Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft nach Bestellung eines sog. "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters
Gesetze: UStG § 2 Abs. 2, InsO § 21 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) liegen nicht vor.
1. Es fehlt bereits an dem für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erforderlichen Herausstellen einer entscheidungserheblichen abstrakten Rechtsfrage. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) trägt zwar vor, die „vorliegende Rechtsfrage” sei von besonderem Gewicht, insbesondere für die große Anzahl von Fällen der Betriebsaufspaltung, er lässt aber offen, welche abstrakte Rechtsfrage er überhaupt für klärungsbedürftig hält. Insbesondere beinhaltet die Behauptung, dass die Insolvenzgerichte mittlerweile in nahezu 90 % der Fälle sog. schwache vorläufige Insolvenzverwalter bestellten, keine abstrakte Rechtsfrage, sondern lediglich den Vortrag eines bestimmten Sachverhalts.
2. Sofern das Vorbringen des Klägers dahingehend ausgelegt würde, dass er die Rechtsfrage geklärt haben möchte, unter welchen Umständen eine Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters endet, wäre diese Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Frage erforderlich machen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587; vom X B 40/99, BFH/NV 2000, 563; vom V B 23/04, BFH/NV 2007, 60). So liegen die Verhältnisse im Streitfall.
a) Seit dem Grundsatzurteil vom V R 24/03 (BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905) ist geklärt, dass eine Organschaft, bei der der Organträger weiterhin als Geschäftsführer der von der Insolvenz bedrohten Organgesellschaft tätig ist und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht, regelmäßig bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen bleibt (vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 115/06, BFH/NV 2007, 787; vom V B 47/06, BFH/NV 2007, 1936). Dies gilt auch dann, wenn das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 der Insolvenzordnung anordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Da der BFH in mittlerweile ständiger Rechtsprechung aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit insoweit allein auf die rechtlichen Befugnisse abstellt, die dem Insolvenzverwalter durch den Beschluss des Insolvenzgerichts eingeräumt werden, kommt es entgegen der klägerischen Ansicht nicht darauf an, ob der Geschäftsführer „faktisch” von der Geschäftsführung ausgeschlossen war. Die tatsächliche Amtsführung ist ebenso irrelevant wie eine etwaige Anmaßung ihm nicht übertragener Rechte durch den vorläufigen Insolvenzverwalter (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1936).
b) Der Kläger hat auch keine neuen und gewichtigen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine erneute Entscheidung dieser Rechtsfrage erforderlich erscheinen lassen. Dabei kann offenbleiben, ob —wie der Kläger meint— die Stellung eines unter Zustimmungsvorbehalt stehenden Insolvenzschuldners tatsächlich mit der Stellung eines BGB-Gesellschafters ohne alleinige Geschäftsführungsbefugnis vergleichbar ist. Denn die hieraus vom Kläger gezogenen Folgerungen betreffen lediglich den Wegfall der personellen Verflechtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung. Die Voraussetzungen einer ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung entsprechen jedoch nicht denjenigen einer umsatzsteuerlichen Organschaft. Während die Betriebsaufspaltung eine sachliche und personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft erfordert, setzt die Organschaft eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung voraus (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999) und stellt dabei auch auf das Gesamtbild der Verhältnisse ab. Zur Annahme einer Organschaft ist es nicht erforderlich, dass alle drei Eingliederungsmerkmale in gleicher Weise stark ausgebildet sind. Eine Organschaft liegt also auch dann vor, wenn sich die Eingliederung bei zwei Merkmalen deutlich, beim dritten Merkmal aber weniger deutlich zeigt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905). Im Streitfall waren die finanzielle Eingliederung (alleinige Gesellschafterstellung des Klägers) und die wirtschaftliche Eingliederung (Vermietung einer Lagerhalle an die GmbH) deutlich ausgeprägt. Daher war es im Rahmen einer Gesamtbetrachtung für die organisatorische Eingliederung ausreichend, dass der Kläger Geschäftsführer blieb und eine vergleichbar starke Stellung wie der vorläufige Insolvenzverwalter hatte. Einerseits war zwar er für sämtliche Verfügungen von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters abhängig, andererseits konnte dieser aber nicht allein über das Vermögen des Schuldners verfügen („Patt-Situation”).
c) Soweit der Kläger im Anschluss an die Ausführungen von Hölzle (Deutsches Steuerrecht 2006, 1210) meint, nach der Bestellung eines schwachen (vorläufigen) Insolvenzverwalters fehle es auch an der finanziellen und wirtschaftlichen Eingliederung, wendet er sich lediglich gegen die —diese Voraussetzungen bejahende— materielle Rechtsauffassung des Finanzgerichts. Die Rüge der materiell-rechtlichen Richtigkeit der finanzgerichtlichen Entscheidung kann jedoch die Revisionszulassung grundsätzlich nicht rechtfertigen (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2005, 1052).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
UR 2009 S. 346 Nr. 10
ZIP 2009 S. 776 Nr. 16
YAAAD-02634