Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BtMG § 31
Instanzenzug: LG Bielefeld, vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 18 Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (nach den Feststellungen: in nicht geringer Menge) in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall von 10.300 EUR angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Verletzung des Verfahrens- und des materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils.
1.
Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg. Denn die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters und vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen; dies gilt aber nicht, wenn sie - wie hier - Lücken aufweist (Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 337 Rdn. 27, 29 m.w.N.).
a)
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen führte der Angeklagte zwischen Januar 2006 und Juni 2007 mindestens einmal im Monat aus den Niederlanden jeweils 500 Gramm Heroin nach Deutschland ein, streckte dieses auf 1,5 Kilogramm und veräußerte es für 25 EUR pro Gramm an diverse Abnehmer, in zwei Fällen (im Mai und Juni 2007) in einer Menge von 5 bzw. 8 Gramm an den Zeugen B. .
Die Verurteilung stützt die Strafkammer auf die Aussagen des Zeugen B. in der Hauptverhandlung und im Ermittlungsverfahren sowie darauf, dass bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten und seiner Ehefrau eine große Menge Verpackungsmaterial, teilweise in Folie eingepackte 10.300 EUR, an denen ein positiver Drogentest durchgeführt wurde, und ein Notizzettel mit der Telefonnummer eines "polizeibekannten Drogenkonsumenten" sichergestellt wurden.
b)
Die Beweiswürdigung der Strafkammer weist in mehrfacher Hinsicht Rechtsfehler auf.
aa)
Es fehlt schon an einer ausreichenden Darstellung der Aussage des Zeugen B. im Ermittlungsverfahren.
In einem Fall, in dem ein Angeklagter zwar nicht allein, aber doch überwiegend durch die Angaben eines selbst tatbeteiligten Zeugen überführt werden soll, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr.; vgl. Meyer-Goßner aaO § 261 Rdn. 11a m.w.N.). Dazu ist es jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden erforderlich, neben den Umständen der Entstehung auch den näheren Inhalt der den Angeklagten belastenden Aussage darzustellen. Dies gilt umso mehr, wenn sich nicht von selbst versteht, auf welchen eigenen Wahrnehmungen der Auskunftsperson die Feststellungen zu zentralen Einzelheiten des Hergangs der Taten beruhen ( m.w.N.).
Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. So hat der Zeuge B. , der in der Hauptverhandlung teilweise von seinem Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO Gebrauch gemacht hat, dort nach den Mitteilungen des Urteils weder die festgestellte Anzahl der Einkaufsfahrten des Angeklagten in die Niederlande noch die dabei erworbenen Rauschgiftmengen oder die weiteren Einzelheiten der Ankäufe (Ort, Lieferanten) bestätigt. Auch die Angaben des Zeugen zu den Drogenverkäufen des Angeklagten in Deutschland beruhten überwiegend auf Berichten eines im Urteil namentlich nicht benannten "Bekannten". Vor diesem Hintergrund sowie den teilweise wenig aussagekräftigen weiteren Beweisanzeichen für die Schuld des Angeklagten war es unerlässlich, im Urteil die "sehr detaillierte" Aussage des Zeugen bei dessen polizeilicher Vernehmung, auf die sich die Strafkammer "insbesondere" gestützt hat, mit ihrem näheren Inhalt wiederzugeben.
bb)
Daneben ist auch die Würdigung der Aussage des Zeugen B. nicht frei von Mängeln.
Für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung gerade bei Aussagen im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts ist es regelmäßig ein wichtiger Gesichtspunkt, ob sich der Zeuge durch seine Aussage in dem gegen ihn selbst gerichteten Verfahren im Hinblick auf § 31 BtMG entlasten wollte. Ist ein tatbeteiligter Zeuge, auf dessen belastende Aussage die Überführung des Angeklagten entscheidend gestützt wird, wie ersichtlich hier (UA 8) bereits wegen seiner Beteiligung an derselben Betäubungsmittelstraftat verurteilt worden, muss die Beweiswürdigung deshalb erkennen lassen, ob sich der Betreffende eine Strafmilderung als Aufklärungsgehilfe "verdient" hat oder nicht (BGH aaO). Daran fehlt es vorliegend.
Hinzu kommt, dass die Strafkammer wegen des vom Zeugen B. in der Hauptverhandlung ausgeübten Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO seine Überzeugung in weiten Teilen nicht auf dessen Angaben in der Hauptverhandlung gestützt hat, die dort von allen Seiten hätten hinterfragt werden können, sondern nur mittelbar auf eine Aussage, die er in seiner polizeilichen Vernehmung getätigt hatte. Kann der Angeklagte aber sein durch Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK garantiertes Recht, Fragen an den Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen, nicht ausüben, weil diesem ein weitgehendes oder umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden wird, muss dieser Umstand schon deshalb bei der Beweiswürdigung bedacht werden, weil die durch die Vernehmung der Verhörsperson eingeführte Aussage bei Fehlen eines kontradiktorischen Verhörs nur beschränkt hinterfragt und vervollständigt werden kann (BGH NStZ 2004, 691, 692 m.w.N.).
2.
Für den Fall einer erneuten Verurteilung weist der Senat darauf hin, dass die dem angeordneten Verfall zugrunde liegende Feststellung, das Geld sei aus der Begehung der (abgeurteilten) Straftaten erlangt, schon deshalb der näheren Begründung bedarf, weil die Sicherstellung des Geldes erst mehrere Monate nach der letzten Tat erfolgte (zur Abgrenzung und zu den Voraussetzungen eines möglicherweise in Betracht kommenden Verfalls von Wertersatz: ).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
LAAAD-19191
1Nachschlagewerk: nein