BFH Beschluss v. - VIII B 190/08

Klagebefugnis eines Miterben einer Erbengemeinschaft gegen die gesonderte und einheitliche Feststellung von Kapitaleinkünften; wechselseitige Beziehung zwischen der subjektiven Klagebefugnis und der notwendigen Beiladung

Gesetze: FGO § 40 Abs. 2, FGO § 48 Abs. 1, FGO § 60 Abs. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beteiligten streiten sowohl über die Klagebefugnis eines Miterben als auch über die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Feststellungsbescheids über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Kapitaleinkünften.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr (1998) mit einem geringen Anteil an der nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft „A, B und andere” beteiligt.

Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) von einer Zahlung über 84.903,15 DM Kenntnis erlangt hatte, forderte es die Feststellungsgemeinschaft auf, Einkünfte aus Kapitalvermögen mitzuteilen. Mit Bescheid vom änderte das FA den ursprünglichen Feststellungsbescheid vom für das Streitjahr, durch den bislang lediglich ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung festgestellt worden war, und stellte Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 634 DM fest. Hierbei ging das FA von einer Festgeldanlage in Höhe von 24.000 DM aus, die mit 2,4 % p.a. verzinst worden sei (= 576 DM). Da Unterlagen zu den Kapitaleinkünften nicht vollständig vorgelegt worden seien, sei ein Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 % (57,60 DM) festgesetzt worden.

Gegen den Feststellungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein. Die Erbengemeinschaft habe keine Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt, da der Feststellungsbeteiligte A das Geld vereinnahmt und in seinem Namen angelegt habe. Dieser habe sich wie ein Eigenbesitzer geriert. Zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) waren nur der Kläger und das FA geladen.

Das FG wies die Klage ab. Der Kläger sei nicht klagebefugt. Klagebefugt sei nur die Erbengemeinschaft als solche. Ferner sei die Klage unbegründet, da die Schätzung des FA keine Fehler aufweise.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Er rügt u.a. die unterlassene notwendige Beiladung.

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (vgl. § 116 Abs. 6 FGO).

1. Zu Unrecht verneint das FG die Klagebefugnis eines Miterben in einer zerstrittenen Erbengemeinschaft, die keinen Empfangs- oder Klagebevollmächtigten bestellt hat.

a) § 48 FGO schränkt die Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO ein und regelt einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft. Gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen können nur die in § 48 Abs. 1 FGO genannten Personen Klage erheben. § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO erklärt die zur Vertretung berufenen Geschäftsführer oder, wenn solche nicht vorhanden sind, Klagebevollmächtigte als klagebefugt für die von ihnen vertretene Gesellschaft. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO können, wenn Personen nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO nicht vorhanden sind, jeder Gesellschafter, Gemeinschafter oder Mitberechtigte, gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte, Klage erheben. § 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO regelt die Klagebefugnis soweit es sich darum handelt, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt. Jeder, der durch die Feststellungen hierzu berührt wird, ist klagebefugt.

b) Der Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO lag im Streitfall nicht vor. Der vom FG zitierte (BFH/NV 2007, 1511) betrifft den Rechtsbehelf des Gemeinschafters einer vermietenden Bruchteilsgemeinschaft. Diese trat nach außen in Erscheinung. Der BFH erkennt einer solchen Bruchteilsgemeinschaft die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO zu (, BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929). Der Beschluss stellt außerdem klar, dass mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes im Zweifel auch davon auszugehen ist, dass ein zur Vertretung berufener Geschäftsführer den Rechtsbehelf eingelegt hat.

Bei einer Erbengemeinschaft ist hingegen grundsätzlich kein zur Vertretung berufener Geschäftsführer vorhanden (, BFH/NV 2009, 783, m.w.N.). Im Streitfall war die Erbengemeinschaft zerstritten und ein Empfangs- oder Klagebevollmächtigter nicht bestellt worden. Das FA behandelte den Einspruch als zulässig (vgl. § 352 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung). Bei dieser Sachlage kann nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO jeder, gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist, Klage erheben, mithin auch der Kläger.

Ferner ergibt sich im Streitfall die Klagebefugnis des Miterben aus § 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO. Danach ist jeder Beteiligte klagebefugt, wenn darum gestritten wird, wie der festgestellte Betrag verteilt wird.

2. Die angefochtene Entscheidung ist auch deshalb fehlerhaft, weil im Prozess vor dem FG die notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO unterblieben ist. Danach sind Dritte notwendig beizuladen, wenn die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Zwischen der subjektiven Klagebefugnis in § 48 FGO und der notwendigen Beiladung besteht eine zwingende wechselseitige Beziehung (Steinhauff in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 48 FGO Rz 270, m.w.N.).

Im Streitfall kann über die Frage, ob einzelne Miterben vereinnahmte Gelder auf eigene Rechnung angelegt und daraus persönlich Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt haben, oder ob dies für Rechnung der Erbengemeinschaft geschehen ist, nur gegenüber allen Miterben einheitlich entschieden werden.

Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung stellt einen von Amts wegen zu prüfenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar, den der Kläger im Beschwerdeverfahren zu Recht ausdrücklich rügt. Es handelt sich um eine unverzichtbare Sachentscheidungsvoraussetzung (BFH-Beschlüsse vom IV B 138/07, BFH/NV 2008, 1499; vom VIII B 9/08, juris). Eine zu Unrecht unterbliebene notwendige Beiladung kann der BFH zwar gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO noch in einem zulässigen Revisionsverfahren mit heilender Wirkung nachholen, nicht indes im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (BFH-Beschlüsse vom III B 74/02, BFH/NV 2003, 195; vom VIII B 9/08, juris).

3. Liegen —wie hier— die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor, kann der BFH in dem Beschluss, in dem er über die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision entscheidet, das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).

Fundstelle(n):
AO-StB 2010 S. 11 Nr. 1
BFH/NV 2010 S. 224 Nr. 2
EAAAD-33127