Steuerpflicht von Angestellten nichtdeutscher Unternehmen i.S.d. Art. 72 NATOTrStatZAbk
Gesetze: EStG § 1 Abs. 1, AO § 8, NATOTrStat Art. 72
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im Streitjahr 2004 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war.
Der 1965 in den USA geborene Kläger ist amerikanischer Staatsbürger. Er ist von Beruf Bankkaufmann. Im August 1989 heiratete er die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine deutsche Staatsangehörige. Von Oktober 1966 bis Januar 1999 war der Kläger ohne Unterbrechung im Inland mit Hauptwohnsitz gemeldet. Ab Februar 1986 unterhielten die Kläger hier auch einen gemeinsamen Hauptwohnsitz. Von April 1989 bis Mitte 1995 war der Kläger für das amerikanische Kreditinstitut A, dessen Sitz sich in den USA befindet, im Inland tätig. 1999 arbeitete er für die A in deren Zentrale in den USA. In dieser Zeit hielt sich die Klägerin mit dem gemeinsamen Sohn für drei Monate ebenfalls dort auf. Seit 2000 ist der Kläger wieder im Inland für die A tätig.
Die Kläger wurden für das Streitjahr zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Dabei erfasste der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Einkünfte des Klägers als steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Die Kläger legten dagegen Einspruch ein und machten geltend, er, der Kläger, sei als amerikanischer Staatsbürger und Angestellter der A, einem Unternehmen i.S. des Art. 72 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom —NATOTrStatZAbk— (BGBl II 1961, 1218), im Inland nicht steuerpflichtig, weil er sich hier nur aufhalte, um seiner Tätigkeit für die A nachzugehen. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Ob ein Verfahrensmangel vorliegt, kann offenbleiben, weil die Entscheidung nicht auf einem solchen beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
1. Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und nutzen wird (§ 8 der Abgabenordnung —AO—).
a) Allerdings gelten gemäß Art. X Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom —NATOTrStat— (BGBl II 1961, 1190) die Zeitabschnitte, in denen sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges des Entsendestaates nur in dieser Eigenschaft im Inland aufhält, nicht als Zeiten des Aufenthalts oder Wohnsitzes i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG. Entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung greift diese Fiktion dann nicht ein, wenn sich eine Person auch aus anderen Gründen im Inland aufhält (, BFHE 211, 500, BStBl II 2006, 374).
Für sog. technische Fachkräfte, deren Dienste eine Truppe benötigt und die im Bundesgebiet ausschließlich für diese Truppe als Berater in technischen Fragen oder zwecks Aufstellung, Bedienung oder Wartung von Ausrüstungsgegenständen arbeiten, ist in Art. 73 Satz 1 NATOTrStatZAbk geregelt, dass sie wie Mitglieder des zivilen Gefolges angesehen und behandelt werden sollen.
Die Anwendung der zitierten Vorschriften des NATOTrStat und des NATOTrStatZAbk wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die dort genannten Personen im Inland einen Wohnsitz i.S. des § 8 AO haben. Vielmehr setzen die Vorschriften gerade das voraus (BFH-Urteil in BFHE 211, 500, BStBl II 2006, 374). Für technische Fachkräfte kann sich ein solcher Ausschluss auch nicht aus Art. 73 Satz 2 Buchst. d NATOTrStatZAbk ergeben. Zwar gilt nach dieser Bestimmung die Verweisung in Satz 1 nicht für Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Doch sollen damit nur solche technischen Fachkräfte von der Privilegierung des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat ausgenommen werden, die bereits vor Aufnahme ihrer Tätigkeit einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründet haben und wegen dieses Umstandes (bereits) unbeschränkt steuerpflichtig sind (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2007, 437; I R 17/05, nicht veröffentlicht —n.v.—; I R 19/05, n.v.).
b) Die genannten Grundsätze gelten in entsprechender Weise für die in Art. 72 Abs. 5 Buchst. a NATOTrStatZAbk erwähnten Personen. Danach werden Angestellten von in Abs. 1 ff. genannten nichtdeutschen Unternehmen die gleichen Befreiungen und Vergünstigungen gewährt wie Mitgliedern eines zivilen Gefolges (vgl. dazu Feuerstein/Michel, Der Betrieb 1993, 1211). Allerdings kommt —insoweit vergleichbar mit der Regelung in Art. 73 Satz 2 Buchst. d NATOTrStatZAbk— Buchst. a der Vorschrift nicht für Personen zur Anwendung, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben (Art. 72 Abs. 5 Buchst. b (IV) NATOTrStatZAbk). Wie im Fall des Art. 73 Satz 2 Buchst. d NATOTrStatZAbk sind damit allerdings (nur) die Arbeitnehmer von der Privilegierung ausgenommen, die bereits vor Aufnahme ihrer Tätigkeit einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründet haben und wegen dieses Umstandes (bereits) unbeschränkt steuerpflichtig sind (vgl. dazu auch deutsch-amerikanische Vereinbarung vom über die Gewährung von Befreiungen und Vergünstigungen an Unternehmen, die mit Dienstleistungen auf dem Gebiet der Truppenbetreuung für die in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der Vereinigten Staaten beauftragt sind, BStBl I 1998, 961, Tz. 5 Buchst. c Satz 2).
c) Das Finanzgericht (FG) hat diese Grundsätze und die erwähnte Rechtsprechung des BFH beachtet, so dass die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht gegeben sind.
Das FG ist in Anwendung der Grundsätze bei Abwägung aller Umstände zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger bereits vor Aufnahme der Tätigkeit bei seinem Arbeitgeber im Jahr 1999 seinen Wohnsitz im Inland begründet hatte. Die Frage, ob bereits vor Aufnahme der Tätigkeit ein Wohnsitz begründet wurde, ist im Wesentlichen eine Frage tatsächlicher Art, die letztlich vom FG als Tatsacheninstanz zu bestimmen ist. Gegen die Tatsachenwürdigung haben die Kläger keine substantiierten Rügen vorgebracht, die die Zulassung der Revision insoweit rechtfertigen könnten.
d) Die von den Klägern gestellte Frage, ob der „Wohnsitzbegriff des Art. 72 Abs. 5 Buchst. b (IV) NATOTrStatZAbk mit dem des § 8 AO identisch” ist, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist offensichtlich so zu beantworten, wie es das FG getan hat. Dies ergibt sich aus Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat.
Die Vergünstigungen gemäß Art. 72 NATOTrStatZAbk kommen nur unter den Bedingungen des Art. X Abs. 1 NATOTrStat zur Anwendung (zum vergleichbaren Verhältnis von Art. 73 NATOTrStatZAbk zu Art. X Abs. 1 NATOTrStat vgl. BFH-Urteil in BFHE 211, 500, BStBl II 2006, 374). Die bereits erwähnte, in Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat enthaltene Fiktion hat jedoch zur Voraussetzung, dass die Verpflichtung zur Leistung einer Steuer in dem Aufnahmestaat vom Aufenthalt oder Wohnsitz abhängt. Maßgeblich sind also die steuerlichen Bestimmungen des Aufnahmestaats, hier § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 AO.
2. Soweit die Kläger im Hinblick auf die unterlassene Beweiserhebung die Verfahrensrüge erhoben haben, lässt der Senat offen, ob diese Rüge begründet ist. Zwar muss das FG von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa , BFH/NV 2008, 219, m.w.N.). Ist jedoch ein Urteil auf mehrere Gründe gestützt worden, so muss hinsichtlich jeder das Urteil tragenden Begründung mindestens ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO substantiiert dargetan werden und tatsächlich auch vorliegen (BFH-Beschlüsse vom VIII B 141/05, BFH/NV 2006, 1465; vom VIII B 129/07, BFH/NV 2008, 973).
Wie unter 1. dargestellt, fehlt es bereits an einem Zulassungsgrund hinsichtlich der das Urteil bereits für sich tragenden Begründung, wonach Art. 72 Abs. 5 Buchst. b (IV) NATOTrStatZAbk der Anwendung des Buchst. a der Regelung entgegensteht. Die Ausführungen des FG zu den Voraussetzungen des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat (2. b der Entscheidungsgründe) beinhalten eine eigenständige, also kumulative Begründung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 21 Nr. 1
DAAAC-95776