BFH Urteil v. - VII R 47/07 BStBl 2009 II S. 509

Bankgeheimnis; bankinternes Aufwandskonto kein legitimationsgeprüftes Konto; hinreichende Veranlassung einer Kontrollmitteilung; Rasterfahndung; Bankenprüfung; Ermittlungsbefugnis

Leitsatz

1. Kontrollmitteilungen aus Anlass von Bankenprüfungen sind, wenn keine legitimationsgeprüften Konten oder Depots betroffen sind, nach § 194 Abs. 3 AO grundsätzlich ohne besonderen Anlass zulässig. Aus § 30a Abs. 1 AO ergibt sich keine weitergehende Auswertungsbeschränkung „im Bankenbereich”.

2. Ein bankinternes Aufwandskonto ist kein legitimationsgeprüftes Konto i.S. des § 154 Abs. 2 AO. Buchungsbelege zu diesem Konto, die ein legitimationsgeprüftes Konto oder Depot betreffen, fallen gleichwohl unter den Schutz des § 30a Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie notwendigerweise auch zu diesem Kundenkonto gehören.

3. § 30a Abs. 3 AO entfaltet auch im Rahmen nicht strafrechtlich veranlasster, typisch steuerrechtlicher Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung keine „Sperrwirkung”, wenn ein hinreichender Anlass für die Kontrollmitteilung besteht (Abgrenzung zum , BFH/NV 1998, 424).

4. „Hinreichend veranlasst” ist eine Kontrollmitteilung dann, wenn das zu prüfende Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist, die es aus dem Kreis der alltäglichen und banküblichen Geschäfte hervorheben oder eine für Steuerhinterziehung besonders anfällige Art der Geschäftsabwicklung erkennen lassen, die —mehr als es bei Kapitaleinkünften aus bei Banken geführten Konten und Depots stets zu besorgen ist— dazu verlockt, solche Einkünfte dem FA zu verschweigen, wenn also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Entdeckung unbekannter Steuerfälle besteht.

5. Der hinreichende Anlass für die „Nachprüfung der steuerlichen Verhältnisse” muss sich anhand der konkreten Ermittlungen im Einzelfall und der in vergleichbaren Prüfsituationen gewonnenen verallgemeinerungsfähigen Erkenntnisse nachvollziehbar ergeben.

Gesetze: AO § 30aAO § 154 Abs. 2AO § 194 Abs. 3

Instanzenzug: (EFG 2007, 970) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einem Kreditinstitut, führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) eine Außenprüfung durch, die nach der Prüfungsanordnung unter anderem die Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer 2001 umfasste. Gegenstand der Prüfung war auch ein Aufwandskonto „Wertpapier-Fehlgeschäfte”. Auf diesem Konto wurden Schadensersatzzahlungen gebucht, die die Klägerin z.B. wegen fehlerhaft ausgeführter Wertpapieraufträge an ihre Kunden geleistet hatte. Die Klägerin legte dem FA zu diesem Konto Belege vor, unter denen sich auch Schriftwechsel mit ihren Kunden sowie Auszüge über die gemäß § 154 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) legitimationsgeprüften Depots der Kunden befanden. Nach Auswertung der Unterlagen kündigte das FA an, zu den Steuerakten von 34 Kunden Kontrollmitteilungen anzufertigen und an die Wohnsitzfinanzämter der Kunden weiterzuleiten. Diese 34 Fälle seien aus der Gesamtheit der das Aufwandskonto „Wertpapier-Fehlgeschäfte” betreffenden Geschäftsvorfälle selektiert worden, weil der Umfang der vorgefundenen Unterlagen und die Höhe der erstatteten Gebühren Schlussfolgerungen auf die Höhe der Einkünfte aus Kapitalvermögen und ggf. auf vermeintliche Veräußerungsgewinne zugelassen habe. Die Kontrollmitteilungen sollten folgenden Inhalt haben:

„Der (die) Obengenannte ist Kunde [des namentlich bezeichneten Kreditinstituts] und hat im Jahr 2001 Schadensersatz aus einem fehlerhaft ausgeführten Wertpapiergeschäft erhalten. Aus dieser Information sind für die Finanzverwaltung/Wohnsitzfinanzamt folgende Überprüfungsmöglichkeiten gegeben:

a) Höhe der Kapitaleinkünfte,

b) Gewinne aus Veräußerungsgeschäften von Wertpapieren innerhalb der Spekulationsfrist,

c) Mittelherkunft für den Erwerb von Wertpapieren,

d) Kalkulation über frei verfügbare Mittel.

Über das Ergebnis der KM bitte ich um Nachricht.”

Die Klage gegen die Ankündigung des FA blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, dass das Konto „Wertpapier-Fehlgeschäfte” nicht unter den Schutzbereich des § 30a Abs. 3 AO falle und das FA schon deshalb nicht gehindert gewesen sei, daraus gewonnene Erkenntnisse durch Kontrollmitteilungen zu verwerten. Im Übrigen sei selbst in Fällen des § 30a Abs. 3 AO das Anfertigen von Kontrollmitteilungen bei hinreichendem Anlass für ein Tätigwerden im Steuerverfahren zulässig. Ein solcher sei im Streitfall gegeben, da hohe Schadensersatzzahlungen für Wertpapierfehlkäufe den Schluss auf nicht unerhebliches Kapitalvermögen und höhere Kapitaleinkünfte zuließen und gerade in diesem Bereich das Erklärungsverhalten vieler Steuerpflichtiger alles andere als vorbildlich sei. Diese Einschätzung werde dadurch bestätigt, dass nach den Ermittlungen des FA einige Bankkunden steuerlich nicht geführt zu sein schienen, obwohl sie höhere Kapitaleinkünfte erzielt zu haben schienen und —falls diese Annahme zutreffe— zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet gewesen wären. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 970 veröffentlicht.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt sinngemäß vor, dass —anders als in den bisher vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fällen— das Aufwandskonto mit den ihm zugeordneten Unterlagen in unmittelbarem Zusammenhang mit den legitimationsgeprüften Konten der Kunden und damit unter dem Schutz des § 30a Abs. 3 AO stehe und ein „hinreichender Anlass für ein Tätigwerden im Steuerverfahren”, falls er überhaupt im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO berücksichtigt werden könnte, sich jedenfalls im Streitfall aus den Feststellungen des FG nicht ergebe.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und dem FA zu verbieten, die angekündigten Kontrollmitteilungen auszufertigen und weiterzuleiten.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es hebt im Wesentlichen hervor, dass die Vorschrift des § 30a Abs. 3 AO selbst bei Vorliegen legitimationsgeprüfter Konten kein striktes Verbot entfalte, Kontrollmitteilungen zu erstellen, und der Verwertung von Zufallsfunden wie im Streitfall nicht entgegenstehe. Im Übrigen habe in den ausgewählten 34 Fällen schon wegen des Umfangs der dazu vorgefundenen Unterlagen und der Höhe der erstatteten Gebühren hinreichender Anlass für weitere Ermittlungen bestanden. Darüber hinaus sei stichprobenartig über die landesweite Fallauskunft (eine behördliche Datensammlung zu Steuerpflichtigen, denen eine Steuernummer erteilt wurde) geprüft worden, ob die in dem geprüften Konto erfassten Schadensersatzempfänger steuerlich geführt worden seien; da dies nicht immer der Fall gewesen sei, habe die Vermutung nahegelegen, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen hinterzogen worden sein könnten.

II.

Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen unter Berücksichtigung des § 30a Abs. 3 AO nicht aus, einen hinreichenden Anlass für die Ausfertigung der beabsichtigten Kontrollmitteilungen zu bejahen.

1. Nach § 194 Abs. 3 AO sind Kontrollmitteilungen grundsätzlich —und damit auch aus Anlass von Bankenprüfungen— zulässig (, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56). Nach dieser Vorschrift ist die Auswertung anlässlich einer Außenprüfung festgestellter Verhältnisse anderer als der unmittelbar geprüften Personen unter anderem zulässig, soweit ihre Kenntnis für die Besteuerung dieser anderen Personen von Bedeutung ist.

a) Eine generelle Auswertungsbeschränkung „im Bankenbereich” besteht nicht. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 30a Abs. 1 AO, wonach die Finanzbehörden bei der Ermittlung des Sachverhalts (§ 88 AO) „auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und deren Kunden besonders Rücksicht zu nehmen” haben. Durch diese Norm wird der Ermessensspielraum der Finanzbehörden bei der Sachverhaltsermittlung nicht über die bei allen Ermittlungsmaßnahmen zu beachtenden Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit hinaus beschränkt (, BFHE 196, 4, BStBl II 2001, 665; , BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; auch im Beschluss vom VII B 40/97, BFH/NV 1998, 424 hat der Senat eine mögliche Einschränkung des § 194 Abs. 3 AO nur hinsichtlich der in § 30a Abs. 3 AO bezeichneten Kontenbeziehungen in Betracht gezogen; offengelassen im , BFH/NV 2006, 1). Einer darüber hinausgehenden Beschränkung des Ermessens steht bereits die Beurteilung des BVerfG entgegen, wonach die durch die gleichlautende Formulierung in Nr. 1 des Bankenerlasses (BStBl I 1979, 590) veranlassten Beschränkungen der Steuerermittlung die zuverlässige Ermittlung der Kapitaleinkünfte prinzipiell verhindert hätten, ohne dass dies etwa verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre (vgl. , BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.b und c).

b) Die Voraussetzungen des § 194 Abs. 3 AO liegen für die im Streitfall beabsichtigten Kontrollmitteilungen vor. Die Erkenntnisse, die der Prüfer anlässlich der Prüfung des bankinternen Kontos „Wertpapier-Fehlgeschäfte” über Wertpapiergeschäfte von Bankkunden erlangt hat, können für die Besteuerung eines Bankkunden hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw. aus privaten Veräußerungsgeschäften relevant sein. Die Informationen, die das FA im Wege der Kontrollmitteilungen verwerten möchte, sind diesem auch „anlässlich einer Außenprüfung” bekannt geworden. Das FA hat nicht gezielt nach Besteuerungsgrundlagen Dritter gesucht und damit die Prüfung faktisch zu anderen Zwecken „missbraucht” (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom VII B 305/04, BFH/NV 2005, 1226; , BFH/NV 2007, 190). Darüber hinaus verlangt die Regelung keinen besonderen Anlass für eine Kontrollmitteilung. Vielmehr genügt es, wenn die vom Prüfer einzusehenden Geschäftsunterlagen des Steuerpflichtigen Hinweise auf die Verhältnisse dritter Personen zu geben vermögen, die bei objektiver Betrachtung für deren Besteuerung von Bedeutung sein können (Senatsurteil vom VII R 28/01, BFHE 204, 15, BStBl II 2004, 1032; BFH-Beschluss in BFHE 196, 4, BStBl II 2001, 665). Ein Anlass in diesem Sinne bestand für die Auswertung der im Streitfall vom FA „bei Gelegenheit” der Prüfung der Klägerin gewonnenen Erkenntnisse über das Innehaben eines (legitimationsgeprüften) Depots zweifellos (sog. Zufallsfund in Anlehnung an § 108 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung).

2. Bei der beabsichtigten Versendung der vorformulierten Kontrollmitteilungen ist im Streitfall aber § 30a Abs. 3 Satz 2 AO zu beachten. § 30a Abs. 3 AO wirkt insoweit als Einschränkung zu § 194 Abs. 3 AO (z.B. , BFHE 192, 260, BStBl II 2000, 648; s.a. BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56). Danach sind bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen nur rechtmäßig, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können.

a) Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, dürfen anlässlich einer Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden (§ 30a Abs. 3 Satz 1 AO). Die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen soll insoweit unterbleiben (§ 30a Abs. 3 Satz 2 AO).

b) Das bei der Klägerin geprüfte Aufwandskonto ist allerdings kein Konto i.S. des § 154 Abs. 2 AO. Der Überprüfung des Kontos stand auch nicht entgegen, dass die Buchungen auf diesem Konto eine Verbindung zu legitimationsgeprüften Konten (Depots) aufweisen konnten.

Im Beschluss in BFH/NV 2005, 1226 hat der Senat die Pflicht zur Vorlage eines bankinternen Wertpapierprovisionskontos bejaht, weil es nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit legitimationsgeprüften Konten stehe und deshalb nicht in den Schutzbereich des § 30a Abs. 3 AO falle. In ein solches Erfolgskonto, das einschließlich der dazugehörenden Belege Erkenntnisse über nicht anonymisierte Gegenbuchungen zu Geschäftsvorfällen auf legitimationsgeprüften Kundenkonten vermittle, könne die Finanzbehörde Einsicht nehmen, weil die mit der Einsichtnahme gewonnenen Informationen über legitimationsgeprüfte Konten lediglich eine von dem Kreditinstitut und dessen Kunden hinzunehmende Reflexwirkung darstellten.

Diese Erwägungen lassen sich entgegen der Auffassung der Klägerin auf das hier streitige Aufwandskonto „Wertpapier-Fehlgeschäfte” übertragen. Auch hier ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit legitimationsgeprüften Konten nicht gegeben, eine Verbindung ergibt sich lediglich über bankinterne Bearbeitungsvermerke und Buchungsvorgänge —hier zur Abwicklung des Schadensersatzes wegen Wertpapierfehlkäufen—, die zu ihrer Identifizierung notwendigerweise die Bezeichnung des jeweils betroffenen legitimationsgeprüften Kontos enthalten. Ebenso wenig wie bei einem Erlöskonto rechtfertigt diese allein buchungsbedingte Verbindung die Einbeziehung des Aufwandskontos in den Schutzbereich des § 30a Abs. 3 AO, da sie die Betriebsprüfung bei Kreditinstituten erschweren oder gar unmöglich machen würde.

c) In jener Entscheidung, in der es allein um die Rechtmäßigkeit des die Kontounterlagen betreffenden Vorlageverlangens ging, hat der Senat allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Betriebsprüfer auch bei berechtigtem Verlangen auf Einsicht in das betriebsinterne Konto nicht von der (weiteren) Prüfung entbunden ist, ob eine Verwertung der gewonnenen Erkenntnisse anhand von Kontrollmitteilungen zulässig ist. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auch bankinterne Buchungsvorgänge einen direkten Bezug zu Kundenkonten haben können, z.B. zur Abwicklung eines Geschäftsvorfalls —hier der Überweisung des dem Kunden zustehenden Schadensersatzes vom Aufwandskonto auf das jeweilige Kundenkonto. Die derartige Vorgänge dokumentierenden Belege gehören —nach dem funktionalen Kontenbegriff (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1998, 424)— notwendigerweise sowohl zum bankinternen als auch zum Kundenkonto. Handelt es sich bei Letzterem um ein legitimationsgeprüftes Konto, so fallen diese Belege unter den Schutz des § 30a Abs. 3 Satz 2 AO.

d) Nach § 30a Abs. 3 Satz 2 AO soll die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen „insoweit” unterbleiben, als nach Satz 1 legitimationsgeprüfte Depots „nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsmäßigen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden” dürfen.

Im Streitfall enthalten die beabsichtigten Kontrollmitteilungen zwar weder Depotnummern noch konkrete Informationen zu getätigten Wertpapiergeschäften. Mit dem Hinweis, dass der betreffende Steuerpflichtige Kunde des Kreditinstituts ist und aufgrund eines Wertpapiergeschäfts Schadensersatz erhalten hat, wird auch nicht ausdrücklich ein Depot „festgestellt”. Das Handeln mit Wertpapieren setzt nicht notwendig voraus, dass der Kunde bei dem Kreditinstitut ein Depot unterhält; Bankkunde ist auch derjenige, der „nur” ein Girokonto unterhält. Da aber über eine Bank vermittelte Wertpapiergeschäfte in aller Regel über ein Depot abgewickelt werden, würde die Kontrollmitteilung ohne weiteres Ermittlungen zur Feststellung eines Depots auslösen. Es wäre angesichts der unverkennbaren Zweckrichtung der Kontrollmitteilung lebensfremd, den Schutz des § 30a Abs. 3 Satz 2 AO allein wegen ihrer neutralen Formulierung zu versagen.

e) § 30a Abs. 3 Satz 2 AO verbietet aber nicht generell und ausnahmslos die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen anlässlich einer Bankenprüfung.

aa) Unstrittig ist in der Rechtsprechung des BFH, dass Zufallserkenntnisse, die den Verdacht einer Steuerverkürzung im Einzelfall begründen, auch hinsichtlich solcher Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Identitätsprüfung vorgenommen worden ist, dem zuständigen Finanzamt mitgeteilt werden können (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 424; BFH-Urteil in BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; BFH-Beschluss in BFHE 196, 4, BStBl II 2001, 665). Auf einen solchen Sachverhalt beruft sich das FA jedoch nicht.

bb) Auch im Rahmen nicht strafrechtlich veranlasster, typisch steuerrechtlicher Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung entfaltet § 30a Abs. 3 AO dann keine „Sperrwirkung”, wenn ein hinreichender Anlass für die Kontrollmitteilung besteht. Die vom Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in seinem Beschluss in BFH/NV 1998, 424 in summarischer Beurteilung der Rechtsfrage geäußerten Einwände gegen das Abstellen auf das Erfordernis eines „hinreichenden Anlasses” sind wie folgt zu präzisieren (so tendenziell schon Senatsbeschluss vom VII B 28/99, BFHE 192, 44, BStBl II 2000, 643):

aaa) Zwar hat der Senat seinerzeit § 30a Abs. 3 AO als bewusste und zielgerichtete Einschränkung des § 194 Abs. 3 AO durch den Gesetzgeber für Prüfungen im Bankenbereich angesehen und daraus gefolgert, dass wenigstens ein Kernbestand des Bankgeheimnisses bewahrt bleiben müsse. Daraus folgt aber nicht notwendig, dass Kontrollmitteilungen anlässlich einer Bankenprüfung außerhalb strafrechtlicher Ermittlungen schlechthin verboten wären. Es ging dem Senat hauptsächlich darum zu vermeiden, dass die Norm durch eine Auslegung, die dem Prüfer keine stärkeren Beschränkungen auferlegt als die allgemeine Vorschrift des § 194 Abs. 3 AO, jegliche eigenständige Bedeutung verliert (vgl. Beschluss in BFH/NV 1998, 424, unter II.2.f, 5. Abs.). Mit dem Erfordernis eines unter Berücksichtigung des gesetzlichen Schutzes des sog. Bankgeheimnisses zu bestimmenden hinreichenden Anlasses für Kontrollmitteilungen aus legitimationsgeprüften Konten ist diesem Anliegen aber Rechnung getragen. Die allgemeine Befugnis zur Verwertung von Prüfungserkenntnissen durch Kontrollmitteilungen nach § 194 Abs. 3 AO ist nur durch die bei allen Ermittlungsmaßnahmen zu beachtenden Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit beschränkt (s.o. II.1.a). Wenn das Erstellen von Kontrollmitteilungen bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten oder Depots demgegenüber einen hinreichenden Anlass voraussetzt, so ist damit eine engere Ermittlungsschranke definiert, die zur Wahrung des Kernbestandes des Bankgeheimnisses erforderlich, aber auch ausreichend ist.

Die derart eingeschränkte Befugnis zur Fertigung von Kontrollmitteilungen anlässlich einer Außenprüfung muss aber auch bestehen bleiben. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des VIII. Senats (in BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499) an, dass das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes herzuleitende Gebot zur Gleichbehandlung im Belastungserfolg in Bezug auf sämtliche Kapitaleinkünfte auch gegenüber dem Schutzanspruch der Bankkunden vor unverhältnismäßigen staatlichen Eingriffen durch unbegrenzte Datenerhebung (Urteil des BVerfG in BVerfGE 84, 239, 279 f., BStBl II 1991, 654) nicht völlig außer Betracht bleiben darf (so auch BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1). Das erfordert eine Auslegung des § 30a Abs. 3 AO, die dem Fiskus auch im Bankenbereich Kontrollmitteilungen nicht nur bei Verdacht einer Steuerstraftat erlaubt, sondern darüber hinaus diese als eines der wirksamsten Mittel zur Aufklärung steuerlich erheblicher Sachverhalte (vgl. Urteil des BVerfG in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56) jedenfalls nicht generell verbietet.

bbb) Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur „Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle” (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen „hinreichenden Anlass” —letztlich das Verbot von Ermittlungen „ins Blaue hinein"— heranzuziehen (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, m.w.N).

Konkretisiert auf den Schutz legitimationsgeprüfter Konten in § 30a Abs. 3 AO setzt ein hinreichender Anlass für das Anfertigen von Kontrollmitteilungen voraus, dass im konkreten Fall die Abwägung zwischen der gesetzlichen Vorgabe, möglichst keine Kontrollmitteilungen auszuschreiben oder jedenfalls schonend damit umzugehen, und der allfälligen Möglichkeit, unbekannte Steuerfälle zu entdecken, ein klares Übergewicht der fiskalischen Belange gegenüber dem vom Gesetz beabsichtigten Schutz des Bankkunden ergibt. Anlässlich einer Betriebsprüfung bei Banken darf daher die Befugnis, Kontrollmitteilungen zu fertigen, in den Fällen des § 30a Abs. 3 AO nur zurückhaltend ausgeübt werden. „Hinreichend veranlasst” ist eine Kontrolle insofern nur dann, wenn das zu prüfende Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist, die es aus dem Kreis der alltäglichen und banküblichen Geschäfte hervorheben oder eine für Steuerhinterziehung besonders anfällige Art der Geschäftsabwicklung erkennen lassen, die —mehr als es bei Kapitaleinkünften aus bei Banken geführten Konten und Depots stets zu besorgen ist— dazu verlockt, solche Einkünfte dem FA zu verschweigen, wenn also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Entdeckung unbekannter Steuerfälle besteht.

Das FA muss die „allgemeine Erfahrung” oder die „konkreten Erfahrungen für bestimmte Gebiete”, die die Kontrollmitteilung rechtfertigen sollen (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495), im Einzelnen benennen und in Bezug zu den aktuell gewonnenen Erkenntnissen setzen, so dass der Rückschluss auf die Möglichkeit einer Steuerverkürzung des Bankkunden plausibel ist. Ein hinreichender Anlass für die „Nachprüfung der steuerlichen Verhältnisse” muss sich anhand der konkreten Ermittlungen im Einzelfall und der in vergleichbaren Prüfsituationen gewonnenen verallgemeinerungsfähigen Erkenntnisse nachvollziehbar ergeben.

3. Im Streitfall ist nach den Feststellungen des FG nicht erkennbar, welche Umstände den Prüfer im Einzelnen veranlasst haben, die umstrittenen 34 Kontrollmitteilungen zu fertigen.

a) Das FG hat einen hinreichenden Anlass für ein Tätigwerden des Prüfers bejaht, da hohe Schadensersatzzahlungen für Wertpapierfehlkäufe den Schluss zuließen, dass nicht unerhebliches Kapitalvermögen vorhanden sein könnte und hieraus höhere Kapitaleinnahmen erzielt worden sein könnten, und zudem gerade im Bereich der Kapitaleinkünfte das Erklärungsverhalten vieler Steuerpflichtiger alles andere als vorbildlich sei. Diese Einschätzung werde nicht zuletzt auch dadurch bestätigt, dass nach den Ermittlungen des FA einige Bankkunden steuerlich nicht geführt seien, obwohl sie höhere Kapitaleinkünfte erzielt haben könnten und —falls diese Annahme zutreffe— zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet gewesen wären.

Mit diesen Ausführungen wird ein hinreichender Anlass gerade für die streitigen Kontrollmitteilungen nicht belegt. Die Höhe des im Einzelfall gezahlten Schadensersatzes für Wertpapierfehlkäufe rechtfertigt nicht die Annahme, dass Kapitaleinnahmen nicht versteuert worden sein könnten; es ist kein Erfahrungssatz ersichtlich, dass Einkünfte aus höheren Kapitalvermögen eher verschwiegen werden als solche aus geringeren. Die Feststellung, dass gerade im Bereich der Kapitaleinkünfte das Erklärungsverhalten vieler Steuerpflichtiger alles andere als vorbildlich sei, weist zudem darauf hin, dass das FG einen „Generalverdacht” der Steuerunehrlichkeit gegen Bezieher von Kapitaleinnahmen anstelle des erforderlichen hinreichenden Anlasses hat ausreichen lassen. Daran ändert auch die Erwägung des FG nichts, dass einige Bankkunden steuerlich nicht geführt seien. Denn es fehlt zum einen die Konkretisierung auf die beabsichtigten Kontrollmitteilungen, zum anderen aber auch jegliche logische Verknüpfung zwischen der Höhe der Schadensersatzleistung und der Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen.

b) Der Senat kann aufgrund der vom FG in seinem Urteil getroffenen Feststellungen nicht selbst entscheiden, ob die 34 Kontrollmitteilungen berechtigt sind. Allerdings ergeben sich aus den den vorinstanzlichen Vortrag erläuternden Ausführungen des FA in der mündlichen Verhandlung Anhaltspunkte dafür, dass für die Fertigung der 34 Kontrollmitteilungen Gründe vorgelegen haben könnten, die das FG im Urteil jedoch nicht im Einzelnen festgestellt hat. Diese Feststellungen wird das FG nachzuholen und zu würdigen haben.

Der Senat weist dazu auch auf folgende denkbaren Gesichtspunkte hin:

  • Verhältnis der Zahl der ausgewählten zur Anzahl der anlässlich der Prüfung des bankinternen Kontos insgesamt festgestellten Konten (Hinweis auf bewusste Auswahl),

  • wiederholte Schadensersatzleistungen (Hinweis auf Transaktionsaktivität und damit Fehleranfälligkeit),

  • Abgleich der Kunden, die erhebliche Schadensersatzleistungen erhalten haben, mit der Fallauskunft (voraussichtliches Überschreiten von Freibeträgen),

  • räumliche Distanz zwischen Wohnort und Sitz des Kreditinstituts (Verschleierungsabsicht nicht auszuschließen),

  • konkrete Hinweise im Rahmen des Zufallsfundes (z.B. auf Auslandsüberweisungen aus dem Anlagekonto; Hinweis auf weitere Depots; „Strohmann"-Geschäfte).

Darüber hinaus wird dem FA die Gelegenheit zu geben sein, sein diesbezügliches Vorbringen zu ergänzen, insbesondere Kriterien aufzuzeigen, die einen hinreichenden Anlass für weitere steuerliche Ermittlungen bieten und im Streitfall von Bedeutung sind.

Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 509
AO-StB 2009 S. 135 Nr. 5
AO-StB 2009 S. 141 Nr. 5
BB 2009 S. 1054 Nr. 20
BB 2009 S. 635 Nr. 13
BFH/NV 2009 S. 808 Nr. 5
BFH/PR 2009 S. 241 Nr. 6
BStBl II 2009 S. 509 Nr. 13
DStRE 2009 S. 451 Nr. 7
DStZ 2009 S. 343 Nr. 10
GStB 2009 S. 17 Nr. 5
HFR 2009 S. 437 Nr. 5
KÖSDI 2009 S. 16431 Nr. 4
KÖSDI 2009 S. 16431 Nr. 4
NJW 2009 S. 1437 Nr. 20
NWB-Eilnachricht Nr. 13/2009 S. 910
SJ 2009 S. 12 Nr. 7
StB 2009 S. 142 Nr. 5
StBW 2009 S. 6 Nr. 7
StBp. 2013 S. 173 Nr. 6
StBp. 2013 S. 173 Nr. 6
StC 2009 S. 14 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 7/2009 S. 283
WPg 2009 S. 490 Nr. 9
WPg 2009 S. 512 Nr. 9
ZIP 2009 S. 856 Nr. 18
MAAAD-15446