Umlagezahlungen des Arbeitgebers an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder als steuerpflichtiger Arbeitslohn im Zeitpunkt der Zahlung; Arbeitslohncharakter von Zukunftssicherungsleistungen
Leitsatz
1. Umlagezahlungen des Arbeitgebers an die VBL, die dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen die VBL verschaffen, führen im Zeitpunkt ihrer Zahlung zu Arbeitslohn.
2. Für den Arbeitslohncharakter von Zukunftssicherungsleistungen kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Versicherungsfall bei dem begünstigten Arbeitnehmer überhaupt eintritt und welche Leistungen dieser letztlich erhält.
3. Als Arbeitslohn anzusehende Umlagezahlungen des Arbeitgebers an die VBL sind weder nach § 3 Nr. 62 EStG noch nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei.
Gesetze: EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1EStG § 3 Nr. 62EStG § 3 Nr. 63
Instanzenzug: (EFG 2007, 1073) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Krankenhaus. Sie ist Beteiligte der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) und gewährt ihren Beschäftigten auf tarifvertraglicher Grundlage eine Zusatzversorgung durch Gruppenversicherung bei der VBL. In den Arbeitsverträgen wird hinsichtlich der Zusatzversorgung auf den Tarifvertrag Bezug genommen. Zur Finanzierung der Zusatzversorgung leistete die Klägerin im Mai des Streitjahres (2005) an die VBL Umlagen in Höhe von 7,86 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts ihrer Beschäftigten, welches grundsätzlich dem steuerpflichtigen Arbeitslohn entspricht. Darin enthalten war ein Eigenanteil der Beschäftigten in Höhe von 1,41 %, den die Klägerin von dem lohnversteuerten Entgelt der Beschäftigten einbehalten hatte. In ihrer Lohnsteuer-Anmeldung für Mai 2005 berücksichtigte die Klägerin den Differenzbetrag von 6,45 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts als Arbeitslohn; die nach § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschal berechnete Lohnsteuer auf Umlagezahlungen betrug rd. 4 460 € (zzgl. Annexsteuern). Mit Schriftsatz vom begehrte die Klägerin jedoch unter Beifügung einer berichtigten Lohnsteuer-Anmeldung für Mai 2005, die Lohnsteuer ohne Berücksichtigung der Umlagen festzusetzen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) behandelte den Schriftsatz als Einspruch, dem er nicht stattgab.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1073 veröffentlichten Gründen statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Es vertritt die Auffassung, dass die Umlagezahlungen als Zukunftssicherungsleistungen bei den aktiven Arbeitnehmern zu Arbeitslohn führten.
II.
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die streitbefangenen Umlagezahlungen nicht zu Arbeitslohn führen.
1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder gewährte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist.
Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang —wirtschaftlich betrachtet— so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unmittelbarer und unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 195, 364, BStBl II 2001, 815; vom VI R 148/98, BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532; vom VI R 55/05, BFHE 217, 558, BStBl II 2007, 619; vom VI R 47/02, BFH/NV 2007, 1876; vom VI R 30/04, BFH/NV 2008, 550; in BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385; jeweils m.w.N.). Erlangt der Arbeitnehmer einen eigenen Rechtsanspruch gegen den Versicherer, so fließt im Zeitpunkt der Beitragszahlung des Arbeitgebers Arbeitslohn zu. Der Lohnzufluss liegt dabei in den gegenwärtigen Beiträgen des Arbeitgebers, mit denen dieser den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers finanziert (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2007, 1876, und in BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385).
b) Erlangt der Arbeitnehmer aufgrund von Beitragsleistungen seines Arbeitgebers einen eigenen Rechtsanspruch gegen den Versicherer bzw. die Versorgungseinrichtung, so fließt mit der Beitragsleistung Arbeitslohn grundsätzlich unabhängig davon zu, ob und in welcher Höhe der Arbeitnehmer später Versicherungsleistungen erlangt. Voraussetzung eines unentziehbaren Rechtsanspruchs ist nicht, dass bei Prämienzahlung feststeht, ob der Risikofall überhaupt eintritt und der Versicherer eine Leistung zu erbringen hat (so bereits , BFHE 114, 50, BStBl II 1975, 275). Auch die Art des zur Zukunftssicherung angewandten Deckungssystems ist für die Qualifizierung der entsprechenden Beiträge als Arbeitslohn grundsätzlich nicht von Bedeutung (vgl. Thomas, Betriebliche Altersversorgung 2008, 490, 492). Denn mit der Finanzierung des Versicherungsschutzes des Arbeitnehmers wendet der Arbeitgeber die entsprechenden Beiträge und nicht die bei Eintritt des Versicherungsfalles zu gewährenden Versicherungsleistungen zu (BFH-Urteil in BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385, unter II.1.c).
aa) Steht dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf Leistung zu, so stellt sich dieser Vorgang —wie zuvor ausgeführt— wirtschaftlich betrachtet so dar, als hätte der Arbeitgeber die Zahlungen an den Arbeitnehmer und dieser sie an den Dritten geleistet. Verwendet indes der Arbeitnehmer Barlohn selbst zur Zukunftssicherung, so kommt es für den Zufluss von Arbeitslohn nicht mehr darauf an, inwieweit die vom Arbeitnehmer erwarteten Versorgungsleistungen tatsächlich erbracht werden und die mit der Anlage erhoffte Rendite erzielt wird. Steht die Leistung der Beiträge durch den Arbeitgeber der Verwendung von Barlohn durch den Arbeitnehmer bei wirtschaftlicher Betrachtung gleich, so kommt es auch für die Qualifizierung der Beiträge des Arbeitgebers als Arbeitslohn, die dem Arbeitnehmer einen eigenen Rechtsanspruch verschaffen, grundsätzlich nicht darauf an, inwieweit der Arbeitnehmer später tatsächlich Versorgungsleistungen erlangt.
bb) Dem Gedanken, dass die Bestimmung von Arbeitslohn bei Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitsgebers grundsätzlich von späteren Versicherungs- bzw. Versorgungsleistungen zu lösen ist, entspricht auch die Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass die geleisteten Beiträge im Zeitpunkt ihrer Zahlung wirtschaftlich nicht genau Ansprüchen bzw. Anwartschaften des Arbeitnehmers entsprechen müssen. So hat der Senat etwa für Umlagezahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse entschieden, dass die in der Erbringung der Umlage liegende Zuwendung an die Arbeitnehmer und ihre Erfassung als Arbeitslohn nicht davon abhängig ist, in welcher Höhe der einzelne Arbeitnehmer Ansprüche gegen die Pensionskasse erwirbt (vgl. , BFH/NV 2001, 1258). Der Arbeitslohncharakter von Zukunftssicherungsleistungen hängt weiterhin nicht davon ab, ob verfallbare oder unverfallbare Leistungsansprüche erworben werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1876). Gegen Arbeitslohn spricht auch nicht, dass Umlagen nicht die individuellen künftigen Ansprüche der aktiven Arbeitnehmer, sondern lediglich die aktuellen Versorgungslasten abdecken. Vielmehr genügt es, dass der aktive Arbeitnehmer durch die Teilnahme an dem kollektiven Finanzierungssystem Anwartschaftsrechte auf künftige Versorgung erhält; dass zwischen der nominalen Höhe der Umlage und dem versicherungsmathematisch errechneten Barwert der Versorgungsanwartschaft keine Deckungsgleichheit besteht, ist unschädlich (vgl. , BFHE 210, 447, BStBl II 2006, 500, und vom VI R 92/04, BFHE 212, 445, BStBl II 2006, 528). Auch steht der Annahme eines unentziehbaren Rechtsanspruchs des Arbeitnehmers gegen Versicherer bzw. Versorgungseinrichtung und damit des Zuflusses von Arbeitslohn in Gestalt von Beiträgen des Arbeitgebers zur Finanzierung von Versicherungsschutz des Arbeitnehmers nicht entgegen, dass die Auszahlung von Versorgungsleistungen von der Einhaltung von Wartezeiten und einem bestimmten Lebensalter abhängig ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 114, 50, BStBl II 1975, 275). Weiter erfordert es die Voraussetzung eines unentziehbaren Rechtsanspruchs nicht, dass Versicherer bzw. Versorgungseinrichtung letztlich an den Begünstigten eine Leistung erbringen muss (vgl. BFH-Urteil in BFHE 114, 50, BStBl II 1975, 275, und , BFH/NV 2006, 1645). Selbst wenn der Arbeitnehmer bei vorzeitigem Ausscheiden aus der Versorgungseinrichtung nichts erlangt, stellt dies die Unentziehbarkeit des Rechtsanspruchs nicht in Frage (BFH-Urteil in BFHE 114, 50, BStBl II 1975, 275).
cc) Für Beiträge des Arbeitgebers zu einer Gruppenunfallversicherung, durch die der Arbeitnehmer zwar Versicherungsschutz, aber keinen eigenen Rechtsanspruch gegen den Versicherer erlangt, hat der erkennende Senat entschieden, dass bei Auskehrung einer Versicherungsleistung an den Arbeitnehmer nicht diese Leistung selbst, sondern im Zeitpunkt der Versicherungsleistung die bis dahin vom Arbeitgeber geleisteten Beiträge —der Höhe nach begrenzt auf die ausgezahlte Versicherungssumme— zum Zufluss von Arbeitslohn führen (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385). Auch insoweit ist die Bestimmung des in der Finanzierung des Versicherungsschutzes des Arbeitnehmers liegenden Vorteils von der Versicherungsleistung gelöst. Von Bedeutung für den Zufluss von Arbeitslohn sind lediglich der Zeitpunkt einer Versicherungsleistung sowie die Höhe der Versicherungsleistung, weil der Arbeitnehmer nur insoweit die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Vorteil des arbeitgeberfinanzierten Versicherungsschutzes erlangt.
dd) Kommt es nach den zuvor genannten Grundsätzen für den Arbeitslohncharakter von Zukunftssicherungsleistungen grundsätzlich nicht darauf an, ob der Versicherungsfall bei dem begünstigten Arbeitnehmer überhaupt eintritt und welche Leistungen dieser etwa aufgrund der Umstände des Schadensfalles, aufgrund seiner Erwerbsbiografie oder aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des entsprechenden Sicherungssystems (Umlage- oder Kapitaldeckungsverfahren) vom Versicherer oder von der Versorgungseinrichtung letztlich erhält, so kann im Ausnahmefall eine andere Beurteilung geboten sein. Wäre nämlich bereits im Zeitpunkt der Entrichtung der Beiträge die wirtschaftliche Wertlosigkeit des damit finanzierten Versicherungsschutzes sicher erkennbar, brächten die Beiträge dem Arbeitnehmer keinen Vorteil. Bei der Bestimmung des Vorteils ist jedoch zu berücksichtigen, dass sowohl Umlage- als auch Kapitaldeckungssysteme demografischen, inflationären und gesamtwirtschaftlichen Risiken ausgesetzt sind, die längerfristig zu einer wirtschaftlichen Entwertung der eingezahlten Beiträge führen können. Denn insoweit verhält es sich —wie bereits ausgeführt— regelmäßig nicht anders, als wenn der Arbeitnehmer mit ihm zugewandten Barlohn selbst Zukunftssicherung betrieben hätte. Deshalb ist zur Beurteilung der Werthaltigkeit der Beiträge grundsätzlich ein plan- bzw. regelmäßiger Versicherungsverlauf zu unterstellen. Erlangt ein Arbeitnehmer aufgrund von Zukunftssicherungsleistungen seines Arbeitgebers einen eigenen Rechtsanspruch gegen den Versicherer bzw. die Versorgungseinrichtung, so führen die Beiträge zu Arbeitslohn, wenn die Einrichtung dem Arbeitnehmer dient und für ihn bei regelmäßigem Ablauf die Versorgung bestimmt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 114, 50, BStBl II 1975, 275). Eine zunächst als Anwartschaftsrecht auf künftige Versorgung ausgestaltete Rechtsposition des Arbeitnehmers muss jedenfalls bei planmäßigem Versicherungsverlauf zu einem Anspruch auf Versorgung (Vollrecht) führen.
c) Vorteile werden „für” eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist, also als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten ist (z.B. , BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382; in BFH/NV 2008, 550, und in BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385). Hingegen sind Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen und demnach aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt werden, kein Arbeitslohn (vgl. z.B. , BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691, m.w.N.; vom VI R 64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892; vom VI R 26/06, BFHE 220, 266, BStBl II 2008, 378; vom VI R 32/08, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2009, 830).
So hat der erkennende Senat für sog. Gegenwertzahlungen bei Ausscheiden des Arbeitgebers aus der VBL entschieden, dass diese nicht „für” die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gewährt würden, denn sie könnten als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung angesehen werden und glichen ausschließlich eine Verpflichtung des Arbeitgebers aus, die er gegenüber der VBL eingegangen sei (vgl. BFH-Urteil in BFHE 212, 445, BStBl II 2006, 528). Auch bei Sonderzahlungen des Arbeitgebers an eine Zusatzversorgungskasse im Zusammenhang mit der Schließung des Umlagesystems hat der Senat angenommen, dass sie ausschließlich dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers an der Sicherstellung seiner Versorgungszusage dienten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 447, BStBl II 2006, 500). Gleiches hat der Senat für Sonderzahlungen entschieden, die ein Arbeitgeber beim Wechsel zu einer anderen umlagefinanzierten Zusatzversorgungskasse geleistet hatte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532). Erst Sonderzahlungen, die nach dem geleistet werden, zählt § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 52 Abs. 35 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 vom (BGBl I 2006, 2878) zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit; der Gesetzgeber geht davon aus, dass auch Schlusszahlungen in Umlageverfahren wegen der damit bewirkten Sicherung von Zukunftssicherungsleistungen im Interesse des Arbeitnehmers liegen (vgl. BRDrucks 622/06, 74 f.).
2. Nach diesen Maßstäben hält die Würdigung des FG, die streitbefangenen Umlagezahlungen führten nicht zu Arbeitslohn, revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Auf der Grundlage der Feststellungen des FG kann der erkennende Senat selbst entscheiden, dass die Umlagezahlungen einen „für” die Beschäftigung gewährten Vorteil darstellen und damit Arbeitslohn sind. Eine Steuerbefreiung der Zahlungen scheidet aus. Zu Recht hat es deshalb das FA abgelehnt, die Lohnsteuer für Mai 2005 ohne Berücksichtigung der Umlagen festzusetzen.
a) Die Arbeitnehmer der Klägerin haben durch deren Umlagezahlungen einen Vorteil erlangt.
Die Arbeitnehmer erwarben, wie das FG mit den BFH bindender Wirkung (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt hat, eigene Ansprüche gegen die VBL; die Zahlungen der Klägerin erfolgten deshalb nicht lediglich zum Zweck der Rückversicherung gegen von ihr zugesagte Versorgungsansprüche.
Diese Ansprüche waren auch nicht in einem Sinne „wertlos”, dass im Streitfall nicht mehr von Arbeitslohn ausgegangen werden könnte. Das FG hat sich zur Begründung seiner Auffassung im Kern auf einen Grundsatz der „Deckungsgleichheit” von Beiträgen und Ansprüchen gegen die Versorgungseinrichtung berufen. Ein solcher Grundsatz ist jedoch —wie ausgeführt und auch vom FG im Ergebnis anerkannt— der Rechtsprechung des BFH nicht zu entnehmen.
aa) Nach den zuvor ausgeführten Maßstäben kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob bzw. mit welcher Wahrscheinlichkeit bei Wahl eines kapitalgedeckten Finanzierungssystems, das nach den Feststellungen des FG vergleichsweise zur Kalkulation der Umlagen herangezogen worden ist, andere Versorgungsleistungen zu erwarten gewesen sein könnten. Wie bei der Verwendung von Barlohn durch den Arbeitnehmer hängt auch der Arbeitslohncharakter der streitbefangenen Umlagezahlungen nicht davon ab, ob bei dem gewählten Durchführungsweg der Zukunftssicherung im Vergleich zu anderen Versorgungssystemen eine niedrigere oder höhere Rendite zu erwarten ist. Entscheidend ist vielmehr, ob jedenfalls bei planmäßigem Versicherungsverlauf eine hinreichende Werthaltigkeit der von den Arbeitnehmern der Klägerin erworbenen Ansprüche bzw. Anwartschaften zu erwarten ist. Solch ein regelmäßiger Versicherungsverlauf unterstellt, ergeben sich weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem Vortrag der Klägerin konkrete Anhaltspunkte dafür, dass aus dem Versorgungssystem der VBL schon zum Zeitpunkt der streitbefangenen Umlagezahlungen keine substantielle Zusatzversorgung mehr zu erwarten gewesen wäre. Vielmehr erwarb im Streitfall der aktive Arbeitnehmer durch die Teilnahme an dem kollektiven Finanzierungssystem hinreichend werthaltige Anwartschaftsrechte auf künftige Versorgung.
bb) Der Hinweis des FG, dass die Zuwendungen wirtschaftlich Barlohnzahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vergleichbar sein müssten, rechtfertigt nicht die Verneinung eines Vorteils. Zwar knüpft das FG zutreffend an die Rechtsprechung des BFH an, nach der es für die Bestimmung des Arbeitslohncharakters von Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers darauf ankommt, ob sich der Vorgang wirtschaftlich so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Die Arbeitslohnqualität von Barlohn, den der Arbeitnehmer selbst zur Zukunftssicherung verwendet, hängt indes —wie ausgeführt— nicht davon ab, ob die vom Arbeitnehmer erwartete Rendite tatsächlich erzielt wird. Deshalb ist der wirtschaftliche Ertrag von Zukunftssicherungsleistungen für deren Arbeitslohncharakter auch dann nicht von Bedeutung, wenn der Arbeitgeber Beiträge unmittelbar an die Versorgungseinrichtung leistet.
cc) Ungeachtet dessen, dass die relative Wirtschaftlichkeit eines Zukunftssicherungssystems für den Arbeitslohncharakter entsprechender Beiträge grundsätzlich nicht von Bedeutung ist, führte der vom FG aufgegriffene Vortrag der Klägerin, die von ihr zugesagte Zusatzversorgung habe nur der Einzahlung von 4 % (statt 7,86 %) des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts in ein kapitalgedecktes System entsprochen, nicht zu einer Minderung der vom FA als Arbeitslohn angesehenen Beträge. Denn Kapitaldeckungs- und Umlageverfahren sind grundsätzlich nicht vergleichbare Alterssicherungssysteme. Entsprechendes gilt folgerichtig für die jeweilige Höhe der Beitragssätze.
Beide Systeme unterscheiden sich schon grundlegend darin, dass bei einem Kapitaldeckungssystem nur die in einem Kapitalstock akkumulierten Beiträge zur Versorgung zur Verfügung stehen, während ein Umlageverfahren auf eine Versorgung unabhängig von einem angesparten Kapitalstock und dem individuell erreichten Lebensalter des Versicherten gerichtet ist (zum Vergleich des Kapitaldeckungsverfahrens mit dem Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung auch z.B. , BVerfGE 105, 73, 91 f., unter A.I.5.b aa). Bei einem umlagenfinanzierten, solidarisch ausgestalteten Altersvorsorgesystem kann die individuelle Versorgungsleistung und damit die „Rendite” der Beiträge abhängig vom erreichten Lebensalter des Versicherten sehr unterschiedlich ausfallen. Dem Risiko, dass der aufgebaute Kapitalstock an Werthaltigkeit verliert oder für eine Versorgung bis zum Lebensende des Versicherten nicht ausreicht, steht bei einem umlagenfinanzierten System das Risiko gegenüber, dass die Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft, wirtschaftlich getragen von der jeweiligen Erwerbsgeneration, absolut schwindet oder dass bezogen auf den einzelnen Leistungsempfänger —etwa in Folge einer gestiegenen Lebenserwartung der Versicherten— eine niedrigere monatliche Versorgung zu erwarten ist. Denn der Rentner erwirbt innerhalb des Systems des Umlageverfahrens keinen Anspruch auf eine bestimmte Rentenhöhe oder ein bestimmtes Rentenniveau, sondern grundsätzlich nur einen Anspruch auf relative Beteiligung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Erwerbsgeneration (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 91, unter A.I.5.b aa, m.w.N.). Ein Vergleich beider Systeme ist demnach nur unter Einbeziehung aller systemprägenden Faktoren möglich; er führte zur Offenlegung und Bewertung unterschiedlicher Risikostrukturen, nicht aber zu einer hinreichend gesicherten Aussage über die absolute Vorteilhaftigkeit und wirtschaftliche Rangordnung beider Systeme. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, Beiträge für die Bestimmung ihres Arbeitslohncharakters in Abhängigkeit von dem finanzierten Deckungssystem in unterschiedlicher Weise zu gewichten.
b) Der Vorteil des durch die Beitragsleistung erlangten Versicherungsschutzes ist im Streitfall auch „für” die Beschäftigung gewährt worden. Denn Zukunftssicherung liegt regelmäßig ganz überwiegend im Interesse des versicherten Arbeitnehmers. Dass (auch) das von der Klägerin zur Zukunftssicherung genutzte Umlagesystem finanzielle Risiken birgt, steht einer solchen Würdigung nicht entgegen. Wie beim Vorteil bestimmt sich das wirtschaftliche Interesse des Arbeitnehmers an einer Zusatzversorgung nicht allein danach, inwieweit und mit welcher Wahrscheinlichkeit der einzelne Arbeitnehmer aufgrund der vom Arbeitgeber finanzierten Versorgung tatsächlich später Leistungen erlangt. Auch sind die Gründe, die den erkennenden Senat bewogen haben, Gegenwertzahlungen des Arbeitgebers an die VBL als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen anzusehen, nicht auf reguläre Umlagezahlungen an die VBL übertragbar. Schließlich treten im Streitfall eigenbetriebliche Interessen der Klägerin auch nicht deshalb hervor, weil es sich um eine bloße Rückversicherung des Arbeitgebers gegen Ansprüche seiner Arbeitnehmer gehandelt hätte. Im Übrigen nimmt die Tatsache, dass die Klägerin tarifvertraglich zur Zusatzversorgung verpflichtet war, den Beiträgen nicht ihren Entlohnungscharakter.
3. Die Voraussetzungen der von der Klägerin begehrten Steuerfreiheit der Beiträge nach § 3 Nr. 62 EStG oder nach § 3 Nr. 63 EStG liegen nicht vor.
a) Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 62 EStG setzt voraus, dass der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist. Die mit den Umlagezahlungen finanzierte Zusatzversorgung hat die Klägerin nach den Feststellungen des FG auf tarifvertraglicher Grundlage erbracht; eine Verpflichtung aufgrund Tarifvertrags stellt keine gesetzliche Verpflichtung i.S. des § 3 Nr. 62 EStG dar (vgl. z.B. v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 62 Rz B 62/34, und Blümich/Erhard, § 3 EStG Rz 1150, jeweils m.w.N.). Besonderheiten, die im Streitfall eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten (vgl. z.B. , BFH/NV 2006, 2242, und vom VI R 16/06, BFHE 219, 58, BStBl II 2008, 394), hat das FG nicht festgestellt. Auch sonst ist insbesondere keine materiell gesetzliche Verpflichtung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 219, 58, BStBl II 2008, 394) der Klägerin ersichtlich. Im Übrigen ist weder § 3 Nr. 62 EStG selbst noch dem Einkommensteuerrecht insgesamt die gesetzgeberische Grundentscheidung zu entnehmen, dass unabhängig von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Nr. 62 EStG Lohn stets insoweit von der Einkommensteuer zu befreien ist, als er für Zukunftssicherungsleistungen verwendet wird (, BFH/NV 2008, 794). Da § 3 Nr. 62 EStG nur deklaratorische Bedeutung erlangt, soweit der Arbeitgeber Zukunftssicherungsleistungen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung und deshalb nicht „für” die Beschäftigung erbringt (vgl. , BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34, zu den Arbeitgeberanteilen zur gesetzlichen Sozialversicherung), begegnet dieses Ergebnis keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken. Im Übrigen wäre die Vorschrift jedenfalls als Sozialzwecknorm (vgl. v. Beckerath, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 62 Rz B 62/27) sachlich gerechtfertigt.
b) Auch eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 63 EStG scheidet aus. Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen —wie auch die Klägerin nicht bestreitet— nicht vor, weil es sich im Streitfall nicht um eine kapitalgedeckte betriebliche Altersversorgung handelt. Auch verfassungsrechtlich kommt eine entsprechende Anwendung der Vorschrift im Streitfall nicht in Betracht. Denn die Vorschrift erschließt ihre Bedeutung im Kontext der nachgelagerten Besteuerung nach § 22 Nr. 5 EStG. Inwieweit sich der Gesetzgeber für eine vor- oder nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften entscheidet, obliegt grundsätzlich seiner gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit; ein Arbeitnehmer hat deshalb auch verfassungsrechtlich keinen Anspruch darauf, dass sich der Gesetzgeber hinsichtlich eines bestimmten Durchführungswegs der betrieblichen Altersversorgung für eine vor- oder nachgelagerte Besteuerung entscheidet. Allerdings ist es verfassungsrechtlich geboten, die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 134 f., unter D.II.). Für das Streitjahr hatte der Gesetzgeber die umlagenfinanzierte betriebliche Altersvorsorge noch der vorgelagerten Besteuerung zugewiesen; eine Steuerbefreiung der streitbefangenen Umlagezahlungen in der „Ansparphase” scheidet deshalb aus. Umgekehrt wäre Voraussetzung für eine Steuerbefreiung die nachgelagerte Besteuerung in der „Bezugsphase”. Das beigetretene BMF weist in seiner Stellungnahme zutreffend darauf hin, dass die Regelung des seit geltenden § 3 Nr. 56 EStG im Grundsatz der für die kapitalgedeckte betriebliche Altersversorgung bereits in 2002 eingeführten Regelung des § 3 Nr. 63 EStG (Steuerfreiheit der Beitragszahlungen an Pensionsfonds, Pensionskassen und --ab — an Direktversicherungen in der „Ansparphase”) entspricht und die durch steuerfreie Zuwendungen nach § 3 Nr. 56 EStG erworbenen Versorgungsleistungen dann —wie bei der kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung— gemäß § 22 Nr. 5 EStG vollständig nachgelagert besteuert werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 194
BFH/NV 2009 S. 1504 Nr. 9
BFH/PR 2009 S. 369 Nr. 10
BStBl II 2010 S. 194 Nr. 3
DB 2009 S. 1794 Nr. 34
DStR 2009 S. 1522 Nr. 30
DStRE 2009 S. 963 Nr. 15
DStZ 2009 S. 706 Nr. 19
FR 2009 S. 958 Nr. 20
HFR 2009 S. 975 Nr. 10
StB 2009 S. 299 Nr. 9
StBW 2009 S. 3 Nr. 16
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2009 S. 589
RAAAD-25215