millionen DM habe übernehmen wollen, ist - wie Beschwerde zu Recht beanstandet - denkfehlerhaft. Denn eine Inanspruchnahme der Beklagten aus der Platzierungsgarantie

kommt nur in Betracht, soweit das erforderliche Kapital nicht durch Anleger aufgebracht wird. In diesem Umfang ist jedoch die Garantie für die Ausschüttungen gegenstandslos, weil keine Vorzugsausschüttungen anfallen, für die die Beklagte möglicherweise zusätzlich einstehen müsste.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2010 S. 1866 Nr. 32
NJW-RR 2010 S. 1216 Nr. 17
ZIP 2010 S. 1668 Nr. 34
SAAAD-47300