Leitsatz
Leitsatz:
Verpflichtet sich eine Personal-Service-Agentur durch einen Vertrag gegenüber der Bundesagentur für Arbeit zur Einstellung von zuvor arbeitslosen Arbeitnehmern in sozialversicherungspflichtige, nach einem Tarifvertrag zu vergütende Beschäftigungsverhältnisse, so hat die Bundesagentur für Arbeit in der Insolvenz der Personal-Service-Agentur die von ihr als Gegenleistung für die Einstellung eines jeden Arbeitnehmers geschuldete Fallpauschale nicht an den Insolvenzverwalter zu entrichten, wenn die Personal-Service-Agentur keine Lohnzahlungen an die Arbeitnehmer erbracht hat.
Gesetze: InsO § 103; BGB §§ 133 B, 157 Ge
Instanzenzug: OLG Naumburg, 5 U 90/08 vom LG Dessau-Roßlau, 2 O 39/08 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; BGHR: ja; Nachschlagewerk: ja
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom über das Vermögen der M. , G. mbH (nachfolgend Schuldnerin) am eröffneten Insolvenzverfahren.
Der Schuldnerin wurde am von der beklagten B. die Erlaubnis für eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung auf die Dauer eines Jahres erteilt. Am 5./ schlossen die Parteien einen "Vertrag über die Einrichtung und den Betrieb einer Personal-Service-Agentur (PSA) auf der Grundlage des § 37c Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)" im sozialen Bereich; einen inhaltlich gleichlautenden Vertrag vereinbarten sie ebenfalls am im büro- und kaufmännischen Sektor. Neben dem eigentlichen Vertragstext waren unter anderem eine Leistungsbeschreibung und ein Preisangebot Gegenstand der vertraglichen Einigung.
Nach dem Inhalt der getroffenen Abreden ist die Schuldnerin verpflichtet, eine Personal-Service-Agentur (PSA) nach § 37c SGB III in Verbindung mit § 434g Abs. 5 SGB III im Bereich des Arbeitsamts Wittenberg einzurichten und als organisatorisch eigenständige Einheit zu betreiben. Die Schuldnerin hat vom Arbeitsamt vorgeschlagene Arbeitnehmer auf der Grundlage des Tarifvertrages über Arbeitnehmerüberlassung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse einzustellen und eine vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung durchzuführen. Sie erhält dafür je Arbeitnehmer eine monatliche Fallpauschale in Höhe von 1.400 EUR.
Im Januar 2004 stellte die - bereits geraume Zeit zuvor insolvenzreife - Schuldnerin die Lohnzahlungen an die Arbeitnehmer ein. Die Beklagte widerrief die zwischenzeitlich bis zum verlängerte Erlaubnis für gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung gegenüber der Schuldnerin am . Der Kläger verlangt für den Monat Februar 2004 von der Beklagten Zahlung von Fallpauschalen in Höhe des rechnerisch unstreitigen Betrages von 88.102 EUR. Das Berufungsgericht hat der von dem Landgericht abgewiesenen Klage stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Ersturteils.
Gründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der ungeschmälerten Fallpauschale werde nicht dadurch berührt, dass den Arbeitnehmern im fraglichen Zeitpunkt kein Lohn gezahlt worden sei. Der Sache nach berufe sich die Beklagte auf die aus § 103 Abs. 1 InsO folgende fehlende Durchsetzbarkeit der Klageforderung. Bilde die Lohnzahlung durch die Schuldnerin eine Gegenleistung für die Zahlung der Fallpauschale, liege ein beiderseits nicht vollständig erfüllter Vertrag mit der Folge vor, dass die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Ansprüche ihre Durchsetzbarkeit verlören. Für die Anwendung des § 320 BGB sei erst Raum, wenn der Kläger ein Erfüllungsverlangen geltend mache. Eine solche - auch konkludente - Erklärung liege nicht vor, weil der Kläger von der vollständigen Erfüllung des Vertrages durch die Schuldnerin ausgehe.
Die Lohnzahlung an die Arbeitnehmer sei keine im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Zahlung der Fallpauschale stehende Leistung. Ein solches in den Verträgen nicht ausdrücklich vorgesehenes Gegenseitigkeitsverhältnis ergebe sich auch nicht im Wege der Vertragsauslegung. Zu den von der Schuldnerin gegenüber der Beklagten übernommenen Leistungspflichten gehöre nicht die Zahlung der Löhne an die Arbeitnehmer. Die Schuldnerin sei im Verhältnis zur Beklagten nur verpflichtet, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu begründen. Ein wirtschaftliches oder rechtliches Interesse der Beklagten, neben den Arbeitnehmern einen Anspruch auf Lohnzahlung zu erhalten, sei nicht er-sichtlich, weil sie mit der Begründung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse von der Pflicht zu Entgeltersatzleistungen entbunden sei. Ein eigener Anspruch gegen die Schuldnerin auf Zahlung der Löhne an die Arbeitnehmer befreie die Beklagte nicht von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Insolvenzausfallgeld. Die Höhe der Pauschale und ihre Degression deuteten nicht darauf hin, dass damit die Lohnzahlung durch die Schuldnerin an die Arbeitnehmer bezweckt werde.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist den Anforderungen an eine nach beiden Seiten hin interessengerechte Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) nicht gerecht geworden. Sie ergibt, dass die Schuldnerin gegenüber der Beklagten als Gegenleistung für die Gewährung der Fallpauschalen zur Lohnzahlung an die von ihr eingestellten Arbeitnehmer verpflichtet ist (§ 320 BGB). Mangels Lohnzahlung seitens der Schuldnerin kann die Beklagte die Entrichtung der Fallpauschalen verweigern.
1.
Bilden die seitens der Schuldnerin an ihre Arbeitnehmer zu erbringenden Lohnzahlungen eine Gegenleistung im Sinne des § 320 BGB für die von der Beklagten versprochenen Fallpauschalen, liegt im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ein beiderseits nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Vertrag nach § 103 InsO vor. Diese Vorschrift wird im Streitfall nicht durch § 116 InsO verdrängt, weil es sich um einen Vertrag sui generis handelt. Sie wäre selbst dann unanwendbar, wenn man von einem Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) ausginge, weil das Insolvenzverfahren nicht über das Vermögen des Geschäftsherrn, sondern des Geschäftsbesorgers eröffnet wurde (MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl. § 116 Rn. 4; FK-InsO/Wegener, 5. Aufl. § 116 Rn. 21). Da der Kläger die Erfüllung des Vertrages abgelehnt hat, greift § 103 Abs. 2 InsO ein.
a) Rechtlich zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus gegenseitigen Verträgen im Sinne einer materiell-rechtlichen Umgestaltung bewirkt. Vielmehr verlieren die noch offenen Ansprüche im Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit. Die Verfahrenseröffnung hat wegen der beiderseitigen Nichterfüllungseinreden der Vertragspartner (§ 320 BGB) zur Folge, dass diese ihre noch ausstehenden Erfüllungsansprüche nur durchsetzen können, soweit es sich um Ansprüche auf die Gegenleistung für schon erbrachte Leistungen handelt (BGHZ 150, 353, 359; 155, 87, 90; , WM 2006, 144, 146; Urt. v. - IX ZR 81/05, WM 2007, 840, 841 Rn. 11).
b) Falls der Vertragspartner vor Insolvenzeröffnung im Unterschied zu dem Schuldner eine Teilleistung bewirkt hat, steht dem Vertragspartner ein der Teilleistung entsprechender Anspruch auf die Gegenleistung als Insolvenzforderung zu (MünchKomm-InsO/Kreft, a.a.O. § 103 Rn. 25); in diesem Fall kann der Insolvenzverwalter einen Anspruch gegen den Vertragspartner nicht geltend machen (MünchKomm-InsO/Kreft, a.a.O. § 103 Rn. 28). Sofern der Schuldner vor Verfahrenseröffnung anders als sein Vertragspartner teilweise geleistet hat, kann der Insolvenzverwalter grundsätzlich eine der tatsächlich bewirkten Leis-tung entsprechende anteilige Vergütung beanspruchen (MünchKomm-InsO/Kreft, a.a.O. § 103 Rn. 32). Von beiden Vertragspartnern vor Insolvenzeröffnung erbrachte gleichwertige Teilleistungen werden in ihrer Wirksamkeit von der Insolvenzeröffnung nicht berührt (MünchKomm-InsO/Kreft, a.a.O. § 103 Rn. 37). Haben beide Seiten bis zur Insolvenzeröffnung keine Teilleistungen erbracht, steht dem Insolvenzverwalter mangels eines Erfüllungsverlangens wegen der Einrede aus § 320 BGB kein durchsetzbarer Anspruch gegen seinen Vertragspartner zu (MünchKomm-InsO/Kreft, a.a.O. § 103 Rn. 17).
2.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin habe die den Klageforderungen zugrunde liegenden Leistungen vor Insolvenzeröffnung ordnungsgemäß erfüllt, lässt die gebotene beiderseits interessengerechte Auslegung der insoweit maßgeblichen Vertragsbestimmungen vermissen.
a) Die tatrichterliche Auslegung ist für das Revisionsgericht nicht bindend, wenn gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt werden. Die Vertragsauslegung hat in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarungen und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen (BGHZ 124, 39, 44 f; , NJW 1995, 1212, 1213; Urt. v. - II ZR 19/97, NJW 1998, 2966). Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (BGHZ 131, 136, 138). Dieser Grundsatz bezweckt, die Abrede auf einen vertretbaren Sinngehalt zurückzuführen (BGHZ, a.a.O.). Es geht hierbei nicht darum, dem Rechtsgeschäft zu dem Inhalt zu verhelfen, der dem Richter im Entscheidungszeitpunkt als interessengemäß erscheint. Maßgeblich ist vielmehr der Einfluss, den das Interesse der Parteien auf den objektiven Erklärungswert ihrer Äußerungen bei deren Abgabe - 8 - hatte (BGHZ 143, 175, 178; , NJW 1998, 3268, 3269 f).
b) Eine diese Grundsätze beachtende Auslegung der Parteivereinbarung ergibt, dass die Schuldnerin von der Beklagten die Zahlung der Fallpauschalen nur verlangen kann, wenn sie ihrerseits entsprechend der mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung die tarifvertraglich geschuldeten Löhne an ihre Arbeitnehmer tatsächlich entrichtet.
aa) Der Vertragswortlaut sieht unter "Vertragsgegenstand" ausdrücklich vor, dass die Schuldnerin "Arbeitnehmer in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse" einstellt und eine "vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung" durchführt. Ferner ist unter "Gestaltung der Arbeitsverhältnisse" geregelt, dass sich "das Arbeitsentgelt und die sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 434g Abs. 5 SGB III nach einem Tarifvertrag über Arbeitnehmerüberlassung" richten. "Verleihfreie Zeiten" sind von der Schuldnerin für "arbeitsmarktorientierte Integrationsbemühungen und individuell geeignete Kurzzeitqualifizierungen zu nutzen, ohne dass die insoweit eventuell anfallenden Kosten vom Arbeitsamt gesondert vergütet werden". Die Schuldnerin erhält "für ihre Tätigkeit vom Arbeitsamt ein Honorar", das "aus einer monatlichen Fallpauschale und einer erfolgsbezogenen Integrations-/Vermittlungsprämie besteht". Als "monatliche Fallpauschale" wurde für "jeden eingestellten Arbeitslosen" ein Betrag von 1.400 EUR vereinbart, der sich ab dem vierten Kalendermonat auf 75% und ab dem siebten Kalendermonat auf 50% des Grundbetrags reduziert. Außerdem ist ausdrücklich vertraglich festgelegt, dass "die Gewährung weiterer Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung (z.B. Lohnkostenzuschüsse) nicht möglich ist". Diese Regelungen werden zudem in der als Vertragsbestandteil geltenden Leistungsbeschreibung wiederholt. Diese Vertragsbestimmungen lassen unzweideutig erkennen, dass die Zahlung von Arbeitsentgelt an die von ihr eingestellten Arbeitnehmer zu den von der Schuldnerin gegenüber der Beklagten übernommenen Pflichten gehört.
(1)
Die vertragsgemäß geschuldete Einstellung von Arbeitnehmern in "sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse" ist bereits für sich genommen mit der Zahlung von Arbeitsentgelt an die Arbeitnehmer als Grundlage der Sozialversicherungspflicht verbunden. Die weitergehende ausdrückliche Anerkennung des Tarifvertrages über Arbeitnehmerüberlassung begründet eine Verpflichtung der Schuldnerin gegenüber der Beklagten, die tarifvertragliche Vergütung an die in Arbeitsverhältnisse übernommenen Arbeitnehmer zu entrichten. Die Einbeziehung der tarifvertraglichen Pflichten der Schuldnerin gegenüber ihren Arbeitnehmern in das Vertragsverhältnis mit der Beklagten entfaltet nur dann rechtliche Wirksamkeit, wenn die Beklagte die Durchsetzung dieser Pflichten vertraglich einfordern kann. Ist die Geltung des Tarifvertrages vereinbart, folgt daraus ohne weiteres, dass die dort vorgesehenen Lohnverpflichtungen auch tatsächlich zu erfüllen sind.
(2)
Als Honorar für die von ihr geschuldeten Leistungen erhält die Schuldnerin eine monatliche Fallpauschale von 1.400 EUR je Arbeitnehmer. Der Begriff der "Pauschale" verdeutlicht, dass damit die gesamte Tätigkeit der Schuldnerin einschließlich der Zahlung von Arbeitsentgelt abgegolten ist (BT-Drucks. 15/25 S. 28). Im Blick auf die nicht unbeträchtliche Höhe der Fallpauschale soll auf diese Weise vornehmlich der finanzielle Aufwand der Schuldnerin für die Lohnzahlung an die Arbeitnehmer ausgeglichen werden. Dies erschließt sich auch aus der unter Nr. 9 getroffenen Vertragsklausel, wonach die Pauschale anteilig herabgesetzt wird, soweit der einzelne Arbeitnehmer statt in einem Vollzeitarbeitsverhältnis lediglich in einem Teilzeitarbeitsverhältnis tätig - 10 - ist. Dienen die Zahlungen der Beklagten danach der Vergütung der von der Schuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer, versteht es sich von selbst, dass die tatsächliche Lohnzahlung im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Gewährung der Fallpauschalen steht. Soweit die Fallpauschale zeitlich degressiv ausgestaltet ist, sollen damit - ohne dass der Zahlungszweck eine Änderung erfährt - lediglich die Bemühungen der Schuldnerin, eine Übernahme der Arbeitnehmer durch den Entleiher oder anderer Arbeitgeber zu verwirklichen, verstärkt werden (BT-Drucks. a.a.O.).
(3)
Ferner ist in dem Vertrag ausdrücklich vorgesehen, dass von der Schuldnerin durchgeführte arbeitsmarktorientierte Integrationsbemühungen und individuell geeignete Kurzzeitqualifizierungen nicht gesondert vergütet werden und auch die Gewährung weiterer Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung wie Lohnkostenzuschüsse ausscheidet. Im Umkehrschluss ist dieser Regelung zu entnehmen, dass die Schuldnerin für die Zahlung der Arbeitsentgelte an die Arbeitnehmer keine zusätzliche Vergütung verlangen kann, sondern diese Leistungen durch die Pauschale abgegolten sind. Mithin hat die Schuldnerin das gesamte vertraglich übernommene Leistungsspektrum einschließlich der Lohnzahlung an die Arbeitnehmer zu erfüllen, um in den Genuss der Vergütung durch die vereinbarten Fallpauschalen zu gelangen. Dass unabhängig von der Lohnzahlung zu vergütende Teilleistungen erbracht wurden, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
bb) Dieses vom Wortlaut ausgehende Verständnis des Vertrages ist entsprechend den Motiven des Gesetzgebers auch allein interessengerecht.
(1)
Bereits der Gesetzgeber hat im Rahmen der Einführung des § 37c, § 434g Abs. 5 SGB III zum Ausdruck gebracht, dass die Personal-Service-Agenturen nur eine Vergütung von dem Arbeitsamt erhalten, wenn das von ihnen geleistete Arbeitsentgelt dem Tarifvertrag über Arbeitsüberlassung entspricht (BT-Drucks. 15/25 S. 37). Diese Regelung wäre mit Rücksicht auf die von dem Arbeitsamt gewährte Gegenleistung jeden Sinnes beraubt, wenn es der Schuldnerin im Verhältnis zu der Arbeitsverwaltung freistünde, ob sie die tarifvertraglich festgelegten Entgelte tatsächlich an ihre Arbeitnehmer zahlt. Unterschreitet eine wirtschaftlich gesunde Personal-Service-Agentur aus übertriebenem Erwerbsinteresse gegenüber ihren Arbeitnehmern die tarifvertraglichen Vergütungssätze, ist die Arbeitsverwaltung folglich berechtigt, die Zahlung der Fallpauschale zu verweigern. Nicht anders verhält es sich, wenn - wie hier - eine insolvente Personal-Service-Agentur die Lohnzahlung völlig einstellt.
(2)
Der zwischen der Schuldnerin und der Beklagten geschlossene Vertrag sieht für verleihfreie Zeiten die Vornahme arbeitsorientierter Integrationsbemühungen und individuell geeigneter Kurzzeitqualifizierungen vor. Nach dem Vertragsinhalt sind die Arbeitnehmer jedoch "vorrangig" an andere Arbeitgeber mit dem Ziel der Übernahme zu überlassen. Da für während verleihfreier Zeiten vorgenommene Maßnahmen keine gesonderte Vergütung durch das Arbeitsamt gezahlt wird, soll das finanzielle Risiko, dass die Schuldnerin als Personal-Service-Agentur in bestimmten Zeiten keinen Ausgleich durch Zahlungen von Entleihern erhält, ersichtlich mit der Fallpauschale abgegolten werden. Folge-richtig kann die Schuldnerin unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer bei anderen Arbeitgebern tätig sind oder an Qualifizierungsmaßnahmen der Schuldnerin teilnehmen, Zahlung der Fallpauschalen nur verlangen, wenn sie in der Lage ist, die tarifvertraglichen Entgelte an die Arbeitnehmer zu entrichten.
(3)
Schließlich ist nach dem Vertragsinhalt im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben (BT-Drucks. 15/25 S. 28) die Zahlung von Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung wie Lohnkostenzuschüssen ausgeschlossen. Würden - wie es dem Kläger vorschwebt - Fallpauschalen trotz Abbruchs der Leistung von Arbeitsentgelt gewährt, so käme es mittelbar zu vertragswidrigen Lohnzuschüssen, weil die Beklagte nunmehr als Ersatz für die von der Schuldnerin nicht mehr geleistete Lohnzahlung Insolvenzausfallgeld (§§ 183 ff SGB III) zu erbringen hätte. Ein Anspruch auf die Fallpauschale kann demzufolge nur bestehen, wenn die Personal-Service-Agentur die tarifvertraglich geschuldete Entlohnung tatsächlich erbringt.
c) An dem von § 320 BGB vorausgesetzten Gegenseitigkeitsverhältnis fehlt es nicht deswegen, weil die Schuldnerin die Lohnzahlung an die Arbeitnehmer und nicht an die Beklagte als ihre Vertragspartnerin zu erbringen hat.
Ohne die Schaffung von Personal-Service-Agenturen obläge es der Beklagten, Arbeitslose durch die Gewährung von Entgeltersatzleistungen (§ 116 SGB III), insbesondere Arbeitslosengeld (§§ 117 ff SGB III), zu unterstützen. Mit Hilfe der verwirklichten vertraglichen Gestaltung werden Arbeitslose in ein Beschäftigungsverhältnis übernommen; zugleich wird die Beklagte, welche die Einstellung von Arbeitslosen durch Zahlung der Fallpauschalen (mittelbar) vergütet, von der Zahlung öffentlicher Unterstützungsleistungen befreit. Folglich bezweckt die Beklagte mit ihrer Zahlung in ihrem wirtschaftlichen Eigeninteresse eine Leistung der Schuldnerin an die bei dieser eingestellten Arbeitslosen. Die hier gewählte vertragliche Gestaltung ähnelt im Blick auf die von der Schuldnerin als Gegenleistung für die Bezuschussung der Arbeitsverhältnisse zu Gunsten der Beklagten übernommene Zahlung von Arbeitsentgelt an die Arbeitnehmer der Konstellation einer Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB). Es ist - 13 - anerkannt, dass es für die Annahme eines Gegenseitigkeitsverhältnisses ausreicht, wenn der Schuldner die Leistung vertragsgemäß zugunsten eines Dritten zu bewirken hat (RGRK-BGB/Ballhaus, 12. Aufl. Rn. 3 vor § 320; Staudinger/Otto, BGB 2004 § 320 Rn. 17). Demnach ist ein Synallagma hier gegeben, weil die Lohnzahlung der Schuldnerin nach Sinn und Zweck des Vertrages dazu dient, die Beklagte von Ansprüchen Arbeitsloser auf Entgeltersatzleistungen zu befreien. Der von ihr übernommenen Verpflichtung, die Beklagte von öffentlichen Ansprüchen Arbeitsloser zu entbinden, genügt die Schuldnerin nicht bereits durch die Begründung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen, sondern erst durch die Auszahlung des geschuldeten Arbeitsentgelts, weil die Beklagte im Falle einer Insolvenz an die Beschäftigten Insolvenzgeld (§§ 183 ff SGB III) zu entrichten hat. Zwar ist bei einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge durch den Verleiher mit der Pflicht des Entleihers zur Zahlung der vereinbarten Vergütung nicht synallagmatisch verknüpft (BGHZ 161, 241, 251 f). Vorliegend handelt es sich jedoch weder um einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag noch um die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Vielmehr war hier der Wille der Vertragsschließenden - ähnlich wie bei der synallagmatisch an die Überlassung von Arbeitnehmern gebundenen Vergütung (BGHZ, a.a.O.) - darauf gerichtet, durch die Gewährung von Fallpauschalen die Lohnzahlung an die Arbeitnehmer zu entgelten.
3.
Vorliegend haben beide Vertragspartner bezogen auf den der Klageforderung zugrunde liegenden Monat Februar 2004 keine vertraglichen Leistungen bewirkt, weil die Schuldnerin die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer nicht entlohnt und die Beklagte keine Fallpauschalen gezahlt hat. In einem solchen Fall steht dem Kläger als Insolvenzverwalter mit Rücksicht auf die Nichterfüllungseinrede des Vertragspartners (§ 320 BGB) ein durchsetzbarer Anspruch - 14 - gegen diesen nicht zu. Selbst wenn man - anders als der Senat - im Betrieb der Personal-Service-Agentur und in der Aufrechterhaltung der Beschäftigungsverhältnisse mit den Arbeitnehmern von der Schuldnerin bewirkte Teilleistungen erkennen wollte, könnte sie hierfür nach der unter der Geltung von § 17 KO begründeten und auf § 103 InsO übertragbaren Rechtsprechung eine anteilige Vergütung nur dann beanspruchen, wenn die von der Beklagten geschuldete Gegenleistung teilbar wäre (BGHZ 129, 336, 340). An der Teilbarkeit der Gegenleistung fehlt es indes, weil die Beklagte eine nicht auf Einzelleistungen aufspaltbare Pauschale schuldet.
III. Auf die begründete Revision der Beklagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und auf der Grundlage des - 15 - gewonnenen Auslegungsergebnisses die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts zurückweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2010 S. 322 Nr. 7
DB 2010 S. 288 Nr. 5
NJW-RR 2010 S. 773 Nr. 11
WM 2010 S. 365 Nr. 8
ZIP 2010 S. 238 Nr. 5
DAAAD-36947