Schälen von Spargel ist keine typische land- und forstwirtschaftliche Arbeit i.S. des § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG
Leitsatz
Das Schälen von Spargel durch Aushilfskräfte eines landwirtschaftlichen Betriebs zählt nicht zu den typisch land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten i.S. des § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG.
Gesetze: EStG § 40a Abs. 3 Satz 1GG Art. 3 Abs. 1
Instanzenzug: (EFG 2005, 283) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs.
In den Monaten April bis Juni der Streitjahre (1998 und 1999) beschäftigte der Kläger vorübergehend drei Aushilfskräfte für das Schälen von Spargel, den der Kläger in seinem Betrieb erntete und an Gastwirtschaften und andere Privatpersonen ab Hof und auf Wochenmärkten veräußerte. Den Aushilfskräften wurde ein Nettolohn in Höhe von 15 DM pro Stunde gezahlt. Die Arbeiten wurden ohne Einsatz von Schälmaschinen vorgenommen.
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) fest, dass der Kläger die den mit Spargelschälen beschäftigten Aushilfskräften gezahlten Löhne in Höhe von insgesamt 4 695 DM (1998) und 5 760 DM (1999) nach § 40a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Pauschsteuersatz von 5 % der Lohnsteuer unterworfen hatte. Das FA war der Auffassung, dass es sich bei dem Schälen von Spargel nicht um eine typisch land- und forstwirtschaftliche Arbeit handele, sondern um eine Weiterverarbeitung des verkaufsfertigen Produkts „Spargel”. Die im Jahr 1998 gezahlten Arbeitslöhne versteuerte das FA gemäß § 40a Abs. 2 EStG mit einem Steuersatz von 20 %. Im Übrigen erfolgte die Nachversteuerung nach den Merkmalen der Steuerklasse VI (§ 39c EStG i.V.m. § 39b EStG und Abschn. 122 der Lohnsteuer-Richtlinien) unter Berücksichtigung eines Nettosteuersatzes von 31,4 %.
Der Kläger erkannte die Zahlungsverpflichtung für die Beträge, die sich aus der Lohnsteuer-Außenprüfung ergaben und die er nach Auffassung des FA als Steuerschuldner schuldete, mit Erklärung vom an. Mit Bescheid vom hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der dagegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 283 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt, das Urteil des und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Lohnsteuerfestsetzung vom für 1998 um 704,25 DM und für 1999 um 1 693,69 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass das Schälen von Spargel nicht zu den typisch land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten i.S. des § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG zählt und deshalb im Streitfall keine pauschale Erhebung der Lohnsteuer nach dieser Vorschrift zulässig ist.
1. Nach § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG in seiner in den Streitjahren gültigen Fassung kann der Arbeitgeber unter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte bei —i.S. der Sätze 2 und 3 der Vorschrift zu verstehenden— Aushilfskräften, die in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EStG ausschließlich mit typisch land- oder forstwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt werden, die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 5 % des Arbeitslohns erheben.
a) Schon nach ihrem Wortlaut erfasst die Vorschrift nur bestimmte Tätigkeiten von Aushilfskräften in der Land- und Forstwirtschaft. Neben der Beschränkung auf typische land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten deutet auch die Verweisung auf Betriebe der Land- und Forstwirtschaft i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EStG darauf hin, dass Aushilfstätigkeiten in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb —ungeachtet dessen Rechtsform (vgl. , BFHE 131, 472, BStBl II 1981, 76, und vom VI R 89/98, BFHE 210, 439, BStBl II 2006, 92)— nur im Rahmen der Urproduktion erfasst werden sollen. Die Be- und Verarbeitung von im eigenen land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb erzeugten Rohstoffen vollzieht sich —sofern nicht bereits gewerblich betrieben— im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebs i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 1 EStG (vgl. , BFHE 182, 155, BStBl II 1997, 427, unter 3. a). Bereits dies spricht dafür, dass schon Tätigkeiten bei der geringfügigen Weiterverarbeitung der eigenen land- und forstwirtschaftlichen Urerzeugnisse (vgl. BFH-Urteil in BFHE 182, 155, BStBl II 1997, 427, unter 4.) nicht mehr zu den Aushilfsarbeiten i.S. des § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG zählen.
b) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (, BFHE 177, 109, BStBl II 1995, 392) ist die mit dem niedrigen Pauschsteuersatz verbundene Begünstigung der Aushilfskräfte in der Land- und Forstwirtschaft unter Berücksichtigung des aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes folgenden Gleichbehandlungsgebots insoweit sachlich vertretbar, als dadurch den besonderen Verhältnissen in der Land- und Forstwirtschaft Rechnung getragen werden soll. Die Besonderheiten in der Land- und Forstwirtschaft gegenüber anderen Betrieben liegen typischerweise darin, dass für begrenzte Zeiträume zur Durchführung bestimmter saisonaler Arbeiten ein erhöhter Personalbedarf besteht. Die Literatur ist dem —wenn auch teilweise mit kritischem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift— gefolgt (vgl. z.B. Eisgruber in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 40a Rz 10; Frotscher in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 40a Rz 44; Blümich/Heuermann, § 40a EStG Rz 60; Schönewald in Bordewin/ Brandt, § 40a EStG Rz 61; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 40a Rz D 1; von Twickel, Der Betrieb, Beilage Nr. 6/2006, S. 66 ff. (66); Wagner in Herrmann/Heuer/ Raupach —HHR—, § 40a EStG Rz 3). Darüber hinaus wird die steuerliche Begünstigung damit begründet, dass ansonsten einkommenslose bzw. weitgehend nicht einkommensteuerpflichtige Arbeitskräfte überwiegend in der Land- und Forstwirtschaft aushülfen (vgl. , BFHE 141, 54, BStBl II 1984, 569, unter 1.; Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 40a Rz 11; Eisgruber in Kirchhof, a.a.O.; von Twickel, a.a.O.; Wagner in Heuermann/Wagner, Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Teil H Rz 68). Soll die Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40a Abs. 3 EStG Besonderheiten der land- und forstwirtschaftlichen Produktion Rechnung tragen, so sprechen neben dem ausdrücklich eng gefassten Wortlaut auch Sinn und Zweck der Vorschrift dafür, die mit ihr verbundene Privilegierung auf (ur-)produktionsbezogene Tätigkeiten zu begrenzen (vgl. auch Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 40a Rz D 3).
c) Die Urproduktion betreffende Tätigkeiten fallen grundsätzlich an im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (vgl. , BFHE 146, 553, BStBl II 1986, 681) sowie des sich in einem solchen Betrieb vollziehenden Arbeitsprozesses bis zur Fertigstellung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse (vgl. z.B. Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, „Pauschalierung der Lohnsteuer”, Rz 228; Leingärtner/Stalbold, Besteuerung der Landwirte, Kap. 46, Rz 33; von Twickel, a.a.O., S. 67). Dabei kann der land- und forstwirtschaftliche Erzeugungsprozess zwar auch Arbeiten der Marktaufbereitung umfassen, durch die die Marktgängigkeit eines land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisses erst hergestellt oder verbessert wird (vgl. auch Leingärtner/Stalbold, a.a.O.). Nicht mehr von der Privilegierung des § 40a Abs. 3 EStG erfasst sind indes bei gleichheitsgerechter Auslegung der Vorschrift nicht nur alle von der eigentlichen land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion gelösten Arbeiten, wie sie etwa bei der (Direkt-)Vermarktung (vgl. z.B. Leingärtner/ Stalbold, a.a.O.) eines marktgängig aufbereiteten Erzeugnisses oder bei Buchführung und Verwaltung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (vgl. z.B. HHR/Wagner, § 40a EStG Rz 49) anfallen. Nicht erfasst werden auch Tätigkeiten, die ein aus land- und forstwirtschaftlicher Erzeugung resultierendes (Ur-)Produkt in einer Weise verändern, dass ein Produkt anderer Marktgängigkeit geschaffen wird (vgl. auch Leingärtner/ Stalbold, a.a.O.; von Twickel, a.a.O., S. 67). Die gegenüber einem erstmals marktgängig aufbereiteten land- und forstwirtschaftlichen Urprodukt veränderte Marktgängigkeit bildet nämlich einen objektiven Maßstab zur Beantwortung der Frage, ob die Grenze der Urproduktion hin zu einer weiteren Verarbeitung und Veredelung des Urprodukts überschritten ist. Wann eine veränderte Marktgängigkeit vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 146, 553, BStBl II 1986, 681, unter 2. a). Dabei führt nicht jegliche Bearbeitung und Behandlung des geernteten land- und forstwirtschaftlichen Urprodukts schon zu einer anderen Marktgängigkeit. So zählt etwa das Waschen, Trocknen und Sortieren von Erntegut, soweit damit überhaupt erst dessen marktgängige Aufbereitung erfolgt, regelmäßig noch zu den typisch land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten.
2. Nach diesen Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat bei Auslegung und Anwendung des § 40a Abs. 3 EStG rechtlich zutreffend darauf abgestellt, ob es sich bei geschältem Spargel um eine weitergehende Veränderung eines bereits hergestellten, marktgängigen landwirtschaftlichen Urprodukts handelt. Die aufgrund der tatsächlichen Feststellungen vorgenommene Würdigung des FG ist möglich. Sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze, so dass der Senat hieran mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist.
a) Das FG hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass bereits ungeschälter Spargel ein hergestelltes, marktgängiges landwirtschaftliches (Ur-)Produkt ist. Die Feststellung des FG, dass mit dem Schälen des Spargels eine zusätzliche Dienstleistung erbracht werde, die der Kunde nach Auskunft einer vom FG näher bezeichneten Landwirtschaftskammer generell mit einem Preisaufschlag gegenüber dem Verkaufspreis für ungeschälten Spargel bezahle, hat auch der Kläger nicht bestritten. Vielmehr hat dieser in seiner Revisionsbegründung auch darauf hingewiesen, dass bei der Kalkulation des Preises von geschältem Spargel auch dessen Gewichtsverlust gegenüber ungeschältem Spargel zu berücksichtigen sei. Auf dieser Grundlage ist die tatrichterliche Würdigung, durch das Schälen des geernteten und bereits ungeschält verwertbaren Spargels werde eine nicht mehr zum land- und forstwirtschaftlichen Herstellungsprozess zählende weitergehende Veränderung eines landwirtschaftlichen Produkts bewirkt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies schon ungeachtet der Frage, ob —wie das FA in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat— geschälter Spargel (anders als nur gewaschener und sortierter Spargel) dem Lebensmittelrecht und nicht den Vorschriften der EG-Vermarktungsnorm unterliegt.
b) Dem steht nicht entgegen, dass —worauf der Kläger zutreffend hinweist— auch bei der Verarbeitung von Trauben zu Wein noch ein landwirtschaftliches (Ur-)Produkt entsteht. Produktionsziel des Weinbaus i.S. von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ist es nämlich, über die Gewinnung von Trauben Traubenmost und Wein zu erzeugen (vgl. z.B. Kleeberg, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 13 Rz B 11; Blümich/Selder, § 13 EStG Rz 69, m.w.N.). Demnach ist im Weinbau —anders als im Streitfall mit der Ernte des (ungeschälten) Spargels— allein mit der Ernte der Trauben der typische Prozess der landwirtschaftlichen Urproduktion noch nicht abgeschlossen. Die geernteten Trauben stellen im Weinbaubetrieb, so wie er aufgrund seines historisch gewachsenen Unternehmenszwecks und -gegenstands typisierend der Land- und Forstwirtschaft zugeordnet wird (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG), regelmäßig noch kein marktgängiges Erzeugnis der Urproduktion dieses Betriebs dar.
c) Auch soweit der Kläger meint, die Tätigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs ende nicht mit der Herstellung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, sondern dazu gehöre auch eine den Änderungen der Marktverhältnisse Rechnung tragende Vermarktung, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar zählt zur Land- und Forstwirtschaft i.S. von § 13 EStG auch die Verwertung der gewonnenen pflanzlichen und tierischen Erzeugnisse durch Verkauf (vgl. z.B. Kleeberg, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 13 Rz B 5; Kube in Kirchhof, a.a.O., § 13 Rz 2; Schmidt/Seeger, a.a.O., § 13 Rz 1; Blümich/ Selder, a.a.O. Rz 58). Dem steht jedoch nicht entgegen, den Begriff der typisch land- oder forstwirtschaftlichen Arbeiten i.S. des § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG auf rein urproduktionsbezogene Tätigkeiten zu begrenzen, wenn dies –-wie dargestellt— gleichheitsrechtlich geboten ist. Im Übrigen führt der hier anzuwendende objektive Maßstab der veränderten Marktgängigkeit auch zu einer Berücksichtigung veränderter Marktverhältnisse, wenn sich die Vermarktbarkeit eines land- und forstwirtschaftlichen Urprodukts wegen neuer Anforderungen an dessen Zustand und Qualität nur noch durch eine bestimmte Bearbeitung oder Aufbereitung überhaupt herstellen ließe. Bei ungeschältem Spargel ist jedoch eine solche Marktlage derzeit nicht gegeben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 40
BBK-Kurznachricht Nr. 18/2008 S. 942
BFH/NV 2008 S. 1389 Nr. 8
BFH/PR 2008 S. 417 Nr. 10
BStBl II 2009 S. 40 Nr. 2
DB 2008 S. 2173 Nr. 40
DStRE 2008 S. 1063 Nr. 17
DStZ 2008 S. 586 Nr. 17
EStB 2008 S. 272 Nr. 8
FR 2008 S. 1178 Nr. 24
HFR 2008 S. 931 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 29/2008 S. 2715
StB 2008 S. 311 Nr. 9
StBW 2008 S. 4 Nr. 15
StuB-Bilanzreport Nr. 14/2008 S. 569
VAAAC-84021