BFH Beschluss v. - VIII B 189/07

Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht; Ablehnung eines Zeugenbeweises; Einordnung eines beratenden Betriebswirts als Freiberufler

Gesetze: FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2, FGO § 116, EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative und Nr. 3 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen hinreichend dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. a) Soweit das Finanzgericht (FG) im angefochtenen Urteil begründet, weshalb es von der Erhebung vom Kläger angebotener Beweise abgesehen hat, genügt an sich für eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung des § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO die schlichte Rüge der Nichtbefolgung der Beweisantritte. Ebenso sind —entgegen der Annahme des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—)— Ausführungen dazu, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt worden sei oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sei (vgl. § 295 der ZivilprozessordnungZPO— i.V.m. § 155 FGO), dann entbehrlich, wenn sich diese Rüge aus dem Urteil selbst ergibt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.; vom VIII B 92/07, nicht veröffentlicht —n.v.—; bereits , BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841).

Zur Bezeichnung des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrages wird ansonsten grundsätzlich, trotz der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingeräumten Begründungserleichterung, der Vortrag verlangt, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein soll (§ 295 ZPO, BFH-Beschlüsse vom XI B 58/02, BFH/NV 2003, 787; vom VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597; großzügiger wohl , BFHE 216, 409, BStBl II 2007, 538). Von einem Rügeverzicht ist bereits dann auszugehen, wenn zur mündlichen Verhandlung kein Zeuge geladen worden ist und damit für den Kläger erkennbar ist, dass das FG die beantragte Zeugenvernehmung nicht durchzuführen beabsichtigt. Wird dies in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt, so liegt darin ein Verzicht auf die Geltendmachung des Verfahrensmangels des Übergehens eines Beweisantrages (BFH-Beschlüsse vom VIII B 139/07, n.v.; vom VIII B 322/04, BFH/NV 2006, 2280, m.w.N.; vom XI B 134/04, BFH/NV 2006, 314).

Der Kläger hat innerhalb der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO (vgl. Schriftsatz vom ) dazu nichts vorgetragen. Auch aus der Sitzungsniederschrift zur letzten mündlichen Verhandlung vom ergibt sich keine entsprechende Rüge.

Ist trotz der ausführlichen Wiedergabe der mit Schriftsatz vom vom Kläger gestellten, teilweise sogar wiederholten Beweisanträge, der bereits ausweislich der Sitzungsniederschrift in der ersten mündlichen Verhandlung vom gestellten Anträge, im Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 12) und trotz der eingehenden sachlichen Abhandlung der Beweisanträge in den Entscheidungsgründen davon auszugehen, dass der fachkundig vertretene Kläger eine derartige Rüge in der letzten mündlichen Verhandlung nicht erhoben hat, so ist die Verfahrensrüge bereits wegen dieses Begründungsmangels unschlüssig.

b) Darüber hinaus ist die Verfahrensrüge aber auch insoweit nicht schlüssig erhoben, als der Kläger zusätzlich geltend macht, die Beweisanträge seien vom FG zu Unrecht als unsubstantiiert beurteilt worden. Der Kläger hat sich zwar zur Frage der notwendigen Substantiierung von Beweisanträgen auf Rechtsprechung sowohl des BFH als auch des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sowie des Oberlandesgerichts (OLG) Köln bezogen. Er hat indes zum einen die Wechselwirkung zwischen finanzgerichtlichen Ermittlungspflichten und den Mitwirkungspflichten der Beteiligten unberücksichtigt gelassen und zum anderen unzutreffend ausgeführt, auf der Nichterhebung der Beweise beruhe das angefochtene Urteil deshalb, weil sich aus der Vernehmung der Zeugen ergeben hätte, dass seine Tätigkeit gegenüber seinen Kunden auch im Auftrage der X-GmbH wesentliche Bereiche der Betriebswirtschaft mit umfasst habe.

Indes ist der Kläger nach den bindenden, von ihm nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO, dazu S. 7 und 26 des angefochtenen Urteils) im Streitjahr 2000 ausschließlich für die X-GmbH tätig geworden.

Hinreichend substantiierten Beweisanträgen muss das Gericht grundsätzlich entsprechen. Die prozessualen Mitwirkungspflichten verlangen von den Beteiligten jedoch, Beweisanträge nur zu bestimmten, substantiierten Tatsachenbehauptungen zu stellen. Hingegen muss das Gericht Beweisermittlungs- oder –ausforschungsanträgen, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken soll, regelmäßig nicht durch Beweisaufnahmen entsprechen (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 48/05, BFH/NV 2007, 712; vom IX B 58/06, BFH/NV 2006, 2117; vom IV B 14/04, BFH/NV 2005, 2166; vom XI B 79/05, BFH/NV 2006, 1132; ebenfalls der VI. Senat des BFH in den Beschlüssen vom VI B 111/06, BFH/NV 2008, 949; vom VI B 124/06, BFH/NV 2007, 956; ferner Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 29, m.w.N.).

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ablehnung eines für eine beweiserhebliche Tatsache angetretenen Zeugenbeweises nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann oder wenn sie zwar in das Gewand einer vermeintlich bestimmten Behauptung gekleidet, aber gleichsam „ins Blaue hinein” aufgestellt wird und deshalb rechtsmissbräuchlich erscheint.

Für die Substantiierung reicht im Regelfall der Vortrag von Tatsachen aus, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, die daraus abgeleiteten Rechtsfolgen zu tragen. Der Pflicht zur Substantiierung ist indes dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht zu beurteilen vermag, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind. Im Regelfall bedarf es zwar hierzu keiner Angabe näherer Einzelheiten (ausführlich BFH-Beschluss in BFHE 216, 409, BStBl II 2007, 538, m.w.N., insbesondere auch der Rechtsprechung der Zivilgerichte und des BVerfG).

Indes richten sich die Anforderungen an die Substantiierung eines Beweisantrages auch nach den Umständen des Einzelfalles und insbesondere danach, ob der Beweisbelastete fachkundig vertreten ist oder nicht (, BFH/NV 2003, 63; s. auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 81 FGO Rz 53).

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt zwar von Amts wegen. Zumutbarer Inhalt und Intensität der richterlichen Ermittlungen stehen indes notwendig im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten. Diese sind gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO ihrerseits verpflichtet, das finanzgerichtliche Verfahren zu fördern, weshalb das Gericht nicht verpflichtet ist, unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen (BFH-Beschlüsse vom VII B 99/04, BFH/NV 2005, 932; vom IV B 214/01, BFH/NV 2004, 56). Erst wenn der für die Annahme einer dem beratenden Betriebswirt ähnlichen Tätigkeit erforderliche bestimmte Sachvortrag erbracht ist, bietet sich mithin eine weitere Beweiserhebung durch das FG an (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 56).

Im Streitfall war gerade die Frage von entscheidungserheblicher Bedeutung, ob der Kläger eine einem Betriebswirt zumindest ähnliche Tätigkeit ausgeübt hat und —unbeschadet der weiteren Frage nach der notwendigen Breite des Fachwissens— zumindest diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seiner praktischen Tätigkeit in einem betrieblichen Hauptbereich einsetzen konnte und tatsächlich eingesetzt hat (vgl. , BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27; BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 56, ständige Rechtsprechung).

In welchem Maß Beweisanträge zu substantiieren sind, hängt —wie ausgeführt— von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 66/04, BFH/NV 2005, 1339; vom X B 191/95, BFH/NV 1997, 50; vom IV B 194/01, n.v.; vom VII B 269/02, BFH/NV 2003, 825, zur Notwendigkeit im Hinblick auf umfangreiche Feststellungen einer Außenprüfung zumindest ansatzweise bestimmte Lieferscheine und Rechnungen näher zu konkretisieren, die angeblich verwechselt worden oder unbeachtet geblieben seien; BFH-Urteile in BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841, betreffend Einwendungen und Beweisanträge gegen Feststellungen eines in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführten Strafurteils; vom IX R 46/00, BFH/NV 2004, 46; vom IV R 54/93, BFHE 177, 18, BStBl II 1995, 473).

Auch der BGH (vgl. Urteil vom II ZR 199/03, Deutsches Steuerrecht 2005, 1782) vertritt für den Zivilprozess die Rechtsansicht, dass der Pflicht zur Substantiierung (nur) dann nicht genügt sei, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen könne, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt seien.

Im Streitfall hat das FG aufgrund der schriftlichen Unterlagen, nämlich den Verträgen der X-GmbH mit ihren Kunden, dem grundlegenden zwischen Kläger und X-GmbH abgeschlossenen Rahmenvertrag über die Art und den Umfang seiner Beratung der X-GmbH und der auf dieser Grundlage im Einzelfall erfolgten Einschaltung des Klägers, die Überzeugung gewonnen, dass die vom Kläger entfalteten Tätigkeiten nicht der eines beratenden Betriebswirts entsprochen haben.

Wenn der Kläger demgegenüber abweichend von diesen schriftlichen Unterlagen, insbesondere den vertraglichen Vereinbarungen, behauptet, die Verträge zwischen ihm und der X-GmbH gäben die tatsächlich erbrachten Beratungsleistungen nur unzureichend wieder, so hat das FG zu Recht verlangt, dass der Kläger substantiiert vorträgt, in welcher Hinsicht konkret und in welchen Bereichen der Betriebswirtschaft die tatsächlich durchgeführten Beratungen über den vertraglich festgelegten Umfang hinausgegangen sein sollen. Dem entsprachen die mit Schriftsatz des Prozessvertreters vom (FG-Akte Bd. I, Bl. 205) gestellten lediglich abstrakt formulierten Beweisanträge nicht. Vielmehr sollte aufgrund einer Beweiserhebung, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, erst ermittelt werden, welche konkreten Leistungen gegenüber den Kunden der X-GmbH tatsächlich erbracht worden sind.

In der Nichterhebung der unsubstantiierten Beweisantritte liegt mithin auch kein Verstoß gegen das Verbot einer vorweggenommenen Beweiswürdigung (vgl. , BFH/NV 2006, 1106).

2. a) Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und die Frage nach dem „Ob” und ggf. „Wie” der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Insoweit gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen ebenfalls. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Es reicht weder —für sich allein— aus, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist, noch genügt die Behauptung, das FG habe sachlich unrichtig entschieden (BFH-Beschlüsse vom VIII B 53/07, BFH/NV 2008, 971; vom VIII B 211/05, BFH/NV 2007, 912, m.w.N.).

b) Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der BFH hat in dem vom FG herangezogenen Urteil in BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27 zunächst ausgeführt, die Rechtsprechung des BFH verhindere nicht, neue Berufe als freiberuflich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einzustufen. Da es kein typisches Berufsbild des beratenden Betriebswirts gebe und die Bezeichnung frei geführt werden dürfe, könnten unter den Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vielseitige und unterschiedliche Beratungstätigkeiten gefasst werden, wenn ein entsprechend breites Wissen vorhanden sei und die Beratungstätigkeit in mindestens einem Hauptbereich der Betriebswirtschaft ausgeübt werde.

Im Hinblick darauf hat der BFH für eine von diesen Grundsätzen abweichende verfassungskonforme Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG keinen Anlass gesehen.

Die Behauptung des Klägers, diese Entscheidung des BFH erfasse die streitgegenständliche Fallkonstellation nicht, trifft angesichts der generellen und grundsätzlich formulierten Aussage des BFH erkennbar nicht zu.

Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall vorliegen, erfordert indes eine einzelfallbezogene Würdigung durch das Gericht (vgl. auch , BFH/NV 2007, 2293).

Darüber hinaus hat der Kläger auch keine verallgemeinerungsfähigen abstrakten Kriterien aufgezeigt, die über die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung hinaus in einem künftigen Revisionsverfahren vom BFH aufgestellt werden und infolgedessen einen weiter gehenden Klärungsbedarf begründen könnten (vgl. zu diesem Kriterium BFH-Beschlüsse vom VIII B 169/07, n.v.; vom VIII B 25/06, n.v., zum Grundsatz von Treu und Glauben; vom III B 53/01, n.v., zum Begriff der sittlichen Pflicht i.S. von § 33 EStG; vom VIII B 4/06, BFH/NV 2007, 490, zur „anderen Gesellschaft”).

Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen erneuten Klärungsbedarf noch das erforderliche Allgemeininteresse (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 2293).

Fundstelle(n):
TAAAC-91436