Leitsatz
1. Ein wirksamer Mobbingschutz ist in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts eine die ordnungspolitischen Interessen eines dem Schutz der Menschenwürde verpflichteten Rechtsstaats ebenso wie die fundamentalen Lebensinteressen des einzelnen berührende verfassungsrechtliche Wertschutzaufgabe. Er leistet auch i.S. einer Verhaltenssteuerung durch Recht einen Beitrag zu der von der EU-Kommission im Hinblick auf den Wandel der Arbeitswelt und Gesellschaft geforderten Festigung der Präventionskultur.
2. Der zum Teil in der Literatur und Rechtsprechung auf der Basis der "Doktrin der sozialen Konfliktaustragung als allgemeines Lebensrisiko" vertretene Ansatz, dass die Unterbindung von Mobbing gerichtlicher Aufgabenwahrnehmung nicht zugehörig sei oder diese überfordere und/oder betrieblicher Schlichtung oder Mediation vorbehalten sei, schützt strukturell die Mobbingtäter. Zur Mobbingbekämpfung ist ein auf das Prinzip der "Nulltoleranz" gegründeter und als verhaltenskulturelles Steuerungsmittel wirksamer Mobbingrechtsschutz gefordert.
3. Die bloße Unliebsamkeit eines Arbeitnehmers für den Arbeitgeber oder einen Vorgesetzten ist kein Kündigungsgrund. Weder seine bloße Unliebsamkeit noch ein sachlich berechtigter Grund für die Trennung von einem Arbeitnehmer können Mobbingmethoden als einen "Akt der Befreiung" rechtfertigen.
4. Arbeitgeberseitige Rechtsmaßnahmen, die Mobbing-Tatbeiträge darstellen, sind nach § 242 BGB i.V.m. Art. 1 und 2 GG rechtsunwirksam.
5. Die isolierte Rechtsprüfung einer zum Anlass einer Klage gewordenen Maßnahme wird der Tragweite des Falles nicht gerecht, wenn ein Mobbingzusammenhang geltend gemacht wurde und Anhaltspunkte bestehen, die befürchten lassen, dass die Mobbingangriffe auch bei gerichtlicher Kassation dieser Maßnahme fortgesetzt werden und durch Einbeziehung einer Mobbingprüfung in die Entscheidungsfindung der Fortsetzung des Mobbings und der damit anzunehmenden Entstehung weiterer Rechtsstreite vorgebeugt werden kann.
6. Die für die Feststellung von Mobbing erforderlichen persönlichkeitsfeindlichen Angriffshandlungen können nur vorsätzlich begangen werden. Der Vorsatz erstreckt sich dann regelmäßig auf die von der Rechtsordnung nicht gedeckte Herbeiführung der psychischen Zermürbung und sozialen Entwürdigung (psychosoziale Destabilisierung) des Mobbingopfers oder die Verwirklichung eines auf diesem Wege mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbarenden Herausdrängen aus beruflichen Positionen oder dem Beschäftigungsverhältnis. Prinzipiell ist jedoch ausreichend, dass die vorsätzlichen Persönlichkeitsangriffe zur Herbeiführung einer psychosozialen Destabilisierung des Mobbingopfers oder durch diese Destabilisierung vermittelten weitergehenden, mit der Rechtsordnung nicht vereinbaren Zielsetzungen förderlich sind. Eine solche Förderlichkeit besteht, bei einer entsprechenden Eignung der Mobbingangriffe und erst recht bei einem entsprechenden Erfolgseintritt.
7. Tritt der Persönlichkeitsbekämpfungsvorsatz durch die äußere Erscheinungsweise oder völlige Unverhältnismäßigkeit einer Handlung nicht offen zu Tage, kann er trotzdem indiziert sein, wenn die Handlung unter dem Verhaltensstandard eines intakten Beschäftigungsverhältnisses, in dem nicht eine Person, sondern ein Sachproblem bekämpft wird, nicht plausibel ist. Diese Indizierung kann wiederlegt werden durch den Vortrag und ggfs. den Beweis von Umständen, aus denen geschlossen werden kann, dass die sachlich nicht gerechtfertigte und in einer normalen Mitarbeiterbeziehung nicht plausible Handlung auf einem Irrtum, einem Versehen oder einer Fehleinschätzung beruht. Eine solche Rechtfertigung kann in der bei Mobbingfällen abschließend erforderlichen verhaltensumfassenden Beurteilung ihre Schlüssigkeit dadurch verlieren, dass sich in einem intakten Arbeitsverhältnis nicht mehr plausible Verhaltensweisen häufen. Dabei kann als Faustregel gelten: Je öfter und intensiver gegenüber einer Person durch deren Persönlichkeitsrechtsstellung belastende Rechtsakte oder inadäquate Kommunikation ein sozial ausgrenzendes oder in sonstiger Weise ein diese psychisch belastendes Verhalten an den Tag gelegt wird, um so mehr spricht hinsichtlich der jeweiligen Handlungen für das Vorliegen von Persönlichkeitsbekämpfungsvorsatz und bei verhaltensumfassender Beurteilung für die Berechtigung des Mobbingvorwurfs.
8. Ist ein mobbingbegründender Sachverhalt vorgetragen, dann obliegt der Gegenpartei der Vortrag und ggfs. der Beweis von Tatsachen, die das Fehlen einer Täter-Opfer-Beziehung begründen. Die für die Feststellung einer mobbingbedingten Pesönlichkeitsrechtsverletzung erforderliche Täter-Opfer-Beziehung fehlt nicht bereits deshalb, weil vereinzelt mit sozialadäquaten Umgangsformen nicht mehr vereinbare, affekthaft begangene Verhaltensweisen des Mobbingopfers vorliegen, welche von den Mobbingtätern durch ständige Quälereien oder situativ provoziert wurden. Das Gleiche gilt, wenn ein Verhalten vorliegt, das unter Berücksichtigung der vorangegangenen Mobbingbelastung als sozialadäquate Stressbewältigung und nicht als Teil eines systematischen Gegenmobbings gewertet werden muss.
9. Wann der zeitliche Abstand einer als Mobbingangriff geltend gemachten Handlung zu einer ebenfalls als Mobbingangriff geltend gemachten vorangegangenen Handlung den für die Annahme von Mobbing erforderlichen Systemzusammenhang unterbricht, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. An einen solchen Unterbrechung fehlt es, wenn der Mobbingtäter keine Zugriffsmöglichkeit hatte (z.B. Arbeitsunfähigkeit des Mobbingopfers) und die Mobbingangriffe nach Unterbrechung des Zugriffshindernisses fortgesetzt werden.
10. Bei der Bewertung des zeitlichen Zusammenhangs mit anderen Mobbinghandlungen kommen Mobbingelementen mit dauerverletzender Gestaltungswirkung eine besondere Rolle zu. Dabei handelt es sich insbesondere um Rechtsmaßnahmen, die ihren Adressaten über ihre bloße Kundgabe hinaus für den Zeitraum ihrer Wirkung mit einer andauernde Drucksituation auf die psychische Stabilität und die soziale Geltung belasten. Der Zeitraum der rechtlichen und psychosozialen Wirkungsdauer solcher Tatelemente ist nicht als Unterbrechung des Mobbingzusammenhangs anzusehen, er hat vielmehr Klammerwirkung zu der jeweils vorangegangenen bzw. nachfolgenden Mobbinghandlung.
11. Die art- und ablaufbezogene Regelförderlichkeit einer mobbingtypischen Zielsetzung erfordert bei Inanspruchnahme mehrerer Personen als Mobbingtäter die Feststellung der Arbeitsteiligkeit oder in sonstiger Weise derselben Zielsetzung förderliche Zusammengehörigkeit der von diesen geleisteten und als gemeinsames Mobbing geltend gemachten Tatbeiträge.
12. Bei der abschließend erforderlichen verhaltensumfassenden Beurteilung des als Mobbingeschehen vorgetragenen Sachverhalts handelt es sich in Zweifelsfällen um den bedeutsamsten Teil der Mobbingfeststellung. Durch die lapidare formelhafte Feststellung, dass auch die Gesamtschau keine andere Beurteilung (als die bei der isolierten Prüfung der als Mobbingelemente vorgetragenen Handlungen getroffene Feststellung fehlender Persönlichkeitsbekämpfung) rechtfertigen könne, wird diesem Erfordernis nicht entsprochen.