Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens; steuerrechtliche Anerkennung eines Treuhandverhältnisses bezüglich GmbH-Anteilen; Verzicht eines Gesellschafters einer GmbH auf eine Pensionszusage
Gesetze: FGO § 96 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, AO § 39 Abs. 2 Nr. 1, EStG § 6 Abs. 1 Nr. 5
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), S und H hielten 49 %, 30 % und 21 % des Stammkapitals der S-GmbH in Höhe von 100 000 DM; der Kläger war auch Geschäftsführer der S-GmbH. Der Kläger und H hatten im Oktober 1981 einen Treuhandvertrag über die Anteile des H geschlossen, den sie im April 1990 aufhoben.
Im Jahr 1990 veräußerten der Kläger, S und H ihre Anteile in Höhe von 24 000 DM, 5 000 DM und 20 000 DM an zwei Zwischenerwerber. Diese übertrugen ihre Anteile in diesem Jahr in Höhe von 12 300 DM auf A und im nächsten Jahr wieder in Höhe von 18 800 DM auf den Kläger und in Höhe von 17 900 DM auf S, die diese Anteile im gleichen Jahr in Höhe von 12 200 DM an A und in Höhe von 24 500 DM an einen weiteren Zwischenerwerber abtraten; dieser veräußerte seine Anteile im Jahr 1993 an A. A verkaufte seinerseits in den Jahren 1994 und 1995 Anteile in Höhe von insgesamt 24 500 DM an E. Alle Veräußerungen erfolgten jeweils zu Kaufpreisen in Höhe von 372 % des Nominalwerts. Vor Abschluss der Abtretungsverträge hatten die Erwerber jeweils befristete Angebote zum Kauf und zur Übernahme weiterer Anteile vom Kläger, S und H zu Kaufpreisen in Höhe von 4 181 % des Nominalwerts abgegeben. Darin erteilten die Erwerber unter dem Abschnitt „Zeitliche Abgrenzung und Haftung und sonstige Verpflichtung” dem Kläger, S und H die Vollmacht, die bereits erworbenen Anteile auf sich oder einen Dritten zu übertragen. Die Angebote wurden nicht angenommen.
Im Streitjahr (1997) veräußerten der Kläger, S und H ihre restlichen Anteile zu einem Kaufpreis in Höhe von 11 764 % des Nominalwerts an A und E. Ferner änderten der Kläger und die S-GmbH am die Pensionszusage der S-GmbH dahingehend, dass die S-GmbH dem Kläger nur die Leistung der Rückdeckungsversicherung zu bezahlen habe. Die S-GmbH löste die Pensionsrückstellung daher zum in Höhe eines Teilbetrags von . DM auf und stellte diesen Betrag als Rücklage ein.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) besteuerte die Anteilsveräußerungen im Streitjahr nach § 17 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG). Die Änderung der Pensionszusage behandelte das FA dabei als Verzicht, der zu einer verdeckten Einlage in die S-GmbH und zu einer Einnahme des Klägers im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit führt. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde beantragt der Kläger, die Revision wegen Verfahrensmängeln nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO) zuzulassen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO). Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO; denn das FG hat § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt. Es kann daher dahinstehen, ob weitere Verfahrensmängel oder der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO vorliegen.
1. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde zu legen; insbesondere ist der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (z.B. , BFH/NV 2008, 26, m.w.N.). Das FG verletzt § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, wenn es bei seiner Überzeugungsbildung von einer Sachverhaltsunterstellung ausgeht, die nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen wird (vgl. , BFH/NV 1996, 554).
2. Nach diesen Maßstäben liegt ein solcher Verfahrensfehler vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
a) Das FG hat eine wesentliche Beteiligung des Klägers i.S. des § 17 Abs. 1 EStG an den im Streitjahr veräußerten Anteilen kumulativ darauf gestützt, dass H seine Anteile an der S-GmbH treuhänderisch für den Kläger gehalten habe, und darauf, dass der Kläger, S und H ihre bis 1995 veräußerten Anteile den (Zwischen-)Erwerbern bis zum Ablauf der in den Kaufangeboten vereinbarten Bindungsfristen jederzeit haben wieder entziehen können. Beide Annahmen beruhen jedoch auf Unterstellungen dieser Sachverhalte als richtig und nicht auf deren Ermittlung.
aa) Das FG nennt als Indiz für ein Treuhandverhältnis, der Kläger habe bei der Beurkundung der Kaufangebote mehrfach für H aufgrund einer ihm am erteilten notariellen Vollmacht gehandelt, deren Umfang ein Treuhandverhältnis beschreibe; diese Verträge habe H nach dem Eindruck des FG gar nicht gekannt. Daraus kann aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, ein Treuhandverhältnis sei tatsächlich durchgeführt worden. Aus dem Gebrauch dieser Vollmacht bei den Kaufangeboten ergibt sich nicht, dass der Kläger alle mit der Beteiligung des H verbundenen wesentlichen Rechte ausüben konnte (vgl. hierzu , BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857, m.w.N.). Auch die Vermutung des FG, H hätte als wirtschaftlicher Eigentümer nicht im Jahr 1990 seine Anteile nahezu vollständig zu einem Kaufpreis von nur 9 % des seinerzeit von den Vertragsparteien in den Kaufangeboten angenommenen Werts veräußert, besagt nichts über die Durchführung eines Treuhandverhältnisses hinsichtlich des dem H verbliebenen Anteils an der S-GmbH in Höhe von 1 %.
bb) Zu der Annahme, der Kläger, S und H hätten ihre bis 1995 veräußerten Anteile den Erwerbern bis zum Ablauf der in den Kaufangeboten vereinbarten Bindungsfristen jederzeit wieder entziehen können, gelangt das FG, weil die Kaufpreise der in den Jahren bis 1995 veräußerten Anteile nach seiner —des FG— Überzeugung weit unter ihrem tatsächlichen Wert gelegen hätten, die Zwischenerwerber ihre Anteile wieder zu Einstandspreisen abgegeben haben und A und E die restlichen Anteile zu Kaufpreisen erwarben, die erheblich über dem in den Kaufangeboten festgelegten Werten lagen. Die Höhe der vereinbarten Veräußerungsentgelte lässt indes nicht den Schluss zu, den Erwerbern hätten die Anteile auch gegen ihren Willen wieder entzogen werden können. Soweit das FG auf die in den Kaufangeboten enthaltenen Vollmachten abstellt, hat es übergangen, dass in den Kaufangeboten des E vom und vereinbart ist, dass die Vollmacht (nur) für den Fall der Nichterfüllung des Angebots erteilt wird.
b) Auch die Annahme des FG, der Kläger habe sich bereits vor der Veräußerung seiner restlichen Anteile am gegenüber der S-GmbH verpflichtet, auf seine Pensionsansprüche zu verzichten, wird nicht von tatsächlichen Feststellungen getragen. Das FG ist zu dieser Überzeugung gelangt, weil bei wirtschaftlich vernünftigem Verhalten der Vertragsparteien anzunehmen sei, dass die Pensionsansprüche des Klägers die Kaufpreisfindung beeinflusst hätten; anderenfalls sei unverständlich, dass der Kläger entschädigungslos auf einen erheblichen Teil seiner Pensionsansprüche verzichtet habe. Dies sind indes nur Vermutungen.
3. Der Senat hält es für sachgerecht, gemäß § 116 Abs. 6 FGO das angefochtene Urteil wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob dem Kläger der nach der Veräußerung im Jahr 1990 verbliebene Anteil des H als Treuhänder (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 der Abgabenordnung) zuzurechnen ist (zu den Voraussetzungen der Anerkennung einer Treuhand vgl. , BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152). In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass gegen wirtschaftliches Eigentum des Klägers spricht, dass H am Veräußerungserlös des Streitjahres in Höhe seines Anteils teilgenommen hat; denn damit hat er die Wertsteigerung seines Anteils realisiert (hierzu BFH-Urteil in BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857, m.w.N.).
Zudem hat das FG zu prüfen, ob der Kläger das wirtschaftliche Eigentum an seinen in den Jahren 1990 und 1991 veräußerten Anteilen erst mit Ablauf der jeweiligen Bindungsfristen der Kaufangebote verloren hat. Dies ist indes nur anzunehmen, wenn aufgrund tatsächlicher Feststellungen des FG feststeht, dass der Kläger bis dahin noch alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben konnte (hierzu BFH-Urteil in BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857, m.w.N.).
b) Hinsichtlich der Änderung der Pensionszusage wird das FG festzustellen haben, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Änderung der Pensionszusage noch Gesellschafter der S-GmbH war. Sollte das FG zu dem Ergebnis gelangen, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch Gesellschafter war, wäre der Verzicht mit dem vom FG noch zu ermittelnden Teilwert der Pensionsanwartschaft zu bewerten (hierzu , BFHE 184, 432, BStBl II 1998, 305).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
QAAAD-05567