Ordnungsgemäße Darlegung von Verfahrensmängeln; Antrag auf Berichtigung des Tatbestands
Gesetze: FGO § 76, FGO § 96, FGO § 108, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.
Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), weil mit der Beschwerdebegründung kein Verfahrensmangel in zulässiger Weise dargelegt wurde (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die ordnungsgemäße Darlegung eines Verfahrensmangels verlangt, dass die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen —ihre Richtigkeit unterstellt— einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ergeben (vgl. , BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.). Hieran fehlt es im Streitfall.
1. Zur schlüssigen Rüge, das Finanzgericht (FG) habe das Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, muss der Beteiligte darlegen, inwiefern ihm das Gericht das rechtliche Gehör versagt hat, zu welchen —der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten— Tatsachen oder Rechtsfragen er sich nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des Rechts auf Gehör noch vorgetragen hätte, dass er keine Möglichkeit besessen hat, die Gehörsverletzung bereits vor Ergehen der Entscheidung zu beanstanden, bzw. dass er den Verfahrensverstoß beim FG gerügt hat und inwiefern schließlich durch sein —lediglich infolge des Verfahrensfehlers unterbliebenes— Vorbringen die Entscheidung auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG anders hätte ausfallen können (vgl. z.B. , BFH/NV 1998, 196).
Gemessen daran hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) einen Verstoß des FG gegen das Recht auf Gehör nicht schlüssig dargelegt.
a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Prozessstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie ihre Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2005, 81, und , BFH/NV 2008, 242). Dazu gehört auch, dass das Gericht die wesentlichen, der Rechtsverfolgung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsausführungen in den Entscheidungsgründen verarbeitet, sofern sie nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert sind (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 1365/78, BVerfGE 54, 43, und vom 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133; , BFH/NV 2002, 493; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 10a, jeweils m.w.N.). Das Recht auf Gehör verlangt jedoch nicht, dass sich das Gericht in der Begründung seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich befassen müsste (vgl. , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1996, 153, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom III B 5/03, BFH/NV 2004, 164, und vom I B 166/94, BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532, unter II.2.a der Gründe, m.w.N.).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt die Beteiligten auch vor Überraschungsentscheidungen. Eine solche ist gegeben, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 121/06, BFH/NV 2008, 245; vom IV B 187/02, BFH/NV 2004, 1421, und vom VIII B 37/95, BFH/NV 1997, 124). Dabei kann es in besonderen Fällen auch geboten sein, den Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. Allerdings ist dabei zu beachten, dass das Gericht grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet ist. Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss daher ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 86, 133, m.w.N.).
b) Im Streitfall war die Frage, ob Herr J als sog. „verdeckter Mitunternehmer” anzusehen sei (vgl. zum Begriff der verdeckten Mitunternehmerschaft: Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl., § 15 Rz 280 ff., m.w.N.), nach dem Vortrag der Klägerin und ausweislich des Sitzungsprotokolls Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem FG. Es konnte die Klägerin deshalb nicht überraschen, dass sich das FG mit der von ihr geltend gemachten verdeckten Mitunternehmerschaft in seinem Urteil beschäftigte, wenn es insoweit auch nicht zu der von ihr, der Klägerin, für richtig gehaltenen Auffassung gelangte. Weder der Anspruch auf rechtliches Gehör noch § 76 Abs. 2 FGO verpflichten das FG, darauf hinzuweisen, dass es den Sachverhalt anders beurteilt als ein Beteiligter (vgl. BFH-Beschlüsse vom IV B 195/01, BFH/NV 2003, 1437, und vom V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303). Das FG ist grundsätzlich auch nicht verpflichtet, im Voraus seine Rechtsauffassung, seine vorläufige Beweiswürdigung oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung zahlreicher Einzelumstände offenzulegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235, und vom X B 132/02, BFH/NV 2004, 495; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 56, m.w.N.).
Vielmehr musste die sachkundig vertretene Klägerin auch ohne entsprechenden Hinweis des Gerichts damit rechnen, dass das FG ihrer Auffassung, J sei in den Streitjahren als verdeckter Mitunternehmer anzusehen, möglicherweise nicht folgen würde und ihren Vortrag darauf einstellen. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass in dem Betriebsprüfungsbericht vom , auf den die Klägerin —nach ihrem Vortrag im Beschwerdeverfahren— vor dem FG im Wesentlichen Bezug nahm, eine verdeckte Mitunternehmerschaft erstmals für Veranlagungszeiträume ab 1990 angenommen wurde. Demgegenüber war der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) für die Streitjahre (1985 bis 1988) gerade nicht von einer verdeckten Mitunternehmerschaft ausgegangen. Da der vorgenannte Betriebsprüfungsbericht unter Tz. .2 Buchst. d bis f für das Vorliegen einer verdeckten Mitunternehmerschaft im Wesentlichen auf verschiedene tatsächliche Verhältnisse und Vorgänge im Prüfungszeitraum 1990 bis 1992 abstellte, konnte es für die Klägerin nicht überraschend sein, dass das FG ihren in der Beschwerdebegründung geschilderten Vortrag, in den Streitjahren seien die Voraussetzungen einer verdeckten Mitunternehmerschaft genauso erfüllt gewesen, nicht als ausreichend ansah.
Darüber hinaus ist die Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör auch deshalb unschlüssig, weil die Klägerin nicht vorgetragen hat, was sie ohne die von ihr angenommene Gehörsverletzung vor dem FG noch vorgetragen hätte und inwiefern durch ihr —lediglich infolge des angeblichen Verfahrensfehlers unterbliebenes— Vorbringen die Entscheidung auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG anders hätte ausfallen können.
c) Soweit die Klägerin auch in anderen Zusammenhängen eine Überraschungsentscheidung des FG rügt, fehlt es unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Grundsätze ebenfalls an der hinreichenden Darlegung einer Verletzung des Rechts auf Gehör.
2. Die Klägerin hat auch die von ihr geltend gemachten Verstöße gegen die Sachaufklärungspflicht nicht ordnungsgemäß dargelegt.
Eine schlüssige Rüge, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung verstoßen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), erfordert die Darlegung, zu welchen konkreten Tatsachen weitere Ermittlungen geboten waren, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG hätte erheben müssen, wo Tatsachen vorgetragen waren, aus denen sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die zusätzliche Ermittlungsmaßnahme oder Beweiserhebung aller Voraussicht nach gehabt hätte und inwieweit die unterlassene Ermittlungsmaßnahme oder Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Außerdem muss vorgetragen werden, dass der Verstoß in der Vorinstanz gerügt wurde oder weshalb eine derartige Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. aus neuerer Zeit , BFH/NV 2008, 233; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 69, 70, jeweils m.w.N.).
Das Vorbringen der Klägerin wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Klägerin hat zumeist schon keine konkreten Tatsachen bezeichnet, zu denen —nach dem insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Standpunkt des FG— weitere Ermittlungen erforderlich gewesen wären. Im Übrigen hat die Klägerin nicht dargelegt, welches Ergebnis die angeblich erforderlichen zusätzlichen Ermittlungsmaßnahmen voraussichtlich gehabt hätten und inwiefern sie zu einer anderen Entscheidung des FG hätten führen können. Soweit die Klägerin rügt, das FG habe Zeugen nicht vernommen, fehlt es bereits an der Darlegung, dass die —sachkundig vertretene— Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG einen Antrag auf Zeugenvernehmung gestellt oder das Übergehen eines schriftsätzlich bereits gestellten Beweisantrags gerügt hat.
Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weder eine Beweiserhebung beantragt noch die Nichterhebung angebotener Beweise gerügt. Ebenso wenig hat die Klägerin dargelegt, warum eine solche Rüge ggf. nicht möglich gewesen sein sollte. Nach der Sitzungsniederschrift hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin rügelos zur Sache verhandelt und den Klageantrag gestellt. Auf das Rügerecht ist damit wirksam verzichtet worden (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung).
3. Soweit die Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) geltend gemacht wird, fehlt es insbesondere an der erforderlichen substantiierten Darlegung, was die Klägerin ohne eine solche (von ihr angenommene) Verletzung noch Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte.
4. In den von der Klägerin mehrfach gerügten Verstößen gegen Denkgesetze liegt kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Denn die Verletzung von Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen durch das FG ist der Anwendung materiellen Rechts zuzuordnen und damit der Rüge als Verfahrensmangel entzogen (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 144/01, BFH/NV 2002, 1336, und vom II B 31/06, BFH/NV 2007, 972).
Dasselbe gilt, soweit die Klägerin beanstandet, das FG sei „durch eine Reihe verwirrender Äußerungen mit gegensätzlicher Bedeutung und der Hinzufügung alter Tatbestände, die in der letzten mündlichen Verhandlung nicht aufrecht erhalten” worden seien, zu Ergebnissen gelangt, „die einen relativ einfachen Tatbestand völlig verbiegen”. Angeblich fehlerhafte Urteilsbegründungen oder fehlerhafte Sachverhaltswürdigungen sind —wenn sie vorliegen— materiell-rechtliche Fehler und keine Verfahrensfehler (vgl. , BFH/NV 2006, 2270; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 81, jeweils m.w.N.). Auch Fehler im Tatbestand können nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern nur mit dem fristgebundenen Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) geltend gemacht werden (, BFH/NV 2005, 568, m.w.N.).
5. Ein Verfahrensmangel ergibt sich demnach aus den Darlegungen der Klägerin nicht. Vielmehr wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nach Art einer Revisionsbegründung im Wesentlichen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung und gegen die vom FG vorgenommene Einzelfallwürdigung. Damit wird aber kein Revisionszulassungsgrund dargetan (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. , BFH/NV 2006, 234, unter 1.a der Gründe, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 975 Nr. 6
HAAAC-77596