Verletzung der Sachaufklärungspflicht wegen Übergehens von Beweisanträgen; Unterlassen eines Hinweises gemäß § 76 Abs. 2 FGO kein Verfahrensmangel; Vorliegen einer Überraschungsentscheidung; kumulative Begründung der Entscheidung
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 76, FGO § 96
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.
Der Senat kann offenlassen, ob die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in seiner Beschwerdebegründung angeführten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sowie der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) gegeben sind. Das Finanzgericht (FG) hat seine Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt und dabei auch ausgeführt, dass die Gewährung der beantragten Eigenheimzulage unbeschadet der fehlenden verfahrensrechtlichen Voraussetzungen auch aus materiellen Gründen nicht in Betracht komme, da der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er das zu fördernde Objekt entgeltlich erworben und Anschaffungskosten hierfür getragen habe. Ist das Urteil des FG —wie im Streitfall— kumulativ auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich das Entscheidungsergebnis trägt, muss mit der Nichtzulassungsbeschwerde für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO schlüssig dargelegt werden (z.B. , BFH/NV 2005, 2032, m.w.N.). Die vom Kläger in seiner Beschwerdebegründung angeführten Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alternative FGO beziehen sich allein auf die nach Auffassung des FG fehlenden verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Eigenheimzulage. Zu dem das FG-Urteil als selbständige Begründung tragenden materiellen Gesichtspunkt des fehlenden Nachweises eines entgeltlichen Erwerbs und des Tragens eigener Anschaffungskosten hat der Kläger lediglich Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt. Diese liegen indes nicht vor.
So kann der Kläger mit seiner Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt und angebotene Beweise zu Unrecht nicht erhoben, schon deshalb nicht gehört werden, weil die insoweit einschlägige Norm des § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung die Prozessbeteiligten —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten können (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung —ZPO—). Aus dem insoweit maßgeblichen Sitzungsprotokoll (vgl. § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4, § 164 ZPO) ergibt sich nicht, dass das Übergehen von Beweisanträgen gerügt worden ist. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem FG die Protokollierung einer entsprechenden Rüge verlangt und —im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen— eine Protokollberichtigung beantragt worden ist (vgl. , BFH/NV 2000, 582, m.w.N.). Die Beschwerdebegründung lässt darüber hinaus nicht erkennen, weshalb sich dem FG auf der Grundlage seines materiell-rechtlichen Standpunktes eine weitere Sachverhaltsaufklärung auch ohne entsprechende Beweisanträge hätte aufdrängen müssen (vgl. , BFH/NV 2005, 43, m.w.N.).
Der Kläger rügt ferner zu Unrecht, das FG habe gebotene Hinweise unterlassen und deshalb seine Entscheidung i.S. des § 76 Abs. 2 FGO verfahrensfehlerhaft aufgrund eines unvollständigen Sachverhaltes getroffen. Bei im Klageverfahren steuerlich beratenen und durch einen fach- und sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten stellt das Unterlassen eines (nach ihrer Ansicht notwendigen) Hinweises gemäß § 76 Abs. 2 FGO regelmäßig keinen Verfahrensmangel dar (vgl. , BFH/NV 2006, 2269, m.w.N.).
Der Kläger macht auch zu Unrecht geltend, das FG habe Teile seines Vorbringens unberücksichtigt gelassen; der damit gerügte Verfahrensmangel einer Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens liegt nicht vor. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO gebietet es schon dem Grunde nach nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (, BFH/NV 2007, 80, unter 3. c, m.w.N.). Im Streitfall hat sich das FG in seinem Urteil mit dem klägerischen Vorbringen zur Frage der Entrichtung des Entgelts für die erworbene Immobilie und den insoweit vorgelegten Nachweisen beschäftigt und das Vorbringen —abweichend von der mit der Klage vertretenen Rechtsansicht— gewertet. Mit den hiergegen gerichteten Angriffen wendet sich der Kläger nach dem tatsächlichen Gehalt seines Beschwerdevorbringens nur gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG; er macht damit keinen Verfahrensmangel geltend, sondern rügt einen materiell-rechtlichen Fehler, der nicht zur Zulassung der Revision führen kann (, BFH/NV 2006, 772, m.w.N.).
Der Kläger macht auch zu Unrecht geltend, das FG habe eine Überraschungsentscheidung erlassen und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO und § 76 Abs. 2 FGO). Eine solche Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (, BFH/NV 2002, 947). Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Gericht indes nicht, die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern und ihnen die einzelnen für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten (, BFH/NV 2000, 1235). Danach liegt im Streitfall keine Überraschungsentscheidung vor. Die Frage des fehlenden Nachweises eines entgeltlichen Erwerbs und des Tragens eigener Anschaffungskosten ist vom FG nicht erst im Endurteil in das Verfahren eingebracht worden, sondern war schon im Verwaltungsverfahren Gegenstand der Erörterung und in der Einspruchsentscheidung tragender Grund gewesen, die beantragte Eigenheimzulage nicht zu gewähren.
Fundstelle(n):
CAAAD-08074