Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 103 Abs. 1; CMR Art. 17 Abs. 1; BGB § 254 Abs. 2
Instanzenzug: OLG Hamburg, 6 U 114/06 vom LG Hamburg, 415 O 137/04 vom
Tatbestand
Die Klägerinnen sind zu gleichen Teilen (25%) Transportversicherer der P. El. T. GmbH in H. (im Weiteren: Versenderin). Sie nehmen die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, wegen des Verlustes von Transportgut aus abgetretenem Recht der Warenempfängerin auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versenderin veräußerte im September 2001 an die in Brüssel/ Belgien, Rue Victor Hugo 51 ansässige E. S. P. R. L. (im Weiteren: Empfängerin) Festplatten und Speichermodule zum Gesamtpreis von 269.744,54 EUR. Mit der Beförderung des nach der Behauptung der Klägerinnen in 48 Paketen verpackten Gutes beauftragte die Versenderin die Beklagte. In den von der Versenderin im sogenannten EDI-Verfahren elektronisch hergestellten Frachtpapieren war in der Rubrik "Empfänger" folgende Eintragung enthalten: "Kontakt: A. E. à disposition Tel.: + Woluwenlan, 156, 1831 D Belgien". Unter der eingetragenen Anschrift hat eine Schwestergesellschaft der Beklagten (United Parcel Service Belgium N.V.) ihren Sitz, die dort ein Zustellcenter betreibt. Die Geschäftsadresse der Empfängerin wurde in den Frachtpapieren nicht genannt und war der Beklagten auch nicht bekanntgegeben worden.
Die Klägerinnen haben behauptet, die von der Beklagten am übernommenen 48 Pakete hätten die bestimmungsgemäße Empfängerin nicht erreicht. Es könne schon nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte das Gut bei ihrer Schwestergesellschaft in Diegem/Belgien abgeliefert habe. Sie, die Klägerinnen, hätten an die Insolvenzverwalterin der Empfängerin jeweils 69.055,81 EUR als Entschädigung für den Verlust der Ware gezahlt. Daraufhin habe die Insolvenzverwalterin die Ansprüche der Empfängerin gegen die Beklagte an die für die Klägerinnen als Vertreterin handelnde Assekuradeurin abgetreten.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beklagte könne sich nicht auf gesetzliche oder in ihren Beförderungsbedingungen vorgesehene Haftungsbeschränkungen berufen, da sie zu den näheren Umständen des Verlustes keinen Vortrag halten könne und selbst einräume, bei Standardsendungen keine Schnittstellenkontrollen vorzunehmen. Sie beanspruchen daher die Zahlung von jeweils 67.055,81 EUR (insgesamt 268.223,24 EUR) nebst Zinsen.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, sie habe aus dem mit der Versenderin geschlossenen Beförderungsvertrag die Ablieferung der 48 für die Empfängerin bestimmten Pakete bei ihrer Schwestergesellschaft in Diegem/ Belgien geschuldet. Dort sei das Gut am 17. und vollständig angeliefert und später auch von der Empfängerin abgeholt worden. Jedenfalls müssten sich die Klägerinnen ein Mitverschulden der Versenderin wegen Unterlassens einer Wertdeklaration und eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens zurechnen lassen.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an jede Klägerin 593,08 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Berufungsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben; die Anschlussberufung der Beklagten hat es zurückgewiesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerinnen beantragen,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht hat eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust der streitgegenständlichen 48 Pakete aus Art. 17 Abs. 1, Art. 29 CMR angenommen. Dazu hat es ausgeführt:
Aufgrund der zutreffenden Tatsachenfeststellung des Landgerichts sei davon auszugehen, dass die Beklagte 47 der aus 48 Paketen bestehenden Sendung bei ihrem Schwesterunternehmen in Diegem angeliefert habe. Dieser Umstand stelle aber keine die Haftung ausschließende Ablieferung des Gutes dar. Der Hinweis in den Frachtpapieren, dass die Empfängerin telefonisch zu kontaktieren sei, habe sich allein an die Beklagte gerichtet. Damit habe die Versenderin deutlich gemacht, dass die bloße Anlieferung im Zustellcenter in Diegem noch keine Ablieferung des Gutes habe darstellen sollen. Die Ware habe dort vielmehr bis zu ihrer Abholung durch die Empfängerin gelagert werden sollen.
Eine tatsächliche Aushändigung des Gutes an die Empfängerin habe die insoweit beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend dargetan. Sie habe mit ihrer Klageerwiderung lediglich "ins Blaue hinein" vorgetragen, dass die Empfängerin die streitgegenständlichen Pakete im Zustellcenter in Diegem abgeholt habe. Dem Beweisantritt der Beklagten "Zeugnis des Geschäftsführers der Empfängerin" habe daher nicht nachgegangen werden müssen.
Der von der Beklagten erhobene Mitverschuldenseinwand wegen Unterlassens einer Wertdeklaration greife nicht durch, da sich das in Rede stehende Unterlassen im Streitfall nicht schadensursächlich ausgewirkt habe.
II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Anlieferung von 47 der aus insgesamt 48 Paketen bestehenden Sendung bei der Schwestergesellschaft der Beklagten in Diegem/ Belgien habe keine haftungsbefreiende Ablieferung des Gutes an die bestimmungsgemäße Empfängerin gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR dargestellt.
a)
Die bloße Ankunft des Gutes am Bestimmungsort führt nicht ohne weiteres zu einer Ablieferung i.S. von Art. 17 Abs. 1 CMR. Dafür ist vielmehr grundsätzlich erforderlich, dass der Frachtführer den Gewahrsam über das beförderte Gut aufgibt und den Empfänger mit dessen Willen und Einverständnis in die Lage versetzt, die tatsächliche Sachherrschaft über das Gut auszuüben (Koller, Transportrecht, 6. Aufl., Art. 17 CMR Rdn. 6; Thume/Thume, Kommentar zur CMR, 2. Aufl., Art. 17 Rdn. 21). Das Gut muss an den nach dem Frachtvertrag verfügungsberechtigten (Art. 12, 13 CMR) Empfänger - das war hier die in den elektronisch hergestellten Frachtpapieren benannte "A. E. S.P.R.L." -abgeliefert werden (, VersR 1979, 1154; Urt. v. - I ZR 49/98, TranspR 2000, 409, 411 = VersR 2001, 261).
b)
Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es ist im Wege einer tatrichterlichen Auslegung der zwischen der Versenderin und der Beklagten getroffenen Vereinbarungen zu der Annahme gelangt, dass die Beklagte ihre Ablieferungsverpflichtung aus dem mit der Versenderin geschlossenen Frachtvertrag nicht schon durch die Übergabe des Gutes an ihre belgische Schwestergesellschaft in Diegem erfüllt hat. Das Berufungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beklagte aufgrund des Hinweises in den Frachtpapieren, dass die Empfängerin telefonisch zu kontaktieren sei, verpflichtet war, die Empfängerin von der Ankunft des Gutes im Lager in Diegem in Kenntnis zu setzen. Dementsprechend konnte eine haftungsbefreiende Ablieferung der Ware frühestens mit einer Benachrichtigung der Empfängerin eintreten. Denn erst dadurch wurde diese in die Lage versetzt, von der Ankunft des Gutes in Belgien zu erfahren und es entgegenzunehmen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass sie die Empfängerin von der Ankunft der Sendung im Lager ihrer Schwestergesellschaft in Diegem in Kenntnis gesetzt hat. Des Weiteren hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte aufgrund des Umstands, dass in den elektronisch hergestellten Frachtpapieren als Ablieferungsstelle die Anschrift ihrer belgischen Schwestergesellschaft angegeben war, nicht davon ausgehen konnte, die Empfängerin sei bereit gewesen, das von ihr nicht steuerbare Risiko eines Warenverlusts im Lager von UPS Belgien vor Benachrichtigung vom Wareneingang zu tragen. Die Absenderin habe - so das Berufungsgericht - mit dem Benachrichtigungshinweis in den Frachtpapieren deutlich gemacht, dass die bloße Anlieferung des Gutes in Diegem noch nicht zu einer haftungsbefreienden Ablieferung i.S. von Art. 17 Abs. 1 CMR führen würde, sondern dass die Ware dort bis zu ihrer Abholung habe gelagert werden sollen.
c)
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Die Revision macht demgegenüber vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe bei seinen Feststellungen wesentlichen Vortrag der Beklagten unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG unberücksichtigt gelassen.
aa)
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe bei seiner Auslegung der zwischen der Versenderin und der Beklagten getroffenen Vereinbarungen den Inhalt des Schreibens der Versenderin vom (Anl. K 9) an die Beklagte, in dem unter anderem darauf hingewiesen werde, dass die Ware im UPS-Center in Diegem zur Abholung durch den Kunden habe bereitgestellt werden sollen, außer Acht gelassen. Des Weiteren habe die Beklagte vorgetragen, es treffe nicht zu, dass die Telefonnummer der Empfängerin in den Frachtpapieren angegeben worden sei, um die Ablieferung abzusprechen. In den Frachtpapieren sei auch in der Rubrik "Versender" eine Telefonnummer (der Versenderin) genannt. Die Parteiangaben seien offensichtlich bei der Erstellung der im EDI-Verfahren elektronisch erzeugten Frachtpapiere automatisch um die jeweiligen Telefonnummern ergänzt worden, um der Beklagten nicht nur schriftliche, sondern auch telefonische Kommunikation zu ermöglichen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte (oder ihre belgische Schwestergesellschaft) insoweit die Verpflichtung übernommen habe, die Empfängerin telefonisch über den Eingang des Gutes zu informieren, könnten der Angabe der Telefonnummer ersichtlich nicht entnommen werden. Die Beklagte habe zudem geltend gemacht, dass die Übernahme einer derartigen Nebenpflicht für sie zu keiner Zeit in Betracht gekommen wäre.
bb)
Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Das Berufungsgericht hat sich insbesondere ausdrücklich mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass in den elektronisch hergestellten Frachtpapieren die Anschrift des Zustellcenters von UPS Belgien als Ablieferungsadresse genannt ist. Ebenso hat sich das Berufungsgericht mit der Angabe der Telefonnummer in den Frachtpapieren befasst und ist dabei im Wege tatrichterlicher Würdigung zu seiner Annahme gelangt, dass die Versenderin mit dem Hinweis auf eine Kontaktaufnahme zur Empfängerin verdeutlicht habe, dass die Anlieferung des Gutes bei dem belgischen Schwesterunternehmen der Beklagten noch keine haftungsbefreiende Ablieferung darstellen sollte. Das Berufungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass sich weder aus dem Vortrag der Beklagten noch aus den Umständen ihrer Beauftragung Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, die Empfängerin sei bereit gewesen, das von ihr nicht beherrschbare Risiko eines Warenverlustes im Lager der Schwestergesellschaft der Beklagten in Belgien zu übernehmen. Die Revision zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht dabei entgegenstehenden Tatsachenvortrag der Beklagten unberücksichtigt gelassen hat. Es hat den von der Revision angeführten Umständen lediglich eine andere Bedeutung als die Revision beigemessen. Hierin liegt kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass dem Berufungsgericht bei seiner tatrichterlichen Würdigung der Sachverhaltsumstände Rechtsfehler unterlaufen sind.
Entgegen der Auffassung der Revision kann auch nicht angenommen werden, dass die Empfängerin (zumindest stillschweigend) mit der Ablieferung des Gutes im Zustellcenter in Diegem/Belgien einverstanden war. Die von der Revision angeführten Umstände reichen dafür nicht aus.
2.
Mit Erfolg wendet sich die Revision aber dagegen, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten, die Pakete seien von der rechtmäßigen Empfängerin bei ihrem Schwesterunternehmen in Diegem/Belgien abgeholt worden, mangels hinreichender Substantiierung bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat.
a)
Das Berufungsgericht hat angenommen, die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, dass die von ihr beförderten Pakete tatsächlich der Empfängerin ausgehändigt oder jedenfalls zur Übernahme angedient worden seien. Sie habe mit ihrer Klageerwiderung lediglich gänzlich unsubstantiiert vorgetragen, dass die Pakete "im folgenden durch die Empfängerin dort abgeholt worden seien; die Empfängerin habe die Pakete erhalten". Dieser Vortrag sei offenkundig "ins Blaue hinein" erfolgt, da er keinerlei Angaben enthalte, wann und zwischen welchen Personen die Übernahme stattgefunden habe. Die Beklagte habe auch keinerlei Empfangsbestätigungen vorgelegt. Bei dieser Sachlage stelle der Beweisantritt "Zeugnis des Geschäftsführers der Empfängerin" einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar, dem nicht nachzugehen sei. Hierauf sei die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am ausdrücklich hingewiesen worden.
b)
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, der in Rede stehende Beweisantritt der Beklagten habe nicht berücksichtigt werden müssen, ist rechtsfehlerhaft, weil sie die Beklagte in ihrem Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
aa)
Die Vorschrift des Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht soll sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (vgl. BVerfGE 50, 32, 35 ; 60, 247, 249) . Die Nichtberücksichtigung eines solchen Beweisangebots verstößt daher dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerfGE 69, 141, 144 ; , [...] Tz. 21).
bb)
Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet. Die Nichterhebung des von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweises durch das Berufungsgericht findet im Prozessrecht keine Stütze.
(1)
Einem Beweisantritt braucht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings dann nicht nachgegangen zu werden, wenn die beweisbelastete Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt hat. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist jedoch große Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte rechtfertigen können (, [...] Tz. 26; , NJW 1995, 2111, 2112). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts konnte der Beweisantritt der Beklagten aus diesem Grund nicht unbeachtet bleiben. Die Revision macht mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die Substantiierungslast der darlegungspflichtigen Beklagten gestellt hat.
Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Unerheblich ist dabei, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (, NJW 2009, 2137 Tz. 4 m.w.N.). Es ist dann Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen (, NJW-RR 2007, 1409 Tz. 8).
Diesen Anforderungen an die Substantiierungslast genügt das Vorbringen der Beklagten, die Empfängerin habe das Gut bei ihrer Schwestergesellschaft in Diegem abgeholt. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung dargelegt, aus welchen Gründen die Zustellinformationen nicht die Übergabe des Gutes an die Empfängerin, sondern die Ablieferung im UPS-Center in Diegem dokumentieren. Sie hat dazu vorgetragen, die unterlassene Dokumentation der Übergabe der Pakete an die Empfängerin sei auf die Vorgehensweise der Versenderin zurückzuführen. Diese habe es vorgezogen, die Anschrift des belgischen UPS-Centers als Lieferanschrift zu wählen. Dementsprechend sei die Zustellung dort vorgenommen und dokumentiert worden. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte ihre Behauptung, die Empfängerin habe die Ware im UPS-Center in Diegem abgeholt, "offenkundig ins Blaue hinein" aufgestellt hat. Die Revision macht in diesem Zusammenhang auch mit Recht geltend, dass schon das Landgericht darauf hingewiesen hat, dass es unverständlich erscheint, dass erst Monate nach der erwarteten Lieferung ein Verlust reklamiert wurde, obwohl es sich um eine Sendung von ganz erheblichem Wert gehandelt und die Empfängerin Vorkasse geleistet hatte. Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht den Beweisantritt der Beklagten nicht übergehen.
(2)
Von der Erhebung zulässiger und rechtzeitig angetretener Beweise darf der Richter nur dann absehen, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache bereits erwiesen ist. Bei der Zurückweisung eines Beweismittels als ungeeignet ist größte Zurückhaltung geboten. Es muss jede Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass der übergangene Beweisantrag Sachdienliches ergeben könnte (BVerfG NJW 1993, 254, 255 ; , NJW 2004, 767, 769; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., Vor § 284 Rdn. 10a). Das Berufungsgericht konnte nicht davon ausgehen, dass der Geschäftsführer der Empfängerin keinerlei sachdienliche Angaben zu der Frage machen kann, ob das Gut der Empfängerin übergeben worden ist.
III.
Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt ein Mitverschulden der Versenderin wegen Unterlassens eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens in Betracht, das sich die Klägerinnen zurechnen lassen müssen. Die Gefahr eines besonders hohen Schadens ist nach der Rechtsprechung des Senats bei massenhafter Versendung von Paketen im Allgemeinen anzunehmen, wenn der Wert des einzelnen Pakets (vgl. , TranspR 2007, 412, 414) 5.000 EUR, das heißt etwa den zehnfachen Betrag der Haftungshöchstgrenze gemäß Nr. 9.2 der Beförderungsbedingungen übersteigt, die die Beklagte ihren Beförderungsleistungen zugrunde legt (, TranspR 2006, 210, 211; Urt. v. - I ZR 175/05, TranspR 2007, 414 Tz. 25). Ausweislich des Schreibens der Versenderin vom (Anl. K 9) befanden sich in drei Paketen Waren im Wert von 44.891,17 EUR, so dass von einem Warenwert in Höhe von 14.963,72 EUR pro Paket auszugehen ist. In zwei weiteren Paketen befanden sich Waren im Wert von 133.242,70 EUR, so dass von einem Warenwert in Höhe von 66.621,85 EUR pro Paket auszugehen ist.
Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn der Frachtführer trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte (, TranspR 2006, 208, 209; Urt. v. - I ZR 118/06, TranspR 2008, 362, 364). Trägt der Anspruchsteller hierzu nichts vor, ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Frachtführer bei einem Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des Transportgutes entweder besondere Sicherungsmaßnahmen ergriffen oder den Transportauftrag abgelehnt hätte. Bei einem entsprechenden Sachvortrag des Anspruchstellers zur fehlenden Ursächlichkeit der unterlassenen Wertangabe obliegt es nach den allgemeinen Grundsätzen allerdings dem Frachtführer, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der unterlassene Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes für den entstandenen Schaden zumindest mitursächlich war (, TranspR 2008, 394 Tz. 20). Die Parteien haben im wiedereröffneten Berufungsverfahren Gelegenheit, hierzu ergänzend vorzutragen.
Hinweise:
Verkündet am:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAD-28034
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein