Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung; Anspruch auf rechtliches Gehör; Vorliegen einer Überraschungsentscheidung;
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, führte in den Streitjahren (1998 bis 2000) in größerem Umfang gemäß § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) steuerfreie Umsätze aus der Vermittlung von Versicherungen sowie in den Jahren 1998 und 1999 geringfügige steuerpflichtige Ausgangsumsätze aus Finanzierungs- und Anlageberatung aus. Sie machte für die Streitjahre Vorsteuerbeträge geltend, ohne diese wegen der Ausführung steuerfreier Umsätze zu kürzen. Sie ordnete die bezogenen Eingangsleistungen dabei einer Hotel- und Gaststättenberatung, Allgemein-, Büro- und Betriebskosten sowie Gebäuderenovierung zu. Die Vorsteuerbeträge stammten dabei in großem Umfang aus dem Besuch von Hotels und Gaststätten durch die Geschäftsführer der Klägerin und deren Ehefrauen, aus Kosten für Kfz, Telefon, Büro- und PC-Ausstattung sowie für Gebäuderenovierung.
Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die erklärten Vorsteuerbeträge zunächst im Anschluss an eine Umsatz-Sonderprüfung gekürzt hatte, ließ er in der Einspruchsentscheidung keine Vorsteuerbeträge mehr zum Abzug zu.
Das Finanzgericht (FG) schätzte die abziehbaren Vorsteuern auf je 3 v.H. der von der Klägerin erklärten Beträge und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre entsprechend herab. Im Übrigen wies es die Klage mit der Begründung ab, die Umsätze aus der Vermittlung von Versicherungen seien steuerfrei und schlössen den Vorsteuerabzug anteilig aus. Lediglich im Hinblick auf die ausgeführten steuerpflichtigen Umsätze sei der Vorsteuerabzug zu gewähren. Der Vorsteuerabzug aus den Hotel- und Gaststättenrechnungen sei nicht möglich. Es könne nicht anhand objektiver Anhaltspunkte festgestellt werden, dass die Klägerin beabsichtigt habe, diese Eingangsleistungen zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze zu verwenden. Dies gehe nach den Regeln über die Beweislast zu Lasten der Klägerin.
Die Klägerin habe im Bereich der Hotel- und Gaststättenberatung von 1984 bis zum Erlass der Vorentscheidung im Juli 2007 keine Umsätze ausgeführt und die Absicht, auf diesem Tätigkeitsgebiet entgeltliche Umsätze auszuführen, nicht durch objektive Umstände belegt. Sie habe in den Streitjahren anlässlich der Hotel- und Gaststättenbesuche keine konkreten Kundenkontakte gehabt und sei auch nicht mit Werbemaßnahmen nach außen in Erscheinung getreten. Sie habe erst anlässlich der Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 2001 einen allerdings sehr einfachen Internetauftritt geschaffen. Die zu diesem Sachverhaltskomplex vorgelegten Unterlagen stammten nach dem äußeren Erscheinungsbild (Verwendung eines Nadeldruckers und der bis 1992 geltenden Postleitzahlen) spätestens aus den frühen neunziger Jahren und lediglich in einem Fall aus dem Jahr 2005. Selbst wenn die Geschäftsführer der Klägerin in den Streitjahren noch die Absicht gehabt haben sollten, mittels einer softwaregestützten Hotel- und Gaststättenberatung Umsätze zu erzielen, ließen sich die von ihr in diesem Zusammenhang geltend gemachten Eingangsleistungen (Hotel- und Gaststättenbesuche und damit verbundene Fahrtkosten) nicht dieser Tätigkeit zuordnen. Die dafür angefallenen Aufwendungen, insbesondere für einen zweiwöchigen Hotelaufenthalt auf der Insel A im August 2000, seien nämlich privat veranlasst gewesen.
Hinsichtlich der nach den Angaben der Klägerin geplanten umsatzsteuerpflichtigen Immobilienverwertung seien die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug in den Streitjahren ebenfalls nicht erfüllt. Die Klägerin habe für die von ihr in den Jahren 1994 und 2002 erworbenen Eigentumswohnungen die Absicht einer steuerpflichtigen Nutzung nicht konkret nachvollziehbar erläutert. Die weitere Verwendung der Immobilien sei offen geblieben.
Die Klägerin stützt ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und Verfahrensmängel.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.
1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (BFH-Beschlüsse vom V B 66/06, BFH/NV 2007, 2067; vom VIII B 20/07, BFH/NV 2008, 25; vom I B 88/07, BFH/NV 2008, 577, und vom V B 57/07, BFH/NV 2008, 611). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; vom X B 185/07, BFH/NV 2008, 603, und vom X B 87/07, BFH/NV 2008, 605). Mit dem bloßen Hinweis auf das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung wird kein Klärungsbedarf dargelegt (z.B. , BFH/NV 2008, 566).
Derartige Ausführungen fehlen im Streitfall. Die Klägerin ist weder auf die umfangreiche Rechtsprechung des BFH zu den Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nach § 15 UStG noch auf die Literatur dazu eingegangen und macht nicht geltend, dass die von ihr herausgestellten Fragen in Rechtsprechung oder Literatur umstritten seien.
Soweit die Klägerin hinsichtlich der Hotel- und Gaststättenbesuche meint, es könnten insoweit steuerpflichtige, zum Vorsteuerabzug berechtigende unentgeltliche Wertabgaben an die Gesellschafter und deren Ehefrauen vorliegen, hat sie sich nicht mit der Frage befasst, ob dann nicht der Vorsteuerabzug durch den Ansatz entsprechender positiver Steuerbeträge ausgeglichen würde und sich somit keine Änderung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide ergäbe.
2. Das Vorliegen der geltend gemachten Verfahrensmängel hat die Klägerin ebenfalls nicht schlüssig dargelegt.
a) Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) verlangt, dass diejenigen Tatsachen —ihre Richtigkeit unterstellt— genau und schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ergeben soll, dass der behauptete Verfahrensmangel vorliegt und das angefochtene Urteil —nach der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG— auf ihm beruhen kann (BFH-Beschlüsse vom VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297, und vom VIII B 121/07, BFH/NV 2008, 397).
b) Die Klägerin hat das Vorliegen des geltend gemachten Verstoßes gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) nicht schlüssig dargelegt.
aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht der Beteiligten, sich zur Sache zu äußern, und für das Gericht die Pflicht, entscheidungserhebliches Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Anspruch bedeutet aber nicht, dass das Gericht den Kläger „erhören”, sich also seinen rechtlichen Ansichten anschließen müsste. Vielmehr darf es Vorbringen der Beteiligten aus formell- und materiell-rechtlichen Gründen unbeachtet lassen (BFH-Beschlüsse vom VIII B 8/06, BFH/NV 2007, 2069; in BFH/NV 2008, 397, und vom II S 11/07, BFH/NV 2008, 529).
Die Klägerin macht insbesondere mit dem Vorbringen, das FG hätte bei der Entscheidung über den Vorsteuerabzug nicht nur auf die in den Streitjahren tatsächlich ausgeführten Umsätze abstellen dürfen, sondern auch künftig zu erwartende Umsätze berücksichtigen müssen, keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern einen aus ihrer Sicht gegebenen materiell-rechtlichen Fehler geltend.
bb) Eine unzulässige Überraschungsentscheidung und damit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nur dann vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis seine Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt, der weder im Besteuerungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren zur Sprache gekommen war und mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 139/05, BFH/NV 2007, 1084, und vom X B 179/06, BFH/NV 2008, 608).
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die bereits im finanzgerichtlichen Verfahren durch Rechtsanwälte als Prozessbevollmächtigte fachkundig vertretene Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Ihrem Beschwerdevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass das FG seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben habe, mit der die Klägerin nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht habe rechnen müssen.
c) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe den in der mündlichen Verhandlung von ihr gestellten Beweisantrag übergangen, genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, welche Tatsachen die Vernehmung des Zeugen voraussichtlich ergeben hätte und warum diese Tatsachen auf der Grundlage der maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätten führen können (zu den Begründungsanforderungen insoweit vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII B 180/05, BFH/NV 2007, 751, und in BFH/NV 2008, 603).
Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, das FG habe den Beweisantrag in der Sitzungsniederschrift unzutreffend wiedergegeben, ist schon deshalb unschlüssig, weil die Klägerin in der Beschwerdebegründung die nach ihrer Ansicht zutreffende Formulierung des Antrags nicht angibt. Die „Zuordnung der Vorsteuerbeträge” ist keine dem Beweis zugängliche Tatsache, sondern erfordert eine rechtliche Würdigung aufgrund von Tatsachen. Zudem hätte die Klägerin gemäß § 94 FGO i.V.m. § 164 der Zivilprozessordnung eine Protokollberichtigung beantragen können. Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision kann eine Protokollberichtigung nicht erreicht werden.
d) Die Rüge, das FG habe zu der von ihm offen gelassenen Frage, ob eine in mehr als 20 Jahren nicht realisierte Absicht, mit Hilfe einer eigens erstellten Software im Bereich „Hotel- und Gaststättenberatung” Umsätze zu erzielen, überhaupt noch als „ernsthaft” angesehen werden könne, Beweis durch Sachverständigengutachten erheben müssen, entspricht ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Beschwerdebegründung (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 603, m.w.N.). Die Klägerin hat nicht dargelegt, warum sich dem FG die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einer Frage, die nach seiner, des FG, Ansicht nicht entscheidungserheblich war, hätte aufdrängen müssen, welche konkreten Ergebnisse die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und inwiefern diese Ergebnisse auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätten führen können. Die Klägerin hatte im Übrigen in ihrem an das FG gerichteten Schriftsatz vom ihr Vorbringen, das von ihr entwickelte Controlling-System zur Hotel- und Gaststättenberatung habe in den Streitjahren und selbst im Jahr 2005 noch keine Marktreife erlangt gehabt, nochmals bestätigt.
e) Soweit die Klägerin vorbringt, die Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie die Rechtsanwendung durch das FG seien fehlerhaft, macht sie keinen Verfahrensmangel, sondern materiell-rechtliche Fehler geltend, die nicht zur Zulassung der Revision führen (BFH-Beschlüsse vom IX B 24/07, BFH/NV 2008, 92; vom III B 55/06, BFH/NV 2008, 95; vom VIII B 153/06, BFH/NV 2008, 389, und vom XI B 16/07, BFH/NV 2008, 595). Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschlüsse vom VIII B 152/05, BFH/NV 2007, 1335; vom VIII B 68/07, BFH/NV 2008, 590, und vom VIII B 110/07, BFH/NV 2008, 613).
Die Klägerin macht selbst nicht geltend, dass ein zur Zulassung der Revision führender sog. qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vorliege. Ein solcher Rechtsanwendungsfehler ist gegeben, wenn er von erheblichem Gewicht und deshalb geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen. Dies ist nur bei offensichtlichen materiellen oder formellen Rechtsanwendungsfehlern des FG im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung der Fall. Eine bloß fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles genügt nicht (BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896; vom IV B 111/05, BFH/NV 2007, 1146; vom X B 90/07, BFH/NV 2008, 610, und in BFH/NV 2008, 613).
3. Der Schriftsatz der Klägerin vom muss bei der Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde schon deshalb unberücksichtigt bleiben, weil er erst nach Ablauf der gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO antragsgemäß bis verlängerten Frist für die Beschwerdebegründung eingegangen ist (BFH-Beschlüsse vom VII B 142/06, BFH/NV 2007, 873, und vom X B 169/06, BFH/NV 2007, 1504). Nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist sind lediglich bloße Erläuterungen und Ergänzungen der in zulässiger Form vorgebrachten Zulassungsgründe möglich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
XAAAC-80786