BFH Urteil v. - IV R 74/06

Keine Tarifbegünstigung des Auskehrungserlöses bei Liquidation einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile von einer Personengesellschaft gehalten werden; Prozessstandschaft einer Personengesellschaft vom zivilrechtlichen Fortbestand abhängig

Leitsatz

1. Bei Liquidation einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile zu 100 % im Betriebsvermögen gehalten werden, ist der Auskehrungsgewinn, soweit das verwendbare Eigenkapital EK 56/50 bis EK 03 als verwendet gilt, nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997 nicht tarifbegünstigt.
2. Das gilt auch, wenn die Liquidation der Kapitalgesellschaft in die Aufgabe des Unternehmens des Anteilseigners oder in die Aufgabe des Betriebs einer Personengesellschaft eingebunden ist, an der der Anteilsinhaber eine mitunternehmerschaftliche Beteiligung hält.

Gesetze: EStG § 16 Abs. 1, EStG § 17 Abs. 4, KStG § 14, KStG § 30, FGO § 48, FGO § 60

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) —. (KG)— erzielte im Zuge der Einstellung ihres Geschäftsbetriebs (Kfz-Handel) am einen Aufgabegewinn aus der Veräußerung ihres Anlage- und Umlaufvermögens an verschiedene Erwerber. Zum Sonderbetriebsvermögen ihres alleinigen Kommanditisten (X) gehörte die 100 %-ige Beteiligung an der Y-GmbH (GmbH), die gleichfalls mit Fahrzeugen handelte und am mit der Klägerin einen Ergebnisabführungsvertrag geschlossen hatte. Nach der am beschlossenen Auflösung veräußerte auch die GmbH ihr gesamtes Vermögen.

1. Erklärungsgemäß stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) mit Bescheid vom den Aufgabegewinn fest und berücksichtigte hierbei auch die von der GmbH erzielten Liquidationsgewinne. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat das FA hingegen zum einen unter Hinweis auf Abschn. 56 Abs. 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995 (KStR 1995) die Ansicht, dass die Liquidationsgewinne nicht der Gewinnabführung unterlägen. Zum anderen erfasste es mit Änderungsbescheid vom den Gewinn aus der Auskehrung des Vermögens der GmbH (EK 45) nicht als Teil des Aufgabegewinns der KG, sondern gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 2. Halbsatz i.V.m. § 17 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 1998 geltenden Fassung (EStG 1998) als laufenden Sonderbetriebsertrag des X in Höhe von 338 120 DM (= 236 684 DM Kapitalertrag gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG 1998 zuzüglich 101 436 DM anzurechnender Körperschaftsteuer gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 EStG 1998). Der nach den §§ 16, 34 EStG 1998 begünstigte Aufgabegewinn belief sich hiernach auf nur noch 551 203 DM.

2. Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage der KG hat das Finanzgericht (FG) den Bescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin geändert, dass der Aufgabegewinn —unter gleichzeitiger Minderung des laufenden Gewinns— um 338 120 DM auf 889 323 DM erhöht wurde. Zur Begründung führte die Vorinstanz u.a. aus, dass der Gewinn aus der Liquidation der GmbH nicht dem Ergebnisabführungsvertrag unterfalle und der —betragsmäßig zwischen den Beteiligten nicht umstrittene— Auskehrungserlös deshalb (einschließlich des Anrechnungsguthabens) in den nach den §§ 16, 34 EStG 1998 begünstigten Gewinn der KG aus der Aufgabe ihres Betriebs eingehe. Letzteres werde auch durch die Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 2. Halbsatz i.V.m. § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG 1998 nicht in Frage gestellt, da diese Bestimmungen lediglich für den Fall der Aufgabe eines fingierten Teilbetriebs in Form einer 100 %-igen Kapitalgesellschaftsbeteiligung anwendbar seien. Werde hingegen der Betrieb insgesamt aufgegeben und im Zuge dieses Vorgangs ein Auflösungsgewinn betreffend die stillen Reserven einer das gesamte Nennkapital einer Kapitalgesellschaft umfassenden Beteiligung aufgedeckt, bleibe für die Annahme einer Teilbetriebsaufgabe kein Raum. Zum einen deshalb, weil der Tatbestand der Teilbetriebsaufgabe notwendigerweise den Fortbestand des „restlichen” Betriebs voraussetze. Zum anderen bedürfe es in Fällen, in denen der gesamte Betrieb aufgegeben werde, der Teilbetriebsfiktion des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz EStG 1998 nicht mit der Folge, dass auch die Ausnahmeregelung im 2. Halbsatz der Vorschrift „außen vor” bleiben müsse (vgl. im Einzelnen Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 739).

3. Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA.

a) Das FA macht im Wesentlichen geltend, dass die enge Auslegung des FG mit Sinn und Zweck der durch das Jahressteuergesetz 1997 vom (BGBl I 1996, 2049) eingefügten Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 2. Halbsatz EStG 1998 nicht zu vereinbaren sei. Letztere Bestimmung sei auch dann zu beachten, wenn —wie vorliegend— die Betriebsaufgabe den Gewinn aus der Liquidation einer Kapitalgesellschaft, an der eine 100 %-ige Beteiligung bestehe, umfasse.

b) Die KG hat hierauf u.a. erwidert, dass im Rahmen der Betriebsaufgabe die Anteile an der GmbH mit ihrem gemeinen Wert (unter Berücksichtigung des Liquidationserlöses) anzusetzen seien. Auf diesen Teil des Aufgabegewinns finde aus den vom FG genannten Gründen § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 2. Halbsatz EStG 1998 keine Anwendung.

c) Während des Revisionsverfahrens ist die Gewinnfeststellung 1998 mit Bescheid vom geändert worden. Die Beteiligten haben hierzu erklärt, dass die Änderung den Streitstoff unberührt gelassen habe.

d) Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

e) Mit Schreiben vom wurden die Beteiligten gebeten, zur Frage der Beteiligtenfähigkeit der KG Stellung zu nehmen, da sowohl nach dem Betriebsprüfungsbericht als auch nach dem bisherigen Vortrag Zweifel daran bestünden, ob die KG nicht zwischenzeitlich vollbeendet worden sei mit der Folge, dass ihr auch das Prozessführungsrecht nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht mehr zustehe. Das FA hat daraufhin unter Vorlage von Handelsregisterkopien mitgeteilt, dass sowohl die KG als auch ihre Komplementärin (Y-GmbH) bisher im Handelsregister noch nicht gelöscht worden seien. Auch seien die Beteiligten deshalb nicht von einer Vollbeendigung der KG ausgegangen, weil diese bezüglich der Gewerbesteuer 1998 einen Rechtsstreit geführt habe, der erst mit Erlass des geänderten Gewerbesteuermessbescheids vom beendet worden sei. Ob es im Anschluss hieran —ab Mitte 2006— zur Vollbeendigung der KG gekommen sei, sei vom „Abwicklungszustand” abhängig, den das FA nicht beurteilen könne. Zu Letzterem haben die Bevollmächtigten der KG erklärt, dass das Amtsgericht…gebeten worden sei, von einer Löschung der KG abzusehen, „weil noch Rechtsbehelfsverfahren anhängig (seien)”. Zudem haben sie eine Kopie des Beschlusses zur Auflösung der vorgelegt, durch den X zum alleinigen Liquidator bestellt wurde.

II. Die Revision ist begründet. Das Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil der erkennende Senat auch nach den Erläuterungen der Beteiligten im Revisionsverfahren nicht beurteilen kann, ob X zum Klageverfahren der KG notwendig beizuladen oder ob er als vormaliger Kommanditist mit dem Wegfall der Prozessführungsbefugnis der KG in die Klägerstellung eingerückt ist.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Klägerin als gesetzliche Prozessstandschafterin nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO befugt war, Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1998 zu erheben.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach dem Beschluss des erkennenden Senats vom IV B 69/05 (BFH/NV 2007, 1923) eine Personengesellschaft für die Dauer eines Rechtsstreits über den Gewerbesteuermessbescheid (steuerrechtlich) als nicht vollbeendet gilt und ihr bis zum Abschluss eines solchen Verfahrens auch das Klagerecht nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO zusteht. Da vorliegend der gewerbesteuerliche Rechtsstreit erst mit Erlass des Gewerbesteuermessbescheids 1998 vom und damit erst im Verlauf des anhängigen Revisionsverfahrens zum Gewinnfeststellungsbescheid 1998 abgeschlossen worden ist, war die KG jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt prozessführungsbefugt. Auch ist die KG wirksam durch ihren alleinigen Liquidator, X, vertreten worden (vgl. § 146 Abs. 1 des HandelsgesetzbuchesHGB—; Senatsbeschluss vom IV B 21/01, BFHE 204, 44, BStBl II 2004, 239, unter 2.b der Gründe).

2. Das FG hat verkannt, dass X nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum finanzgerichtlichen Verfahren beizuladen war, weil die umstrittene Qualifizierung des in seinem Sonderbetriebsvermögen angefallenen Gewinns eine Frage betrifft, die ihn i.S. von § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO „persönlich angeht” (vgl. Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 48 Rz 36, m.w.N.). Die Nichtbeachtung der Vorschriften über die Beiladung berührt nach ständiger Rechtsprechung die Grundordnung des Verfahrens und ist deshalb auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen. Zwar kann der Bundesfinanzhof (BFH) eine vom FG zu Unrecht unterlassene Beiladung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 126 Abs. 3 Satz 2 FGO (i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom , BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) nachholen. Der Senat übt jedoch das ihm hiernach zustehende und an dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie auszurichtende Ermessen (, BFH/NV 2003, 636; Bergkemper in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 123 FGO Rz 18) dahin aus, dass er den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverweist.

a) Auszugehen ist hierbei davon, dass eine Beiladung des X nur dann in Betracht kommen kann, wenn —was als Sachentscheidungsvoraussetzung (Prozessvoraussetzung) gleichfalls von Amts wegen zu prüfen ist (, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326)— die KG mit Abschluss des gewerbesteuerlichen Streitverfahrens nicht ihre Beteiligtenfähigkeit —und damit ihr Klagerecht nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO— verloren hat. Dies wiederum ist nach ständiger Rechtsprechung daran gebunden, dass die KG als Rechtsperson weiterhin besteht, d.h. nicht vollbeendet ist (vgl. Steinhauff in HHSp, § 48 FGO Rz 101 ff., m.umf.N.).

b) Da der erkennende Senat anhand der —auf schriftliche Anforderung— abgegebenen Erklärungen der Beteiligten und der von ihnen eingereichten Unterlagen nicht mit der erforderlichen Gewissheit beurteilen kann, ob die Klagebefugnis der KG aufgrund Vollbeendigung erloschen ist, sieht er —im Interesse der Verfahrensbeschleunigung sowie zur Vermeidung von Verfahrenskosten— von weiteren eigenen Ermittlungen ab und überträgt es der Vorinstanz, die im Revisionsverfahren verbliebenen Zweifel auszuräumen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom IV R 79/05, BFH/NV 2008, 1951).

Nach herrschender Ansicht ist eine Personengesellschaft vollbeendet, wenn sie kein Aktivvermögen mehr hat und damit vermögenslos ist. Die Löschung einer Personenhandelsgesellschaft im Handelsregister nach Beendigung der Liquidation ist —ungeachtet dessen, dass hierin ein Indiz für die Feststellung der Vermögenslosigkeit zu sehen ist (vgl. , BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333, und vom VIII R 59/92, BFHE 179, 335, BStBl II 1996, 219)— für den Eintritt der Vollbeendigung weder erforderlich noch ausreichend (MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl., § 155 Rz 52; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 157 Rz 1, 3; , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1979, 1986). Die Vorinstanz wird deshalb im zweiten Rechtsgang der Frage nachzugehen haben, ob und in welchem Umfang die —bisher im Handelsregister nicht gelöschte— KG noch über Aktivwerte verfügt. Hierbei könnte auch von Bedeutung sein, dass eine Vollbeendigung der KG bereits dann zu verneinen wäre, wenn die Gesellschafter zu Nachschüssen in das Gesellschaftsvermögen zum Zwecke der Tilgung zurückgebliebener Verbindlichkeiten (z.B. für Kosten des anhängigen Verfahrens; vgl. , BFHE 211, 458, BStBl II 2006, 307) verpflichtet sind. Zudem wird es —ggf. auf der Grundlage einer mündlichen Erörterung mit den Beteiligten— die im Revisionsverfahren nicht näher erläuterte Behauptung zu klären haben, es seien „noch weitere Rechtsbehelfsverfahren anhängig”.

c) Sollte sich hiernach ergeben, dass die KG noch fortbesteht, wird das FG nach Beiladung des X erneut über die Klage zu entscheiden haben. Gegenstand des Klageverfahrens wäre der —im Zuge des Revisionsverfahrens ergangene— Änderungsbescheid vom , der nach den übereinstimmenden Äußerungen der Beteiligten die Grundlagen des anhängigen Streitverfahrens nicht berührt hat (§ 68 FGO).

d) Ergibt die weitere Sachverhaltsaufklärung der Vorinstanz hingegen, dass die KG zwischenzeitlich vollbeendet ist, so wird das FG zu beachten haben, dass X —als der vom anhängigen Rechtsstreit materiell betroffene Gesellschafter— analog §§ 239, 246 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO in die Klägerstellung der vormaligen KG eingetreten (z.B. , BFHE 214, 40, BStBl II 2006, 847, unter II.A.1.a b der Gründe) und demnach —wie ausgeführt— seine Beiladung ausgeschlossen wäre. Auch in diesem Fall des gesetzlichen Beteiligtenwechsels hätte die Vorinstanz über die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids vom zu entscheiden.

3. Im Interesse eines möglichst raschen Abschlusses des Rechtsstreits weist der Senat —allerdings ohne Bindungswirkung für den zweiten Rechtsgang— zu den zwischen den Beteiligten umstrittenen materiell-rechtlichen Fragen auf Folgendes hin:

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass nach der für das Streitjahr geltenden Rechtslage (§ 14 des Körperschaftsteuergesetzes 1998KStG 1998—) eine Kapitalgesellschaft (Organgesellschaft; hier: GmbH) auch dann finanziell in eine Personengesellschaft (Organträgerin; hier: KG) eingegliedert sein konnte, wenn —wie im Streitfall— die Anteile an der Organgesellschaft im Sonderbetriebsvermögen eines oder mehrerer Mitunternehmer gehalten wurden (hier: X; vgl. z.B. , BFHE 121, 352, BStBl II 1977, 357; vom I R 219/70, BFHE 108, 154, BStBl II 1973, 383; Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, § 14 KStG n.F. Rz 138; Abschn. 52 Abs. 2 KStR 1995; vgl. auch BTDrucks 15/119, S. 43 zu § 14 i.d.F. des Steuervergünstigungsabbaugesetzes vom , BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321). Auch haben die Bevollmächtigten der KG in der Revisionsinstanz die auf die Rechtsprechung des BFH sowie die herrschende Meinung im Schrifttum gestützte Ansicht des FG nicht mehr bestritten, nach der der von der GmbH erzielte Liquidationsgewinn nicht der vertraglichen Ergebnisabführungsverpflichtung unterlag und damit auch nicht nach § 14 KStG 1998 dem Gesamtgewinn der KG zuzurechnen ist (vgl. , BFHE 90, 370, BStBl II 1968, 105; vom I R 148/68, BFHE 101, 509, BStBl II 1971, 411; vom I R 62/89, BFHE 161, 375, BStBl II 1990, 992; ausführlich Müller/Stöcker, Die Organschaft, 7. Aufl., Rz 733 ff.; gl.A. Streck/Olbing, KStG, 6. Aufl., § 14 Rz 64; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 77; Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 14 KStG n.F. Rz 251; zweifelnd Gosch/Neumann KStG § 14 Rz 299).

b) Der Senat kann sich jedoch nicht der Ansicht des FG anschließen, nach der der auf die Auskehrung des Vermögens der GmbH entfallende Gewinn nach den §§ 16, 34 EStG 1998 begünstigt sei.

c) Sinn der §§ 16, 34 EStG 1998 ist es, die zusammengeballte Realisierung stiller Reserven nicht dem progressiven Einkommensteuertarif zu unterwerfen. Die Vergünstigung wird sowohl bei Veräußerung als auch bei Aufgabe eines Betriebs oder Teilbetriebs gewährt (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG 1998). Da § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1998 die im Betriebsvermögen gehaltene 100 %-ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Teilbetrieb fingiert (BTDrucks IV/3189, S. 6: wirtschaftliche Vergleichbarkeit), hat die Rechtsprechung dem Tarifprivileg nicht nur den Anteilsverkauf, sondern auch den Fall unterstellt, dass die Kapitalgesellschaft liquidiert und der Liquidationserlös in das Betriebsvermögen des Anteilsinhabers ausgekehrt wird (Aufgabe des gesetzlich fingierten Teilbetriebs; vgl. zu allem , BFHE 155, 511, BStBl II 1991, 624). Darüber hinaus hat der BFH zur Rechtslage bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1996 entschieden, dass der Anspruch auf Anrechnung der Körperschaftsteuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1996/1998 für Ausschüttungen, für die das verwendbare Eigenkapital EK 56/50 bis EK 03 als verwendet gilt (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 EStG 1996/1998 i.V.m. §§ 28 Abs. 3, 30 KStG 1998), abweichend von der Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG 1996/1998 nicht zur Umqualifizierung des Aufgabegewinns in einen laufenden Gewinn führe. Vielmehr sei der Anrechnungsanspruch in den Aufgabeanspruch einzubeziehen (, BFHE 175, 243, BStBl II 1995, 705). Da jedoch der Gesetzgeber die hierdurch eintretende „Vorteilskumulation von Körperschaftsteuer-Anrechnung und halbem Steuersatz” als nicht sachgerecht angesehen hat, ist (im Interesse) einer „einheitlichen Regelung (§ 17 Abs. 4 Satz 3 EStG 1998; § 21 Abs. 2 Nr. 3 des Umwandlungssteuergesetzes 1995UmwStG 1995—)” § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997/1998 mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 1997 durch einen Verweis auf § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG (1997/1998) ergänzt worden (BTDrucks 13/5952, S. 46 f.). Letzteres hat zur Folge, dass der auf die genannten Eigenkapitalanteile entfallende Gewinn aus der Auskehrung des Liquidationsergebnisses (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG 1998) als laufender Gewinn anzusetzen ist (, BFHE 215, 183, unter B.II.5. der Gründe).

d) Entgegen der Ansicht des FG kann nichts anderes gelten, wenn die Liquidation der Kapitalgesellschaft in die Aufgabe des Unternehmens des Anteilseigners oder —wie vorliegend— in die Aufgabe des Betriebs einer Personengesellschaft eingebunden ist, an der der Anteilsinhaber eine mitunternehmerschaftliche Beteiligung hält (gl.A. Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., § 16 Rz 167).

aa) Soweit die Bevollmächtigten der KG zugunsten der Auffassung des FG vortragen, dass im Rahmen des insgesamt erzielten Aufgabegewinns der auf die Beteiligung an der GmbH entfallende (Teil-)Gewinn mit dem gemeinen Wert der Anteilsrechte unter Berücksichtigung des zu erwartenden Liquidationserlöses anzusetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 4 EStG 1998) und bereits deshalb die Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 2. Halbsatz EStG 1998 nicht anwendbar sei, kann dem nicht gefolgt werden. Der Vortrag lässt außer Acht, dass die Anteilsrechte nicht aus dem Sonderbetriebsvermögen des X entnommen worden sind. Vielmehr ist die GmbH aufgelöst und ihr Vermögen veräußert worden. Hierauf aufbauend ist in der Rechtsprechung geklärt, dass der (Aufgabe-)Gewinn im Zusammenhang mit der Auflösung einer Kapitalgesellschaft (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 EStG 1998) nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert des gesamten von der Kapitalgesellschaft ausgekehrten Vermögens und dem Buchwert der Beteiligung im Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft oder —wie vorliegend— im Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmer zu bestimmen ist (BFH-Urteil in BFHE 175, 243, BStBl II 1995, 705, unter I.2.a der Gründe).

bb) Der Senat kann ferner der Vorinstanz nicht darin folgen, dass bei Aufgabe des gesamten Betriebs für den gesonderten Ansatz eines Aufgabegewinns aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft kein Raum sei, weil der Tatbestand der Teilbetriebsaufgabe „systematisch” nur vorliegen könne, wenn der „restliche” Betrieb bestehen bleibe.

cc) Die Ansicht kann weder dem Gesetzestext noch den allgemeinen Regeln der Logik noch der Systematik des § 16 EStG 1998 entnommen werden. Vielmehr treffen —entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zur sog. Anspruchskonkurrenz (Normenkonkurrenz; vgl. dazu auch , BFHE 208, 194, BStBl II 2005, 274)— im Streitfall der Tatbestand der Aufgabe des gesamten Betriebs mit demjenigen der Aufgabe von zwei Teilbetrieben (originärer Kfz-Handel der KG; Auflösung der GmbH) zusammen. Dass letzterer Tatbestand nicht an den Fortbestand des restlichen Betriebsvermögens gebunden ist, zeigt u.a. die Beurteilung des Sachverhalts, dass —abweichend von den Gegebenheiten des anhängigen Streitfalls— noch im Jahre 1996 und damit vor Geltung der Restriktion des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 2. Halbsatz EStG 1997 im Zuge der Beendigung der Geschäftstätigkeit der KG die Anteilsrechte (100 %) an der GmbH (Teilbetrieb 2) entnommen und dem originären Kfz-Handel der KG (Teilbetrieb 1) dienende wesentliche Wirtschaftsgüter (z.B. ein Betriebsgrundstück) nicht an Dritte veräußert, sondern zu Buchwerten in einen weiteren Betrieb des Kommanditisten übertragen worden wären. Wenngleich in dieser Sachverhaltsabwandlung eine nach den §§ 16, 34 EStG 1998 privilegierte Aufgabe des Teilbetriebs 1 ausscheidet, vermag der Senat in dem Umstand, dass ein Restbetrieb von der KG nicht aufrechterhalten wird, keinen Grund dafür zu erkennen, die mit der Entnahme der Anteilsrechte verbundene Aufgabe des Teilbetriebs 2 nicht der Begünstigung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1996 zu unterstellen (vgl. zur Anteilsentnahme auch , BFHE 136, 375, BStBl II 1982, 751); Gleiches würde unter den beschriebenen Umständen für die weitere Sachverhaltsvariation gelten, dass die Beteiligung an der GmbH (Teilbetrieb 2) im Jahre 1996 insgesamt an Dritte veräußert worden wäre.

dd) Stehen somit im Streitfall die Tatbestände der Gesamt- und der Teilbetriebsaufgabe nebeneinander, so hat dies selbstverständlich nicht zur Folge, dass die hierfür geltenden Vorschriften (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 EStG 1998) kumulativ anzuwenden (sog. kumulative Konkurrenz) und damit die ausgekehrten Liquidationserlöse der GmbH zwei Mal der Einkommensteuer zu unterwerfen wären (vgl. —zum Verhältnis von verdeckter Gewinnausschüttung und nicht abziehbaren Betriebsausgaben— , BFHE 182, 123; vom I R 27-29/05, BFHE 216, 536; zur Abgrenzung —betreffend Nachforderungs- und Hinterziehungszinsen— s. BFH-Urteil in BFHE 208, 194, BStBl II 2005, 274). Vielmehr ist jedenfalls dann, wenn der aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erzielte Gewinn des Anteilseigners zugleich in den Aufgabegewinn des Gesamtbetriebs eingeht, das Verhältnis beider Tatbestände wiederum nach den allgemeinen Grundsätzen der juristischen Methodenlehre im Sinne eines Vorrangs von § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1998 zu lösen (sog. verdrängende Konkurrenz; s. dazu einschließlich der Abgrenzung zum Verhältnis der Spezialität: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 267 f.; vgl. auch , BFHE 194, 162, BStBl II 2001, 353; vom I R 105/89, BFHE 168, 279, BStBl II 1992, 1029). Ausschlaggebend hierfür muss sein, dass —entgegen der Einschätzung der Vorinstanz— mit Rücksicht auf den Zweck des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 2. Halbsatz EStG (1998) —Ausschluss der Kumulation von Tarifbegünstigung und Körperschaftsteueranrechnung für sämtliche Sachverhalte der Gewinnrealisierung im Zusammenhang mit der Liquidation von Kapitalgesellschaften (s. oben)— kein Grund dafür ersichtlich ist, diese (sondergesetzliche) Anweisung für den Fall des Zusammentreffens von Betriebs- und Teilbetriebsaufgabe nicht zur Geltung zu bringen und damit die Regelungsintention des Gesetzgebers zu unterlaufen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 725 Nr. 5
EAAAD-15427