BAG Beschluss v. - 1 ABR 19/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ArbGG § 10; ArbGG § 81 Abs. 1; ArbGG § 83 Abs. 3; ZPO § 256 Abs. 1; BetrVG § 80 Abs. 1 Nr. 1; BetrVG § 117 Abs. 2; TV Personalvertretung für das Bordpersonal der Deutschen Lufthansa § 70 Abs. 1 Nr. 1; TV Personalvertretung für das Bordpersonal der Deutschen Lufthansa § 99

Instanzenzug: ArbG Frankfurt am Main, 1 BV 7/06 vom

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Regelung von Ruhepausen bei sog. Flugumläufen.

Die Arbeitgeberin ist die Deutsche Lufthansa AG. Die Antragstellerin ist die nach § 30 des Tarifvertrags Personalvertretung für das Bordpersonal der Deutschen Lufthansa (TV PV) gebildete Gesamtvertretung für das Bordpersonal. Die Arbeitgeberin legte der Gesamtvertretung im November 2005 die Planungen für die Flugumläufe "Kurzstrecke Kabine" für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 vor. Als Flugumlauf wird die meist über mehrere Tage währende Flugbewegung einer Maschine und ihrer Mannschaft zu verschiedenen Flugzielen bis zur Rückkehr an den Ausgangsort und den Beginn einer längeren Ruhezeit für die Mannschaft bezeichnet. Im Bereich "Kurzstrecke" werden von der Arbeitgeberin Ziele in Europa einschließlich der Türkei und Nordafrika angeflogen. Die eingesetzten Flugzeugtypen haben von 130 bis zu 270 Passagierplätze. Als Kabinenmannschaft werden in der Regel zwei Stewards/Stewardessen und ein Purser/eine Purserette eingesetzt. Das Kabinenpersonal hat während der Flugzeiten und der Standzeiten der Maschine am Boden innerhalb einer Tagesschicht mit mehreren Starts und Landungen vielfältige Aufgaben zu erledigen. Nach Auffassung der Gesamtvertretung wurden diese Aufgaben im Rahmen eines seit dem Jahr 2004 umgesetzten "Boardservice-Stufenkonzepts" erheblich verdichtet, nicht zuletzt durch den Wegfall eines weiteren Flugbegleiters als sog. Springers. Zwischen den Beteiligten kam es seitdem zunehmend zu Meinungsverschiedenheiten über die Einzelheiten der Flugumlaufplanung, insbesondere über die Dauer der Standzeiten am Boden.

Den für Dezember 2005 und Januar 2006 vorgesehenen, jeweils mehr als 2.500 Umlaufplanungen "Kurzstrecke Kabine" versagte die Gesamtvertretung ihre Zustimmung. Zur Begründung machte sie geltend, die Umlaufplanungen sähen während der Schichtzeiten des Kabinenpersonals keine schon im Voraus festliegenden Ruhepausen nach Maßgabe von § 4 ArbZG vor. Die Arbeitgeberin rief zur Festlegung der Umlaufplanungen die nach § 97 TV PV vorgesehene Einigungsstelle an. Die mit den Planungen für Januar 2006 befasste Einigungsstelle hat die Zustimmung der Personalvertretung ersetzt. Die Beteiligten kamen anschließend überein, dass die Gesamtvertretung das Fehlen einer Pausenregelung so lange nicht mehr zum Anlass für eine Zustimmungsverweigerung nähme, bis darüber in einem Verfahren eine gerichtliche Entscheidung getroffen wäre. Im September 2006 haben die Beteiligten überdies vereinbart, dass ab dem in einem Probelauf Erfahrungen mit langfristig geplanten Ruhepausen gemacht würden.

Mit dem vorliegenden Beschlussverfahren will die Gesamtvertretung erreichen, dass die Arbeitgeberin in die Umlaufpläne von vornherein Ruhepausen nach § 4 ArbZG einplant. Sie hat die Auffassung vertreten, die Regelung in § 20 ArbZG, der zufolge für Besatzungsmitglieder von Luftfahrzeugen "anstelle der Vorschriften dieses Gesetzes über Arbeits- und Ruhezeiten" die Vorschriften über Flug-, Flugdienst- und Ruhezeiten der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät gälten, schließe die Anwendung des § 4 ArbZG nicht aus.

Die Gesamtvertretung hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Arbeitgeberin bei der Planung und Feststellung ihrer monatlichen "Umläufe Kurzstrecke Kabine" verpflichtet ist, bei einer Arbeitszeit des Kabinenpersonals von mehr als sechs bis zu neun Stunden eine im Voraus feststehende Ruhepause von mindestens 30 Minuten und bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden eine im Voraus feststehende Ruhepause von mindestens 45 Minuten vorzusehen;

2. festzustellen, dass sie berechtigt ist, die Zustimmung zu den von der Arbeitgeberin geplanten "Umläufen Kurzstrecke Kabine" zu verweigern, soweit diese bei einer Arbeitszeit des Kabinenpersonals von mehr als sechs bis zu neun Stunden keine im Voraus feststehende Ruhepause von mindestens 30 Minuten und bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden keine im Voraus feststehende Ruhepause von mindestens 45 Minuten vorsehen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, § 4 ArbZG gälte nicht für das fliegende Personal. Im Übrigen beschränke § 4 Abschn. 8 des Tarifvertrags für das Kabinenpersonal vom in der Fassung vom das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretungen auf die Überprüfung der in § 4 Abschn. 1 bis 7 des Tarifvertrags vorgesehenen Zeitvorgaben; von Ruhepausen sei dort nicht die Rede.

Die Vorinstanzen haben die Anträge der Gesamtvertretung abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt diese ihre Anträge weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden. Die Anträge der Gesamtvertretung sind unzulässig.

I. Für den Antrag zu 1 fehlt der Gesamtvertretung die Antragsbefugnis.

1. Der Antrag bedarf der Auslegung.

Er ist darauf gerichtet festzustellen, dass die Arbeitgeberin bei der Planung von Flugumläufen bei einer bestimmten Dauer der Arbeitszeit des Kabinenpersonals verpflichtet ist, Ruhepausen im Voraus vorzusehen. "Im Voraus" bedeutet dabei für die Gesamtvertretung ersichtlich den Zeitpunkt, zu welchem die Flugumläufe als solche erarbeitet und entsprechende Dienstpläne erstellt werden, nicht einen späteren Termin vor Beginn der Pause.

Der Antrag führt nicht ausdrücklich an, welchen Personen gegenüber die Verpflichtung bestehen soll. Anspruch auf Ruhepausen haben jedoch nur die einzelnen Arbeitnehmer. Der Antrag ist deshalb dahin zu verstehen, es möge festgestellt werden, dass die Arbeitgeberin, gegenüber den Mitarbeitern des Kabinenpersonals verpflichtet ist, im Voraus feststehende Ruhepausen vorzusehen. Dies zeigt auch die Antragsbegründung. Die Gesamtvertretung leitet ihr Feststellungsinteresse aus ihrer Verpflichtung her darüber zu wachen, dass die zugunsten des Bordpersonals geltenden Gesetze durchgeführt werden. Die Richtigkeit dieses Antragsverständnisses zeigt zudem ein Vergleich mit dem Antrag zu 2. Dieser verhält sich über Mitbestimmungsrechte der Gesamtvertretung selbst. Bei einem solchen Inhalt schon des Antrags zu 1 bliebe unklar, worin beide Anträge sich unterschieden.

2. Für den Antrag fehlt der Gesamtvertretung die erforderliche Antragsbefugnis iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG.

a) Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter nur insoweit antragsbefugt, wie er eigene Rechte geltend macht. Antragsbefugnis und Beteiligtenstatus fallen nicht notwendig zusammen. § 83 Abs. 3 ArbGG besagt nichts darüber, ob ein Beteiligter im Beschlussverfahren einen Antrag stellen kann. Die Antragsbefugnis ist nach den Regeln über die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens nach Maßgabe des § 81 Abs. 1 ArbGG zu bestimmen.

Regelmäßig kann nur derjenige ein gerichtliches Verfahren einleiten, welcher vorträgt, Träger des streitbefangenen Rechts zu sein. Ausnahmen gelten im Fall zulässiger Prozessstandschaft. Das Erfordernis der Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren und der Antragsbefugnis im Beschlussverfahren dient dazu, Popularklagen auszuschließen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis nur gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen wird. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als gänzlich aussichtslos erscheint ( - Rn. 22, BAGE 119, 279).

b) Mit dem Antrag zu 1 nimmt die Gesamtvertretung nicht eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte wahr, sondern individuelle Rechte der Arbeitnehmer. Aus der Pflicht zur Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften gem. § 70 Abs. 1 Nr. 1 TV PV folgen keine eigenen Durchführungsansprüche. Dies gilt unabhängig davon, ob die Überwachungsaufgabe eine solche der Gesamtvertretung oder der betroffenen Gruppenvertretungen ist. Mit der Aufgabe, die Einhaltung von Schutzvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer zu überwachen, geht nicht die Befugnis zur Wahrnehmung der betroffenen Individualinteressen einher. Für die gleichlautende Vorschrift des § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entspricht dies der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. - 1 ABR 40/01 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 96 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 65, zu B III der Gründe mwN). Für die Personalvertretungen nach dem TV PV gilt nichts anderes. Dies folgt schon aus § 99 TV PV. Danach ist die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsgesetz 1972 beim Vollzug des Tarifvertrags zu beachten.

II. Der Antrag zu 2 genügt nicht den Anforderungen des § 256 Abs. 1 ZPO.

1. Der Antrag bedarf der Auslegung. Die Gesamtvertretung begehrt die Feststellung, dass sie "berechtigt ist", ihre Zustimmung zu Flugumlaufplänen zu verweigern, soweit diese nicht im Voraus feststehende Ruhepausen vorsehen. Es geht ihr dabei ersichtlich nicht um die Feststellung, dass sie bei der Aufstellung von Umlaufplänen für das Kabinenpersonal mitzubestimmen hat. Das Bestehen eines solchen Mitbestimmungsrechts stellt die Arbeitgeberin nicht in Frage. Der Gesamtvertretung geht es auch nicht um die Feststellung des Umfangs ihres Mitbestimmungsrechts. Die Arbeitgeberin bestreitet nicht deren Befugnis, die Zustimmung zu Umlaufplänen mit der Begründung zu verweigern, diese wiesen keine Pausenzeiten aus, und stellt nicht in Abrede, dass eine so begründete Weigerung einen für das weitere Mitbestimmungsverfahren beachtlichen Einwand darstellt. Er macht auch aus Sicht der Arbeitgeberin ein Einigungsstellenverfahren nach § 97 TV PV nötig; das zeigen die Durchführung solcher Verfahren zu Ende des Jahres 2005 und der Abschluss des "Stillhalteabkommens" der Beteiligten vom September 2006. Der Streit der Beteiligten betrifft statt dessen die objektive Berechtigung der erhobenen Einwände. Die Arbeitgeberin hält eine Berücksichtigung von Pausenzeiten - wie die von ihr angerufene Einigungsstelle - rechtlich für nicht geboten. Im Hinblick darauf geht es der Gesamtvertretung um die Feststellung, dass ihre mit dem Fehlen im Voraus feststehender Pausenzeiten begründete Zustimmungsverweigerung arbeitszeitrechtlich stets begründet und ein sie inhaltlich nicht berücksichtigender Umlaufplan notwendig rechtswidrig ist.

2. Ein Antrag dieses Inhalts kann nicht Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein. Er ist entgegen § 256 Abs. 1 ZPO nicht auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet.

a) Ein Rechtsverhältnis ist jede durch die Herrschaft seiner Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Ein Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO muss sich dabei nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Er kann sich auf daraus folgende einzelne Beziehungen, Ansprüche oder Verpflichtungen und auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch ebenso wie abstrakte Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein ( - Rn. 19 mwN, AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61). Das liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus. Dies ist den Gerichten verwehrt ( - BAGE 109, 227, zu B III der Gründe mwN).

b) Danach ist der Antrag nicht auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Sein Gegenstand sind nicht Inhalt oder Umfang eines Mitbestimmungsrechts, sondern die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer im Rahmen dieses Mitbestimmungsrechts zu treffenden Regelung. Die Frage, ob Umlaufpläne wegen eines Gesetzesverstoßes rechtswidrig sind, wenn sie nicht Ruhepausen in der Weise vorsehen, wie § 4 ArbZG dies verlangt, berührt als solche nicht die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten. Sie ist eine allgemeine Rechtsfrage, die die Beteiligten oder die an ihrer Stelle handelnde Einigungsstelle bei der Aufstellung von Flugumläufen zu beachten haben. Sie kann nicht isoliert zur Entscheidung durch die Gerichte gestellt werden. Die Gerichte würden andernfalls gutachterlich tätig. Die Frage kann einer gerichtlichen Überprüfung nur im Rahmen einer Rechtmäßigkeitskontrolle tatsächlich getroffener Umlaufplanungen oder vereinbarter Grundsätze zur Planerstellung zugeführt werden, solange daran ein schützenswertes rechtliches Interesse besteht.

Fundstelle(n):
DB 2008 S. 2490 Nr. 45
DAAAC-90546

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein