Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung keine vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 Nr. 1 EStG sondern Sonderausgaben; zur Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
Gesetze: EStG § 9, EStG § 10 Abs. 3, EStG § 21, EStG § 22 Nr. 1, EStG § 23
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob im Streitjahr 1996 geleistete Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu behandeln sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO); denn sie ist geklärt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dazu entschieden, dass solche Aufwendungen nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 EStG, sondern als Sonderausgaben im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG a.F. abziehbar sind (Urteile vom X R 72/01, BFH/NV 2005, 513; vom X R 45/02, BFHE 216, 47, BStBl II 2007, 574, und X R 11/05, BFH/NV 2007, 673). Diese Zuordnung zu den Sonderausgaben wird durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) nicht rückwirkend für das Streitjahr in Frage gestellt (vgl. , n.v., m.w.N.). Zwar wurde beim Bundesverfassungsgericht gegen die BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 513, und in BFHE 216, 47, BStBl II 2007, 574, jeweils Verfassungsbeschwerde eingelegt (dortige Az.: 2 BvR 2299/04 und 2 BvR 325/07); jedoch ist die Steuerfestsetzung mit vor Abschluss des Klageverfahrens ergangenem, geändertem Einkommensteuer-Bescheid vom in diesem Streitpunkt für vorläufig erklärt (vgl. , BStBl I 2007, 535). Damit ist das Rechtsschutzbegehren der Kläger insoweit hinreichend gewahrt, so dass eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO nicht angebracht erscheint.
2. Die Rechtssache hat auch darüber hinaus keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO ist nicht erforderlich.
a) Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob auch eine allgemeine Überlegung für eine später tatsächlich vorgenommene unentgeltliche Übertragung der Immobilie an den Mieter ein wesentliches Indiz gegen das Vorliegen einer von Anfang an bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht sein kann, ist nicht klärungsbedürftig. Denn die Absicht der Einkünfteerzielung kann als innere Tatsache nur anhand äußerer Merkmale (objektive Umstände) beurteilt werden (vgl. , BFH/NV 2001, 24). Ob im Einzelfall Indizien für oder gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechen und wie diese ggf. zu gewichten sind, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, die dem Finanzgericht (FG) obliegt. Dieses entscheidet gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (vgl. , BFH/NV 2007, 80, unter 3. c).
b) Die aufgeworfene Rechtsfrage nach dem zugrunde zu legenden Prognosezeitraum (30 Jahre) außerhalb der Vermietung von Ferienwohnungen (sog. reine Vermietungsfälle) ist geklärt. Denn im Anschluss an die Entscheidung zu Ferienwohnungen (vgl. , BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) hat der BFH in ständiger Rechtsprechung den Prognosezeitraum generell auf 30 Jahre festgelegt (vgl. Urteil vom IX R 7/07, BStBl II 2007, 873; vom IX R 55/02, BFH/NV 2004, 484; so auch BStBl II 2004, 933, Tz 34). Dieser Zeitraum gilt im Übrigen auch bei der Verpachtung unbebauter Grundstücke (, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 1161, bestätigt durch , zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2008, 641). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Einbeziehung von Wertsteigerungen des betreffenden Objekts in die Prognose (vgl. dazu Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 7. Aufl. 2007, § 21 Rz 26; Blümich/Stuhrmann, § 21 EStG Rz 10, m.w.N.) schon deshalb nicht, weil vorliegend keine nach § 23 EStG steuerpflichtigen Wertsteigerungen angefallen sind und nicht steuerbare Veräußerungsgewinne außer Ansatz bleiben.
c) Die Rechtsfrage, ob bei einem aufwendig gestalteten Wohnhaus als Indiz gegen das Bestehen der Einkünfteerzielungsabsicht uneingeschränkt auf die Rechtsprechung zur Kostenmiete zurückgegriffen werden kann, ist geklärt. Nach der BFH-Rechtsprechung ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit unter Berücksichtigung des Regelungszwecks des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich und typisierend —von Ausnahmen aufgrund besonderer Umstände abgesehen— vom Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen (ständige Rechtsprechung seit , BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771; gl.A. BMF in BStBl I 2004, 933). Eine solche Ausnahme hat der BFH bei einem aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Wohngebäude gesehen, dessen besonderen Wohnwert die Marktmiete nicht angemessen widerspiegelt (vgl. Urteil vom IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386; s.a. Urteil vom IX R 3/05, BFH/NV 2006, 525). Ob eine solche Wohnung gegeben ist, richtet sich nach den zum Ansatz der Kostenmiete bei eigengenutztem Wohnraum entwickelten Kriterien (s. , BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98); danach ist ein solcher Ausnahmefall bei einer Wohnfläche von mehr als 250 qm gegeben (s.a. , BFH/NV 1998, 832; vom IX R 52/94, BFHE 184, 346, BStBl II 1997, 818). Einer weitergehenden Differenzierung im Rahmen der vorgenommenen Typisierung bedarf es entgegen der Ansicht der Kläger nicht. Ein näheres Eingehen auf bestimmte Umstände des Einzelfalls ist vielmehr Sache des FG als Tatsacheninstanz, weshalb auch kein Klärungsbedarf besteht.
3. Auch ist eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) nicht erforderlich.
a) Die gerügte Divergenz zum (BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646) liegt nicht vor. Zwar ist danach im Fall einer verbilligten Vermietung das einheitliche Rechtsgeschäft in einen steuerbaren entgeltlichen und in einen nicht steuerbaren unentgeltlichen Teil aufzuspalten mit der Folge einer auch nur entsprechend anteiligen Berücksichtigung von Werbungskosten. Die Divergenzrüge greift aber nicht durch, weil das FG im Anschluss an seine zu einem negativen Ergebnis führende Prognose die Aufwendungen auch nur entsprechend anteilig, nämlich in Höhe von 44,57 % (Verhältnis der vereinbarten zur ortsüblichen Kaltmiete) als Werbungskosten berücksichtigt hat, ebenso mit negativem Prognose-Ergebnis.
b) Entgegen der Ansicht der Kläger ist nicht zu erkennen, dass die angegriffene Entscheidung einen schwerwiegenden Fehler aufweist. Ein solcher liegt nämlich nur dann vor, wenn das FG-Urteil aufgrund evidenter Rechtsanwendungsfehler als willkürlich oder greifbar gesetzwidrig angesehen werden müsste, mithin unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. , BFH/NV 2006, 779). Die Kläger setzen vielmehr ihre eigene Gewichtung und Beurteilung des Sachverhalts anstelle des FG und rügen im Kern dessen fehlerhafte Rechtsanwendung, also die materielle Unrichtigkeit des Urteils, ohne aber damit eine willkürliche oder greifbar gesetzwidrige Fall-Entscheidung aufzuzeigen.
4. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.
a) Nach dem Sinn des sich aus § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO ergebenden Begründungszwangs sollen die Prozessbeteiligten darüber Kenntnis erhalten, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Diesem Zweck genügt eine Begründung nur dann nicht und stellt deshalb einen Verstoß gegen § 119 Nr. 6 FGO dar, wenn den betroffenen Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, weil die Begründung des Urteilsspruchs überhaupt oder im Hinblick auf einen —selbständigen— prozessualen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel fehlt, weil aus dem Urteil die wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgebend waren, nicht erkennbar sind, oder weil die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder missverständlich und verworren sind (z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 98/05, BFH/NV 2006, 768; vom IX B 106/03, BFH/NV 2004, 1392, m.w.N.). Eine bloß zu kurze, lückenhafte oder fehlerhafte Urteilsbegründung kann jedoch keinen wesentlichen Verfahrensmangel begründen (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 48/07, BFH/NV 2008, 76; vom V B 196/06, BFH/NV 2007, 2311). Die vorliegenden Entscheidungsgründe lassen hinreichend erkennen, auf Grund welcher Erwägungen das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist (vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 1324).
b) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs obliegt es dem Gericht, die Beteiligten über den Verfahrensstoff zu informieren, ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (z.B. , BFH/NV 2007, 2327, m.w.N.). Die Gewährung rechtlichen Gehörs erfordert jedoch nicht, dass das Gericht die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend erörtert. Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen verpflichtet (vgl. , BFH/NV 2007, 2297). Insbesondere wird das Recht auf Gehör nicht dadurch verletzt, dass das klägerische Vorbringen vom Gericht auch in einem anderen, aber für die Entscheidung auch relevanten Zusammenhang in seine Überlegungen einbezogen wird. Im Übrigen hat ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht zu ziehen und seinen Vortrag darauf einzurichten (, Deutsches Verwaltungsblatt 1995, 34). Dazu hatten die rechtskundig vertretenen Kläger in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1150 Nr. 7
JAAAC-80286