Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: TVG § 3 Abs. 1; TVG § 4 Abs. 1; GG Art. 9 Abs. 3 S. 2; BGB § 280 Abs. 1 S. 1; Tarifvertrag über eine Einmalzahlung im Jahr 2005 für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände; Tarifbereich West § 2
Instanzenzug: LAG Frankfurt/Main, 3 Sa 1397/06 vom ArbG Marburg, 1 Ca 54/06 vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine tarifliche Einmalzahlung für das Kalenderjahr 2005 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 300,00 Euro brutto.
Der Kläger ist seit 1983 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger im Kreiskrankenhaus F als Krankenpfleger tätig. Der zwischen dem Kläger und dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Landkreis F - der damals Träger des als Eigenbetrieb geführten Kreiskrankenhauses und ordentliches Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes H (KAV) war - am geschlossene Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen."
Im Verlauf des Jahres 2002 ging das Kreiskrankenhaus in die Trägerschaft der Beklagten über. Im Vorfeld dessen wurde ein Personalüberleitungsvertrag (PÜV) geschlossen, der auszugsweise wie folgt lautet:
"Der
1. Eigenbetrieb Kreiskrankenhaus F ..., vertreten durch den Landkreis F, ...
und
2. die Kreiskrankenhaus F gemeinnützige GmbH i.G., vertreten durch die Alleingesellschafterin, den Landkreis F, ...
unter Beteiligung und Mitwirkung:
3. des Personalrates des Eigenbetriebes ... schließen im Rahmen der Umwandlung des Eigenbetriebes Kreiskrankenhaus F in eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Namen Kreiskrankenhaus F gGmbH folgenden
Vertrag über die Sicherung der Mitbestimmung und die Personalüberleitung
Vorbemerkung
Als künftige(r) Alleingesellschafter der Kreiskrankenhaus F gemeinnützige GmbH verpflichtet sich der Landkreis ... nachfolgende Regelungen sicherzustellen:
Der Kreisausschuss des Landkreises ... wird durch Gesellschafterbeschluss die Geschäftsführung der Kreiskrankenhaus F gGmbH anweisen, den Personalüberleitungsvertrag durchzuführen.
...
§ 2
Personalüberleitung
(1) Die Kreiskrankenhaus F gGmbH tritt entsprechend § 613 a BGB in die Rechte und Pflichten sämtlicher Arbeits- und Berufsausbildungsverhältnisse des Eigenbetriebes ein.
(2) Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass den vom Betriebsübergang betroffenen Beschäftigten infolge der Umwandlung und damit des Übergangs der Beschäftigungs- und Berufsausbildungsverhältnisse auf die Kreiskrankenhaus F gGmbH keine Nachteile entstehen dürfen und erworbene Besitzstände gewahrt bleiben.
(3) Für sämtliche Beschäftigte der Kreiskrankenhaus F gGmbH gelten ab dem Tag der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages die bisher für den Eigenbetrieb geltenden Tarifverträge und Dienstvereinbarungen sowie Schutzvorschriften fort.
...
§ 7
Mitgliedschaft
Die Kreiskrankenhaus F gGmbH verpflichtet sich, Mitglied des h kommunalen Arbeitgeberverbandes zu werden und die bestehenden Tarifstrukturen fortzuführen (insbesondere BAT, BMTG sowie Tarifverträge zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen und Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes ausgebildet werden und alle bezirklichen Zusatztarifverträge).
Die Tätigkeit bei der Gesellschaft ist Tätigkeit im öffentlichen Dienst entsprechend der Protokollnotiz zu § 1 der Zuwendungstarifverträge.
...
§ 12
Wirksamkeit, Geltung
...
(2) Wird der Personalüberleitungsvertrag rechtswirksam, so beginnt der Vertrag mit dem Tag der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages und endet mit Beendigung aller sich aus diesem Vertrag ergebenden Rechtsansprüche, spätestens jedoch mit Ablauf des Gesellschaftsvertrages.
(3) Der Personalüberleitungsvertrag wird Bestandteil der Arbeitsverträge und Ausbildungsverhältnisse der in die Kreiskrankenhaus F gGmbH übernommenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Auszubildende und Krankenpflegeschüler und -schülerinnen."
Im Monat Juni 2002 wurde der Gesellschaftsvertrag zur Errichtung der Beklagten geschlossen und der Eigenbetrieb des Kreiskrankenhauses F nach dem Umwandlungsgesetz auf die neu gegründete Beklagte ausgegliedert. Nachdem die Beklagte in der Folgezeit zunächst in den KAV eingetreten war, kündigte sie ihre Mitgliedschaft zum .
Am schloss die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) den "Tarifvertrag über eine Einmalzahlung im Jahr 2005 für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände - Tarifbereich West" (TV EZ), in dessen § 2 ua. für Angestellte, die unter den Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages fallen, eine Einmalzahlung von 300,00 Euro brutto vorgesehen ist, die in Teilbeträgen von je 100,00 Euro mit dem Entgelt für die Monate April, Juli und Oktober 2005 ausgezahlt werden soll.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger den Anspruch auf die von ihm erfolglos geltend gemachte Einmalzahlung für das Kalenderjahr 2005 weiter. Die Anwendung des TV EZ ergebe sich bereits aus der dynamischen Bezugnahmeklausel in § 2 seines Arbeitsvertrages, die nicht als Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Senatsrechtsprechung auszulegen sei. Zudem sei die Beklagte nach § 2 Abs. 3 und § 7 PÜV verpflichtet, den TV EZ anzuwenden. Der PÜV stelle wegen § 12 Abs. 3 PÜV einen Vertrag zugunsten Dritter - der Arbeitnehmer - dar. Zumindest sei er als Gesamtzusage anzusehen. Die in § 7 PÜV enthaltene Regelung, die bestehenden Tarifstrukturen fortzuführen, beinhalte eine selbständige, von einer etwaigen Tarifbindung der Beklagten unabhängige Verpflichtung zur dynamischen Anwendung des BAT und der diesen ergänzenden Tarifverträge, zu denen auch der TV EZ gehöre. Jedenfalls stehe ihm die Einmalzahlung als Schadensersatz gegen die Beklagte zu, da diese ihre vertraglichen Pflichten aus § 7 PÜV schuldhaft verletzt habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 300,00 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 100,00 Euro brutto seit dem , und zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger könne seine Forderung nach dynamischer Tarifanwendung aus keiner der von ihm vorgetragenen Anspruchsgrundlagen herleiten, denn § 2 des Arbeitsvertrages sei lediglich als Gleichstellungsabrede auszulegen und der PÜV biete dafür ebenfalls keine Basis. Es handle sich zudem weder um eine Dienstvereinbarung mit dem Personalrat, noch um eine Gesamtzusage oder einen Vertrag zugunsten Dritter. Schließlich sei dem PÜV keine Verpflichtung zur dynamischen Tarifanwendung zu entnehmen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass eine Tarifbindung nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG infolge des Austritts der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband nicht vorliege. Bei der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages handele es sich um eine Gleichstellungsabrede, weshalb nach dem Wegfall der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite statische Tarifgeltung eintrete. Schließlich ergebe die Auslegung des PÜV, dass die Vertragsparteien in diesem - unterstellt es sei überhaupt wirksam ein Vertrag zustande gekommen - eine zeitdynamische Anwendung der Tarifverträge von der Tarifbindung der Beklagten nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG abhängig gemacht hätten. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers scheide ebenfalls aus.
II. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung der Einmalzahlung für das Jahr 2005 in Höhe von 300,00 Euro brutto zu.
1. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht kraft normativer Geltung des TV EZ wegen beiderseitiger Tarifgebundenheit. Bei Abschluss des TV EZ am war die Beklagte nicht mehr Mitglied im KAV.
2. Die Anwendbarkeit des TV EZ folgt auch nicht aus der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom . Das Landesarbeitsgericht hat diese Verweisungsklausel zu Recht als Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Senatsrechtsprechung ausgelegt. Da die Beklagte aufgrund ihres Austritts aus dem KAV zum nicht an den TV EZ gebunden ist, wird dieser von der Bezugnahmeklausel nicht erfasst.
a) Der Arbeitsvertrag der Parteien ist ein Formulararbeitsvertrag. Die Auslegung derartiger typischer Vertragsklauseln kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl. nur - mwN).
b) § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vom ist eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Senats.
(1) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln wie die im Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen (vgl. nur - Rn. 18, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; - 4 AZR 536/04 - Rn. 12 ff., BAGE 116, 326; - 4 AZR 50/04 - Rn. 15 ff., BAGE 113, 40; - 4 AZR 294/01 - Rn. 24 ff., BAGE 103, 9; - 4 AZR 263/01 - Rn. 16 ff., BAGE 102, 275). Dies führt im Falle des Verbandsaustritts der Arbeitgeberin dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung zum Zeitpunkt des Austritts anzuwenden sind.
(2) Diese Auslegungsregel wendet der Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem vereinbart worden sind ( - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326; - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; - 4 AZR 602/06 - Rn. 20 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38; - 4 AZR 881/07 - Rn. 18 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; vgl. auch den Nichtannahmebeschluss des - zu einer gegen diese Vertrauensschutzgewährung gerichteten Verfassungsbeschwerde).
(3) Der am geschlossene Arbeitsvertrag ist folglich nach der früheren Senatsrechtsprechung zu beurteilen. Danach ist die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages eine Gleichstellungsabrede, weil sie auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge verweist und der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tarifgebunden war. Bei der Regelung handelt es sich um eine typische Bezugnahmeklausel, die der Senat wiederholt als Gleichstellungsabrede ausgelegt hat (vgl. zB - Rn. 18, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; - 4 AZR 536/04 - Rn. 12 ff., BAGE 116, 326; - 4 AZR 331/02 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 105, 284). Sonstige Umstände, die für eine abweichende Auslegung sprechen könnten, sind nicht erkennbar.
c) Durch § 2 des Arbeitsvertrages wird der Kläger daher, was Ansprüche aus den in Bezug genommenen Tarifverträgen angeht, nur so gestellt wie an diese Tarifverträge gebundene Arbeitnehmer. Diese können nach dem Austritt der Beklagten aus dem KAV zum mangels entsprechender normativer Bindung der Beklagten an den TV EZ aus diesem keine Ansprüche herleiten. Gleiches gilt dann für den Kläger.
3. Die Anwendbarkeit des TV EZ auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 3, § 7 PÜV iVm. § 328 Abs. 1 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob der noch vor Gründung der Vorgesellschaft der Beklagten geschlossene PÜV überhaupt wirksam zustande kommen konnte und ob aus seinen Regelungen unmittelbar Ansprüche der Arbeitnehmer gegen die Beklagte hergeleitet werden können oder dadurch lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch gegen die Arbeitgeberin begründet sein kann, die dynamische Bezugnahme der im PÜV genannten Tarifwerke mit ihnen zu vereinbaren (dazu -). Denn aus den Bestimmungen des PÜV ergibt sich keine selbständige, von der Mitgliedschaft der Beklagten im KAV unabhängige Verpflichtung zur dynamischen Anwendung des dort genannten Tarifwerks.
a) Beim PÜV handelt es sich um einen sogenannten typischen Vertrag, da er ua. die Rechtsverhältnisse der von dem Betriebsübergang betroffenen Beschäftigten und damit eine Vielzahl von Fällen regelt ( - mwN). Seine Auslegung ist durch das Revisionsgericht unbeschränkt überprüfbar. Der Inhalt der Regelungen des PÜV ist nach §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Ausgehend vom Wortlaut der Klauseln ist deren objektiver Bedeutungsgehalt zu ermitteln. Maßgebend ist dabei der allgemeine Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des vertraglichen Regelungszusammenhangs. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind schließlich auch der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten ( - mwN; - 4 AZR 881/07 - Rn. 22, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68).
b) § 2 Abs. 3 PÜV enthält keine Vereinbarung über eine dynamische Tarifanwendung. Dies zeigt bereits der Wortlaut.
Nach § 2 Abs. 3 PÜV gelten für sämtliche Beschäftigte der Kreiskrankenhaus F gGmbH ab dem Tag der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages die bisher für den Eigenbetrieb geltenden Tarifverträge und Dienstvereinbarungen sowie Schutzvorschriften fort. Das entspricht der sich aus § 613a BGB ergebenden Rechtslage. Die Vorschrift ordnet lediglich an, dass die "bisher geltenden" Tarifverträge "fortgelten". Die Bestimmung bezieht sich ausschließlich auf bereits bestehende tarifliche Regelungen, nicht jedoch auf zukünftige. Es fehlt ein die Dynamik einbeziehender Zusatz wie beispielsweise "in der jeweiligen Fassung", "ergänzende, ändernde oder ersetzende Tarifverträge" oä. oder ein sonstiger Umstand, aus dem heraus der Wille deutlich wird, eine dynamische Verweisung vornehmen zu wollen (vgl. - Rn. 22, AP BGB § 133 Nr. 54 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 36; - Rn. 16, AP TVG § 1 Tarifverträge: Seeschifffahrt Nr. 10). Auch aus dem in § 2 Abs. 3 PÜV verwendeten Begriff der "Fortgeltung" der bisherigen Tarifverträge lässt sich die Vereinbarung einer Tarifdynamik nicht ableiten. Dass tarifliche Regelungen nach der Ausgliederung weiter gelten sollen, sagt noch nichts darüber aus, ob es sich um eine statische oder um eine dynamische Geltung derselben handelt.
c) Auch § 7 PÜV enthält keine Vereinbarung einer selbständigen, von der Mitgliedschaft der Beklagten im KAV losgelösten Verpflichtung zur dynamischen Anwendung der in § 7 PÜV genannten Tarifverträge.
aa) Bereits aus der Überschrift von § 7 PÜV ("Mitgliedschaft") lässt sich erkennen, dass Regelungsgegenstand dieser Bestimmung die Verpflichtung der Beklagten sein sollte, Mitglied im KAV zu werden.
bb) Dabei enthält zwar die Wortwahl von § 7 Satz 1 PÜV mit den Begriffen "Tarifstrukturen" und "fortführen" sowohl die Möglichkeit der statischen als auch die der dynamischen Bezugnahme. "Fortführen" bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ua. "etwas fortsetzen, was von einem anderen begonnen wurde" (so Duden 3. Aufl. 1999 Stichwort: "fortführen"). Synonyme hierfür sind auch "weiterführen" oder "weitermachen" (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 2006 Stichwort: "fortführen"). Im Gegensatz zum Begriff des bloßen Weitergeltens in § 2 Abs. 3 PÜV beinhaltet der Begriff des Fortführens ein dynamisches Element. Gewollt war erkennbar nicht bloße Anwendung, sondern Fortführung, was prinzipiell auch Weiterentwicklung einschließen kann. Der Begriff "Tarifstrukturen" ist in seiner Bedeutung eher vage, verschließt sich jedoch einer zeitdynamischen Auslegung nicht. Gemeint sein kann - eher statisch - ein strukturiertes Werk mehrerer Tarifverträge für verschiedene Regelungsbereiche, gemeint sein kann auch - eher dynamisch - ein einzelner Tarifvertrag einschließlich seiner zukünftigen Weiterentwicklung.
cc) Diese Verpflichtung ist aber - wie auch der Kläger in der Revision ausführt - durch die Konjunktion "und" an die Mitgliedschaft im KAV gebunden. Durch die Mitgliedschaft sollte sichergestellt werden, dass die Beklagte aufgrund einer Bindung auch an künftige Tarifverträge die bereits vorhandenen Tarifstrukturen fortführt. Dabei mag der Zusatz "die bestehenden Tarifstrukturen fortzuführen" damals lediglich aufgenommen worden sein, um die sich aus dem ersten Satzteil - Verpflichtung der Mitgliedschaft im KAV - ergebenden rechtlichen Konsequenzen - quasi deklaratorisch - zu unterstreichen. Andererseits ergibt sich aus der Verknüpfung "und" jedoch auch, dass eine Mitgliedschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG gemeint ist, also eine Mitgliedschaftsform ohne Tarifbindung nicht ausreichend wäre.
dd) Die Verknüpfung der Fortführung der Tarifstrukturen mit der Mitgliedschaft im KAV verdeutlicht, dass es sich bei der Regelung in § 7 Satz 1 PÜV um eine nicht in ihre Einzelteile aufteilbare Verpflichtung handeln soll. Die Pflicht, das betreffende Tarifrecht auch nach dem Betriebsübergang zur Anwendung zu bringen, resultiert dabei aus der Mitgliedschaft im KAV und beinhaltet keinen davon unabhängigen eigenständigen Anspruch. Dafür spricht bereits die Überschrift von § 7 PÜV, die zum Ausdruck bringt, dass darin die "Mitgliedschaft" (im KAV) geregelt wird.
ee) Für die Untrennbarkeit der Verpflichtung spricht auch die Tatsache, dass nicht ersichtlich ist, die Beschäftigten sollten bei Abschluss des PÜV nach dem Betriebsübergang besser gestellt werden als vor diesem Übergang. Eine Besserstellung läge nämlich darin, eine Dynamisierung unabhängig von der Verbandsmitgliedschaft zu vereinbaren. Denn auch im Fall des Verbleibs beim früheren Arbeitgeber, dem Landkreis, wäre ein Wegfall der dynamischen Tarifanwendung durch Austritt aus dem Arbeitgeberverband möglich gewesen.
ff) Für die hier vorgenommene Auslegung spricht schließlich auch die systematische Stellung der Verpflichtung im Zusammenhang mit § 7 Satz 2 PÜV, womit eine weitere mit der Mitgliedschaft im KAV zusammenhängende rechtliche Konsequenz benannt ist.
Nach der in § 7 Satz 2 PÜV enthaltenen Regelung ist die Tätigkeit bei der Beklagten eine "Tätigkeit im öffentlichen Dienst entsprechend der Protokollnotiz zu § 1 der Zuwendungstarifverträge". Nach Nr. 2 der jeweiligen Protokollnotiz zu den beiden Tarifverträgen vom über eine Zuwendung für Angestellte und für Arbeiter gilt als öffentlicher Dienst im Sinne von § 1 der Tarifverträge nicht nur der Bund, das Land oder die Gemeinde bzw. der Gemeindeverband, sondern auch das sonstige Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, der der VKA angehört. Für eine Tätigkeit in Krankenhäusern, die - wie im Fall der Beklagten - von einem Eigenbetrieb in eine gGmbH umgewandelt wurden, kommt es daher für die Bewertung als "Tätigkeit im öffentlichen Dienst" maßgeblich auf die Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband an.
gg) Da also eine selbständige, von der Mitgliedschaft der Beklagten im KAV unabhängige Verpflichtung zur dynamischen Anwendung des bestehenden Tarifwerks bereits nicht im PÜV angelegt ist, kann es auch dahinstehen, auf welchem Wege (als "Bestandteil des Arbeitsvertrages" nach § 12 Abs. 3 PÜV bzw. als Vertrag zugunsten Dritter - vgl. dazu - oder als Gesamtzusage) der Kläger daraus ggf. Ansprüche herleiten könnte.
4. Ein Anspruch des Klägers auf die Einmalzahlung ergibt sich auch nicht als Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach § 280 Abs. 1 BGB iVm. dem PÜV als Vertrag (mit Schutzwirkung) zugunsten Dritter wegen Verstoßes gegen § 7 Satz 1 PÜV durch Austritt aus dem Arbeitgeberverband und der damit entfallenen dynamischen Tarifgebundenheit. Eine Verpflichtung zum Verbleib im Arbeitgeberverband verstößt gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG, weshalb die Regelung nichtig ist und mangels Pflichtverletzung ein Schadensersatzanspruch ausscheidet. Soweit die Beklagte zum aus dem KAV ausgetreten ist, hat sie demnach nicht gegen den PÜV verstoßen. Deshalb ist nicht zu entscheiden, ob dem Kläger als nicht am PÜV beteiligter Partei aus einem Verstoß gegen vertragliche Pflichten aus dem PÜV überhaupt ein Schadensersatzanspruch zustehen kann.
a) Zentrale Voraussetzung einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung von Schadensersatz ist nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB das Vorliegen einer Pflichtverletzung seinerseits.
b) Danach hat der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz eines Schadens. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor. Die Verpflichtung in § 7 Satz 1 PÜV ist unwirksam.
aa) Nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG entfaltet Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG unmittelbare Drittwirkung in Verhältnissen privater Rechtssubjekte. Die durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Koalitionsfreiheit schließt das Recht ein, einer Koalition fernzubleiben oder aus dieser auszutreten. Zwar stellt nicht jeder tatsächliche Druck, einer Koalition beizutreten oder in dieser zu verbleiben, bereits einen unzulässigen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit dar. Die ausdrückliche Verpflichtung des Arbeitgebers, die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft in einem bestimmten Arbeitgeberverband zu garantieren, verstößt aber gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 iVm. Satz 1 GG. Der Arbeitgeber verliert durch eine derartige Verpflichtung seine grundrechtlich garantierte Freiheit, aus dem Verband auszutreten (vgl. ausf. - mwN, BAGE 104, 155).
bb) Danach ist § 7 PÜV unwirksam. Denn die Vorschrift enthält nicht nur die - schon für sich nicht unbedenkliche - Verpflichtung der Beklagten, Mitglied im KAV zu werden, sondern diese Mitgliedschaft auch beizubehalten. Dies ergibt sich sowohl aus Sinn und Zweck von § 7 PÜV als auch aus § 12 Abs. 2 PÜV. Zwar enthält der Wortlaut des § 7 PÜV nur die Verpflichtung der Beklagten, Mitglied zu "werden". Diese Verpflichtung soll aber - wie ausgeführt (unter I 3 c ff) - gerade dazu dienen, die vorhandenen Tarifstrukturen durch Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG fortzuführen. Eine Fortführung, die an die Mitgliedschaft anknüpft, setzt zwingend die Pflicht voraus, auch Mitglied im Arbeitgeberverband zu bleiben. Auch § 12 Abs. 2 PÜV spricht dafür, dass § 7 PÜV nicht nur den kurzfristigen Beitritt der Beklagten zum KAV, sondern ihren dauerhaften Verbleib im Verband regelt und zwar zumindest solange, wie der Landkreis Gesellschafter der Beklagten ist ("bis zum Ablauf des Gesellschaftsvertrags"). Da der PÜV weder eine Kündigungsmöglichkeit für die Beklagte vorsieht, noch die Dauer der obligatorischen Mitgliedschaft der Beklagten im KAV nach § 7 PÜV zeitlich begrenzt oder aufgrund anderer Umstände als nur vorübergehend absehbar war, beeinträchtigt die Bestimmung die grundrechtlich geschützte Freiheit der Beklagten, den Arbeitgeberverband zu verlassen. Daran ändert sich auch nichts, wenn man zugunsten des Klägers davon ausgehen würde, dass die Beklagte den PÜV selbst geschlossen hat und damit die in ihm enthaltenen Verpflichtungen freiwillig eingegangen ist. Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG betrifft auch Abreden, die ohne Druck zustande gekommen sind ( - mwN, BAGE 104, 155).
cc) Aus der Nichtigkeit der Regelung folgt, dass auf sie ein Anspruch auf Schadensersatz nicht gestützt werden kann. Es fehlt an einer vertraglichen Pflicht, die verletzt werden könnte.
III. Die Kosten der erfolglosen Revision hat der Kläger nach § 97 ZPO zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2010 S. 285 Nr. 5
NJW 2010 S. 1017 Nr. 14
UAAAD-35067