BFH Beschluss v. - VII B 223/08

Voraussetzungen eines Kaffeeversandhandels

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 76 Abs. 1, KaffeeStG § 12, KaffeeStG § 11, GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bot über ein Internet-Auktionshaus im Zeitraum vom 10. Februar bis zum Kaffee an, den sie an Privatkunden in Deutschland verkaufte. Den bei verschiedenen Lebensmittelhändlern in Österreich erworbenen Kaffee machte die Klägerin in einem von ihr in Österreich angemieteten Ferienhaus versandfertig. Anschließend transportierte sie den Kaffee mit Fahrzeugen, die in Deutschland auf ihren Namen zugelassen waren, nach Deutschland und versandte ihn mit der Deutschen Post bzw. mit DHL an die deutschen Empfänger. Teilweise wurde der Kaffee vom jeweiligen Versandunternehmen in Österreich abgeholt bzw. von dort aus von der Klägerin versandt. Unter einer Adresse in Deutschland bot die Klägerin darüber hinaus im Streitjahr über das Internet in Deutschland Rechtsberatung an. Unter dieser Adresse war sie mit ihrer Rechtsanwaltskanzlei im örtlichen Telefonbuch verzeichnet. Zudem war die Klägerin beim Einwohnermeldeamt in X gemeldet und unterhielt in X einen Telefonanschluss. Die Kanzleiadresse verwandte die Klägerin auch zur Erteilung der Aufträge für den Versand des Kaffees; die Abrechnungen von DHL wurden an diese Adresse geschickt. Im September 2005 erfolgte eine Abmeldung nach Y. In Österreich war die Klägerin indes im Streitjahr nicht einwohnermelderechtlich erfasst.

2In dem Zeitraum vom 10. Februar bis zum verkaufte die Klägerin über 17 Tonnen Kaffee. Mit der Begründung, dass durch das Verbringen des Kaffees nach Deutschland im Steuergebiet die Kaffeesteuer entstanden sei, setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) gegen die Klägerin Kaffeesteuer zunächst in Höhe von . € fest. Mit Änderungsbescheid vom wurde der Abgabenbetrag auf . € herabgesetzt. Klage und Einspruch blieben erfolglos.

3Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Kaffeesteuer nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Kaffeesteuergesetzes (KaffeeStG) entstanden sei. Den aus dem zollrechtlich freien Verkehr in Österreich zu gewerblichen Zwecken bezogenen Kaffee habe die Klägerin nach Deutschland gebracht. Im Übrigen sei die Kaffeesteuer für den mit dem PKW der Klägerin nach Deutschland verbrachten Kaffee auch nach § 11 Abs. 2 Satz 1 KaffeeStG entstanden. Ein Versandhandel nach § 12 KaffeeStG liege deshalb nicht vor, weil der Kaffee im Streitfall nicht aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland geliefert worden sei. Nur derjenige könne als Versandhändler tätig werden, der seinen Sitz nicht in Deutschland habe und in Deutschland auch nicht vertreten sei. Aufgrund der Umstände des Streitfalls sei davon auszugehen, dass die Klägerin in Deutschland eine Niederlassung gehabt habe. Auf einen betrieblichen Sitz deute ihre Anwaltszulassung in Deutschland, das Unterhalten eines Telefonanschlusses in X, die melderechtliche Erfassung in Deutschland, die Benutzung eines in Deutschland zugelassenen Fahrzeugs, die Verwendung der Kanzleiadresse gegenüber DHL sowie der Umstand hin, dass die Klägerin in Deutschland über das Internet Rechtsberatung angeboten habe. Abgesehen davon bestünde im Streitfall auch ein Drittlandsbezug, denn die Klägerin habe sich bei dem Internet-Auktionshaus unter einer Adresse in der Schweiz angemeldet. Deshalb könne der Kaffee nicht allein aus einem anderen Mitgliedstaat i.S. des § 12 KaffeeStG geliefert worden sein.

4Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Unter Verstoß gegen § 76 Abs. 1 FGO habe das FG den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt und die Beweiswürdigung vorweggenommen. Dem Antrag, die in Österreich bei einer rechtswidrigen Hausdurchsuchung beschlagnahmten Unterlagen beizuziehen, sei das FG nicht gefolgt. Die beschlagnahmten Belege hätten den Beweis erbracht, dass der Kaffeehandel ausschließlich von Österreich aus betrieben worden und dass von einem permanenten Aufenthalt der Klägerin in Österreich auszugehen sei. Einen in der mündlichen Verhandlung übergebenen Ordner mit näher bezeichneten Unterlagen habe das FG nach dem Termin zurückgesandt, den Inhalt bei der Entscheidungsfindung jedoch nicht berücksichtigt. Dies werde dadurch belegt, dass das FG von einer angemieteten Ferienwohnung ausgehe. Tatsächlich handele es sich um ein dreistöckiges Haus. Die in Österreich durchgeführte Hausdurchsuchung lasse das FG unerwähnt. In dem Ordner habe sich u.a. eine Beschwerde gegen die Vorenthaltung von Beweismitteln nebst einer Kopie des Beschlagnahmeverzeichnisses befunden. Wie sich bei der mündlichen Verhandlung herausgestellt habe, seien die beschlagnahmten Unterlagen nunmehr beim HZA, das die Anträge auf Akteneinsicht stets abgelehnt habe. Das HZA habe dem FG sieben Ordner übergeben, deren Inhalt der Klägerin unbekannt sei; dieser Umstand stelle eine Gehörsverletzung dar.

5Da nicht ersichtlich sei, welches Recht zur Bestimmung der Niederlassung überhaupt zur Anwendung komme, sei das Urteil überdies nicht mit Gründen versehen.

6Das Urteil sei deshalb greifbar gesetzwidrig, weil das FG den unbestimmten Rechtsbegriff des „betrieblichen Sitzes” erfunden habe. Greifbar gesetzwidrig sei auch die grob fehlerhafte Berechnung der dem Steuerbescheid zugrunde gelegten Kaffeemenge. Zudem habe das FG die streitentscheidende Norm des § 15 Abs. 2 KaffeeStG übersehen. Das Urteil stehe in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zum Begriff der Niederlassung, der voraussetze, dass eine feste, dauerhafte Einrichtung bestehe, die auch tatsächlich genutzt werde. Das angefochtene Urteil weiche u.a. von der Senatsentscheidung vom VII B 267/02 (BFHE 202, 91) ab. Im Streitfall hätten sich sämtliche festen Einrichtungen in Österreich und nicht in Deutschland befunden. Auch sei sie, die Klägerin, in X nicht körperlich anwesend gewesen, sondern sie habe sich in Österreich aufgehalten. Eine Rechtsanwaltskanzlei habe trotz der website tatsächlich nicht bestanden. Das FG habe den von der EuGH-Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz aufgestellt, dass eine Niederlassung in Deutschland keinerlei feste Einrichtung erfordere. Unmaßgeblich für die Bestimmung einer Niederlassung sei die polizeiliche Meldung, die Zulassung eines Fahrzeugs oder das Vorhandensein eines Telefonanschlusses.

7Von grundsätzlicher Bedeutung seien die Rechtsfragen, ob natürliche Personen in Deutschland ansässig bzw. niedergelassen sein könnten, wenn sie zu keinem Zeitpunkt körperlich anwesend seien und kein Lager oder keine geschäftlichen Einrichtungen unterhielten und sie über keinen Vertreter verfügten, sie aber eine nicht ausgeübte Zulassung zu einer Berufsgruppe besäßen und einen Gebäudemiteigentumsanteil an einer nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft hätten, und ob eine natürliche Person für dieselbe einheitliche wirtschaftliche Tätigkeit zwei Niederlassungen in verschiedenen Mitgliedstaaten haben könne, wenn nur in einem Land feste Einrichtungen vorhanden seien und in dem anderen Land auch kein Vertreter bestellt worden sei. Die Beantwortung dieser Fragen sei im allgemeinen Interesse, da sie immer wieder bei der Besteuerung von im grenznahen Raum tätigen Personen auftreten würden. Der Streitfall gebe Anlass zu klären, wie ein Versandhandel nach § 12 KaffeeStG überhaupt betrieben werden könne. Zu den §§ 11, 12 und 15 KaffeeStG gebe es bisher keine höchstrichterliche Entscheidung. In einer Vielzahl von Fällen werde Kaffee über Internet gehandelt. Grundsätzlich bedeutsam sei schließlich die Frage, wie der in § 12 KaffeeStG verwendete Begriff „aus einem anderen Mitgliedstaat” auszulegen sei.

8Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es weist darauf hin, dass von der Klägerin weder im Einspruchs- noch im Klageverfahren Akteneinsicht beantragt worden sei. Die im Rahmen des Strafverfahrens beschlagnahmten Unterlagen seien nicht Bestandteil der Rechtsbehelfsakte, sie seien erst am dem Zollfahndungsamt ausgehändigt worden.

9II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 FGO) ist begründet. Das FG hat dadurch gegen die ihm nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO obliegende Sachaufklärungspflicht verstoßen, dass es die bei der Klägerin beschlagnahmten Akten nicht beigezogen hat. Darüber hinaus liegt eine Gehörsverletzung vor, da der Klägerin keine Gelegenheit gegeben worden ist, in diese Akten Einsicht zu nehmen. Aufgrund dieser Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

101. Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO muss das Gericht —auch unabhängig von eventuellen Beweisanträgen der Parteien— den Sachverhalt aufklären und von sich aus Beweis erheben. Dabei hat es bis zur Grenze des Zumutbaren alle verfügbaren Beweismittel auszunutzen (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 20, m.w.N.). Zu diesen gehören auch bei der Finanzbehörde befindliche Akten. Das Gericht verstößt gegen seine Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts, wenn es die Beiziehung von entscheidungserheblichen Akten unterlässt (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VIII R 52/97, BFH/NV 1999, 943, und vom X R 53/95, BFH/NV 1997, 293).

11Im Streitfall hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dem FG neben anderen Unterlagen einen Ordner übergeben, in dem sich nach ihrem Vorbringen ein Schreiben vom befindet. In dem wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung verfassten Schriftstück führt die Klägerin „Beschwerde gegen Vorenthaltung von Beweismitteln im Prozess”. Dem Schreiben ist zu entnehmen, dass die aufgrund einer rechtswidrigen Anordnung einer Hausdurchsuchung beschlagnahmten Dokumente, die ihren permanenten Aufenthalt in Österreich im streitgegenständlichen Zeitraum belegten, trotz entsprechender Anträge noch nicht herausgegeben worden sind. Der genaue Inhalt der Unterlagen ergibt sich aus dem beigefügten Beschlagnahmeverzeichnis. Bereits in der Klageschrift hat die Klägerin auf den Umstand hingewiesen, dass ihr Haus in Österreich durchsucht worden sei und dass sie mehrmals ohne Erfolg die Herausgabe der dabei beschlagnahmten Unterlagen beantragt habe. Zudem hatte die Klägerin bereits in der Klageschrift ausgeführt, dass sie mit Hilfe der beschlagnahmten Unterlagen (z.B. Stromrechnungen, Internetrechnungen, Tankquittungen, Quittungen über Kaffeeeinkäufe) den Nachweis eines permanenten Aufenthalts in Österreich und einer Vertriebstätigkeit von Österreich aus führen könne.

12In Anbetracht dieser Umstände hätte sich dem FG von Amts wegen die Notwendigkeit der Beiziehung der beschlagnahmten Unterlagen aufdrängen müssen. In der Urteilsbegründung findet sich lediglich ein allgemein gehaltener Hinweis auf die HZA-Akten und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze. Daraus lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass das FG dem zumindest konkludent gestellten Antrag der Klägerin auf Beiziehung der beschlagnahmten Unterlagen entsprochen und ihr auch Einsicht in diese gewährt hat. Im Beschwerdeverfahren hat das HZA darüber hinaus vorgetragen, dass die im Strafverfahren beschlagnahmten Unterlagen nicht Bestandteil der Rechtsbehelfsakte sind.

13Dass dem FG der Ordner mit den von der Klägerin näher bezeichneten Schreiben tatsächlich in der mündlichen Verhandlung übergeben worden ist, geht zwar nicht aus dem Sitzungsprotokoll, jedoch aus dem Schreiben des hervor, in dem die Rücksendung eines Ordners mit Belegen und anderer Unterlagen an die Klägerin bestätigt wird.

14Es ist zudem nicht ersichtlich, dass dem FG die Beiziehung der beschlagnahmten Akten nicht zuzumuten gewesen wäre. Nach dem Vorbringen des HZA haben sich die Akten seit Januar 2008 beim Zollfahndungsamt befunden; sie waren daher für das FG auch nicht unerreichbar.

152. Ausgehend von der materiell-rechtlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei vollständiger Berücksichtigung der Beweismittel zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Zwar hat das FG seine Entscheidung insbesondere darauf gestützt, dass die Klägerin im Streitjahr auch in Deutschland niedergelassen gewesen sei, doch hätte ein lückenloser Nachweis eines ständigen Aufenthalts und einer ausschließlich beruflichen Tätigkeit in Österreich Zweifel an der Annahme begründen können, dass die Klägerin —trotz formaler Zulassung als Rechtsanwältin in Deutschland— hier tatsächlich eine berufliche Tätigkeit entfaltet hat, die nach der Rechtsprechung des BFH das Vorliegen eines Versandhandels i.S. von § 12 KaffeeStG ausschließt. Verfahrensfehlerhaft hat es das FG unterlassen, die beschlagnahmten Unterlagen beizuziehen und der Klägerin Einsicht in diese Unterlagen zu gewähren. Hierin liegt auch eine Verletzung des Gehörsanspruchs aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (, BFH/NV 2001, 1583, m.w.N.).

163. Im zweiten Rechtsgang wird es darauf ankommen, ob der Klägerin der Nachweis gelingt, dass sie den Kaffeehandel ausschließlich von Österreich aus betrieben hat und dass in Deutschland keinerlei wirtschaftliche Tätigkeiten in dieser Hinsicht entfaltet worden sind. Von dem Sachverhalt, der der Senatsentscheidung in BFHE 202, 91 zugrunde lag, unterscheidet sich der Streitfall dadurch, dass in dem bereits vom BFH entschiedenen Fall der Steuerschuldner eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft gewesen ist, die in Deutschland Kaffee erwarb, diesen nach Österreich verbrachte, und ihn über ein in Deutschland gelegenes Callcenter an deutsche Kunden verkaufte. Zu diesem Zweck wurde der Kaffee in Österreich zwischengelagert und dann nach Deutschland geliefert. Im Streitfall dagegen wurde nach den bisherigen Feststellungen des FG in Deutschland keine auf den Kaffeehandel gerichtete aktive Tätigkeit entfaltet. Vielmehr wurden alle Transaktionen (Einkauf des Kaffees, Angebot über das Internet-Auktionshaus, Abwicklung des Zahlungsverkehrs, versandfertige Herrichtung des Kaffees) in Österreich abgewickelt. Auch der Versand erfolgte von Österreich aus. Nach der Rechtsprechung des Senats steht der Umstand der Annahme eines Versandhandels nicht entgegen, dass der Verkäufer den Versand der Ware selbst durchführt bzw. die Ware selbst in dem anderen Mitgliedstaat abholt und nach dem Verbringen nach Deutschland ohne Zwischenlagerung den jeweiligen Abnehmern übersendet. In beiden Fällen ist von einem Versandbeginn in Österreich auszugehen.

17Ausweislich der Gesetzesbegründung stellt § 12 KaffeeStG eine gegenüber § 11 KaffeeStG speziellere Regelung dar. Die Lieferung von Kaffee durch „ausländische Versandhändler” an private Verbraucher in Deutschland soll durch § 11 KaffeeStG nicht erfasst werden (BTDrucks 12/3432, S. 94). Obwohl in Versandhandelsfällen der Kaffee vor der Auslieferung an den Endabnehmer auch zu gewerblichen Zwecken im Steuergebiet in Besitz gehalten wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kaffeesteuer nach § 11 Abs. 2 KaffeeStG entsteht. Wesentliche Merkmale für einen Versandhandel i.S. von § 12 KaffeeStG sind die Lieferung des Kaffees aus einem anderen Mitgliedstaat, der Bezug durch eine im Steuergebiet ansässige Privatperson und der Versand des Kaffees durch oder im Auftrag des Versandhändlers. Dabei kommt es auf die tatsächlichen Umstände und nicht auf die Vorstellungen der Beteiligten an. Allein der Umstand, dass sich die Klägerin beim Internet-Auktionshaus unter einer Schweizer Adresse angemeldet hat, vermag eine tatsächliche Lieferung aus Österreich und das Vorliegen eines Versandhandels nicht auszuschließen.

18Nach der Senatsentscheidung in BFHE 202, 91 kann § 12 KaffeeStG jedoch dann nicht zur Anwendung gelangen, wenn im Steuergebiet eine Niederlassung besteht (z.B. der Sitz einer Körperschaft). Nach dem Zweck der Regelung in § 12 KaffeeStG, der darin besteht, den Steueranspruch zu sichern und gegebenenfalls zur Durchsetzung des Anspruchs Vollstreckungsmaßnahmen im Steuergebiet zu ermöglichen, muss es sich dabei jedoch um einen Unternehmenssitz handeln, dem eine Lieferung von Kaffee zugerechnet werden kann. Hierzu sind Einrichtungen erforderlich, die einen kaufmännischen Geschäftsverkehr überhaupt zulassen. Allein das Bestehen eines Telefonanschlusses mit Rufumschaltung ins Ausland kann nicht als ausreichend angesehen werden. Ebenso wenig reicht eine Briefkastenfirma aus. Die Niederlassung muss tatsächlich existieren und in den Handel eingebunden sein. Wird dagegen im Steuergebiet eine Berufstätigkeit aufgenommen, ohne dass in Deutschland auf den Kaffeehandel gerichtete Tätigkeiten entfaltet werden, steht dies Lieferungen von Kaffee aus einem anderen Mitgliedstaat nicht entgegen, wenn der Verkäufer nur dort entsprechende Einrichtungen zur Abwicklung des Geschäftsverkehrs unterhält und ausschließlich von dort aus den Kaffeehandel betreibt, d.h. den Kaffee einkauft, Kunden wirbt, Bestellungen entgegennimmt, Rechnungen versendet, den Kaffee verpackt und den Versand organisiert. Denn in diesem Fall kann nicht angenommen werden, dass die Kunden aus Deutschland beliefert werden. Etwas anderes muss jedoch gelten, wenn der Verkäufer tatsächlich von einer Niederlassung in Deutschland aus die Geschäfte betreibt und im Ausland Personen mit der Lagerung und dem Versand des Kaffees beauftragt.

194. Da weitere Beweise zu erheben sind, macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 686 Nr. 4
JAAAD-37716