Leitsatz
[1] 1. Versorgungsordnungen mit einer "gespaltenen Rentenformel" sind durch die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze um 500,00 Euro im Jahre 2003 nach § 275c SGB VI regelmäßig lückenhaft geworden und entsprechend dem ursprünglichen Regelungsplan zu ergänzen.
2. Danach berechnet sich die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der außerplanmäßigen Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Von dieser Rente ist sodann der Betrag in Abzug zu bringen, um den sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat.
Gesetze: BGB § 133; BGB § 157; SGB VI § 159; SGB VI § 160; SGB VI § 275c
Instanzenzug: LAG Düsseldorf, 9 Sa 1142/07 vom ArbG Krefeld, 2 Ca 143/07 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente und in diesem Zusammenhang über die Auswirkungen der "außerplanmäßigen" Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) zum .
Der am geborene Kläger war vom bis zum bei der Beklagten in Führungspositionen beschäftigt. Seine monatliche Vergütung betrug zuletzt 6.230,00 Euro brutto. Seit dem bezieht er gesetzliche Altersrente für langjährig Versicherte und von der Beklagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung iHv. monatlich 634,00 Euro brutto.
Sein Betriebsrentenanspruch basiert auf der zum in Kraft getretenen Versorgungsordnung für die Unternehmen der P-Gruppe (VO). In deren Präambel heißt es ua.:
"... Betriebliche Versorgungsleistungen sollen die Basisversorgung aus der Sozialversicherung ergänzen und unter Berücksichtigung einer angemessenen Eigenvorsorge dem ausgeschiedenen Mitarbeiter die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards ermöglichen.
... Die Bestimmungsgrößen für die Höhe der Versorgungsleistungen aus dieser Versorgungsordnung sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Arbeitsentgelt.
Damit werden Betriebstreue und Leistung in der Beder Versorgungsleistung berücksichtigt. Bei der Ermittlung der Höhe der betrieblichen Versorgungsleistungen war die Beitragsbemessungsgrenze aus der Sozialversicherung einzubeziehen, um dem unterschiedlichen Versorgungsbedarf bei Lohn- und Gehaltsteilen oberhalb und unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze Rechnung zu tragen."
Die VO und die ihr beigefügten Erläuterungen (Erl.) lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 6 Allgemeine Berechnungsgrundlagen
1. Der Berechnung der Versorgungsleistungen werden das letzte monatliche Gehalt bzw. Arbeitsentgelt gemäß § 5 zugrunde gelegt.
2. Der Durchschnitt der monatlichen Bezüge der letzten 48 Monate der Betriebszugehörigkeit sowie die entsprechend errechnete Beitragsbemessungsgrenze dienen dann als Berechnungsgrundlage, wenn sich danach höhere Versorgungsleistungen ergeben.
§ 8 Höhe der Altersversorgung
1. Die monatliche Versorgungsleistung errechnet sich nach den Jahren der Betriebszugehörigkeit (§ 4) und den anrechenbaren Bezügen (§ 5).
2. Die monatliche Versorgungsleistung beträgt bei Bezügen
bis 70 % der Beitragsbe- DM 7,-- pro Jahr der Bemessungsgrenze triebszugehörigkeit (§ 4)
bis 80 % der Beitragsbe- DM 8,-- pro Jahr der Bemessungsgrenze triebszugehörigkeit (§ 4)
bis 90 % der Beitragsbe- DM 9,-- pro Jahr der Bemessungsgrenze triebszugehörigkeit (§ 4)
bis 100 % der Beitragsbe- DM 10,-- pro Jahr der Bemessungsgrenze triebszugehörigkeit (§ 4)
Es gilt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bei Eintritt des Versorgungsfalles bzw. die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrenze gemäß § 6 Abs. 2.
Für anrechnungsfähige Bezüge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze erhöhen sich die monatlichen Versorgungsleistungen um 1,5 % dieses Teils der Bezüge pro Jahr der Betriebszugehörigkeit (§ 4).
...
§ 17 Leistungsvorbehalte
Das Unternehmen behält sich vor, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn
...
d) eine grundsätzliche Änderung des Sozialversicherungsgesetzes eintritt, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung der Beitragsbemessungsgrenze ...
...
Erl. zu § 6 (2)
Die Höhe der Versorgungsleistungen ist abhängig vom Gehalt und von der Beitragsbemessungsgrenze (siehe § 8). Monatliche Bezüge und Beitragsbemessungsgrenze können sich unterschiedlich entwickeln. Um grobe Unbilligkeiten bei einer starken Divergenz zwischen Entwicklung der Bezüge und der Beitragsbemessungsgrenze zu vermeiden, kommt die Durchschnittsrechnung dann zum Tragen, wenn sich hieraus höhere Versorgungsleistungen ergeben.
Erl. zu § 8 (1)
Die Bemessungsgrundlagen der Versorgungsleistungen sind zum einen die Bezüge und zum anderen die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Bezüge sollen dem Leistungsprinzip, die Betriebszugehörigkeit soll der Dauer der für das Unternehmen erbrachten Leistungen Rechnung tragen.
Erl. zu § 8 (2)
Für die Bezüge unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze ist aus Vereinfachungsgründen eine Gruppierung vorgesehen.
Bei Arbeitnehmern, deren Bezüge die Beitragsbemessungsgrenze übersteigen, besteht ein erhöhter Versorgungsbedarf, da dieser Teil der Bezüge nicht mehr durch die Sozialversicherungsrente abgedeckt ist. Aus diesem Grund sieht die Versorgungsordnung für den die Beitragsbemessungsgrenze übersteigenden Teil einen Zuschlag vor. Dieser Teil ist unmittelbar gehaltsabhängig.
Aus dem Zusammenwirken von Festbetrag und gehaltsabhängigem Zuschlag ergibt sich eine abgeschwächte Dynamisierung."
§ 3 Abs. 1 Ziff. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003) vom (BGBl. I 2002 S. 4561) hatte die BBG in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 zunächst auf 55.200,00 Euro jährlich und 4.600,00 Euro monatlich festgesetzt.
Sodann wurde durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz - BSSichG) vom (BGBl. I 2002 S. 4637) § 275c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum in Kraft und legte die BBG in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 61.200,00 Euro jährlich und 5.100,00 Euro monatlich fest. Zudem wurden durch § 275c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der BBG des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der BBG des Jahres 2003 im Ergebnis auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der BBG durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt.
So wurde die BBG in der allgemeinen Rentenversicherung nach § 3 Abs. 1 Ziff. 1 der wiederum nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2006 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2006) vom (BGBl. I 2005 S. 3627) für das Jahr 2006 auf 63.000,00 Euro jährlich und 5.250,00 Euro monatlich festgesetzt. Infolge der "außerplanmäßigen" Erhöhung der BBG für das Jahr 2003 und der daraus resultierenden erhöhten Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung hat sich die gesetzliche Altersrente des Klägers um monatlich 18,05 Euro erhöht.
Der Kläger hat mit seiner Klage zuletzt eine Erhöhung seiner Betriebsrente um 263,92 Euro brutto monatlich für die Zeit vom bis verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihm eine Betriebsrente in der Höhe zahlen, wie sie sich ohne die "außerordentliche" Anhebung der BBG im Jahre 2003 errechne. Die Beklagte habe ein Gesamtversorgungsniveau von 80 - 90 % des letzten Nettoeinkommens gewähren und insbesondere der Versorgungslücke im Einkommensbereich oberhalb der BBG Rechnung tragen wollen. Der Anspruch folge auch aus einer Störung der Geschäftsgrundlage. Die vom Gesetzgeber planwidrig nur zur Sanierung der Rentenkassen beschlossene außerordentliche Erhöhung der BBG habe in erheblichem Maße in das Gesamtgefüge der Versorgungsregelung eingegriffen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.014,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 263,92 Euro für jeden Monat, beginnend mit dem und endend mit dem zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat den Standpunkt eingenommen, der geltend gemachte Anspruch könne weder auf eine Auslegung, noch auf eine ergänzende Auslegung der VO gestützt werden. Der Wortlaut der VO sei eindeutig. Er gebe für die Zugrundelegung einer fiktiven BBG nichts her. Für eine ergänzende Vertragsauslegung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Die VO enthalte keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die nach ihr zugrunde zu legende BBG entsprechend § 159 SGB VI nach der Entwicklung der Löhne und Gehälter richten solle. Sie stelle allein auf die BBG, nicht jedoch auf die Art und Weise ihrer Ermittlung ab. Gegebenenfalls unterschiedliche Entwicklungen der BBG habe der Vorstand der Muttergesellschaft durch die in den § 6 Abs. 2 und § 17 Buchst. d VO enthaltenen Regelungen berücksichtigt. Selbst bei Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke bestehe der Anspruch des Klägers nicht, da keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen mutmaßlichen Parteiwillen bestünden. Die Geschäftsgrundlage sei nicht gestört.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr überwiegend stattgegeben. Es hat bei der Berechnung der Betriebsrente die außerordentliche Anhebung der BBG unberücksichtigt gelassen. Sodann hat es die gesetzliche Altersrente des Klägers insoweit in Abzug gebracht, als diese sich infolge der "außerplanmäßigen" Anhebung der BBG erhöht hatte. Ebenso abgezogen hat es die Hälfte der von der Beklagen zusätzlich aufgebrachten Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung. Mit ihren Revisionen verfolgen die Parteien ihr jeweiliges Begehren weiter.
Gründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet, die zulässige Revision des Klägers hingegen teilweise begründet. Die zulässige Klage ist iHv. 4.215,53 Euro zuzüglich Zinsen begründet.
A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Dies gilt in der gebotenen Auslegung auch für den Zinsantrag. Da der Kläger monatliche Differenzbeträge iHv. jeweils 263,92 Euro für die Zeit vom bis verlangt und den Beginn des Zinszeitraums im Antrag ausdrücklich auf den 1. des Folgemonats, also den bestimmt hat, ist der Antrag dahin auszulegen, dass der Kläger Zinsen aus jeweils 263,92 Euro für jeden Monat, beginnend mit dem , mit dem ersten Tag der jeweiligen Folgemonate und zuletzt beginnend mit dem geltend macht. Dementsprechend war das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt aus Gründen der Klarstellung neu zu fassen.
B. Die Klage ist überwiegend begründet. Der Kläger hat Anspruch auf eine um 221,87 Euro brutto höhere monatliche Betriebsrente. Durch die außerordentliche Anhebung der BBG aufgrund § 275c SGB VI im Jahre 2003 ist die VO planwidrig lückenhaft geworden. Diese Lücke ist durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Für die Berechnung der Betriebsrente des Klägers ist von einer BBG iHv. 4.750,00 Euro auszugehen. Sodann ist der Betrag in Abzug zu bringen, um den sich seine gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat. Dies sind 18,05 Euro pro Monat. Weitere Kürzungen darf die Beklagte nicht vornehmen.
I. Bei wortgetreuer Auslegung und Anwendung der VO wäre von einer BBG iHv. monatlich 5.250,00 Euro auszugehen. Dann hätte die Beklagte die Betriebsrente des Klägers richtig berechnet.
Nach § 8 Abs. 1 VO errechnet sich die monatliche Versorgungsleistung nach den Jahren der Betriebszugehörigkeit (§ 4) und den anrechenbaren Bezügen (§ 5). Für diese bestimmt § 8 Abs. 2 VO, dass die monatliche Versorgungsleistung bei Bezügen bis 100 % der BBG 10,00 DM (= 5,11 Euro) pro Jahr der Betriebszugehörigkeit (§ 4) beträgt und dass sich die monatlichen Versorgungsleistungen für anrechnungsfähige Bezüge oberhalb der BBG um 1,5 % dieses Teils der Bezüge pro Jahr der Betriebszugehörigkeit (§ 4) erhöhen. Da nach § 8 Abs. 2 VO die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bei Eintritt des Versorgungsfalles gilt, käme es bei wörtlicher Auslegung und Anwendung der VO für den Betriebsrentenanspruch des Klägers, der mit Ablauf des aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist und seit dem gesetzliche Altersrente für langjährig Versicherte bezieht, auf die BBG im Jahre 2006 an. Nach § 3 Abs. 1 Ziff. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2006 wäre mithin von einer BBG iHv. monatlich 5.250,00 Euro auszugehen.
Auf dieser Grundlage hätte der Kläger Anspruch auf eine Betriebsrente iHv. insgesamt 633,92 Euro, dh. den Betrag, den die Beklagte - aufgerundet - an den Kläger auszahlt. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt: Nach § 8 Abs. 2 Unterabs. 1 VO stehen dem Kläger zunächst monatlich 163,52 Euro (32 Jahre Betriebszugehörigkeit x 5,11 Euro) zu. Der Zusatzbetrag nach § 8 Abs. 2 Unterabs. 3 VO beläuft sich auf 6.230,00 Euro (Monatsvergütung des Klägers) abzüglich 5.250,00 Euro (BBG 2006) = 980,00 Euro x 1,5 % = 14,70 Euro x 32 = 470,40 Euro. Dies ergibt einen Gesamtbetrag iHv. 633,92 Euro pro Monat.
II. Die VO ist jedoch ergänzend auszulegen.
1. Das Landesarbeitsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend von einer BBG iHv. 4.750,00 Euro ausgegangen. Dieser Betrag ergibt sich, wenn von der in der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2006 für das Jahr 2006 festgesetzten monatlichen BBG iHv. 5.250,00 Euro der Betrag von 500,00 Euro in Abzug gebracht wird. Dies ist der Betrag, um den die BBG durch § 275c SGB VI im Jahre 2003 außerordentlich angehoben wurde. Es hat zudem zu Recht den Betrag in Abzug gebracht, um den sich die gesetzliche Rente des Klägers infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat. Die weiteren Abzüge sind jedoch zu Unrecht erfolgt.
2. Es handelt sich bei der VO um eine Gesamtzusage und damit um eine für eine Vielzahl von Fällen geschaffene und folglich typische Regelung, die vom Senat unbeschränkt selbst ausgelegt (§§ 133, 157 BGB) werden kann (vgl. - zu I 2 a aa der Gründe, AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 11 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 80). Dies gilt auch für die ergänzende Auslegung.
Da die ergänzende Vertragsauslegung den Zweck hat, Lücken in der rechtsgeschäftlichen Regelung zu schließen, muss der Vertrag zunächst eine "planwidrige Regelungslücke" aufweisen (vgl. - Rn. 25 mwN). Dabei ist gleichgültig, ob diese Lücke von Anfang an bestanden hat oder erst nachträglich entstanden ist ( - NJW 1981, 219, 220). Eine planwidrige Unvollständigkeit liegt dann vor, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (vgl. - Rn. 26; - zu II 6 der Gründe, BGHZ 170, 311). Lässt sich eine planwidrige Unvollständigkeit feststellen, so ist diese durch eine angemessene Regelung zu ergänzen. Abzustellen ist darauf, was die Parteien bei einer Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten; dabei ist der Vertragsinhalt Stütze und Richtlinie ( - zu 3 der Gründe, BGHZ 111, 110).
3. Infolge der außerordentlichen Anhebung der BBG im Jahre 2003 durch § 275c SGB VI ist die VO planwidrig unvollständig geworden.
a) § 8 VO sieht für Teile des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der BBG höhere Prozentsätze vor als für Teile des versorgungsfähigen Einkommens bis zur BBG; die Bestimmung enthält eine "gespaltene" Rentenformel. Sinn und Zweck einer solchen Rentenformel ist es, den im Einkommensbereich über der BBG bestehenden erhöhten Versorgungsbedarf über die hierfür vorgesehene höhere Leistung abzudecken, da dieser Teil der Bezüge nicht durch die gesetzliche Altersrente abgesichert ist (vgl. Schoden BetrAV 2003, 434; Kemper BetrAV 2003, 431). Für die streitgegenständliche VO wird dies durch die Formulierung in der Präambel: "Bei der Ermittlung der Höhe der betrieblichen Versorgungsleistungen war die Beitragsbemessungsgrenze aus der Sozialversicherung einzubeziehen, um dem unterschiedlichen Versorgungsbedarf bei Lohn- und Gehaltsteilen oberhalb und unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze Rechnung zu tragen", ausdrücklich bestätigt. Auch die Erläuterungen zu § 8 Abs. 2 VO sprechen ausdrücklich von einem erhöhten Versorgungsbedarf der Arbeitnehmer, deren Bezüge die BBG übersteigen, da dieser Teil der Bezüge nicht mehr durch die Sozialversicherungsrente abgedeckt ist.
Obgleich die Versorgungszusage nicht ausdrücklich auf § 159 SGB VI und auch nicht auf § 160 SGB VI verweist, ist durch das Abstellen auf die "Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung" zugleich die Anpassungsregel des § 159 SGB VI in Bezug genommen worden. Der Begriff der Beitragsbemessungsgrundlage, wie er in Versorgungsordnungen allgemein verwendet wird, ist mit dem Prinzip der Anhebung der BBG entsprechend der tatsächlichen durchschnittlichen Lohn- und Gehaltsentwicklung nach § 159 SGB VI verbunden. Dieses Prinzip, wonach die BBG in der allgemeinen Rentenversicherung sich zum 1. Januar eines jeden Jahres in dem Verhältnis ändert, in dem die Bruttolöhne und -gehälter je durchschnittlich beschäftigtem Arbeitnehmer im vergangenen zu den entsprechenden Bruttolöhnen und -gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen, hat eine lange Tradition. Auch die früher geltenden Bestimmungen des § 1385 Abs. 2 RVO und § 112 Abs. 2 AVG sahen eine Anhebung entsprechend den durchschnittlichen Lohn- und Gehaltssteigerungen vor. § 159 SGB VI, der die BBG in der allgemeinen Rentenversicherung regelt, hat dieses Grundprinzip, dass die Entwicklung der durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelte für die Fortschreibung der BBG entscheidend ist, beibehalten. Jedenfalls seit dem folgte die Anpassung der BBG stets und allein diesem Prinzip (Schoden BetrAV 2003, 434).
b) Durch die "außerordentliche" Anhebung der BBG im Jahre 2003 aufgrund § 275c SGB VI ist der Regelungsplan der Versorgungszusage nicht mehr zu erreichen.
Mit § 275c SGB VI ist der Gesetzgeber von der bisherigen Anpassungsregel des § 159 SGB VI und auch von dem in § 160 SGB VI vorgesehenen Verfahren abgewichen. Er hat die Berechnungsgrundlagen des § 159 SGB VI verlassen. Vielmehr hat er in dem neu geschaffenen § 275c SGB VI eine im Wesentlichen an anderen Kriterien als denen des § 159 SGB VI ausgerichtete "Anpassung" vorgenommen, nämlich eine Erhöhung um ein Vielfaches der "normalen" Erhöhungsrate (vgl. Schoden BetrAV 2003, 434). § 275c SGB VI war Teil eines Maßnahmepakets zur Stabilisierung der Beitragssätze (§ 158 SGB VI) im Jahre 2003 (vgl. Schmidt in Kreikebohm SGB VI 3. Aufl. § 275c Rn. 2). Ziel der Vorschrift war es, über eine höhere Beitragseinnahme eine Dämpfung des Anstiegs der Beitragssätze zu erreichen (BT-Drucks. 15/28 vom S. 1 und 2; Höfer BetrAVG Stand September 2003 ART Rn. 501; Kemper BetrAV 2003, 431).
Die außerordentliche Erhöhung der BBG im Jahre 2003 folgt nicht nur nicht der bisherigen Systematik bei der Dynamisierung der BBG, sie führt zudem dazu, dass das Versorgungsziel verfehlt wird: Die Einkommensbestandteile, die über dem allgemeinen Anstieg der Gehälter liegen, werden nur mit einem niedrigeren Versorgungsprozentsatz verpunktet. Dies führt zu erheblichen Versorgungseinbußen, solange den Beitragszeiten noch keine entsprechende Verbesserung der gesetzlichen Rente gegenübersteht. Dies macht auch der vorliegende Fall deutlich: Auf der Grundlage einer BBG für das Jahr 2006 iHv. 5.250,00 Euro hätte der Kläger Anspruch auf eine Betriebsrente iHv. insgesamt 633,92 Euro, ohne Berücksichtigung der außerordentlichen Anhebung der BBG im Jahre 2003 beläuft sich sein Betriebsrentenanspruch auf 873,92 Euro pro Monat. Der sich hieraus ergebenden Differenz iHv. 240,00 Euro steht lediglich eine Erhöhung der Betriebsrente infolge höherer Beitragszahlungen iHv. 18,05 Euro gegenüber.
c) Der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke steht nicht § 6 Abs. 2 VO entgegen. Auch diese Bestimmung der VO baut auf dem Prinzip der Anhebung der BBG entsprechend der tatsächlichen durchschnittlichen Lohn- und Gehaltsentwicklung auf und soll innerhalb dieses Prinzips - wie die Erläuterung zu § 6 Abs. 2 VO zeigt - grobe Unbilligkeiten bei einer starken Divergenz zwischen der Entwicklung der Bezüge und der BBG vermeiden.
Dass die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO nach den gesetzlichen Vorschriften maßgebliche Art und Weise der Anhebung der BBG Teil des Regelungsplans des Versorgungssystems und damit auch des § 6 Abs. 2 VO war, macht im Übrigen auch die in § 17 Buchst. d VO getroffene Regelung deutlich. Danach behält sich das Unternehmen vor, "die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn ... eine grundsätzliche Änderung des Sozialversicherungsgesetzes eintritt, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung der Beitragsbemessungsgrenze". Damit wurde die Möglichkeit rechtlicher und damit auch grundsätzlicher Änderungen im Hinblick auf die Ermittlung der BBG erkannt und klargestellt, dass diese grundsätzlichen Veränderungen kein Anwendungsfall des § 6 Abs. 2 VO sein sollen.
Soweit die Beklagte einwendet, bei einem auf lange Dauer angelegten Versorgungssystem könne nicht jede Änderung der Grundsätze zur Ermittlung der BBG zu einer Regelungslücke führen, ist dies im Ausgangspunkt richtig. Unzutreffend ist jedoch die Annahme der Beklagten, die "außerplanmäßige, abrupte" Anhebung der BBG sei eine unbedeutende Justierung gewesen. Es handelt sich vielmehr - wie unter B. II. 3. b) ausgeführt - um eine systemwidrige Maßnahme aus einem besonderen Grund: Erreicht werden sollte eine Dämpfung des Anstiegs der Beitragssätze (BT-Drucks. 15/28 S. 1 und 2). Im Gegensatz dazu beinhalteten die von der Beklagten angeführten Änderungen Maßnahmen, die sich im bisherigen System der Ermittlung der BBG bewegten und abgesehen davon insbesondere lediglich Rundungsfaktoren und die Definition von Löhnen und Gehältern betrafen. Derartige Ungenauigkeiten sind nach § 6 Abs. 2 VO mit der nach dieser Bestimmung möglichen Durchschnittsberechnung aufzufangen.
Ebenso wenig steht der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke entgegen, dass der Gesetzgeber selbst diese Anhebung der BBG als maßvoll bezeichnet hat (vgl. BT-Drucks. 15/28 S. 13). Entscheidend ist allein, ob ohne eine ergänzende Regelung der der VO zugrunde liegende Regelungsplan zu verwirklichen wäre, also ohne Vervollständigung der Versorgungszusage eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre. Hierfür spielt nur die tatsächliche Auswirkung der gesetzlichen Maßnahme eine Rolle.
4. Die durch die "außerordentliche" Anhebung der BBG in der VO entstandene Regelungslücke ist durch eine angemessene Regelung zu ergänzen. Bei der Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass es sich bei der VO um eine Gesamtzusage und damit um eine für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen geschaffene Regelung handelt.
a) Bei Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben hätten Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Regelung getroffen, nach der die "außerordentliche, abrupte" Anhebung der BBG zum bei der Berechnung der Betriebsrente gem. § 8 Abs. 2 VO unberücksichtigt bleibt und sich lediglich die weiterhin entsprechend der Einkommensentwicklung gem. § 159 SGB VI vorgenommenen Erhöhungen der BBG auswirken. Eine derartige Regelung ist am besten geeignet, den der VO zugrunde liegenden Regelungsplan - auch im Hinblick auf das angestrebte Gesamtversorgungsniveau - zu verwirklichen und das Regelungsziel zu erreichen.
b) Von der so ermittelten monatlichen Betriebsrente ist jedoch stets der Betrag in Abzug zu bringen, um den sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht. Dies sind im Falle des Klägers 18,05 Euro pro Monat.
Durch die Anhebung der BBG ist bei den Versorgungsanwärtern, deren Einkommen oberhalb der BBG liegt, ein höherer Einkommensanteil in der gesetzlichen Rentenversicherung zu verbeitragen. Dies führt zum einen zu einer erhöhten Beitragslast der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Infolgedessen erhöht sich auch die gesetzliche Altersrente. Bei Abwägung ihrer Interessen hätten Arbeitnehmer und Arbeitgeber indes keine ergänzende Regelung geschaffen, die die Arbeitnehmer im Hinblick auf die zu erreichende Gesamtversorgung besser gestellt hätte als sie ohne die "außerordentliche" Anhebung der BBG gestanden hätten. Erforderlich ist deshalb die Ergänzung der VO um eine Regelung, die diesem Anliegen Rechnung trägt. Der Anteil der gesetzlichen Altersrente, um den diese sich durch die außerordentliche Anhebung der BBG erhöht hat, ist daher von der ermittelten Betriebsrente des Klägers abzuziehen. Auch dies hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt.
c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fordert die Schließung der im Jahre 2003 durch § 275c SGB VI entstandenen Regelungslücke keine weiteren Abzüge von der Betriebsrente, insbesondere nicht den ganzen oder teilweisen Abzug der von der Beklagten zusätzlich aufgebrachten Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung. Die Verpflichtung der Beklagten, einen höheren Arbeitgeberanteil zu leisten, folgt aus der gesetzlichen Vorschrift des § 174 Abs. 1 SGB VI iVm. §§ 28d, 28e SGB VI. Diese Beitragslast hat mit dem Versorgungssystem der VO nur mittelbar zu tun. Ihr Abzug von der Betriebsrente würde zu einer unangemessenen Doppelbelastung der Versorgungsempfänger führen. Diese wären dann nämlich zusätzlich zu den von ihnen ohnehin zu tragenden erhöhten Arbeitnehmeranteilen zur Rentenversicherung mittelbar zur Finanzierung einer Leistung verpflichtet, die ihnen wegen der Verringerung der Betriebsrente um die erhöhte gesetzliche Altersrente gar nicht zugute kommt. Unangemessen wäre ein solcher zusätzlicher Abzug auch deshalb, weil die Versorgungsempfänger durch den dauerhaften Abzug dieser Beträge von der Betriebsrente in der Regel langfristig belastet wären, während die Beitragslast der Beklagten bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses befristet ist. Im Übrigen war es Ziel des § 275c SGB VI, über eine höhere Beitragseinnahme eine Dämpfung des Anstiegs der Beitragssätze zu erreichen. Wäre die BBG also nicht erhöht worden, wäre eine weitere Erhöhung der Beitragssätze erforderlich geworden. Auch hierdurch wären Arbeitgeber und Arbeitnehmer stärker belastet worden.
5. Nach alldem hätte der Kläger Anspruch auf eine Betriebsrente iHv. insgesamt 873,92 Euro. Nach § 8 Abs. 2 Unterabs. 1 VO stehen ihm zunächst monatlich wiederum 163,52 Euro (32 Jahre Betriebszugehörigkeit x 5,11 Euro) zu. Der Zusatzbetrag nach § 8 Abs. 2 Unterabs. 3 VO errechnet sich wie folgt: 6.230,00 Euro (Monatsvergütung des Klägers) abzüglich 4.750,00 Euro ("bereinigte" BBG 2006) = 1.480,00 Euro x 1,5 % = 22,20 Euro x 32 = 710,40 Euro. Dies ergibt einen Gesamtbetrag iHv. 873,92 Euro pro Monat. Hiervon in Abzug zu bringen ist der Betrag, um den sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat, mithin 18,05 Euro pro Monat. Dies ergibt schließlich einen Betrag iHv. 855,87 Euro. Hierauf hat die Beklagte monatlich 634,00 Euro gezahlt. Damit sind für die Zeit vom bis zum 19 x 221,87 Euro monatlich, insgesamt also 4.215,53 Euro nachzuzahlen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2009 S. 2162 Nr. 40
NWB-Eilnachricht Nr. 19/2009 S. 1401
RAAAD-27973
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein