Keine Beiladung einer ehemaligen Gesellschafterin einer vollbeendeten Personengesellschaft zum Gewinnfeststellungsverfahren; Vorliegen einer Überraschungsentscheidung; unzutreffende Sachverhaltswürdigung kein Verfahrensmangel
Gesetze: FGO § 48, FGO § 60 Abs. 3, FGO § 76, FGO § 96, FGO § 115 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Beschwerde hat hinsichtlich der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1991 bis 1994, der Gewerbesteuermessbeträge für 1992 und 1994 sowie der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum bis keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhobenen Rügen sind insoweit jedenfalls unbegründet.
1. Notwendige Beiladung
a) Zutreffend hat das Finanzgericht (FG) davon abgesehen, die ehemaligen Komplementärinnen, die O-GmbH und die E-GmbH bzw. deren Rechtsnachfolgerin, die H-GmbH, zum Verfahren über die Gewinnfeststellung betreffend die zwischenzeitlich vollbeendete F-KG beizuladen.
Da die Komplementärinnen jeweils nicht an dem Vermögen der F-KG beteiligt waren, sind sie von einer Gewinnänderung und damit von dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens nicht berührt. Sie sind damit weder klagebefugt (§ 48 Abs. 1 Nr. 4 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) noch beizuladen (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO; vgl. Senatsurteil vom IV R 89/05, BFH/NV 2008, 1984).
b) Eine Beiladung hinsichtlich der Gewerbesteuermessbescheide kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil Steuerschuldnerin der Gewerbesteuer allein die Rechtsnachfolgerin der F-KG, die E-KG, geworden ist.
Mit dem Ausscheiden der E-GmbH aus der zweigliedrigen Personengesellschaft (F-KG) endete die Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft durch Vollbeendigung ohne Liquidation. Die verbleibende Gesellschafterin, hier die E-KG, ist durch Anwachsung Gesamtrechtsnachfolgerin der Gesellschaft und damit Steuerschuldnerin geworden. Die Gewerbesteuermessbescheide sind im Streitfall auch zutreffend an die das Unternehmen fortführende Gesellschafterin als Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft adressiert worden (vgl. Senatsurteil vom IV R 91/05, BFH/NV 2008, 1289). Eine Beiladung der ausgeschiedenen Gesellschafter kommt daher unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht.
2. Bekanntgabe
Die Feststellungsbescheide sind auch allen Beteiligten wirksam bekannt gegeben worden. Eine Aussetzung des Verfahrens zwecks Nachholung der Bekanntgabe der Bescheide war daher, anders als die Klägerin meint, nicht geboten. Die Feststellungsbescheide sind allesamt an die Klägerin zu Händen des Geschäftsführers K adressiert worden. Gleichzeitig wurde in allen Bescheiden ausgeführt, dass die Bescheide auch mit Wirkung gegenüber den (im Einzelnen benannten) jeweiligen ehemaligen Komplementärgesellschaften bzw. deren Rechtsnachfolgern ergehen. Da K nach Aktenlage zum Zeitpunkt der Bekanntgabe ebenfalls Geschäftsführer jener Komplementärgesellschaften war, sind die Bescheide wirksam gegenüber allen Feststellungsbeteiligten bekannt gegeben worden.
3. Überraschungsentscheidung
Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Urteil ohne vorherigen Hinweis des Gerichts auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt wird, der weder im Besteuerungsverfahren noch im gerichtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren mit den Beteiligten erörtert wurde und auch nicht naheliegt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 10a, m.w.N.). Eine Überraschungsentscheidung liegt daher im vorliegenden Fall nicht vor. Das FG hat ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der sog. Interimslösung nach Aktenlage davon ausgegangen werden könne, dass nicht die Klägerin, sondern die O-KG den Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt habe. Die Beteiligten haben daraufhin die rechtlichen Auswirkungen dieser Rechtsansicht erörtert und in diesem Zusammenhang die Mieterträge und Mietaufwendungen sowie die Höhe der aktivierten Aufwendungen unstreitig gestellt.
Soweit die sachkundig vertretene Klägerin auf Grund der Erörterung ihrerseits noch weiteren Aufklärungsbedarf im Hinblick auf die Einkünfteerzielungsabsicht gesehen haben sollte, hätte sie einen entsprechend begründeten Vertagungsantrag stellen müssen.
4. Unzureichende Sachaufklärung bezüglich der Einkünfteerzielungsabsicht
Eine schlüssige Rüge, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung verstoßen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), erfordert die Darlegung der Klägerin, zu welchen konkreten Tatsachen weitere Ermittlungen geboten waren, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG hätte erheben müssen, wo Tatsachen vorgetragen waren, aus denen sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die zusätzliche Erhebung von Beweisen aller Voraussicht nach gehabt hätte und inwieweit die unterlassene Beweiserhebung oder Ermittlungsmaßnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (vgl. , BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819, unter II.1. der Gründe; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 70, m.w.N.). Außerdem muss vorgetragen werden, dass der Verstoß in der Vorinstanz gerügt wurde oder weshalb eine derartige Rüge nicht möglich war (Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 70 i.V.m. Rz 67, m.w.N.).
Derartige Darlegungen enthält die Beschwerde nicht. Die sehr ausführlichen Darlegungen erschöpfen sich im Wesentlichen in der Darstellung der unzutreffenden Würdigung der vorliegenden Unterlagen durch das FG. Dieses Vorbringen genügt für die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels indes nicht.
5. Antragsüberschreitung durch das FG
Die Rüge, dass das FG über das Klagebegehren hinausgegangen sei (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), hat ebenfalls keinen Erfolg. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, hat die Klägerin die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den mit ihrer Klage angefochten. Zwar hat die Klägerin mit Schriftsatz vom den Rechtsstreit bezüglich 1993 für erledigt erklärt, diese (einseitige) Erklärung hat sie aber in der mündlichen Verhandlung wirksam zurückgenommen (s. Protokoll vom ). Tatsächlich hat die Klägerin offensichtlich deshalb von einem Änderungsantrag des Verlustfeststellungsbescheides auf den abgesehen, weil dieser, in der nach Klageerhebung geänderten Fassung vom , ihrem Klagebegehren entsprach. Die vom FG tenorierte Änderung zu Gunsten der Klägerin beruhte indes auf dem Umstand, dass das FG die Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin bezüglich der sog. Interimslösung verneinte, was zu einem Wegfall eines Teils der Einkünfte und somit zu einer Erhöhung des gewerblichen Verlusts für den Veranlagungszeitraum 1993 führte. Wie unter 3. bereits ausgeführt, sind die Beteiligten auf diese Rechtsauffassung des FG und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden und haben die daran anknüpfenden Rechtsfolgen der Höhe nach unstreitig gestellt.
Da bezüglich der Verlustfeststellung auf den keine verfahrensbeendende Erklärung vorlag, musste das FG, da es eine Abänderung des Bescheides zu Gunsten der Klägerin für geboten hielt, das Begehren der Klägerin, wie geschehen, rechtsschutzgewährend auslegen. Dass die rechtsschutzgewährende Auslegung zu einer Erhöhung des Gewinns 1995 geführt haben soll, erschließt sich dem Senat nicht.
6. Widersprüchliche Begründung hinsichtlich der Projektierungs- und Verwaltungskosten, der Fremdüblichkeit des Generalunternehmervertrages, der Rückstellungsbildung und dem Realisierungszeitpunkt
Mit dem diesbezüglichen sehr umfänglichen Vorbringen beanstandet die Klägerin ausschließlich die materielle Würdigung des FG. Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils stellen indes grundsätzlich keinen Zulassungsgrund dar. Von vornherein unbeachtlich sind daher Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revision erheblich sein können. Anders ist es nur, wenn ein sog. qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vorliegt, der ausnahmsweise die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO rechtfertigt. Dafür kommen aber nur offensichtliche materielle oder formelle Fehler des FG im Sinne einer willkürlichen Entscheidung in Betracht. Hingegen reicht eine allenfalls fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles nicht aus (, BFH/NV 2006, 799). Unter diesen Voraussetzungen ist ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler nicht zu erkennen.
7. Die gerügte Divergenz zu dem Senatsurteil vom IV R 21/01 (BFH/NV 2003, 1542) liegt nicht vor. Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung als (u.a.) der BFH vertritt. Im Streitfall fehlt es bereits an der Vergleichbarkeit im Sachverhalt. Zudem scheitert die Zulassung der Revision auch daran, dass die Klägerin im Wesentlichen eine Divergenz in der Würdigung der Tatsachen rügt (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 53).
8. Schließlich kann die Zulassung der Revision auch nicht auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf das Vorliegen einer Übermaßbesteuerung gestützt werden. Zu Recht hat das FG insoweit ausgeführt, dass weder eine Feststellung der Besteuerungsgrundlagen noch ein Gewerbesteuermessbetragsbescheid zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Übermaßbesteuerung führen könnten. Denn die tatsächliche Steuerbelastung ergibt sich bei der Gewerbesteuer erst aus dem nachfolgenden Gewerbesteuerbescheid und bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erst aus dem nachfolgenden Einkommensteuerbescheid auf der Ebene der Gesellschafter (Senatsbeschluss vom IV B 91/04, BFHE 209, 128, BStBl II 2005, 647).
II. Hinsichtlich des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1995 und des Gewerbesteuermessbetragsbescheides 1995 ist die Beschwerde mit der Maßgabe begründet, dass die Vorentscheidung in entsprechender Anwendung des § 127 FGO aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen ist.
1. Die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) unter dem nach Bekanntgabe des FG-Urteils erlassenen Änderungsbescheide sind gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden. § 68 FGO ist auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde anwendbar (, BFH/NV 2003, 1065). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beschwerde, wie im Streitfall, zulässig, aber unbegründet ist (vgl. , BFH/NV 2005, 566).
2. Ergeht während des Verfahrens über eine zulässige, aber unbegründete Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein Änderungsbescheid zu Lasten des Steuerpflichtigen, ist die Vorentscheidung entsprechend § 127 FGO aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (, BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237). Im Sinne einer Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) bleibt der Klägerin damit bezüglich der durch den Erlass eines Änderungsbescheides aufgeworfenen Rechtsfragen die in der Finanzgerichtsbarkeit einzige Tatsacheninstanz erhalten. Da die Änderungsbescheide betreffend die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1995 und des Gewerbesteuermessbetrags 1995 erst während des Beschwerdeverfahrens erlassen und gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden sind, konnte die Klägerin gegen diese weder Einspruch einlegen, noch konnten die Bescheide durch das FG in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüft werden. Auch die Rechtsbehelfsbelehrung zu den Änderungsbescheiden weist ausdrücklich darauf hin, ein Einspruch sei bei laufendem (zulässigem) Rechtsmittel ausgeschlossen. Eine Überprüfung kann auch nicht im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nachgeholt werden (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237).
III. Eine weiter gehende Aufhebung und Zurückverweisung bezüglich der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1991 bis 1994 kommt nicht in Betracht. Zwar hat das FA auch diesbezüglich einen Sammelbescheid mit der Bezeichnung „geänderter Bescheid” erlassen. In der Anlage, auf die bereits auf der ersten Bescheidseite Bezug genommen wird, hat das FA aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch den „Bescheid” eine Feststellung nicht vorgenommen werden solle, da die Feststellungen bereits durch das FG-Urteil vorgenommen worden seien. Die Darstellung der betreffenden Beträge erfolge nur nachrichtlich.
Das FA hat daher lediglich eine formlose Mitteilung i.S. des § 100 Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz FGO erlassen. Mangels Regelung stellt diese Mitteilung keinen Verwaltungsakt dar und unterfällt daher nicht dem Anwendungsbereich des § 68 FGO.
Fundstelle(n):
AAAAD-18496