BGH Urteil v. - VIII ZR 327/08

Leitsatz

[1] Zur Frage eines sich aus der wirtschaftlichen Einheit eines Leasingvertrages mit einem Dienstleistungsvertrag ergebenden Leistungsverweigerungsrechts.

Gesetze: BGB § 133; BGB § 157; BGB § 305c Abs. 1; BGB § 307 Abs. 2

Instanzenzug: LG Traunstein, 5 S 2144/08 vom AG Laufen, 2 C 1036/06 vom

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Leasingunternehmen, der Beklagte führt freiberuflich eine Arztpraxis.

Die Parteien schlossen am 1./ einen Leasingvertrag über eine digitale TV-Multimedia-Empfangsanlage mit Fernbedienung (im Folgenden: Anlage), die dem Beklagten bereits am von der v. AG geliefert und im Wartezimmer der Arztpraxis des Beklagten installiert worden war. Als monatlich fällige Leasingrate vereinbarten die Parteien einen Betrag von 189,90 EUR (brutto). Mit schriftlicher Übernahmeerklärung vom bestätigte der Beklagte der Klägerin, dass ihm das Leasingobjekt fabrikneu, mangelfrei und in einwandfrei funktionierendem Zustand von der v. AG geliefert worden sei.

In dem Leasingvertrag findet sich vor den Unterschriften der Parteien folgender von der Klägerin vorformulierter Text:

"... Zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer wurden außer der Bereitstellung der o.a. Leasingobjekte keinerlei weitere Nebenleistungen vereinbart. Sollte es zu Leistungsstörungen bezüglich irgendwelcher weiterer Dienstleistungen kommen, die ein Dritter, wie zum Beispiel die Lieferantin gegenüber dem Leasingnehmer erbringen muss, berührt dies die Zahlungsverpflichtungen des Leasingnehmers gegenüber dem Leasinggeber nicht."

Nach den vertraglichen Vereinbarungen des Beklagten mit der v. AG, die einen digitalen Fernsehsender betrieb, verpflichtete sich diese, dem Beklagten eine monatliche "Pauschale" von 175 EUR (brutto) als Subventionsleistung dafür zu bezahlen, dass er die Ausstrahlung eines von ihr verantworteten Fernsehprogramms (unter anderem Gesundheitstipps, Werbung) in seinem Wartezimmer gestattete.

Sowohl der Leasingvertrag mit der Klägerin als auch der Vertrag mit der v. AG wurden dem Beklagten durch die Zeugen J. und H. E. S. vermittelt. Die Zeugen erläuterten dem Beklagten bei der Vertragsanbahnung, dass sich "das System" für ihn "kostenneutral" gestalten werde, da die von der v. AG zu zahlende monatliche Pauschale etwa die von dem Beklagten geschuldeten monatlichen Leasingraten abdecken würde.

Im Mai 2005 beantragte die v. AG die Eröfffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und stellte sowohl die Ausstrahlung des Fernsehprogramms als auch die Zahlungen der Pauschale an den Beklagten ein. Der Beklagte seinerseits zahlte in der Folgezeit keine weiteren Leasingraten an die Klägerin.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung rückständiger Leasingraten in Höhe von 3.226,66 EUR in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der Beklagte habe zwei rechtlich selbständige Verträge abgeschlossen. Die Ausstrahlung des Fernsehprogramms sowie die Zahlung der monatlichen Pauschale seien von der Klägerin nicht geschuldet. Diese habe ihre Leistung erbracht, indem sie die Anlage angekauft und dem Beklagten mangelfrei zur Verfügung gestellt habe. Somit könne der Beklagte der Klägerin die Einrede des nicht erfüllten Vertrages aus § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht entgegenhalten.

Ein von der Rechtsprechung ursprünglich auf der Grundlage von § 242 BGB hergeleiteter, später in § 9 VerbrKrG verankerter und nunmehr in den §§ 358, 359 BGB normierter Einwendungsdurchgriff scheitere schon daran, dass die letztgenannten Normen nur auf Verbraucher anwendbar seien. Der Beklagte habe die Verträge jedoch im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit geschlossen; er sei daher als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB anzusehen. Der Gesetzgeber habe den Einwendungsdurchgriff mit den §§ 358, 359 BGB abschließend regeln wollen, so dass ein über deren Anwendungsbereich hinausgehender Rückgriff über § 242 BGB grundsätzlich ausgeschlossen sei. Besondere Umstände, die es ausnahmsweise rechtfertigten, dem Beklagten dennoch einen Einwendungsdurchgriff zuzugestehen, seien nicht ersichtlich. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass der Klägerin bekannt gewesen sei, dass die Ärzte die Leasingverträge über die von der v. AG gelieferte Hardware nur wegen der von den Zeugen S. betonten Kostenneutralität des Gesamtgeschäfts abgeschlossen hätten. Die Klägerin habe jedoch in dem Leasingvertrag ausdrücklich schriftlich klargestellt, dass Leistungsstörungen im Dienstleistungsverhältnis mit der Lieferantin die Zahlungsverpflichtung des Beklagten gegenüber der Klägerin nicht berührten. Diese Klausel halte als von der Klägerin verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung rechtlicher Prüfung stand, da sie lediglich auf die außerhalb von Verbraucherkreditverträgen geltende Rechtslage hinweise, dass der Leasingvertrag unabhängig von den Vereinbarungen mit der v. AG bestehe und deshalb ein Einwendungsdurchgriff nicht bestehe. Davon abweichende, die Klägerin bindende mündliche Nebenabreden seien nicht getroffen worden.

Auch eine Leistungsverweigerung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) komme vorliegend nicht in Betracht, da nach den getroffenen Vereinbarungen das Verwendungsrisiko der Anlage sowie der Ausfall der Subventionszahlungen in den Risikobereich des Beklagten fielen.

Schließlich habe der Beklagte auch keinen auf Befreiung von der Zahlungsverpflichtung gerichteten Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2, § 278 BGB. Zwar müsse sich die Klägerin Äußerungen der Zeugen S. als eigene zurechnen lassen, da die Zeugen als Abschlussvermittler und damit im Pflichtenkreis der Klägerin tätig geworden seien. Indes habe die Beweisaufnahme keine eine Pflichtverletzung begründenden Äußerungen der Zeugen ergeben.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung trägt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der rückständigen Leasingraten nicht.

1.

Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutreffend ist, dass ein Einwendungsdurchgriff gemäß § 500 BGB i.V.m. § 358 Abs. 3, § 359 BGB bereits deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Beklagte kein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist. Denn es fehlt bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Einwendungsdurchgriffs. Dieser setzt nach § 359 Satz 1 BGB verbundene Verträge im Sinne des § 358 Abs. 3 BGB voraus. Daran fehlt es vorliegend. Übertragen auf den Bereich des Finanzierungsleasing liegen verbundene Verträge gemäß § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB dann vor, wenn ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder Erbringung einer anderen Leistung mit dem Leasingvertrag derart verknüpft ist, dass das Leasing ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Vorliegend fehlt es schon an der ersten Voraussetzung, da die vorgesehenen Dienstleistungen der v. AG nicht durch den Leasingvertrag finanziert, sondern von dieser unentgeltlich erbracht werden sollten.

2.

Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht nicht näher belegten Annahme, der Klägerin sei bei Abschluss des Leasingvertrages bekannt gewesen, dass der Beklagte den Leasingvertrag mit ihr nur wegen des von den Zeugen S. herausgestellten Umstandes der Kostenneutralität des Gesamtgeschäfts geschlossen habe (BU 8, 2. Abs.), ergibt sich ein Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten jedoch bereits unmittelbar aus den vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin. Die dem entgegenstehende, von der Klägerin vorformulierte Klausel des Leasingvertrages ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unwirksam, da sie nach den Umständen sowohl überraschend ist (§ 305c Abs. 1 BGB) als auch den Beklagten nach Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

a)

Maßgeblich für die Entscheidung des Beklagten, die Anlage in seinem Wartezimmer installieren zu lassen, war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die von den Zeugen S. betont herausgestellte Kostenneutralität des Gesamtgeschäfts. Diese war nur solange gewährleistet, als die Subventionszahlungen sichergestellt waren. Insofern bildeten der Leasingvertrag und die mit der v. AG abgeschlossene Vereinbarung eine wirtschaftliche Einheit. War der Klägerin, wie das Berufungsgericht annimmt, die dargestellte Bewerbung des Gesamtgeschäfts durch die Zeugen S. bekannt, konnte sie das Angebot des Beklagten auf Abschluss des Leasingvertrages daher nach §§ 133, 157 BGB nur so verstehen, dass das Gesamtgeschäft, dessen einen Teil der Leasingvertrag darstellte, mit der während der Vertragslaufzeit von der v. AG zu zahlenden Subventionspauschale stehen oder fallen sollte. Die wirtschaftliche Einheit des Vertrages wurde durch die Annahme des Angebots des Beklagten aus dessen maßgeblicher Sicht somit Vertragsinhalt. Dem Beklagten steht nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt daher ein grundsätzlich andauerndes Leistungsverweigerungsrecht zu, da die Subventionszahlungen der v. AG ausblieben. Dies kann dann anders zu beurteilen sein, wenn es zutrifft, dass die Zeugen S. - wie die Klägerin in den Instanzen vorgetragen hat - den Beklagten auf das Risiko der Insolvenz der v. AG hingewiesen und ihm erklärt hätten, im Fall einer Insolvenz der v. AG die Leasingraten weiter bezahlen zu müssen. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist dies nicht vom Berufungsgericht festgestellt worden. Das Berufungsgericht hat diesbezügliche Aussagen der Zeugen S. lediglich referiert. Eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit diesen Aussagen ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Dies wird gegebenenfalls nachzuholen sein.

b)

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Einheit beider Verträge musste der Beklagte nicht damit rechnen, dass sich die Klägerin mit der von ihr vorformulierten Klausel des Leasingvertrages von der von ihr erkannten und akzeptierten wirtschaftlichen Einheit des Gesamtgeschäfts wieder lösen wollte. Die Klausel stellt sich daher vor dem Leitbild des Vertrages und dem mit dem Vertrag verfolgten Zweck als ungewöhnlich und überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB dar (vgl. BGHZ 121, 107, 113) . Aus diesem Grund ist sie auch unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, da sie durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich die eigenen Interessen der Klägerin auf Kosten des Beklagten durchzusetzen versucht, ohne dessen Interessen angemessen zu berücksichtigen.

III.

Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 3295 Nr. 45
WM 2009 S. 1813 Nr. 38
AAAAD-27328

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja