Leitsatz
1. § 19 Abs. 4 Satz 2 letzte Alternative DepV überschreitet die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage des § 36c Abs. 4 KrW-/AbfG und ist damit unwirksam, soweit handelsrechtlich zu bildende betriebliche Rückstellungen als gleichwertige Sicherheit zugelassen werden.
2. Auf Grund europarechtskonformer Auslegung schreibt § 32 Abs. 3 KrW-/AbfG zwingend die Anordnung einer Sicherheitsleistung oder eines gleichwertigen Sicherungsmittels vor.
Gesetze: BGB § 232; BGB § 233; InsO § 49; InsO § 50; InsO § 51; KrW-/AbfG § 32 Abs. 1; KrW-/AbfG § 32 Abs. 3; KrW-/AbfG § 36c Abs. 4; DepV § 14; DepV § 19 Abs. 1; DepV § 19 Abs. 2; DepV § 19 Abs. 4; DepV § 19 Abs. 5; DepV § 25 Abs. 5 Satz 1; Deponierichtlinie Art. 8 lit. a) Ziff. iv)
Instanzenzug: OVG Nordrhein-Westfalen, OVG 20 D 25/06 .AK vom Fachpresse: ja BVerwGE: ja
Gründe
I
Die Klägerin betreibt auf einer im Eigentum der Bayer AG stehenden Fläche von ca. 33 ha die in den 1970er Jahren planfestgestellte Deponie Dormagen-Rheinfeld. Im Juli 2003 und Dezember 2004 beantragte die Klägerin den Weiterbetrieb der Deponie bis 2009. Dem Verlangen der Beklagten nach Sicherheitsleistungen entsprechend den Vorgaben der Verordnung über Deponien und Langzeitlager (Deponieverordnung - DepV - vom , BGBl I S. 2807) begegnete die Klägerin mit Hinweisen auf die Gleichwertigkeit der Haftung der Bayer AG als Gesellschafterin der Klägerin und auf betriebliche Rückstellungen nach handelsrechtlichen Vorschriften im Jahre 2004 in Höhe von 62 Mio. € für die drei Bayer-Deponien in Leverkusen, Uerdingen und Dormagen-Rheinfeld. Einer zusätzlichen Konzernbürgschaft bedürfe es daher nicht.
Die Beklagte bot der Klägerin in der Folgezeit eine "gesplittete" Sicherheitsleistung an und zwar dergestalt, dass für den Zeitraum vor Inkrafttreten der Deponieverordnung betriebliche Rückstellungen, deren Bilanzierung und Bonität in den folgenden Jahren periodisch nachzuweisen sind, als Sicherheit anerkannt werden, während ab dem "übliche Sicherheiten" für Folgekosten aus der Abfallablagerung zu leisten sind. Dem widersprach die Klägerin. Mit Plangenehmigungsbescheid vom stimmte die Beklagte unter teilweiser Abänderung des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses dem Weiterbetrieb der Deponie antragsgemäß zu unter Ergänzung der dortigen Ziffer III um folgende Ziffer 1.3:
1.3 Sicherheitsleistung
Mir ist zur Erfüllung der Auflagen und Bedingungen für die Betriebs- und Nachsorgephase zur Verhinderung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit eine ausreichende Sicherheit in Höhe von 19 432 320,- € bis zum durch ein geeignetes Sicherungsmittel nachzuweisen. ...
Form/geeignete Sicherungsmittel
Die Sicherheitsleistung kann durch die in § 232 BGB vorgesehenen Form erbracht werden sowie durch andere Sicherungsmittel, die geeignet sind, den angestrebten Sicherungszweck zu erfüllen. ..
Reine Rückstellungen werden von mir als Sicherheit nicht akzeptiert. Jedoch könnte ein Kombinationsmodell aus Bankbürgschaft und Rückstellungen anerkannt werden, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
.......
Das Oberverwaltungsgericht hat die gegen die Ablehnung der Sicherheitsleistung durch betriebliche Rückstellungen gerichtete Klage abgewiesen. Die von der Beklagten entwickelte Handhabung, betriebliche Rückstellungen lediglich als anteilige Sicherheit zu akzeptieren und zwar beschränkt auf die Folgekosten aus den Ablagerungen bis zum Inkrafttreten der Deponieverordnung sei nicht zu beanstanden. Zu Recht habe die Beklagte für den künftigen Betrieb der Deponie betriebliche Rückstellungen als Sicherheitsleistung abgelehnt. Die nunmehrige vorbehaltlose, auf der Deponierichtlinie gründende Verpflichtung des Anlagenbetreibers zum Nachweis einer Sicherheit stelle nicht mehr auf konkrete oder aktuelle Anlässe zur Besorgnis einer zukünftigen Gefährdung der Leistungsfähigkeit des Deponieinhabers ab. Ebenso seien Unternehmen wie das der Klägerin, die aufgrund ihrer betrieblichen Struktur wirtschaftlich in hohem Maße abgesichert seien, von der Verpflichtung zum Nachweis einer Sicherheit nicht befreit. Zu berücksichtigen sei zudem, dass die handelsrechtlich verpflichtende Vorsorge durch Rückstellungen im Allgemeinen erst nach und nach während des Betriebes einer Deponie einsetze. Damit erfolge eine Zurechnung der Aufwendungen an die zeitliche Verursachung vor dem Bilanzstichtag. Demgegenüber ziele die abfallrechtliche Sicherheit nach § 19 Abs. 2 DepV darauf ab, erst in Zukunft entstehende Verbindlichkeiten in voller Höhe vorbeugend abzudecken. Die abfallrechtliche Sicherheitsleistung, die auch für Altdeponien gelte, sei im so verstandenen Sinne Genehmigungsvoraussetzung für deren Weiterbetrieb. Ob betriebliche Rückstellungen wegen der fehlenden Insolvenzfestigkeit als Sicherheit gemessen an Art. 8 lit. a) Ziffer iv) der Deponierichtlinie überhaupt Bestand haben könnten, könne dahingestellt bleiben. Denn die Beklagte habe in Bezug auf Altdeponien mit der hier streitigen Kombination aus Rückstellungen und anderen Sicherheiten einen substanziellen und hinreichenden Anwendungsbereich für Rückstellungen als Mittel der Sicherheit eröffnet. Die Ablehnung von Rückstellungen als alleiniges Mittel der Sicherheit sei in diesem Kontext nicht unvertretbar.
Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, zu deren Begründung sie vorträgt: Es fehle bereits an einer Ermessensausübung der Beklagten über eine Sicherheitsleistung durch betriebliche Rückstellungen für den Zeitraum ab dem . Die Praxis der Beklagten verstoße gegen § 19 Abs. 2 Satz 1 DepV, weil sie eine Sicherheit durch betriebliche Rückstellungen ab Inkrafttreten der Deponieverordnung ausschließe. Damit bleibe die maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin unbeachtet. Für das Kombi-Modell der Beklagten enthalte die Deponieverordnung keine Rechtsgrundlage. Die Beklagte hätte nicht auf einen generalisierenden ministeriellen Erlass abstellen dürfen, sondern eine Einzelfallprüfung durchführen müssen. Die finanzielle Leistungsfähigkeit im Sinne von § 19 DepV werde nicht alleine durch Einkünfte aus dem Betrieb der Deponie bestimmt, ebenso müssten anderweitige Geschäftstätigkeiten des Betreibers, aus denen er Gewinne erziele, berücksichtigt werden. § 19 Abs. 1 DepV könne auch nicht entnommen werden, dass betriebliche Rückstellungen bereits im Zeitpunkt der Ablagerungen in voller Höhe verfügbar sein müssten; vielmehr müsse der Deponiebetreiber lediglich Vorkehrungen treffen, um ausreichende Sicherheiten zu bilden. Von angemessenen Vorkehrungen im Sinne der Deponierichtlinie sei aber bereits dann auszugehen, wenn der Deponiebetreiber den Nachweis führe, dass er finanziell leistungsfähig sei und er zudem belege, dass er in der Lage sei, eine Sicherheitsleistung oder etwas Gleichwertiges zu erbringen. Die Möglichkeit der Sicherheitsleistung durch betriebliche Rückstellungen beschränke sich nicht lediglich auf zurückliegende Ablagerungen auf Altdeponien. Es widerspräche den Absichten des Verordnungsgebers, könnte man auf betriebliche Rückstellungen nicht auch als Sicherheit für Neuanlagen zurückgreifen. In diesem Zusammenhang dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin als OHG über die Gesellschafterhaftung seitens der Bayer AG und der Lanxess Deutschland GmbH verfüge, was die Erbringung der Sicherheitsleistung durch betriebliche Rückstellungen nahe lege.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil. Der Exekutive sei es nicht verwehrt, für die Anwendung von Rechtsnormen Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die - wie der vorliegende ministerielle Erlass - naturgemäß eine gewisse generalisierende und pauschalierende Wirkung entfalteten. Die Klägerin habe sich auf das vorgesehene Kombi-Modell nicht eingelassen, so dass weiterreichende Prüfungen nicht mehr veranlasst gewesen seien. Im Falle des § 19 Abs. 2 DepV gehe es nicht darum zu überprüfen, ob ein zur Zeit wirtschaftlich gesundes Unternehmen in der Lage sei, die künftig hinzukommenden Pflichten zu erfüllen und ob es für diesen Zweck ausreichend Rückstellungen gebildet habe. Es gehe vielmehr darum, dass zu dem Zeitpunkt, in welchem das die Deponie betreibende Unternehmen die Verpflichtungen der Rekultivierung und der Nachsorge zu erfüllen habe und hierzu nicht mehr willens oder in der Lage sei, der Behörde genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, die erforderlichen Maßnahmen selbst durchzuführen. Eine Bewertung der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Betreibers dahingehend, dass von leistungsstärkeren Unternehmen weniger belastende Sicherungsmittel als von leistungsschwächeren Unternehmen zu fordern seien, finde im Gesetz keine Grundlage. Die Beklagte erachte Sicherheitsleistungen durch betriebliche Rückstellungen auch nicht generell für unzulässig. Andererseits müssten aber betriebliche Rückstellungen nicht als alleiniges Sicherungsmittel anerkannt werden. Da diese nicht insolvenzsicher seien, stellten sie das wertloseste Sicherungsmittel dar. Um eine gerechte Risikoverteilung herbeizuführen, habe die Landesverwaltung das Kombi-Modell entwickelt. Werde im Gegensatz zur früheren Rechtslage die Stellung einer Sicherheit nunmehr zwingend gefordert, stelle es ein sachgerechtes Kriterium dar, ab dem insolvenzfeste Sicherheiten einzufordern. Von einer willkürlichen Unterscheidung der Zeiträume vor und nach Inkrafttreten der Deponieverordnung könne nicht ausgegangen werden.
II
Die Revision ist unbegründet.
Gegenstand der Klage ist die Auflage des Nachweises einer Sicherheit für die Zeit ab Inkrafttreten der Deponieverordnung. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht die Klage ohne Verstoß gegen Bundesrecht abgewiesen. § 19 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 25 Abs. 5 Satz 1 DepV stellen hierfür mit dem Ziel der Absicherung von künftigen Risiken aus dem Betrieb einer Deponie die erforderliche Rechtsgrundlage dar (1.). Die Bestimmung von betrieblichen Rückstellungen als gleichwertige Sicherheit in § 19 Abs. 4 Satz 2 letzte Alternative DepV überschreitet den Rahmen der Verordnungsermächtigung in § 36c Abs. 4 KrW-/AbfG (2.). Dies hat eine Teilnichtigkeit der Deponieverordnung zur Folge (3.).
1. Die Klägerin unterliegt mit der von ihr betriebenen Deponie den Anforderungen der Deponieverordnung. Für die Zulassung ihres weiteren Betriebs war nach Inkrafttreten der Deponieverordnung ein erneutes Verfahren durchzuführen, § 14 Abs. 2 DepV. Dabei musste die Klägerin für einen über den hinausreichenden Anlagenbetrieb eine ausreichende Sicherheit nachweisen, § 25 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 2 DepV.
§ 19 DepV verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
1.1 Zwar schreibt § 19 DepV zwingend eine Sicherheitsleistung vor und räumt der Behörde insoweit - anders als in § 32 Abs. 3 KrW-/AbfG - kein Ermessen ein. Schon im Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsverfahren hat der Vorhabensträger seine finanzielle Leistungsfähigkeit für die Errichtung der Anlage sowie für die Betriebs- und Nachsorgephase nachzuweisen, § 19 Abs. 1 Satz 1 DepV; vor Beginn der Ablagerungsphase hat er der zuständigen Behörde dann eine Sicherheit nachzuweisen zur Erfüllung von Auflagen und Bedingungen betreffend die Betriebs- und Nachsorgephase zur Verhinderung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit, § 19 Abs. 2 Satz 1 DepV. Allein über die Art und Höhe der zu erbringenden Sicherheit räumt die Verordnung der zuständigen Behörde ein Auswahlermessen ein, § 19 Abs. 4 Satz 1 DepV.
Demgegenüber sieht § 32 Abs. 3 KrW-/AbfG als Ermessensbestimmung vor, dass die Behörde vom Inhaber der Deponie für die Rekultivierung sowie zur Verhinderung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit Sicherheit verlangen kann und erfasst damit sowohl das "Ob" wie auch das "Wie" der Sicherheitsleistung. Auch die vorangegangene Regelung des § 8 Abs. 2 AbfG räumte der Behörde ein dem entsprechendes Ermessen ein.
1.2 Die gebotene Auslegung von § 32 Abs. 3 KrW-/AbfG unter Berücksichtigung höherrangigen Gemeinschaftsrechts lässt eine Kollision dieser förmlichen gesetzlichen Regelung mit dem nachrangigen Verordnungsrecht ausscheiden. Nach Art. 8 lit. a) Ziffer iv) der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom über Abfalldeponien (Deponierichtlinie) muss als Genehmigungsvoraussetzung für die Errichtung und für den Betrieb einer Deponie sichergestellt sein, dass der Antragsteller bei Betriebsaufnahme angemessene Vorkehrungen in Form einer finanziellen Sicherheitsleistung oder etwas anderem Gleichwertigen nach von den Mitgliedstaaten festzulegenden Modalitäten getroffen hat, um zu gewährleisten, dass Auflagen (auch hinsichtlich der Nachsorge) erfüllt und die in Art. 13 vorgeschriebenen Stilllegungsverfahren eingehalten werden. Auch die Deponierichtlinie verpflichtet damit die Behörde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zwingend zur Erhebung von Sicherheitsleistungen, wobei die Vorkehrungen in Form einer finanziellen Sicherheitsleistung zu treffen sind. In Folge dieses Gebots kann nicht allein auf den Begriff der "angemessenen Vorkehrung" abgestellt und diesem der Sinn beigemessen werden, dass von der Beibringung einer Sicherheitsleistung durch den Anlagenbetreiber gegebenenfalls auch abgesehen werden kann (so aber Beckmann/Gesterkamp, UPR 2003, 206 <207>). Mit "Vorkehrungen in Form einer Sicherheitsleistung" als zwingende Genehmigungsvoraussetzung ist es nicht vereinbar, von einer Sicherheitsleistung abzusehen.
Die Ermessensvorschrift des § 32 Abs. 3 KrW-/AbfG war bis zum Inkrafttreten der Deponierichtlinie so zu verstehen, dass angesichts eines latenten Insolvenzrisikos des Betreibers einer Deponie eine Sicherheitsleistung im Regelfall durch die Behörde einzufordern ist (die Rechtslage ist insoweit den Bestimmungen von § 12 Abs. 1 Satz 2 und § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG ähnlich, vgl. zur Ermessensausübung insoweit BVerwG 7 C 44.07 - AbfR 2008, 145). Das Gesetz ist nunmehr richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der Behörde über ein Tätigwerden im Regelfall hinaus eine Verpflichtung erwächst. Ein Ermessen ist ihr damit nicht mehr eingeräumt. Dass Gemeinschaftsrecht insoweit eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts erfordert, ist einhellige Meinung sowohl des Europäischen Gerichtshofs ( - Slg. 1987, 3969 Rn. 12) wie auch der nationalen Gerichte (vgl. BVerwG 7 C 64.95 - BVerwGE 102, 282 <286 f.> = Buchholz 406.252 § 4 UIG Nr. 2).
2. Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG kann die Exekutive durch ein Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmendes Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei sind Programm und Tendenz der Rechtsverordnung gesetzlich soweit zu umreißen, dass die dem Verordnungsgeber eingeräumte Regelungsbefugnis und hieraus herrührende Belastungen Betroffener erkennbar und vorhersehbar sind ( BVerwG 6 C 13.00 - BVerwGE 115, 125 <131> m.w.N. = Buchholz 442.066 § 16 TKG Nr. 1). Widerspricht die Verordnung dem gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt und Zweck der Ermächtigung, hat dies ihre Unwirksamkeit zur Folge ( BVerwG 8 C 29.94 - BVerwGE 100, 323 <325 f.> = Buchholz 451.22 § 12 AbfG Nr. 1). § 36c Abs. 4 KrW-/AbfG ermächtigt die Bundesregierung Regelungen über die Erbringung einer Sicherheitsleistung durch den Betreiber einer Deponie zu treffen. Die durch die gesetzliche Ermächtigung gezogenen Grenzen werden in § 19 Abs. 4 Satz 2 DepV jedoch überschritten, wenn handelsrechtlich zu bildende betriebliche Rückstellungen als gleichwertige Sicherheit zugelassen werden. Insoweit ist die Verordnung nichtig.
2.1 § 36c Abs. 4 KrW-/AbfG ermächtigt zu bestimmen, dass die Inhaber bestimmter Deponien eine Sicherheit leisten oder ein anderes gleichwertiges Sicherungsmittel erbringen müssen, sowie Vorschriften über die Art, den Umfang und die Höhe der nach § 32 Abs. 3 KrW-/AbfG zu leistenden Sicherheit oder eines anderen gleichwertigen Sicherungsmittels zu erlassen. Das Gesetz hebt hiermit ersichtlich auf die Bestimmung des § 232 BGB ab.
Dem Verordnungsgeber wird - mangels Verlautbarung des Gesetzgebers - keine Befugnis eingeräumt zu einer abweichenden Bestimmung des materiellen Gehalts einer Sicherheit. Hierzu hat auch keinerlei Veranlassung bestanden, da der Begriff der Sicherheit durch § 232 BGB mit einem seit langem genau umrissenen Bedeutungsgehalt ausreichend vorgegeben und bestimmt war und hieran folglich auch die Gleichwertigkeit eines anderen Sicherungsmittel zu messen ist. Dem Verordnungsgeber sollte somit ersichtlich nicht eine Neudefinition oder inhaltliche Neubestimmung des Begriffs der Sicherheitsleistung überlassen werden. Die in § 36c Abs. 4 KrW-/AbfG weiter enthaltene Ermächtigung, Vorschriften über Art, Umfang und Höhe der Sicherheitsleistung zu erlassen, bestätigt dies. Sie geht ersichtlich von einer Sicherheitsleistung im herkömmlichen Sinne aus und bezieht sich lediglich auf Detailregelungen und Modalitäten der Erhebung. Hätte bereits der Begriff der Sicherheit der freien Ausgestaltung durch den Verordnungsgeber offen stehen sollen, hätte es einer zusätzlichen Ermächtigung zu den genannten Detailregelungen nicht bedurft.
2.2 Eine Sicherheitsleistung dient dazu, den Sicherungsnehmer vor drohenden Rechtsnachteilen zu bewahren. Zweck der Sicherheitsleistung ist somit, Ansprüche, die erst in Zukunft zu erfüllen sind und deren fällige Erfüllung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, zu sichern (Fahse, in: Soergel, BGB, Vor § 232 Rn. 1). Bezogen auf den Betrieb einer Deponie heißt dies, dass die Sicherheitsleistung dazu dient, das Risiko einer möglichen Insolvenz des Anlagenbetreibers aufzufangen und damit zu gewährleisten, dass alle Anforderungen, die Gegenstand der Anlagenzulassung sind, somit auch die Verpflichtung zu den erforderlichen Stilllegungs- und Nachsorgemaßnahmen, eingehalten werden können (Gaßner/Siederer, Deponieverordnung, § 19 Anm. 3). Die Behörde wird damit in die Lage versetzt, bei einer nicht gehörigen Erfüllung von Nachsorge- oder Stilllegungspflichten durch den Inhaber und erst Recht bei dessen völligem Untätigbleiben ohne zeitlichen Verzug die erforderlichen Maßnahmen selbst zu ergreifen (Hellmann-Sieg, in: Jarass/Ruchay/Weidemann, KrW-/AbfG § 32 Rn. 126). Damit wird auch der Einwand der Klägerin hinfällig, wegen ihrer nicht in Zweifel zu ziehenden Bonität und wegen der Haftung ihrer Gesellschafter auch für Nachsorge- und Rekultivierungsverpflichtungen müsse sie vom Nachweis einer Sicherheit ausgenommen werden. Denn die Deponieverordnung lässt insoweit die momentane Leistungsfähigkeit des Deponiebetreibers außer Betracht.
Voraussetzung zur Erreichung des so beschriebenen Sicherungszwecks ist die Insolvenzfestigkeit des Sicherungsmittels. Die in § 232 Abs. 1 BGB genannten Sicherheiten sind hiervon bestimmt. Auch die TA Abfall benennt in Nr. 3.2.1 als Beispiele insolvenz-/konkursfester Sicherungsmittel die selbstschuldnerische Bürgschaft, dingliche Sicherheiten, die Hinterlegung von Geld sowie die Konzernbürgschaft. Der Verordnungsgeber ging ursprünglich davon aus, dass die nach der Deponieverordnung bestellte Sicherheit zur Erfüllung ihres Zwecks sowohl in einem Insolvenzverfahren wie auch in dessen Vorfeld nicht dem freien Zugriff des Schuldners oder Dritter ausgesetzt sein darf (BRDrs 231/02 S. 67, 110 f.). Während aber bei dinglichen Sicherheiten oder bei einer Hinterlegung von Geld mit dem daraus resultierenden Pfandrecht (§ 233 BGB) der begünstigte Gläubiger im Insolvenzverfahren absonderungsberechtigt und die geleistete Sicherheit somit insolvenzfest ist (§§ 49 ff. InsO), behält der Schuldner bei Bildung einer betrieblichen Rückstellung den grundsätzlich freien Zugriff auf diese Vermögensmasse. Mit der Bildung einer betrieblichen Rückstellung widmet der Schuldner die betreffenden Mittel lediglich dem Sicherungszweck, es bestehen aber keinerlei nach außen wirkende, im Insolvenzverfahren wirksam geschützte Rechte der Behörde an der Rückstellung, sondern lediglich die schuldrechtliche Verpflichtung des Anlagenbetreibers zur zweckentsprechenden Verwendung der Mittel. Eine Rückstellung führt somit grundsätzlich nicht zu einer in irgendwelcher Weise vorrangigen Befriedigung desjenigen, zu dessen Gunsten sie gebildet ist. Auf diese kann folglich von der Behörde nicht vorrangig zur Befriedigung verauslagter Kosten bzw. zur Durchführung von Stilllegungs- und Nachsorgemaßnahmen zugegriffen werden. Im Regelfall sind diese Mittel bei Insolvenz des Deponiebetreibers bereits für andere Zwecke verwendet bzw. Drittgläubigern zugeflossen.
2.3 Diesen Mangel der Insolvenzfestigkeit betrieblicher Rückstellungen vermag auch § 19 Abs. 4 Satz 4 DepV nicht zu beheben, wonach bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens die zuständige Behörde zur abgesonderten Befriedigung aus der Sicherheit, somit gegebenenfalls auch aus betrieblichen Rückstellungen, berechtigt sein soll. Auf letztere bezogen kann § 19 Abs. 4 Satz 4 DepV aber keine die Insolvenzordnung ergänzende oder abändernde und damit konstitutive Bedeutung zugemessen werden. Dem steht der Vorrang des höherrangigen Rechts entgegen; es ist daher lediglich von einer deklaratorischen Verweisung auszugehen (Gaßner/Siederer, a.a.O., Anm. 13). Betriebliche Rückstellungen, die zu keiner abgesonderten Befriedigung im Sinne der §§ 49 ff. InsO berechtigen, stellen im Falle der Insolvenz somit weder ein anderes gleichwertiges Sicherungsmittel im Sinne von § 32 Abs. 3 und § 36c Abs. 4 KrW-/AbfG noch etwas anderes Gleichwertiges im Sinne von Art. 8 lit. a) Ziffer iv) der Deponierichtlinie dar. Wenn der Verordnungsgeber wegen der durch eine Sicherheitsleistung bedingten Bindung eines beträchtlichen Teils des Betriebsvermögens betriebliche Rückstellungen als Nachweis einer Sicherheit für möglich erachtet hat (BRDrs 231/02 - Beschluss - S.36), wird dies durch Inhalt und Zweck der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt.
3. Können betriebliche Rückstellungen wegen ihrer fehlenden Insolvenzfestigkeit nicht als gleichwertig mit den in § 232 BGB genannten Sicherheitsleistungen bezeichnet werden, überschreitet § 19 Abs. 4 Satz 2 letzte Alternative DepV den Zweck der Ermächtigungsgrundlage und damit die durch diese gezogenen Grenzen. Diese Unvereinbarkeit mit der gesetzlichen Ermächtigung hat die Nichtigkeit von § 19 Abs. 4 Satz 2 letzte Alternative DepV zur Folge (vgl. - BVerfGE 101, 1 <30, 37.>).
Eine Nichtigkeit der Deponieverordnung insgesamt käme nur in Betracht, wenn sich aus dem objektiven Sinn der Verordnung ergeben würde, dass die übrigen Bestimmungen keine selbstständige Bedeutung hätten oder wenn die nichtige Regelung mit den übrigen Bestimmungen derart verflochten wäre, dass sie eine untrennbare Einheit bildeten, die nicht in einzelne Bestandteile zerlegt werden könnte ( - BVerfGE 103, 332 <345 f.> m.w.N). Dies ist nicht der Fall, da lediglich die letzte vom Verordnungsgeber genannte Alternative einer Sicherheitsleistung durch betriebliche Rückstellungen in § 19 Abs. 4 Satz 2 DepV entfällt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Fundstelle(n):
EAAAC-87226