BFH Beschluss v. - VIII B 40/08

Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 FGO; Verfahrensmangel, wenn durch Prozessurteil statt Sachurteil entschieden wird; Beweiskraft einer Postzustellungsurkunde

Gesetze: FGO § 65 Abs. 2, FGO § 76, FGO § 96, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, ZPO § 418

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe durch Beschluss als unzulässig verworfen (§ 132 FGO), dass Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die .-Partnerschaft ist.

Das Rubrum des angefochtenen Urteils sowie der Beschwerdeschrift ist gemäß § 107 Abs. 1 FGO dahin gehend zu berichtigen, dass Kläger nicht die beiden Gesellschafter sind, sondern nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative FGO die Partnerschaft ist (vgl. dazu Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VIII B 82/06, BFH/NV 2007, 453; vom VIII B 348/04, nicht veröffentlicht —n.v.—, jeweils m.w.N.).

Bereits die Klageschrift vom nimmt im Rubrum auf die Sozietät .-Partnerschaft unmittelbar Bezug. Soweit es —wie dies im Streitfall durch die mit Schriftsatz vom eingereichte gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellungserklärung für das Streitjahr 2005 nebst weiterer Unterlagen deutlich geworden ist— um die Höhe des von der Sozietät erzielten Gewinns geht, sind nicht deren einzelne Gesellschafter, sondern ist die Sozietät selbst subjektiv klagebefugt.

Die Klägerin hat allerdings die geltend gemachten Verfahrensverstöße (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) hinreichend substantiiert dargetan.

1. Die Darlegung eines Verfahrensmangels erfordert, die Tatsachen schlüssig zu bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben sollen. Dazu müssen die entsprechenden Prozessvorgänge genau umschrieben werden. Schlüssig ist das Vorbringen, wenn die vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, den behaupteten Verfahrensmangel ergeben. Ferner ist grundsätzlich darzutun, weshalb das angefochtene Urteil i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (, BFH/NV 2008, 1158).

2. Nach ständiger Rechtsprechung stellt es einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, wenn über eine in Wahrheit zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wird (, BFH/NV 2004, 514, m.w.N.).

Wird eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO zur Bezeichnung des Klagebegehrens als sog. Musserfordernis einer —zulässigen— Klage (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu Unrecht oder nicht wirksam gesetzt, so erweist sich die Nichtberücksichtigung des weiteren Klagevorbringens und die Abweisung der Klage als unzulässig wegen unzutreffender Anwendung der Präklusionsvorschrift in § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 514).

Hingegen ist eine Klage zwingend als unzulässig abzuweisen, wenn die erfolglos abgelaufene Ausschlussfrist ordnungsgemäß und wirksam vom Gericht gesetzt worden und auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Ausschlussfrist entsprechend § 56 i.V.m. § 65 Abs. 2 Satz 3 FGO zu gewähren ist (BFH-Beschlüsse vom VIII B 47/05, BFH/NV 2006, 1119; vom XI B 131/03, BFH/NV 2004, 973; vom IV B 130/97, BFH/NV 1999, 486).

3. a) Die Klägerin kann mit dem Vortrag, die ordnungsgemäß gesetzte Frist (vgl. zu den Anforderungen BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 514, m.w.N.; zu der nach Maßgabe der jeweiligen Umstände zu bestimmenden Angemessenheit der Ausschlussfrist , BFHE 186, 309, BStBl II 1998, 628, 629, m.w.N.: Angemessenheit einer Ausschlussfrist von drei Wochen sogar ohne vorgeschaltete formlose Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO) sei nicht wirksam zugestellt worden (zur Zustellung , BFHE 178, 546, BStBl II 1995, 898), gemäß § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO nicht mehr gehört werden.

Ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist nicht in der notwendigen Weise dargetan, wenn er nicht bereits ordnungsgemäß in der Vorinstanz gerügt worden ist. Auch bei der Rüge einer angeblich nicht ordnungsgemäßen Zustellung handelt es sich um einen sog. verzichtbaren Verfahrensmangel, bei dem insbesondere auch vorzutragen ist, dass dieser Mangel in der Vorinstanz ordnungsgemäß gerügt worden ist oder weshalb dies nicht möglich gewesen sein soll.

Die Klägerin hat sich, obwohl sie ausdrücklich mit dem der am zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung am beigefügten Begleitschreiben der Einzelrichterin vom auf den erfolglosen Ablauf der Ausschlussfrist mit der Folge der endgültigen Unzulässigkeit der Klage hingewiesen und die Verfahrenslage in mehreren Telefonaten am 10. September und erörtert worden ist, mit dem lapidaren Hinweis begnügt, die Ausschlussverfügung befinde sich nicht in ihren Akten. Sie hat von den prozessualen Möglichkeiten zur weiteren Aufklärung der näheren Umstände der Zustellung, z.B. durch Antrag auf Akteneinsicht gemäß § 78 Abs. 1 FGO, nicht Gebrauch gemacht und sogar davon abgesehen, zum Zwecke weiterer Aufklärung zumindest den Termin zur mündlichen Verhandlung am wahrzunehmen.

Ist für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen, obwohl das Finanzgericht (FG) zuvor eine Ausschlussfrist gesetzt hat und diese bereits abgelaufen war, so hat sie ihr Rügerecht durch ihr Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung verloren (vgl. BFH-Beschlüsse vom I B 13/02, BFH/NV 2003, 1055, betreffend eine Ausschlussfrist nach § 79b FGO; vom III B 32/99, BFH/NV 2000, 580). § 295 ZPO steht gleichermaßen der Geltendmachung einer behaupteten Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO entgegen (, BFH/NV 2008, 978, m.w.N.).

b) Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Postzustellungsurkunde auch nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost eine öffentliche Urkunde i.S. von § 418 Abs. 1 ZPO darstellt, die den vollen Beweis für die darin bezeugten Tatsachen erbringt (vgl. ferner § 3 Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Ebenso entspricht es der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass ein Gegenbeweis i.S. von § 418 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden kann. Dafür reicht nicht die bloße Behauptung, das betreffende Schriftstück nicht erhalten zu haben, weil es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht darauf ankommt, ob und wann der Adressat das Schriftstück seinem Briefkasten entnommen und ob er es tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen erfordert vielmehr den Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufes, der ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt. Erforderlich ist der volle Gegenbeweis in der Weise, dass die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr bezeugten Tatsachen ausgeschlossen wird (, BFH/NV 2007, 1465, m.umf.N.).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese Rechtsprechung zu § 418 ZPO auch von Verfassungs wegen nicht beanstandet (vgl. Kammerbeschluss vom 2 BvR 1179/91, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1993, 254).

Soweit die Klägerin nunmehr erstmals vom Gericht bislang nicht festgestellte, gegen eine ordnungsgemäße Zustellung sprechende Umstände vorträgt, handelt es sich um neues Vorbringen, das im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht berücksichtigt werden kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom III S 7/06, juris; vom VI B 388/98, BFH/NV 2000, 721; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 54 und § 132 Rz 6).

4. Ebenso wenig schlüssig ist die Verfahrensrüge, das FG habe zu Unrecht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Ausschlussfrist versagt, weil die Antragsfrist für die Wiedereinsetzung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO noch nicht abgelaufen gewesen sei. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin überhaupt mit dem Schriftsatz vom einen ordnungsgemäßen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt hat.

Zutreffend hat das FG ausgeführt, dass die zweiwöchige Antragsfrist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO mit dem Zugang des Hinweisschreibens vom der Einzelrichterin am zu laufen begonnen hat und deshalb im Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes vom , mit dem die Klägerin eine Wiedereinsetzung beantragt haben will, bereits abgelaufen war.

Aus dem Hinweisschreiben war für die fachkundige Klägerin eindeutig erkennbar, dass eine Ausschlussfrist versäumt worden war mit der aufgezeigten Rechtsfolge der endgültigen Unzulässigkeit der Klage. Unterlässt die fachkundige Klägerin unter diesen Umständen einen —zumindest vorsorglichen— Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so handelt sie schuldhaft i.S. von § 56 Abs. 1 FGO, so dass auch eine Wiedereinsetzung in die Versäumung der Antragsfrist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht in Betracht käme (BFH-Beschlüsse vom X B 104/05, BFH/NV 2006, 1136; vom VII B 127/97, BFH/NV 1998, 64; ferner vom VIII B 13/00, BFH/NV 2000, 1358, und in BFH/NV 2006, 1119).

Die Sorge um die Einhaltung der Ausschlussfrist und die rechtzeitige Stellung eines ggf. gebotenen Wiedereinsetzungsantrags obliegt im Übrigen nicht dem Gericht, sondern der Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 64).

Fundstelle(n):
PAAAC-88002