Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags bei Sitzverlegung; ein vom Zerlegungsmaßstab abweichender Maßstab kommt nur in Betracht, wenn eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht vorliegt; verfassungsrechtlicher Anspruch auf den gesetzlichen Richter umfasst die Frage der Berichterstatterbestellung regelmäßig nicht
Leitsatz
Eine Kapitalgesellschaft ist auch bei (unterjährigem) Wechsel des Unternehmensgegenstandes für den gesamten Erhebungszeitraum Trägerin eines (einheitlichen) Gewerbebetriebs im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG 1984.
Die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags nach § 28 Abs. 1 Satz 2 GewStG 1984 ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine Kapitalgesellschaft während des Erhebungszeitraums ihren Unternehmensgegenstand gewechselt und ihren Sitz in eine andere Gemeinde verlegt hat.
Da die Zurückverweisung an einen anderen Senat des Finanzgerichts (FG) das Recht der Beteiligten auf ihren gesetzlichen Richter berührt, setzt sie besondere sachliche Gründe voraus. Sie kommt in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des FG-Senats bestehen, der das aufgehobene Urteil gesprochen hat.
Der verfassungsrechtliche Anspruch auf den gesetzlichen Richter umfasst die Frage der Berichterstatterbestellung regelmäßig nicht; anders ist es nur dann, wenn von der Person des Berichterstatters die Besetzung der Richterbank abhängt, was bei einer gesetzlichen Besetzung eines BFH-Senats mit fünf Richtern nicht der Fall ist.
Gesetze: GewStG § 2 Abs. 1, GewStG § 2 Abs. 2, GewStG § 28 Abs. 1, GewStG § 29 Abs. 1 Nr. 1, GewStG § 33, GG Art. 101, GG Art. 108 Abs. 4, FGO § 4, FGO § 51, FGO § 60, FGO § 76, AO § 12, AO § 186 Abs. 2 Nr. 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Streitig ist die Zerlegung eines einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages für das Streitjahr 1986 nach einer Sitzverlegung in Verbindung mit einer Änderung des Unternehmensgegenstandes des Gewerbebetriebes im laufenden Erhebungszeitraum.
2 Die Beigeladene und Anschlussrevisionsklägerin (Beigeladene), eine GmbH, unterhielt bis einen Charterflugbetrieb mit einer Betriebsstätte in X. Zum verlagerte sie ihren Sitz nach Y und verpachtete von diesem Zeitpunkt an einen Teil ihres Sachanlagevermögens, insbesondere die Flugzeuge, an eine in X ansässige Schwestergesellschaft, die Z. Die Arbeitsverhältnisse der Beigeladenen gingen gemäß § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Z über. Die Beigeladene übernahm aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrags die Geschäftsführung und Organisation, die Assistenz beim Verkauf der Flugstunden und die Vertretung gegenüber Dritten für Z gegen ein monatliches Entgelt von . DM. Bis zur Sitzverlegung nach Y erzielte die Beigeladene im Streitjahr einen Fehlbetrag (vor Steuern) in Höhe von . DM (anteilige Erträge: 19.701.620 DM; anteiliger Personalaufwand: 1.207.937 DM). Von Juni bis Dezember 1986 erzielte sie einen Jahresüberschuss von . DM (anteilige Erträge: 19.647.268 DM; anteiliger Personalaufwand: 193.890 DM).
3 Nach der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages des Streitjahres erging auf Antrag der Klägerin, Revisionsklägerin und Anschlussrevisionsbeklagten (Klägerin) —der Stadt X— ein Bescheid über die Zerlegung dieses einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) verteilte den Messbetrag (zunächst 328.519 DM) nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne gemäß § 29 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes 1984 (GewStG 1984) auf die Klägerin (zu 86,21 %) und Y (zu 13,79 %). Später kam es zu Änderungen dieser Zerlegung, zuletzt —auf der Grundlage des § 33 GewStG 1984— in Gestalt einer zeitanteiligen Aufteilung des Messbetrages (Anteil der Klägerin: 5/12, entsprechend 41,66 %; Anteil Y: 7/12, entsprechend 58,34 %) unter zusätzlicher Erhöhung des Anteils der Klägerin um 5 % des Anteils Y. Grundlage dieser Erhöhung soll eine Vereinbarung i.S. des § 33 Abs. 2 GewStG 1984 („fortbestehende Betriebsstätte der…(Beigeladenen) in X”) sein. Dies führte zu einem Anteil der Klägerin am einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von 170.329 DM (44,58 %) und einem Anteil Y in Höhe von 211.717 DM (55,42 %). Im Klageverfahren änderte das FA den Zerlegungsbescheid zwei Mal, zuletzt in der Weise, dass der Klägerin wiederum 170.329 DM (44,58 %) und Y 211.717 DM (55,42 %) zugeteilt wurden. Die auf Zuteilung eines Zerlegungsbetrags von 348.481 DM gerichtete Klage blieb erfolglos (, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2008, 712). Protokollberichtigungsanträge der Beigeladenen blieben zur Gänze (Beschluss vom ), Tatbestandsberichtigungsanträge der Beigeladenen blieben teilweise erfolglos (Beschluss vom ). Eine im Zusammenhang mit dem vom FG übersehenen Kostenerstattungsantrag der Beigeladenen erhobene Anhörungsrüge der Beigeladenen wurde als unzulässig verworfen (Beschluss vom ). Ein Antrag der Beigeladenen auf Urteilsergänzung nach § 109 i.V.m. § 139 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wurde durch Ergänzungsurteil des ) abgewiesen.
4 Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und ihr —unter Aufhebung des Zerlegungsbescheids vom — einen Zerlegungsanteil von 329.379 DM zuzuteilen.
5 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
6 Die Beigeladene rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache (an einen anderen Senat des FG) zurückzuverweisen, um die Zerlegung neu und ggf. auch verbösernd für die Klägerin festzusetzen bzw. eine Zerlegung auf der Grundlage der vorgelegten Betriebsstättenergebnisse für jede der beiden Betriebsstätten X (1. Januar bis ) und Y ( bis ) nach § 33 Abs. 1 GewStG 1984 vorzunehmen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen bzw. auf ein Zerlegungsverfahren zu verzichten und wegen der zweifachen wirtschaftlichen Unternehmensidentität auch zwei Gewerbesteuerveranlagungen vorzunehmen.
7 Ein Ablehnungsgesuch der Beigeladenen wurde durch Senatsbeschluss vom als unbegründet zurückgewiesen.
8 II. Die Revision der Klägerin und die (zulässige, vgl. allgemein , BFHE 93, 17, BStBl II 1968, 683) Anschlussrevision der Beigeladenen führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Es sind weitere Feststellungen zu der Frage zu treffen, inwieweit die Beigeladene im streitigen Erhebungszeitraum Betriebsstätten innehatte und diesen Betriebsstätten Arbeitslöhne zuzurechnen waren und ob eine Vereinbarung über die Zuteilung eines Teils des Messbetrages geschlossen wurde.
9 1. Das FG hat rechtsfehlerfrei von einer Beiladung der Stadt Y abgesehen. Da die Realsteuerfestsetzung in Y nicht der Stadt als Steuerberechtigte übertragen, sondern den Landesfinanzbehörden vorbehalten ist (Art. 108 Abs. 4 Satz 2 des Grundgesetzes —GG—), ist das FA Beteiligter des Zerlegungsverfahrens (§ 186 Nr. 2 Satz 2 der Abgabenordnung) und am konkreten Rechtsstreit schon beteiligt.
10 2. Sind im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden, ist der Steuermessbetrag gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG 1984 in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen. Zerlegungsmaßstab ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG 1984 das Verhältnis, in dem die Summe der Arbeitslöhne (i.S. des § 31 GewStG 1984), die an die bei allen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslöhnen steht, die an die bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind. Dabei sind gemäß § 29 Abs. 2 GewStG 1984 die Arbeitslöhne anzusetzen, die in den Betriebsstätten der beteiligten Gemeinden während des betreffenden Erhebungszeitraums erzielt oder gezahlt worden sind.
11 3. Im Streitfall hat die Beigeladene eine einheitliche gewerbliche Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 GewStG 1984) ausgeübt, die durch die Sitzverlegung und die Änderung des Unternehmenszwecks nicht berührt wurde.
12 Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG 1984 gilt als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfang die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft. Die Beigeladene ist damit für den gesamten Erhebungszeitraum Trägerin des (einheitlichen) Gewerbebetriebes; daran ändert der (unterjährige) Wechsel des Unternehmensgegenstandes nichts. Dass der Wechsel des Unternehmensgegenstandes „in bestimmten Zusammenhängen” —wie die Beigeladene ausführt— auch einen Verlust von Verlustvorträgen zur Folge haben kann, ist zwar zutreffend, berührt die Situation des Streitfalls aber nicht. Denn es ist anerkannt, dass das Kriterium der Unternehmensidentität für den Fortbestand eines Verlustvortrages bei Kapitalgesellschaften keine Bedeutung hat (Senatsurteil vom I R 318-319/83, BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310; von Twickel in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 10a GewStG Rz 95); insoweit kommt es ausschließlich auf die Unternehmeridentität (als zivilrechtlich identische Kapitalgesellschaft) an, soweit nicht Sonderregeln —wie der im Streitfall nicht einschlägige § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes— eingreifen. Damit ist als Gewerbeertrag der Beigeladenen im streitigen Erhebungszeitraum auch der Saldo der Ergebnisse aller Betriebsstätten anzusetzen.
13 4. Die Beigeladene hat diese Tätigkeit im streitigen Erhebungszeitraum in mindestens zwei Betriebsstätten ausgeübt. Daher war eine Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages i.S. des § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG 1984 vorzunehmen.
14 a) Für die Frage, ob eine Zerlegung vorzunehmen ist, kommt es nicht darauf an, wann oder wie lange eine Betriebsstätte im Erhebungszeitraum bestanden hat (Senatsurteil vom I R 49/06, BFH/NV 2007, 2346; s. z.B. auch Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 28 Rz 2; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 28 GewStG Rz 10; Sarrazin in Lenski/ Steinberg, GewStG, § 28 Rz 20 f.). Ebenfalls ist für die Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG 1984 unerheblich —auch wenn die Regelung vorrangig die Situation der zeitgleich betriebenen Betriebsstätten betrifft—, dass es im Streitfall um eine Sitzverlegung in eine andere Gemeinde innerhalb des Erhebungszeitraums geht. Dabei hat der Wechsel des Unternehmensgegenstandes im Erhebungszeitraum wegen der Fiktion des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG 1984 (Unternehmen einer Kapitalgesellschaft als einheitlicher Gewerbebetrieb) keine Auswirkung. Der gegen den damit verbundenen Effekt der Saldierung der Ergebnisse der Betriebsstätten (s. auch zu 3.) von der Beigeladenen erhobene Einwand einer unzulässigen „Verdoppelung des Steuersubstrats” zugunsten der Klägerin verfängt nicht. Denn der Gewerbeertrag der Z wird durch die Managementvergütung an die Beigeladene gemindert.
15 b) Das FG hat für den Zeitraum bis zur Sitzverlegung nach Y die Betriebsstätte X als „alleinige Betriebsstätte” der Beigeladenen bezeichnet. Es hat seiner Entscheidung darüber hinaus zugrunde gelegt, dass nach der Sitzverlegung Y als einzige Betriebsstätte anzusehen ist. Das FG ist damit von zwei nacheinander betriebenen Betriebsstätten ausgegangen.
16 Konkrete Tatsachenfeststellungen des FG zu diesen entscheidungserheblichen Sachverhaltselementen sind allerdings nicht ersichtlich. Die Beigeladene rügt insoweit zu Recht, sie sei bis zur Sitzverlegung ein Unternehmen des internationalen Luftverkehrs gewesen und das hätte das FG auch ohne ihren besonderen Sachvortrag im Finanzprozess nach dem Grundsatz der Amtsermittlung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) dazu veranlassen müssen, das Vorliegen von (inländischen oder ausländischen) Betriebsstätten in den Zielflughäfen zu prüfen (zu den Prüfungskriterien z.B. , EFG 1978, 503; Buciek in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 12 AO Rz 48 „Luftfahrt"; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 12 AO Rz 12; Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 12 AO Rz 7b). Darüber hinaus hätte das FG, das die Rechtmäßigkeit einer Vereinbarung über die Zuweisung eines bestimmten Anteils am Messbetrag ausführlich erörtert hat, prüfen müssen, ob die Beigeladene nach der Sitzverlegung eine Betriebsstätte am Ort ihrer Dienstleistung (in X) beibehalten hat. Das Revisionsgericht kann diese entscheidungserheblichen Feststellungen nicht treffen.
17 5. Eine vom Regelmaßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG 1984 abweichende Zerlegung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG 1984 ist im Streitfall nicht veranlasst.
18 a) Der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG 1984 unter der Voraussetzung, dass die Zerlegung nach den §§ 28 bis 31 GewStG 1984 zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt, nach einem Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. Allerdings rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung nicht jede offenbare Unbilligkeit, die sich aus dem Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG 1984 ergibt, eine Zerlegung nach einem abweichenden Maßstab. Im Streitfall fehlt es an einer insoweit notwendigen eindeutigen Unbilligkeit von erheblichem Gewicht.
19 Nach ständiger Rechtsprechung kommt ein abweichender Maßstab bei der Zerlegung nur dann in Betracht, wenn eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht vorliegt (, BFHE 171, 304, BStBl II 1993, 679; vom I R 23/06, BFHE 217, 109, BStBl II 2007, 836; in BFH/NV 2007, 2346). Eine solche liegt nur dann vor, wenn aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles die sich aus dem groben Maßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG 1984 allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird (, BFH/NV 1992, 836; vom I R 102/04, BFH/NV 2007, 270). So führt z.B. allein der Umstand, dass in bestimmten Betriebsstätten keine Arbeitslöhne angefallen sind und deshalb auf diese nur Zerlegungsanteile von 0 DM entfallen, nicht zur offenbaren Unbilligkeit des von § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG 1984 vorgegebenen Aufteilungsmaßstabes (vgl. allgemein Senatsbeschlüsse vom I B 49/58 U, BFHE 67, 275, BStBl III 1958, 379; vom I B 387/62 U, BFHE 83, 468, BStBl III 1965, 668). Dieser Maßstab ist nur dann von vornherein ungeeignet, wenn die Zerlegung wegen des Fehlens jeglicher Arbeitslöhne (in allen Betriebsstätten) nicht vorgenommen werden kann (Senatsurteil vom I K 1/93, BFHE 176, 253, BStBl II 1995, 175).
20 Diese Situation der fehlenden Arbeitslöhne liegt im Streitfall bezogen auf die vom FG der Entscheidung zugrunde gelegte Existenz von Betriebsstätten in X und Y nicht vor. Im Übrigen sind insoweit entgegen der Ansicht der Beigeladenen die Vergütungen an das „fliegende Personal” einzubeziehen. Auch wenn im Bereich der Gewerbesteuerzerlegung ein Erfordernis besteht, eine Zuordnung der Arbeitnehmer zum Ort der tatsächlichen Ausübung der Tätigkeit vorzunehmen, hindert dies für das Zerlegungsverfahren nicht, ebenso wie in anderen (z.B. doppelbesteuerungsrechtlichen) Zusammenhängen eine Zuordnung dieser Arbeitnehmer und der entsprechenden Arbeitslöhne zu einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte vorzunehmen (s. auch Senatsurteil vom I R 376/83, BFHE 151, 452, BStBl II 1988, 201 betreffend Schiffsbesatzung und auf dem Schiff tätiges Verkaufspersonal). Aus dem Senatsurteil in BFH/NV 2007, 270 kann man insoweit nur ableiten, dass es der Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer Betriebsstätte nicht entgegensteht, wenn er auch Tätigkeiten verrichtet, die einer anderen Betriebsstätte zugute kommen. Einen „betriebsstättenlosen Arbeitnehmer” kann es bei der Zerlegung nicht geben.
21 b) Das FG hat im Streitfall eine offensichtliche Unbilligkeit der arbeitslohnorientierten Zerlegung von erheblichem Gewicht angenommen, da die Sitzverlegung mit einer vollständigen Änderung des Unternehmensgegenstandes verbunden gewesen sei und der nach der Sitzverlegung erzielte Gewinn allenfalls zufällig in einem äquivalenten Verhältnis zu den aufgewendeten Arbeitslöhnen stehe. Die Schlussfolgerung des FG bezieht sich auf ein (äquivalentes) Verhältnis von erzieltem Gewinn und der Höhe der zur Gewinnerzielung eingesetzten Arbeitslöhne: Im Streitfall sei bei einer arbeitslohnorientierten Zerlegung von einem unbilligen Missverhältnis auszugehen, da der hohe Personalaufwand in X nur einen Fehlbetrag zur Folge gehabt habe, der geringe Personalaufwand in Y einen hohen Gewinn; als Ersatz-Zerlegungsmaßstab komme nach dem Urteil des erkennenden Senats in BFHE 176, 253, BStBl II 1995, 175 die Aufteilung nach den erzielten Betriebseinnahmen oder die zeitanteilige Aufteilung entsprechend der Dauer der beiden Geschäftsleitungsbetriebsstätten in Betracht, im Streitfall sei die zeitanteilige Aufteilung angemessen. Diese Folgerung des FG lässt sich aus § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG 1984 jedoch nicht ableiten.
22 aa) Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Frage, ob ein offenbar unbilliges Ergebnis aus der Anwendung des Regelmaßstabes folgt, der gerichtlichen Prüfung unterliegt (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 1992, 836; zustimmend z.B. Sarrazin in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 33 Rz 5). Es handelt sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff; ein behördliches Ermessen ist nicht eröffnet.
23 bb) Der Senat hat in seinem Urteil in BFH/NV 2007, 2346 ausgeführt, dass § 33 GewStG 1984 nicht die Funktion zugewiesen werden kann, die Folgen des ertragsteuerrechtlichen Realisationsprinzips bei der Zerlegung des Messbetrages auszugleichen. Die ertragsteuerrechtliche Gewinnerzielung ist als Zerlegungsmaßstab grundsätzlich nicht geeignet. Denn da die Zerlegung eine Gegenleistung für die Lasten darstellen soll, die sich infolge der Existenz eines Gewerbebetriebes über Ausgaben direkt auf die gemeindlichen Haushalte auswirken (, BFHE 117, 384, BStBl II 1976, 123; Senatsurteil in BFHE 217, 109, BStBl II 2007, 836), ist das Betriebsstättenergebnis kein sachgerechter Maßstab für die Zerlegung oder für eine Unbilligkeit einer Zerlegung nach Maßgabe der Arbeitnehmerfolgelasten. Denn dieses Ergebnis wird nur zufällig entsprechende gemeindliche Lasten —als ausschlaggebenden Faktor einer Zerlegung— widerspiegeln.
24 cc) Diesem Ergebnis lässt sich von der Beigeladenen nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Rechtsentwicklung zur gewerbeertragsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage (hin zu einer Sollertragsteuer) einen ertragsorientierten Neuansatz bei den Zerlegungsmaßstäben erzwinge. Zwar trifft es zu, dass die Gewerbesteuer zu Lasten des sog. Objektsteuercharakters zunehmend Elemente einer Ertragsteuer angenommen hat (vgl. z.B. Gosch, Deutsche Steuer-Zeitung 1998, 327; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 1 Rz 14). Diese Entwicklung bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage zeichnet sich nach der im streitigen Erhebungszeitraum maßgebenden Rechtslage aber noch nicht ab. Sie muss sich abgesehen davon auch nicht sachnotwendig auf das Zerlegungsverfahren auswirken. Die Rechtsprechung des Senats orientiert sich vielmehr an dem —unveränderten— Regelungsgehalt des § 29 GewStG.
25 6. Die Sache ist an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen.
26 a) Das FG hat im zweiten Rechtszug Gelegenheit, der Frage nachzugehen, ob im Streitzeitraum weitere Betriebsstätten —vor der Sitzverlegung in den Zielflughäfen, nach der Sitzverlegung am Ort ihrer Dienstleistung (X)— bestanden haben und welche Arbeitslöhne diesen Betriebsstätten zuzurechnen sind. Es können dann auch entscheidungserhebliche Feststellungen dazu zu treffen sein, ob zwischen Beteiligten des Festsetzungsverfahrens zum Messbetrag eine wirksame Vereinbarung über die Zuteilung eines Teils des Messbetrages getroffen worden ist.
27 b) Der Senat sieht dabei keinen sachlichen Grund, die Streitsache entsprechend dem Begehren der Beigeladenen an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.
28 Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung kann der BFH die Rechtssache durch besondere Anordnung (s. , BFH/NV 2009, 1825) an einen anderen Senat des FG zurückverweisen (z.B. Senatsurteil vom I R 68/93, BFH/NV 1994, 798; , BFH/NV 2001, 181). Da die Zurückverweisung an einen anderen Senat das Recht der Beteiligten auf ihren gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) berührt, setzt sie besondere sachliche Gründe voraus. So kommt sie in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des FG-Senats bestehen, der das aufgehobene Urteil gesprochen hat. Im Streitfall liegen keine zureichenden Anhaltspunkte für entsprechende Zweifel vor. Da sich die Frage einer Zurückverweisung nur bei rechtsfehlerhafter Vorentscheidung stellt, kann die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG nicht mit der Unrichtigkeit des Urteils („greifbare Rechtswidrigkeiten”) begründet werden (z.B. , BFH/NV 1999, 487, und in BFH/NV 2001, 181). Auch lässt sich weder aus dem Umstand, dass das FG einen Kostenantrag der Beigeladenen übersehen hatte, noch daraus, dass nach dem Ergehen des angefochtenen Urteils gesonderte Anträge auf Protokollberichtigung, Tatbestandsberichtigung und Urteilsergänzung gestellt wurden, die überwiegend zurückgewiesen wurden, nicht direkt auf eine „unsachliche, unfaire, persönliche, willkürliche Einstellung des FG gegenüber der Beigeladenen” schließen.
29 7. Da das angefochtene Urteil aufgehoben wird, sind die weiteren verfahrensrechtlichen Einwendungen der Beigeladenen als Anschlussrevisionsklägerin nicht zu erörtern.
30 8. Der Senat kann —nachdem das Ablehnungsgesuch der Beigeladenen zurückgewiesen worden ist— in der geschäftsplanmäßigen Besetzung in der Sache entscheiden. Die Bedenken der Beigeladenen gegen die senatsinterne Geschäftsverteilung greifen nicht durch. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) umfasst die Frage der Berichterstatterbestellung regelmäßig nicht (Bundesverfassungsgericht, Plenumsbeschluss vom 1 PBvU 1/95, BVerfGE 95, 322, 331); anders ist es nur dann, wenn von der Person des Berichterstatters die Besetzung der Richterbank abhängt, was bei einer gesetzlichen Besetzung eines BFH-Senats mit fünf Richtern nicht der Fall ist (s. auch z.B. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 4 FGO Rz 127m; Lückemann in Zöller, Zivilprozessordnung, 28. Aufl., § 21g GVG Rz 4, jeweils m.w.N.). Darüber hinaus schließt der Senatsbeschluss zur Geschäftsverteilung innerhalb des Spruchkörpers (§ 21g Abs. 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes) entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht aus, dass der Senatsvorsitzende im Einzelfall nach allgemeinen Kriterien (z.B. Umfang der Arbeitsbelastung) eine Auswahl trifft, welcher Richter als Berichterstatter die Hauptlast der Vorbereitung des Verfahrens trägt (Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 4 FGO Rz 127o; Lückemann in Zöller, a.a.O., § 21g GVG Rz 5; s. auch Brandis in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 4 FGO Rz 44; Müller-Horn in Beermann/Gosch, a.a.O., § 4 FGO Rz 26, jeweils m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 941 Nr. 5
GmbHR 2010 S. 494 Nr. 9
TAAAD-39256