Übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs bei nichtselbständigen Einkünften der Ehefrau als Beamtin; Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Versicherungsbeiträgen in den Veranlagungszeiträumen 1990 und 1997
Leitsatz
1. Bezieht die Ehefrau Einkünfte als Beamtin, der Ehemann aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der den Ehegatten nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG zustehende Vorwegabzug vollständig gekürzt wird (sog. übergreifende Kürzung).
2. Ehegatten haben gegenüber Ledigen eine gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest „eheneutral” auswirkt. Die Kürzungsregelung nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG i. d. F. des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom (BGBl I S. 2310) war eheneutral.
3. Soweit die Verfassungsbeschwerde, eine ungenügende Berücksichtigung von Beiträgen zum Anwaltsversorgungswerk, zu Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungen in den Streitjahren 1990 und 1997 geltend macht, fehlt vor dem Hintergrund des Urteils des BVerfG zur Rentenbesteuerung (BVerfGE 105, 73) und der Neuregelung der Besteuerung der Altersbezüge durch das Alterseinkünftegesetz die hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. und 2 BvR 410/05).
3. Soweit es um die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherungen geht, sind die verfassungsrechtlichen Fragen durch den Beschluss des Zweiten Senats des - geklärt. Danach hat der Gesetzgeber für eine Neuregelung mit Wirkung zum zu sorgen. Vor diesem Hintergrund können keine für die Streitjahre günstigeren Regelungen erreicht werden.
(Leitsätze nicht amtlich)
Gesetze: EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2GG Art. 3 Abs. 1GG Art. 6 Abs. 1
Instanzenzug: KBFH Urteil vom - XI R 17/00, BFHE 201, 437, BStBl II 2003, 650FG Köln Urteil vom - 2 K 8306/98 (Verfahrensverlauf),
Gründe
1. a) Die Beschwerdeführer sind zusammenveranlagte Ehegatten. Sie haben zwei nach § 32 EStG berücksichtigungsfähige Kinder. In den Streitjahren 1990 und 1997 erzielte der Beschwerdeführer als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG, die Beschwerdeführerin als Beamtin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG. Bei der Einkommensteuer machten die Ehegatten Vorsorgeaufwendungen geltend, und zwar unter anderem Beiträge des Ehemanns zum Anwaltsversorgungswerk, Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen sowie Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungsbeiträge. Das Finanzamt begrenzte den Abzug der Vorsorgeaufwendungen der Höhe nach unter Anwendung von § 10 Abs. 3 EStG. Dabei wurde der den Ehegatten gemeinsam zustehende Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG in beiden Streitjahren wegen der hohen Einkünfte der Ehefrau aus nichtselbständiger Arbeit übergreifend gekürzt. Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom - abgewiesen. Die Revision vor dem Bundesfinanzhof war erfolglos ( -, BStBl II 2003, S. 650 = BFHE 201, 437).
b) Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer mehrere Grundrechtsverstöße. Zum einen sei der Beschwerdeführer als selbständiger Rechtsanwalt wegen der betragsmäßigen Relation von maximal steuerfreien Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nr. 62 EStG und Höhe des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
Außerdem verstoße die übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 GG.
c) Zu der Verfassungsbeschwerde hat das Bundesministerium der Finanzen Stellung genommen.
2. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Soweit es insbesondere um Beiträge zum Anwaltsversorgungswerk sowie zu Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungen geht, fehlt der Verfassungsbeschwerde vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Rentenbesteuerung (BVerfGE 105, 73) und der Neuregelung der Besteuerung der Altersbezüge durch das Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz - AltEinkG) vom (BGBl I S. 1427) die hinreichende Aussicht auf Erfolg. Insoweit wird auf den Beschluss des Zweiten Senats des und 2 BvR 410/05 - verwiesen.
b) Soweit es um die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherungen geht, sind die verfassungsrechtlichen Fragen durch den Beschluss des Zweiten Senats des - geklärt. Nach diesem Beschluss, auf dessen Begründung verwiesen wird, liegt die hier im Verfassungsbeschwerdeverfahren allein geltend gemachte Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG wegen einer Ungleichbehandlung im Vergleich mit den nichtselbständig tätigen Steuerpflichtigen nicht vor.
c) Auch soweit die Beschwerdeführer sich gegen die übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs wenden, fehlt ihrer Verfassungsbeschwerde die hinreichende Erfolgsaussicht.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben Ehegatten gegenüber Ledigen eine gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest "eheneutral" auswirkt und wenn die gesetzlichen Vorteile denen zugute kommen, die zu den von der Benachteiligung Betroffenen gehören. Auf dieser Grundlage hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts für frühere Veranlagungszeiträume entschieden, dass die übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 GG verstößt (Beschluss vom - 2 BvR 1400/90 -, HFR 1991, S. 672; vgl. auch BVerfGE 32, 260 <269>; 75, 361 <366 f.>).
bb) Auch die Kürzungsregelung nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom (BGBl I S. 2310) war eheneutral im genannten Sinne. Die hierzu vom Bundesfinanzhof in der angegriffenen Entscheidung gemachten Ausführungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BFH/NV 1998, S. 1466; BFH/NV 2001, S. 773; BFH/NV 2003, S. 1573).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2008 S. 245 Nr. 3
HFR 2008 S. 752 Nr. 7
NJW 2008 S. 2327 Nr. 32
AAAAC-75786