Abgrenzung zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis; Teilungsanordnung oder Vorausvermächtnis bei testamentarischer Anordnung einer freihändigen Grundstücksversteigerung
Leitsatz
Für die Abgrenzung zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis ist entscheidend, ob die zu beurteilende Regelung zu einer Wertverschiebung bei den Erbquoten führt.
Hat der Erblasser einem Miterben Gegenstände zugewiesen, deren Wert objektiv höher ist als diesem seiner Quote nach bei der Auseinandersetzung zukäme, so kommt es darauf an, ob der Erblasser subjektiv dem durch die Anordnung begünstigten Miterben zusätzlich zu seinem Erbteil auch noch den Mehrwert zuwenden wollte - dann liegt ein Vorausvermächtnis vor - oder ob nach seinem Willen eine Wertverschiebung dadurch ausgeschlossen sein soll, dass der Bedachte hinsichtlich des Mehrwerts den übrigen Miterben Wertausgleich aus seinem eigenen Vermögen zahlen muss - dann handelt es sich um eine Teilungsanordnung -.
Diese Grundsätze zur Abgrenzung der Teilungsanordnung vom Vorausvermächtnis gelten unabhängig davon, wie der Miterbe, dem einzelne Gegenstände aus dem Nachlass zukommen sollen, zu bestimmen ist. Wie auch sonst bei Vermächtnissen muss diese Bestimmung auch bei einem Vorausvermächtnis nicht zwingend bereits vom Erblasser vorgenommen worden sein.
Auch bei einem Vorausvermächtnis kann der Erblasser vorgesehen haben, dass der Vermächtnisnehmer aus einem bestimmten Personenkreis - etwa dem Kreis der Miterben - durch einen Dritten zu bestimmen ist oder aus diesem Personenkreis durch ein erst nach dem Erbfall eintretendes Ereignis bestimmt wird. Bei Bestimmung des Vermächtnisnehmers gemäß § 2178 BGB fällt das Vermächtnis erst mit Eintritt des maßgeblichen Ereignisses an. Bleibt das Ereignis aus, ist das Vermächtnis unwirksam.
Hatte der Erblasser testamentarisch bezüglich eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks eine geschlossene Versteigerung unter den Miterben verfügt und durch das Einziehen einer Preisuntergrenze zusätzlich dafür gesorgt, dass der Meistbietende das Grundstück nicht zu billig würde erwerben können, liegt zugunsten des Erben, der durch Abgabe des höchsten Gebotes das Grundstück erwirbt, kein Vorausvermächtnis sondern nur eine Teilungsanordnung vor.
Gesetze: ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, BGB § 2048, BGB § 2150, BGB § 2152, BGB § 2178
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Gesamtrechtsnachfolgerin des während des Revisionsverfahrens verstorbenen X. Dieser war mit einer Erbquote von 2 v.H. Miterbe nach der am verstorbenen Erblasserin (E). Die Beigeladenen waren die weiteren Miterben. E hatte testamentarisch verfügt, der Testamentsvollstrecker solle bezüglich eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks eine geschlossene Versteigerung durchführen. Zur Versteigerung sollten nur die Miterben zugelassen sein. Das Grundstück sollte derjenige erhalten, der das höchste Gebot abgibt. Der Meistbietende sollte sodann das Grundstück von der Erbengemeinschaft gemäß diesem Gebot erwerben. Der Kaufpreis sollte zur Hälfte in bar und zur Hälfte in 10 gleichen Jahresraten entrichtet werden. Sollte es bei der ersten Ausbietung zu keinem Gebot in Höhe von mindestens 7/10 des Verkehrswerts kommen, war ein zweites Bietungsverfahren zu gleichen Bedingungen mit nur einem Teil von namentlich genannten Miterben durchzuführen. Sollte auch bei diesem Bietungsverfahren kein Angebot in Höhe von 7/10 des Verkehrswerts abgegeben werden, hatte der Testamentsvollstrecker das Grundstück bestmöglich zu verwerten.
Der Testamentsvollstrecker schaltete einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Grundstücksbewertung ein, der für das Grundstück einen Verkehrswert von 1 312 000 DM ermittelte. Bereits bei der ersten geschlossenen Versteigerung gab X das höchste Gebot ab und erwarb das Grundstück mit Vertrag vom für 871 625 DM. Der Zahlungsbetrag war wegen eines Verzichts auf die Stundung der zweiten Kaufpreishälfte entsprechend abgezinst worden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) nahm an, X habe das Grundstück durch ein Vorausvermächtnis in Gestalt eines Kaufrechtsvermächtnisses erworben. Er bewertete diesen vermächtnisweisen Erwerb mit einem Betrag von 470 375 DM. Das entsprach der Differenz zwischen dem Verkehrswert sowie dem Grundstückskaufpreis. Bei der Ermittlung des Reinnachlasses, den er auf 1 351 209 DM bezifferte, berücksichtigte er eine Verbindlichkeit in derselben Höhe. Mit Änderungsbescheid vom setzte er schließlich gegen X Erbschaftsteuer in Höhe von 176 434 DM fest. Der steuerpflichtige Erwerb war dabei wie folgt berechnet:
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Erbanteil | 27 024 DM |
+ Vermächtnis | 440 375 DM |
- Freibetrag | 3 000 DM |
abgerundet | 464 300 DM |
Der dagegen erhobenen Klage, mit der sich X gegen die Annahme eines Vorausvermächtnisses zu seinen Gunsten gewandt hatte, gab das Finanzgericht (FG) statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1075 veröffentlicht. Das FG war der Ansicht, es liege eine Teilungsanordnung vor, die nur die Erbauseinandersetzung betreffe und deshalb für die Bemessung der Erbschaftsteuer unbeachtlich sei. Daher erhöhte es den Reinnachlass um die bisher abgezogene Verbindlichkeit aus Vermächtnis auf 1 791 584 DM, sodass sich der Erbanteil von X auf 35 831 DM erhöhte. Der Ansatz eines zusätzlichen vermächtnisweisen Erwerbs entfiel.
Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) sowie der §§ 2048 und 2150 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Annahme einer Teilungsanordnung verbiete sich im Streitfall schon deshalb, weil X das Grundstück unter dessem Verkehrswert habe erwerben können und daher mehr erhalten habe, als ihm nach seiner Erbquote zugestanden hätte.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Ihrer Ansicht nach spreche für eine Teilungsanordnung, dass bei der ersten Versteigerung alle Miterben die gleiche Chance gehabt hätten, das Grundstück unter Wert ankaufen zu können. Daraus ergebe sich, dass E nicht gewollt habe, einen bestimmten Miterben zu begünstigen. Davon abgesehen hätte die Versteigerung auch mit der Verpflichtung enden können, das Grundstück zu einem Preis über dem Verkehrswert erwerben zu müssen. Es fehle zudem auch an einer Bereicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, da X lediglich eine Erwerbschance genutzt habe.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt allerdings nur zu einem Teilerfolg des FA. Die testamentarischen Anordnungen der E über die Versteigerung des Grundstücks stellen nur insoweit ein Vorausvermächtnis dar, als dem Meistbietenden durch die Stundung des halben Kaufpreises ein Zinsvorteil zugestanden wurde. Insoweit ist X durch ein erst nach dem Erbfall eintretendes Ereignis i.S. des § 2178 BGB zum Vermächtnisnehmer bestimmt worden. Im Übrigen handelt es sich um eine Teilungsordnung. Da das FG die Notwendigkeit einer eigenständigen Beurteilung des Zinsvorteils verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur Ermittlung des Zinsvorteils an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) regelt die Auseinandersetzung unter den Miterben. Sie ordnet an, welche Gegenstände einem Miterben aus dem Nachlass zukommen sollen, ohne ihn wertmäßig zu begünstigen; der zugeteilte Gegenstand wird deshalb wertmäßig auf den Erbanteil des Miterben angerechnet. Demgegenüber liegt ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) vor, wenn dem Begünstigten zusätzlich zu seinem Erbanteil ein Vermögensvorteil zugewendet werden soll, den er sich —im Gegensatz zur Teilungsanordnung— nicht auf seinen Erbanteil anrechnen lassen muss.
b) Diese Grundsätze zur Abgrenzung der Teilungsanordnung vom Vorausvermächtnis gelten unabhängig davon, wie der Miterbe, dem einzelne Gegenstände aus dem Nachlass zukommen sollen, zu bestimmen ist. Wie auch sonst bei Vermächtnissen muss diese Bestimmung auch bei einem Vorausvermächtnis entgegen der Ansicht des FG nicht zwingend bereits vom Erblasser vorgenommen worden sein. Das Gesetz selbst lässt Ausnahmen von der Regel des § 2065 Abs. 2 BGB zu. Auch bei einem Vorausvermächtnis kann der Erblasser vorgesehen haben, dass der Vermächtnisnehmer aus einem bestimmten Personenkreis —etwa dem Kreis der Miterben— durch einen Dritten zu bestimmen ist (§ 2151 BGB) oder aus diesem Personenkreis durch ein erst nach dem Erbfall eintretendes Ereignis bestimmt wird (§ 2178 BGB). Bei Bestimmung des Vermächtnisnehmers gemäß § 2178 BGB fällt das Vermächtnis erst mit Eintritt des maßgeblichen Ereignisses an. Bleibt das Ereignis aus, ist das Vermächtnis unwirksam (Reymann in juris PK-BGB, 3. Aufl. 2007, § 2178 Rz 5; Anwaltkommentar-BGB/J. Mayer, § 2178 Rz 3).
2. Im Streitfall lassen die testamentarischen Anordnungen der E nicht den Willen erkennen, allein mit dem Grundstück einem der Miterben über seine Erbquote hinaus einen Mehrwert zuzuwenden. Grundanliegen der E war, die Immobilie möglichst nicht in fremde Hände übergehen zu lassen. Bei dem Bestreben, dies zu verhindern, wollte sie offensichtlich keinen konkreten Miterben —etwa wegen eines besonderen Näheverhältnisses— von vornherein gegenüber allen anderen begünstigen. Anderenfalls hätte sie gleich zu dessen Gunsten ein Vorausvermächtnis —gegebenenfalls in Form eines Kaufrechtsvermächtnisses mit bewusst niedrig angesetztem Kaufpreis— anordnen können. Stattdessen hat sie jedem Miterben dieselbe Erwerbschance eingeräumt und durch das Einziehen einer Preisuntergrenze zusätzlich dafür gesorgt, dass der Meistbietende das Grundstück nicht zu billig würde erwerben können. Unter diesen Umständen lässt sich ein Wille der E, dem Meistbietenden durch den Erwerb des Grundstücks als solches über seine Erbquote hinaus einen Mehrwert zukommen zu lassen, nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Dies geht zu Lasten des FA, bei dem die Feststellungslast für das Vorhandensein eines Vorausvermächtnisses liegt.
3. Anders verhält es sich mit der Stundung des halben Kaufpreises. Mit dem darin liegenden Zinsvorteil hat E dem Meistbietenden bewusst einen Mehrwert über seine Erbquote hinaus zugestanden. Insoweit ist ein Vorausvermächtnis gegeben. E hat zwar den Vermächtnisnehmer entgegen § 2065 Abs. 2 BGB nicht selbst bestimmt und diese Bestimmung auch nicht gemäß § 2151 Abs. 1 BGB einem Dritten übertragen; sie hat aber mit ihren Anordnungen zur Versteigerung des streitbefangenen Grundstücks für eine Bestimmung des Vermächtnisnehmers gemäß § 2178 BGB gesorgt. Das danach erforderliche Ereignis bestand vorliegend in der Abgabe eines Gebots, das von keinem der anderen Miterben überboten wurde. Es ist eingetreten, sobald Letzteres feststand. Auf diese Weise ist X bezüglich des Zinsvorteils zum Begünstigten eines Vorausvermächtnisses bestimmt worden. Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Da das FG die Höhe des Meistgebots nicht festgestellt hat und die Stundung nur für die Hälfte des Kaufpreises angeordnet war, lässt sich der Zinsvorteil nicht berechnen. Die Sache ist daher an das FG zur Ermittlung des Zinsvorteils zurückzuverweisen. Zur Berechnung des Erbanteils des X ist der Reinnachlass der E um einen Betrag in Höhe des Zinsvorteils zu kürzen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1653 Nr. 10
HFR 2010 S. 128 Nr. 2
PAAAD-27712