BFH Beschluss v. - X B 260/07

Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und einer Divergenz; Anspruch auf rechtliches Gehör

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 96 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (unten 1.) sowie das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (unten 2.) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (unten 3.) nicht schlüssig dargelegt. Auch die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (unten 4.).

1. Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Es muss sich um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage handeln (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

a) Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist —vom hier nicht vorliegenden Fall ihrer Offenkundigkeit abgesehen— schlüssig und substantiiert darzulegen. Hierzu muss der Beschwerdeführer zunächst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Des Weiteren muss der Beschwerdeführer konkret darauf eingehen, inwieweit die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der zu dieser Rechtsfrage bereits vorhandenen Rechtssprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt habe (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32, m.w.N. aus der Rechsprechung des BFH).

b) Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

aa) Die Kläger haben zur (vorgeblichen) grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache in ihrer Beschwerdebegründung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Sie (die Kläger) hätten ihre gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Sohn erfüllt. Im Rahmen dieser gesetzlichen Verpflichtung hätten sie die durch den Besuch der privaten Hochschule X (HX) verursachten erhöhten Unterhaltsaufwendungen tragen müssen. Die Einkünfte und Bezüge ihres Sohnes hätten im Streitjahr 2003 (und auch in den Folgejahren) unter der Grenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gelegen.

Kürze man den von ihrem Sohn im Streitjahr 2003 erzielten Bruttoarbeitslohn um die Werbungskosten und den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung, so ergebe sich ein negativer Saldo. Weder aus dem EStG noch aus der Rechtsprechung des BFH ergebe sich eine Verwendungsreihenfolge von eigenen Mitteln des Kindes und den Unterhaltszahlungen der Eltern hinsichtlich der Zahlung von Schulgeld, Miete und anderen Lebenshaltungskosten. Die vom Finanzgericht (FG) getroffene Annahme der vorrangigen Verrechnung der Schulgeldzahlungen mit (nicht vorhandenen) „ausreichenden Mitteln” des Sohnes entbehre der gesetzlichen Grundlage und widerspreche der Aktenlage. Auch seien die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung bei der Berechnung des FG offensichtlich nicht berücksichtigt worden. Sowohl die Behandlung der unschädlichen eigenen Einkünfte und Bezüge i.S. des § 32 Abs. 4 EStG als auch die Nichtberücksichtigung der Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung seien von grundsätzlicher Bedeutung.

Der strittige Betrag entspreche auch dem nach Neufassung des § 12 Nr. 5 EStG noch möglichen Weg zum Werbungskostenabzug „und der dadurch möglichen Gewährung von Kindergeld bzw. von Kinderfreibeträgen bei den Eltern und damit der Problematik des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG”.

Ein Studium an der HX —als privater Hochschule— sei nur im Rahmen eines Dienstverhältnisses möglich. Eltern volljähriger Kinder würden —entgegen dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes— von der Steuervergünstigung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG durch das FG grundsätzlich ausgeschlossen, da in solchen Fällen das volljährige Kind stets Vertragspartner der Hochschule und Zahlungspflichtiger sei.

bb) Mit diesen Ausführungen haben die Kläger weder eine bestimmte abstrakte und entscheidungserhebliche Rechtsfrage formuliert noch substantiiert —unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und Literatur— dargelegt, ob und inwieweit die Rechtssache einer (weiteren) Klärung durch den BFH bedürfe. Im vorliegenden Fall hätten sich die Kläger insbesondere mit der bisherigen Rechtsprechung des BFH auseinandersetzen müssen, nach der ein Steuerpflichtiger Sonderausgaben grundsätzlich nur dann abziehen kann, wenn er die Leistung aufgrund eigener Verpflichtung gegenüber dem Empfänger, z.B. als Versicherungsnehmer gegenüber der Versicherung (vgl. , BFHE 157, 505, BStBl II 1989, 862; vom X R 80/91, BFHE 177, 375, BStBl II 1995, 637), ggf. auch aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter (§§ 328 ff. des Bürgerliches Gesetzbuchs), erbracht hat (vgl. auch Fischer in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 10 Rz 5, m.w.N.; Blümich/Hutter, § 10 EStG Rz 36 und 42 bis 44, m.w.N.; Bauschatz in Korn, § 10 EStG Rz 36; Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl., § 10 Rz 16, m.w.N.; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz 36).

2. Aus denselben Gründen kommt die Zulassung der Revision auch nicht wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) in Betracht (zur Qualifikation dieses Zulassungsgrunds als speziellen Tatbestand der „Grundsatzrevision” vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 38).

3. Des Weiteren vermochten die Kläger auch nicht substantiiert darzulegen, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO erforderlich ist.

a) Die Zulassung der Revision wegen dieses Erfordernisses ist insbesondere dann geboten, wenn das angefochtene Urteil des FG in seinen tragenden Gründen von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen Gerichts abweicht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 41). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichung muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der mutmaßlichen Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42, m.w.N.).

b) Daran fehlt es im Streitfall. Die Kläger haben schon keine Entscheidung eines anderen Gerichts benannt, von der das angefochtene FG-Urteil abweichen soll, geschweige denn bestimmte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil und aus der mutmaßlichen Divergenzentscheidung herausgearbeitet und einander gegenübergestellt.

4. Schließlich genügt auch die von den Klägern erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) nicht den gesetzlichen Anforderungen.

a) Die Kläger haben hierzu zum einen geltend gemacht, sie hätten in der Klagebegründung darauf hingewiesen, dass der BFH in seinem Beschluss vom XI B 81/00 (BFH/NV 2003, 467) entschieden habe, dass Handlungen volljähriger Kinder den Eltern zuzurechnen seien. Das FG habe ihnen in diesem Zusammenhang das rechtliche Gehör versagt und ihr Vorbringen rechtlich nicht gewürdigt. Dies sei entscheidungserheblich, da bei volljährigen Kindern die steuerlichen Folgen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG für die Eltern nur über die Zurechnung von Handlungen eintreten könnten, da hier kein Gestaltungsspielraum wie z.B. bei Lebens- und Haftpflichtversicherungen bestehe. Eltern volljähriger Kinder würden —entgegen dem Wortlaut und Sinn des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG— von der Steuervergünstigung durch das FG ausgeschlossen, da hier stets die Kinder zivilrechtliche Schuldner seien.

Die Kläger haben zum anderen beanstandet, das FG habe ihnen auch hinsichtlich der Ermittlung der „ausreichenden Mittel” das rechtliche Gehör versagt und die Berechnung nicht nachvollziehbar dargelegt.

b) Diese Ausführungen werden den Anforderungen an eine schlüssige und substantiierte Gehörsrüge nicht gerecht.

aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst in erster Linie das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern. Darüber hinaus haben die Beteiligten einen Anspruch darauf, dem Gericht auch in rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was sie für wesentlich halten. Diesen Ansprüchen entspricht die Pflicht des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Diese Pflicht geht allerdings nicht so weit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat. Es darf das Vorbringen außer Betracht lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich ist (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10a, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

bb) Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall davon auszugehen, dass das FG die in Rede stehenden Ausführungen der Kläger zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung bedacht hat. Vor allem aber haben die Kläger nicht —wie es jedoch geboten gewesen wäre (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 14, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH)— schlüssig und substantiiert darlegen können, dass die angefochtene Entscheidung im Fall des vom FG vorgeblich unterlassenen Eingehens auf die von den Klägern vorgetragenen Gesichtspunkte —auf der Basis des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts— möglicherweise anders ausgefallen wäre.

5. Im Kern erschöpft sich die Beschwerdebegründung der Kläger in Ausführungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall unrichtig entschieden habe. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall rechtfertigen indessen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.).

Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Mängel bei der Auslegung revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. , BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).

Dass das angefochtene Urteil derart gravierende Mängel aufweist, haben die Kläger nicht vorgetragen.

Fundstelle(n):
UAAAC-80774