BFH Beschluss v. - X B 59/08

Rüge falscher Rechtsanwendung; Bezug auf die Begründung der Einspruchsentscheidung

Gesetze: FGO § 105 Abs. 5, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3, AO § 162

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg. Die von ihm benannten Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind teils nicht ordnungsgemäß dargelegt worden, teils liegen sie der Sache nach nicht vor.

1. Es ist kein Verfahrensmangel, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, darin zu sehen, dass das Finanzgericht (FG) gemäß § 105 Abs. 5 FGO von einer weiteren Darstellung der Urteilsgründe abgesehen hat und der Begründung der Einspruchsentscheidung gefolgt ist. Zwar läge ein Verfahrensfehler i.S. des § 116 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dann vor, wenn § 105 Abs. 5 FGO zu Unrecht vom FG herangezogen worden wäre (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 105 Rz 29). Dies ist jedoch nicht der Fall.

a) Eine Voraussetzung für eine zulässige Bezugnahme auf die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ist, dass diese selbst eine ausreichende Begründung enthält und sich nicht nur mit formelhaften Wendungen begnügt (, BFHE 169, 1, BStBl II 1992, 1043; Wagner in: Kühn/v.Wedelstädt, 18. Aufl., FGO, § 105 Rz 14). Die drei Einspruchsentscheidungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) vom erfüllen diese Voraussetzung, da in ihnen das FA nachvollziehbar darlegt, warum die Befugnis zur Schätzung bestand und warum in der entsprechenden Höhe Hinzuschätzungen vorgenommen wurden.

b) Das FG darf sich auch dann nicht lediglich auf die Begründung der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf beziehen, wenn das Gericht gemäß § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO auf wesentliches (neues) Vorbringen im Klageverfahren einzugehen hat, das in der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf nicht erörtert worden war (BFH-Urteile in BFHE 169, 1, BStBl II 1992, 1043; und vom VI R 10/94, BFHE 174, 391, BStBl II 1994, 707). Ein solcher Fall lag hier nicht vor, da der Kläger weder in seiner Klagebegründung vom , seinem Schriftsatz vom noch in der mündlichen Verhandlung vom ausweislich des Sitzungsprotokolls neue Tatsachen vorgebracht hat.

2. Der Kläger hat den von ihm gerügten Verfahrensfehler, das FG habe gegen seine aus § 76 Abs. 1 FGO herzuleitende Verpflichtung verstoßen, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären, nicht schlüssig dargelegt.

a) Für eine dahingehende schlüssige Rüge muss der Beschwerdeführer u.a. substantiiert darlegen,

- warum er —sofern er durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war— nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt habe,

- welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und

- inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 70, m.w.N. aus der Rechtsprechung).

b) Diesen Erfordernissen genügen die Ausführungen des Klägers nicht. Er beanstandet, dass sich das FG weder mit der Befugnis des FA zur Schätzung noch mit der Höhe der Hinzuschätzung auseinandergesetzt habe. Der Kläger hat damit nicht dargelegt, warum er, obwohl er bereits im FG-Verfahren von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten worden war, nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat. Auch hat er keine substantiierte Ausführungen darüber gemacht, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei der nach seiner Auffassung zu Unrecht unterbliebenen Sachaufklärung ergeben hätten und dass diese Tatsachen auf der Grundlage des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts zu einer anderen Entscheidung hätten führen können.

3. Die vom Kläger gegen die Schätzung des FG erhobenen Einwände vermögen die Zulassung der Revision ebenfalls nicht zu begründen. Er legt einen erheblichen Rechtsanwendungsfehler des FG bei der Schätzung des Umsatzes, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen könnte (Senatsbeschlüsse vom X B 126/07, nicht veröffentlicht —n.v.—; vom X B 38/06, BFH/NV 2007, 757), nicht hinreichend dar bzw. solche Fehler liegen nicht vor.

a) Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich (Senatsbeschluss vom X B 142/03, n.v.). Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom X B 36/07, n.v.).

Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 69, m.w.N.). Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision wegen willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis der Schätzung als offensichtlich realitätsfremd darstellt (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 69, m.w.N.). Das Vorliegen dieser besonderen Umstände ist in der Beschwerdeschrift darzulegen (Senatsbeschluss vom X B 218/06, BFH/NV 2007, 2273).

b) Der Kläger erhebt Einwände gegen die Schätzung des FG, die sich zum einen auf dessen Befugnis zur Schätzung und zum anderen auf das Ergebnis der Schätzung beziehen. Einen erheblichen Rechtsanwendungsfehler des FG legt er damit nicht dar. Soweit er (konkludent) behauptet, das FA und das FG seien zur Schätzung nicht befugt gewesen, da seine Buchhaltung keine schwerwiegenden Mängel aufgewiesen habe, kann diese Behauptung vor dem Hintergrund der Erkenntnisse des FA und des FG —das Kassenbuch entsprach nicht den gesetzlichen Vorschriften, Kassenbestände wurden verändert, die Kassensturzfähigkeit war nicht gegeben, Inventuren wurden nicht durchgeführt— keinen Rechtsanwendungsfehler des FG begründen.

Anhaltspunkte dafür, dass die für den Kläger nach Hinzuschätzung vom FG ermittelten Gewinne und Umsätze in den Streitjahren willkürlich hoch und realitätsfremd sind, bestehen nicht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
VAAAD-18463