BAG Beschluss v. - 1 ABR 42/08

Leitsatz

[1] 1. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen bei der Einführung und Ausgestaltung des Verfahrens, in dem Arbeitnehmer ihr Beschwerderecht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG wahrnehmen können. Er hat insoweit auch ein Initiativrecht.

2. Kein Mitbestimmungsrecht besteht bei der Frage, wo der Arbeitgeber die Beschwerdestelle errichtet und wie er diese personell besetzt.

Gesetze: AGG § 13 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1

Instanzenzug: LAG Rheinland-Pfalz, 9 TaBV 9/08 vom ArbG Trier, 1 BV 162/07 vom

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich des Ortes und der personellen Besetzung einer Beschwerdestelle nach § 12 Abs. 5, § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG sowie über ein Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Beschwerdeverfahrens.

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Durch einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG aF sind abweichend von §§ 1, 4 BetrVG Filialen und Betriebsteile zu Betrieben zusammengefasst. Für die Region T ist der antragstellende Betriebsrat errichtet. Die Verwaltung der Betriebe erfolgt durch sog. Verkaufsbüros. Für die Region T war 2006 das Verkaufsbüro S zuständig. Im November 2007 wurden mehrere Verkaufsbüros zu einem Vertriebsbüro zusammengefasst. Seitdem gehört das frühere Verkaufsbüro S organisatorisch zum Vertriebsbüro P bei G.

Mit Rundschreiben vom Dezember 2006 teilte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmern mit, sie habe eine betriebliche Beschwerdestelle gemäß § 13 AGG eingerichtet, und bat die Mitarbeiter, "alle das AGG betreffenden Beschwerden an das für Sie zuständige Verkaufsbüro" zu richten. Dies ist derzeit das Vertriebsbüro in P. Der antragstellende Betriebsrat reklamierte daraufhin ein Mitbestimmungsrecht bei der Einrichtung der Beschwerdestelle. Eine auf seinen Antrag vom Arbeitsgericht zum Regelungsgegenstand "Einrichtung einer Beschwerdestelle gemäß § 13 Abs. 1 AGG" errichtete Einigungsstelle erklärte sich mit Beschluss vom für unzuständig und stellte das Verfahren ein.

In dem daraufhin von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat den Spruch der Einigungsstelle angegriffen. Er hat die Auffassung vertreten, gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu haben hinsichtlich des Ortes der Errichtung der Beschwerdestelle und hinsichtlich deren Besetzung. Auch habe er ein Initiativrecht zur Einführung eines Beschwerdeverfahrens. Die von der Arbeitgeberin vorgenommene Einrichtung einer externen, weit entfernt gelegenen Beschwerdestelle entspreche nicht dem Zweck des Gesetzes.

Der Betriebsrat hat beantragt

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom bezüglich der Errichtung, Besetzung und des Verfahrens der Beschwerdestelle nach § 13 AGG unwirksam ist.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag, wie von der Arbeitgeberin begehrt, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag des Betriebsrats zu Recht abgewiesen. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht bei der Frage, an welchem Ort der Arbeitgeber die Beschwerdestelle errichtet und wie er diese personell besetzt. Hinsichtlich der Einführung eines Beschwerdeverfahrens hat er zwar ein Initiativrecht. Dieses steht aber nicht ihm, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu.

I. Am Verfahren ist gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG neben dem antragstellenden Betriebsrat und der Arbeitgeberin auch der Gesamtbetriebsrat beteiligt.

1. Die Beteiligung an einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren richtet sich danach, ob eine Person oder Stelle durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen oder mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist. Betroffen ist ein Betriebsverfassungsorgan, wenn es als Inhaber des streitigen Rechts materiellrechtlich ernsthaft in Betracht kommt ( - Rn. 11 mwN, BAGE 117, 337).

2. Hier ist der Gesamtbetriebsrat durch die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen. Nach dem Wortlaut des vom Betriebsrat gestellten, auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses der Einigungsstelle vom gerichteten Antrags erscheint eine betriebsverfassungsrechtliche Betroffenheit des Gesamtbetriebsrats zwar zweifelhaft. Die gebotene Auslegung des Antrags ergibt jedoch, dass dieser auf die Feststellung des Bestehens von Mitbestimmungsrechten bei der Einrichtung der von der Arbeitgeberin - betriebsübergreifend - errichteten Beschwerdestelle gerichtet ist (vgl. zur Auslegung des Antrags näher unter B II 1). Durch eine dem Antrag entsprechende Feststellung würde zugleich ausgesprochen, dass dem Gesamtbetriebsrat an diesem Regelungsgegenstand kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Ein solches kommt jedoch ernsthaft in Betracht. Daher ist der Gesamtbetriebsrat am Verfahren beteiligt. Seine Anhörung konnte vom Senat noch im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt werden. Das Unterlassen der Anhörung in den Vorinstanzen und der darin liegende Verfahrensfehler haben für die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses ohne eine darauf gerichtete Verfahrensrüge keine Bedeutung (vgl. - zu B I der Gründe, BAGE 115, 49). Eine solche Rüge hat keiner der Beteiligten erhoben.

II. Der Antrag ist zulässig. Das prozessuale Begehr des Betriebsrats besteht aus drei Anträgen, die im Wege der objektiven Antragshäufung verfolgt werden. Die mehreren Begehren sind hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Betriebsrat hat das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung.

1. Der Antrag bedarf umfänglicher Auslegung.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Anträge möglichst so auszulegen, dass sie eine erstrebte Sachentscheidung zulassen. Dementsprechend ist ein Antrag, der auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle gerichtet ist, mit dem sich diese mit der Begründung, es fehle für den betreffenden Gegenstand an einem Mitbestimmungsrecht, für unzuständig erklärt hat, regelmäßig dahin auszulegen, es möge das Bestehen eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts festgestellt werden ( - 1 ABR 27/01 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 104, 187; - 1 ABR 22/04 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 115, 49). Für einen ausschließlich auf die Feststellung der Unwirksamkeit eines ihre Zuständigkeit verneinenden Spruchs der Einigungsstelle gerichteten Antrag wären die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO nicht gegeben. (Zwischen-)Beschlüsse, mit denen eine Einigungsstelle ihre Zuständigkeit bejaht oder verneint, begründen kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ( - 1 ABR 27/01 - aaO.; - 1 ABR 22/04 - aaO.).

b) Hiernach ist der Antrag des Betriebsrats dahin zu verstehen, es möge das Bestehen der von der Einigungsstelle verneinten Mitbestimmungsrechte festgestellt werden. Wie die weitere Auslegung ergibt, reklamiert der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der betrieblichen Verortung der Beschwerdestelle und deren personeller Besetzung sowie ein Initiativrecht hinsichtlich der Einführung eines Beschwerdeverfahrens. In diesem Sinne hat auch das Landesarbeitsgericht, wie sich aus seinen Entscheidungsgründen ergibt, der Sache nach das Begehr des Betriebsrats verstanden. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats hat dieses Verständnis seines Antrags in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.

2. In dieser Auslegung genügt der Antrag den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit einer Sachentscheidung über das so verstandene Begehr ist hinreichend klar, inwieweit dem Betriebsrat das streitige Mitbestimmungsrecht zusteht oder nicht.

3. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Das Bestehen und der Umfang eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien und kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senats Gegenstand eines Feststellungsbegehrens iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sein (vgl. - 1 ABR 68/07 - Rn. 12 ff. mwN, NZA 2009, 450). Dies gilt auch für ein zwischen den Betriebsparteien streitiges Initiativrecht. Der Betriebsrat hat ein berechtigtes Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung. Die Arbeitgeberin bestreitet die vom Betriebsrat beanspruchten Rechte. Es handelt sich um einen aktuellen Streit anlässlich der Errichtung der Beschwerdestelle durch die Arbeitgeberin.

III. Die Anträge sind unbegründet.

1. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage, an welchem Ort die Beschwerdestelle nach § 13 Abs. 1 AGG einzurichten ist. Ein solches Mitbestimmungsrecht folgt weder unmittelbar aus § 12 Abs. 5, § 13 AGG noch aus dem Betriebsverfassungsgesetz.

a) § 13 Abs. 1 AGG begründet selbständig keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Die Bestimmung schließt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats weder aus noch erweitert sie die Mitbestimmung (ebenso Fitting BetrVG 24. Aufl. § 87 Rn. 75). Dies macht auch § 13 Abs. 2 AGG deutlich.

b) Auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergibt sich kein Recht des Betriebsrats, über den Ort mitzubestimmen, an dem die Beschwerdestelle zu errichten ist.

aa) Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht scheitert nicht bereits an § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG. Das AGG enthält keine abschließende Regelung, wo die Beschwerdestelle einzurichten ist. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG haben die Beschäftigten "das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren". Ferner bestimmt § 12 Abs. 5 Satz 1 AGG, dass "Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden nach § 13 zuständigen Stellen ... im Betrieb oder in der Dienststelle bekannt zu machen" sind. Damit ist nicht zwingend geregelt, wo die Beschwerdestelle zu errichten ist. Dabei verlangt der Rechtsstreit keine abschließende Beantwortung der Frage, ob der Arbeitgeber in jedem seiner Betriebe eine Beschwerdestelle einzurichten hat (so wohl Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 13 Rn. 7; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 13 Rn. 12) - und ob ggf. der Betriebsbegriff iSv. § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG identisch ist mit demjenigen des Betriebsverfassungsrechts, insbesondere ob für ihn auch die Fiktion des § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG gilt - oder ob auch bei Vorliegen mehrerer Betriebe die Errichtung einer für alle Beschäftigten zuständigen Unternehmensbeschwerdestelle genügt (so zB Kocher in Schiek AGG § 13 Rn. 12; Oetker NZA 2008, 264, 266; v. Roetteken Stand Juni 2009 AGG § 13 Rn. 18). Jedenfalls ist die gesetzliche Regelung nicht derart zwingend, dass sie ein Organisationsermessen des Arbeitgebers bei der Errichtung der Beschwerdestelle ausschlösse (vgl. Bauer/Göpfert/Krieger § 13 Rn. 5; Gach/Julis BB 2007, 773; Oetker NZA 2008, 264, 267; ErfK/Schlachter 9. Aufl. § 13 AGG Rn. 2; Wendeling-Schröder/Stein § 13 Rn. 11). Daher hat der Arbeitgeber bei der Verortung der Beschwerdestelle einen Gestaltungsspielraum, der eine Mitgestaltung durch den Betriebsrat ermöglichen würde.

bb) Gleichwohl besteht bei der Frage, wo die Beschwerdestelle zu errichten ist, kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Ein solches folgt insbesondere nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Verortung der Beschwerdestelle ist keine Frage der Ordnung des Betriebs oder des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.

(1) Gegenstand der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Es beruht darauf, dass die Arbeitnehmer ihre vertraglich geschuldete Leistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation erbringen und dabei dessen Weisungsrecht unterliegen. Das berechtigt den Arbeitgeber dazu, Regelungen vorzugeben, die das Verhalten der Belegschaft im Betrieb beeinflussen und koordinieren sollen. Bei solchen Maßnahmen hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Das soll gewährleisten, dass die Arbeitnehmer gleichberechtigt an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens teilhaben ( - zu B I 2 a der Gründe mwN, BAGE 101, 216). Die "Ordnung des Betriebs" iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dessen Organisation. Diese unterfällt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Wiese GK-BetrVG 8. Aufl. § 87 Rn. 173 mwN; Fitting § 87 Rn. 63). Organisatorische Maßnahmen unterliegen vielmehr - in bestimmten Fällen - den schwächeren Beteiligungsrechten nach §§ 90, 91 BetrVG. Zur mitbestimmungsfreien Organisation des Arbeitgebers gehört auch dessen Befugnis zu bestimmen, welche Personen oder Stellen für ihn im Verhältnis zu den Arbeitnehmern Rechte wahrzunehmen und Pflichten zu erfüllen haben ( - zu B II 2 b der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 119 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 135).

(2) Danach unterliegt die Entscheidung des Arbeitgebers, wo er die Beschwerdestelle einrichtet, nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Bei der Bestimmung der Beschwerdestelle geht es nicht um das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, sondern darum, welche Stelle oder Person für den Arbeitgeber berechtigt und verpflichtet ist, die Beschwerden der Arbeitnehmer entgegenzunehmen. Dies betrifft die mitbestimmungsfreie Organisation des Arbeitgebers.

2. Gleiches gilt für die personelle Besetzung der Beschwerdestelle.

a) Auch insoweit ist die Mitbestimmung des Betriebsrats nicht bereits nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen. Vielmehr hat der Arbeitgeber einen Gestaltungsspielraum, mit welchen Personen er die Beschwerdestelle besetzt. So kann nach der Gesetzesbegründung zuständige Stelle iSv. § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG beispielsweise ein Vorgesetzter, eine Gleichstellungsbeauftragte oder eine betriebliche Beschwerdestelle sein (BT-Drucks. 16/1780 S. 37).

b) Die personelle Besetzung der Beschwerdestelle betrifft - ebenso wenig wie die organisatorische Verortung - nicht die Ordnung im Betrieb oder das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Bauer/Göpfert/Krieger § 13 Rn. 6a; Fitting § 87 Rn. 75; Gach/Julis BB 2007, 773, 774; Oetker NZA 2008, 264, 270; v. Roetteken § 13 Rn. 20; Wendeling-Schröder/Stein § 13 Rn. 23; aA DKK/Klebe BetrVG 11. Aufl. § 87 Rn. 50; Ehrich/Frieters DB 2007, 1026, 1027; Hayen JbArbR Bd. 44 S. 23, 44). Auch die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers, wen er mit der Entgegennahme von Beschwerden betraut, ist Teil seiner mitbestimmungsfreien Organisation. Die Besorgnis, der Arbeitgeber könne die Beschwerdestelle mit dafür ungeeigneten Personen besetzen, rechtfertigt nicht die Annahme eines gesetzlich nicht vorgesehenen Mitbestimmungsrechts. Falls der Arbeitgeber seine Verpflichtung, eine den Erfordernissen des AGG genügende Beschwerdestelle einzurichten, in grober Weise verletzt, kann der Betriebsrat dagegen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 AGG vorgehen (Fitting § 87 aaO.).

3. Der Antrag des Betriebsrats, ein Initiativrecht hinsichtlich der Einführung eines Beschwerdeverfahrens festzustellen, ist ebenfalls unbegründet. Zwar besteht ein solches Initiativrecht, falls eine Beschwerdestelle eingerichtet ist. Wenn und solange aber nicht eine betriebliche, sondern ausschließlich eine betriebsübergreifende Beschwerdestelle errichtet ist, steht dieses Initiativrecht nicht dem örtlichen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu. So liegt der Fall hier.

a) Das entsprechende Initiativrecht folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das Beschwerdeverfahren nach § 13 Abs. 1 AGG betrifft das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb. Der Betriebsrat hat insoweit nicht nur ein Mitgestaltungsrecht bei vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahmen, sondern kann selbst initiativ werden.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei der Einführung und Ausgestaltung eines jedenfalls in gewissem Umfang standardisierten Meldeverfahrens mitzubestimmen ( - Rn. 68 mwN, AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 14 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 3). Durch ein standardisiertes Meldeverfahren wird das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb gesteuert. Jedenfalls dann, wenn das Meldeverfahren nicht lediglich das Arbeitsverhalten betrifft, unterliegt seine Ausgestaltung daher der Mitbestimmung.

bb) Hiernach unterfällt die Einführung und Ausgestaltung eines Beschwerdeverfahrens nach § 13 Abs. 1 AGG der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Ausgestaltung des Verfahrens ist darauf angelegt, das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer in standardisierter Weise zu steuern. Dies genügt. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG setzt nicht voraus, dass es sich um verbindliche, verhaltensbegründende Regeln handelt ( - Rn. 59, AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 14 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 3).

b) Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist mit einem entsprechenden Initiativrecht des Betriebsrats verbunden (ebenso Bauer/Göpfert/Krieger § 13 Rn. 6a; Ehrich/Frieters DB 2007, 1026, 1027; Fitting § 87 aaO.; Hayen JbArbR Bd. 44 S. 23, 44; aA Gach/Julis BB 2007, 773, 775 f.). Soweit sich aus dem Gegenstand der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG keine Beschränkungen ergeben, enthält das Mitbestimmungsrecht ein Initiativrecht des Betriebsrats (vgl. etwa Wiese GK-BetrVG § 87 Rn. 233 mwN; H/S/W/G/N/R-Worzalla BetrVG 7. Aufl. § 87 Rn. 115a; Richardi BetrVG 11. Aufl. § 87 Rn. 201). Derartige Beschränkungen sind hier nicht ersichtlich.

c) Dem Antrag des Betriebsrats kann gleichwohl auch insoweit nicht entsprochen werden. Da die von der Arbeitgeberin eingerichtete Beschwerdestelle sich nicht auf den Betrieb Region T beschränkt, sondern darüber hinaus weitere Betriebe erfasst, steht das Mitbestimmungsrecht nicht dem antragstellenden örtlichen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu. Dies folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Bei der Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens für eine überbetriebliche Beschwerdestelle handelt es sich um eine Angelegenheit, die mehrere Betriebe betrifft und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden kann.

Fundstelle(n):
BB 2009 S. 1693 Nr. 32
DB 2009 S. 1993 Nr. 37
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2009 S. 2466
StuB-Bilanzreport Nr. 1/2010 S. 40
ZIP 2009 S. 1922 Nr. 40
ZAAAD-27953

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein