Leitsatz
Dem Personalratsmitglied steht bei der entsprechenden Anwendung reisekostenrechtlicher Bestimmungen, soweit diese unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, ein begrenzter Beurteilungsspielraum zu.
Gesetze: BPersVG § 44
Instanzenzug: VG Düsseldorf, VG 33 K 3443/05 .PVB vom OVG Münster, OVG 1 A 131/06 .PVB vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein
Gründe
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Die Abweichungsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Der angefochtene Beschluss weicht nicht von dem in der Beschwerdebegründung zitierten Urteil des beschließenden Gerichts vom - BVerwG 10 A 1.01 - ab.
Nach dem vorgenannten Urteil, welches zu § 12 Abs. 2 und 3 BRKG in der hier noch anwendbaren, bis gültigen Fassung ergangen ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls und unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, ob eine dem Dienstreisenden unentgeltlich bereitgestellte Unterkunft zumutbar ist oder aus dem triftigen Grund der Unzumutbarkeit abgelehnt werden darf.
Im vorliegenden Fall, in welchem es um die Reisekosten des Mitgliedes einer Stufenvertretung geht, hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: Nur für die Frage, ob die Tätigkeit sich im Rahmen des gesetzlich übertragenen Aufgabenbereichs bewegt, gilt ein rein objektiver Maßstab, nicht aber für die Frage, welche Aufwendungen in welcher Höhe zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung notwendig sind. Insoweit hat der Personalrat bzw. das Personalratsmitglied in Wahrnehmung seines Ermessens sich auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten zu stellen, der die Interessen der Dienststelle und des Personalrats gegeneinander abzuwägen hat. Dass insoweit zwar nicht die Heranziehung der Abwägungsgesichtspunkte, wohl aber deren abwägende Gewichtung Raum für Ermessens- bzw. Wertungsspielräume eröffnet, liegt in der Natur der Sache, so dass lediglich zu prüfen ist, ob das Abwägungsergebnis sich in den Grenzen des Ermessens hält und dem Zweck des eingeräumten Ermessens entspricht (Beschlussabdruck S. 10).
Diese Ausführungen stehen nicht im Widerspruch zum zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Während es dort um die direkte Anwendung der zitierten reisekostenrechtlichen Bestimmungen im Verhältnis zwischen Beamtem und Dienstherrn ging und dabei ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn ausgeschlossen wurde, sind im vorliegenden Fall auf die maßgebliche Rechtsbeziehung zwischen Personalrat und Dienstsstelle aufgrund der Verweisung in § 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG die genannten reisekostenrechtlichen Vorschriften wegen der Eigenart der Personalratstätigkeit nur entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG 6 P 5.06 - Buchholz 251.5 § 42 HePersVG Nr. 1 Rn. 18 m.w.N.). Hier einen vom Dienststellenleiter wie auch vom Gericht zu beachtenden Beurteilungsspielraum des Personalratsmitgliedes einzuräumen, bedeutet wegen der Andersartigkeit der von partnerschaftlicher Gleichordnung geprägten Rechtsbeziehung zwischen Personalvertretung und Dienststellenleitung keinen Widerspruch zum zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Beide Entscheidungen können ohne Schaden für die Rechtseinheit nebeneinander Bestand haben.
2. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG bleibt gleichfalls ohne Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Der Beteiligte zu 1 will geklärt wissen, ob dem Personalratsmitglied bei der Beurteilung der Frage, ob eine unentgeltlich bereitgestellte Unterkunft zur Teilnahme an einer auswärtigen Personalratssitzung zumutbar ist oder aus dem triftigen Grund einer Unzumutbarkeit abgelehnt werden darf, ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zusteht. Diese Frage lässt sich anhand bereits vorliegender Senatsrechtsprechung eindeutig beantworten, so dass es zu ihrer Klärung nicht erst der Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens bedarf.
Die Kostentragung der Dienststelle nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG kommt zunächst nur in Betracht, wenn die verursachende Maßnahme sich im Rahmen der den Personalvertretungen zugewiesenen Aufgaben hält. Diese Voraussetzung unterliegt der objektiven Nachprüfung. Sodann hat die Personalvertretung das Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Entstehen von Kosten muss für die Erfüllung ihrer Aufgaben überhaupt notwendig im Sinne von erforderlich und vertretbar sein. Dies ist nicht rückblickend allein nach objektiven Maßstäben zu beurteilen; es genügt, wenn die Personalvertretung die Aufwendungen bei pflichtgemäßer Beurteilung der Sachlage für erforderlich und vertretbar halten durfte (vgl. BVerwG 6 P 1.90 - BVerwGE 89, 93 <104 f.> = Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 25 S. 48 f. m.w.N.; ebenso zur Erforderlichkeit von Schulungen: BVerwG 6 P 13.05 - BVerwGE 126, 122 = Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 35 Rn. 12 m.w.N.). Hinsichtlich der Art und Weise, wie der Personalrat oder das in Betracht kommende Mitglied eine ihm obliegende Aufgabe wahrnehmen will, insbesondere, ob er zu ihrer Erfüllung eine Reise für erforderlich halten durfte, besteht ein gewisser, wenn auch begrenzter Beurteilungsspielraum. Dieser erstreckt sich auf die Ausführung der Reise, also insbesondere auf die Frage, ob nicht auf andere, kostensparendere Weise die Aufgaben des Personalrats hätten erfüllt werden können (vgl. BVerwG 6 P 30.79 - Buchholz 238.3 A § 44 BPersVG Nr. 6 S. 4).
Daraus ergibt sich, dass der Personalrat wie auch das einzelne Personalratsmitglied hinsichtlich seiner kostenverursachenden Tätigkeit, die sich im gesetzlichen Aufgabenkreis bewegt, einen von strikter Rechtskontrolle entbundenen Beurteilungsspielraum hat, der sich auf die durch Personalratstätigkeit entstandenen Reisekosten erstreckt. Dieser Beurteilungsspielraum entfällt nicht deshalb, weil § 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG hinsichtlich der Reisekostenvergütungen das Bundesreisekostengesetz für anwendbar erklärt. Diese spezielle Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG ist ein Unterfall der Grundregel in § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 P 9.02 - BVerwGE 118, 1 <2 f.> = Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 31 S. 2 sowie vom - BVerwG 6 P 9.03 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 33 S. 14). Schon deswegen wäre es systemwidrig, Reisekosten des Personalratsmitgliedes grundsätzlich anders zu behandeln als alle anderen durch Personalratstätigkeit ausgelösten Kosten. Dies bedeutet nicht, dass das Personalratsmitglied sich über die reisekostenrechtlichen Bestimmungen hinwegsetzen kann. Vielmehr sind diese gesetzlichen Vorgaben zu beachten, soweit sie ungeachtet der Eigenart der Personalratstätigkeit Verbindlichkeit beanspruchen dürfen. Dort jedoch, wo die anzuwendenden reisekostenrechtlichen Bestimmungen unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, die offen sind für Wertungen und Abwägungen gegenläufiger Gesichtspunkte, ist die Zuerkennung eines Beurteilungsspielraums in gleicher Weise gerechtfertigt wie in den anderen Fällen kostenverursachender Tätigkeit, die sich nach den allgemeinen Kriterien der Erforderlichkeit, Vertretbarkeit und Verhältnismäßigkeit beurteilen.
Eine nach § 8 BPersVG unzulässige Privilegierung des Personalratsmitgliedes liegt daran nicht. Wie erwähnt sind die reisekostenrechtlichen Bestimmungen auf die Reisen von Personalratsmitgliedern wegen der Eigenart der Personalratstätigkeit nur entsprechend anwendbar. Die Unabhängigkeit der Personalratsfunktion und die damit verbundene Autonomie in der Geschäftsführung rechtfertigt es, die Einhaltung der reisekostenrechtlichen Bestimmungen durch das Personalratsmitglied am Maßstab "pflichtgemäßer Würdigung der Umstände" zu beurteilen (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 P 3.90 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 23 S. 37 und vom a.a.O.).
Demnach steht dem Personalratsmitglied hinsichtlich der Frage, ob es von der Nutzung einer unentgeltlich bereitgestellten Unterkunft aus triftigem Grund absehen darf (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 BRKG n.F. bzw. § 12 Abs. 3 BRKG a.F.), ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser ist begrenzt, weil das Personalratsmitglied die Wertung des Gesetzgebers, wonach die Nichtnutzung der Unterkunft besonders rechtfertigungsbedürftig ist, zu beachten hat. Es hat daher in pflichtgemäßer Würdigung die für und gegen die Nichtnutzung sprechenden Umstände abzuwägen. Nur wenn das Ergebnis vertretbar ist, wird es der Überprüfung durch Dienststelle und Gericht standhalten. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt. Seine - unter Verweisung auf die erstinstanzliche Entscheidung vorgenommene - Würdigung wirft keine Fragen auf, die im Interesse der Rechtsfortbildung oder Rechtseinheit der Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren bedürfen.
Fundstelle(n):
UAAAC-79809